Die verschollene Ferne - Erich Reißig - E-Book

Die verschollene Ferne E-Book

Erich Reißig

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Beschreibung

Eine Anzahl von Gedichten ist in den Jahren entstanden: Notizen, Gedankensplitter, Aufzeichnungen von Reisen, von Landschaften, die ich sah, von Menschen, denen ich begegnete. Eine Art Tagebuch aus vergangener Zeit ist daraus geworden.

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Inhaltsverzeichnis

Altvater

Tartu

Georg Britting

Lemberg 1

Lemberg 2

Viivi Luik

Estland

Estland 2

H-G. H

Uli K.

C. M.

C.M.2

Die Dinge gehen so

Reiterheere Burgen Schlachten

Lancut

K.

Janus

R.M.

G.H.

Russische Ballade

Der Lauf der Zehnkämpfer

L.

Der Hügel des Chassidim in Uman

Die Eisblumen auf deinem Gesicht

Der Spaziergang im Wald

Was Freundschaft ist

Auch wieder ein Tag

Verse Geschichten

Waag

Nach der Arbeit an dem Bild der Welt

Vor den Augen der Nacht

Schlattner

Ein Tag fällt zur Nacht

Am Abend vor dem Spiel

Osama bin Laden

Rock Song

Altvater

Das Licht fällt aus der Nacht

Und tausend Männer schreien.

Der Vater sieht zum Wetter hin

Die Linde steht am Weiher.

Die Elster huscht von Ast zu Ast

Ein Mönch zieht aus zum Beten.

Drei Mütter taumeln in den Tag

Schauen ihren Söhnen nach.

Ein Leutnant sagt

Es ist vollbracht.

Die Spüle glänzt im Morgenlicht

Verwittert blass im Zimmer.

Tartu

Das blaue Rechteck der Nacht

Im Blick deines Wahns.

Lippen aus Fieber

Und Wangen aus

Bleikristall.

Was soll das?

Fragst du und

Willst doch bloß

Zustimmung hören

Ein Zug

als donnerndes Band

Am grauen Rand

falscher Ferne

Ich gehe

nie wieder

Zur Kirche.

Dort.

Hier.

Eine Schwalbe

Auf

dem Draht

deiner Augen

Im blauen

Rechteck

der Nacht

6.4.00

Everything goes.

Einen Krieg

Wollte er nicht

mehr mitmachen.

Soviel war klar.

Und es schien auch

Zu klappen,

bis dann die Grauhemden

an die Macht kamen

und die erste beste Gelegenheit

beim Schopfe packten.

Da saß er nun.

Nicht fern

In der Türkei,

wo die Völker

aufeinanderschlagen,

sondern mittendrin.

Hier.

Vom Flugplatz

kaum

Fünfzig Kilometer entfernt

Hoben die Bomber ab

Vom schlafenden Land.

Nacht für Nacht

Rauschten sie

An dem vorbei,

was bis dahin

Sterne waren.

Nicht für Chiffren und Zeichen

In einem Cyperspiel.

Zu noch lebenden Menschen

Trugen sie ihre Fracht.

Everything goes.

Alles geht.

1.5.00

Georg Britting

Die grüne Kälte

Deiner Gnade,

mit der du

die Zettel

dem Wasser übergabst.

Woher wusstest

Du,

dass keiner

sie vermisst,

kaum,

dass sie

davongezogen

zum

verschreckten Meer

1.5.00

Lemberg 1

Die heulende Frau

am Fenster

der Mann

mit den traurigen

Augen.

Eine Flasche

auf dem Tisch

Gläser Wodka

Und Orangensaft

Graublau

Der Hügel

hinter

Den Scheiben.

Regen

und

Radiomusik.

Ein Tag

Zieht leise

Zur Nacht.

Einzelne Laute,

die ich

verstehe

eigentlich

die ganze

Geschichte.

10.5.00

Lemberg 2

Die Kids

Ähneln einander

Auf dem blauen

Planeten,

Mit ihren Hosen,

Den Shirts,

Den Rucksäcken,

Die sie geduldig

Schleppen.

Ihren Gesten,

Die sie nicht lernen

Müssen.

Nicht

Leugnen wollen.

In welchen

Krieg

Werden

Sie einst

Einander

Gegenüberstehen,

Nachdem ihre Väter

Schon wieder

Die Welt

Verraten haben

Und die Mütter

Wieder einmal

Und wieder zu viel

Geduld beweisen?

12.5.00

Jaan Kaplinski

Der Dichter

Mit dem streng

Gebundenen

Haar.

Versonnen

Sagt er,

dass er

Erkennen

suche.

Leise,

voller Verwundern

über seine nun

fast 60 Lebensjahre.

Die vielen Wege,

die er ging.

Dinge, die er sah.

Frauen,

denen er begegnete.

Eigentlich

Habe die

Suche jüngst

Erst begonnen.

29.5.00

Viivi Luik

Leise

Verwundert

Trotzig empört

Betrachtet sie

Die Orte

Der Kindheit.

Das Licht

Und den weiten Himmel

Des Nordens.

Leer ist alles.

Leblos in Stich

Gelassen.

Jeder weiß

Vergangenes

Und trägt es

Ihr zu.

Keiner, der

Sie berührt.

6.6.00

Estland

Birken

Am Weg

Zum leeren Haus.

Tote Augen

Über freiem Grün.

Ein Feldsteinsockel

Stützt

Morsches Holz.

Graue

Schindeln klemmen

Im Wind.

Eckig huscht

Eine Elster über den

Traurigen

Hof.

8.6.00

Estland 2

Der ungeheure

Verfall

Im gleichgültig

Verrinnenden

Tag.

Und das Geld

Aus dem Westen.

Die Autos

Von dort,

die Computer,

die Träume

von immerwährender

Zufriedenheit.

Ich gehe im Juli

Nach Spanien.

Arbeiten.

Ein paar Monate.

Ein Jahr

Vielleicht

Für immer

9.6.00

Die Nacht der

Generäle

Mit dem

Blauen Visier

Im schnittigen

Panzer

Auf staubigen Wegen

Am Rande

Der Welt.

Behütet vom Glanz

Ihrer Eitelkeit

Und den stolzen

Gedanken

Der Frauen

Daheim

18.6.00

Vor den Augen

Der Frauen

flanieren die Töchter

über den blass gelben Markt.

Sie sind stolz

Auf die Röcke

Die Blusen

Die Ketten und Reife

Die sie ihnen ließen.

Sie denken an

Die Männer

Und ihren bedenkenlosen

Griff.

Das Glied einer Kette.

Zeit.

Die Qualen am Herd

Der Schlaf

Aufschrecken

So oft in der Nacht

Wie leicht sie

Gehen

Noch voller Traum

und Hoffnung

Wie gelöst ihr

Lachen ist

Auf diesem

Graugelben Platz.

Verstrich

Den Männern

dieser Augenblick.

19.7.00

Wir gehen durch

Diese nachtdunkle Stadt

Am Rande des Winters

Die Nase läuft

Der Fuß schmerzt

von dem Pflaster

Die Kinder laufen und plappern froh,

dass sie einander ein paar Stunden lang

sehen

bevor wieder die Schule

beginnt,

das Studium,

ich Interviews machen werde

Geschichten zu erlauschen

Aus dieser

Dusteren Zeit.

6.1.01 Berlin

Die freche Frage

Welche Familie

Machte mir klar

Dass ich nicht

Der Einzige bin

Der einen Verlust erlitt

7.1.

H-G. H

Nach

so vielen Jahren

Die Stimme

am Telefon.

Schmeichelnd,

freundlich weich

versucht

Er mir eine Aufgabe zu

Übertragen.

Die Freude am einstigen

Raum.

Der Versuch zu fragen

Zerschellt

An der Beharrlichkeit.

Ich rede nicht weiter.

Höre zu.

Ich erkenne deine Stimme nicht.

Du warst schon immer so.

Was liest du denn überhaupt?

So geht es dahin.

Verwundert horche ich

Nach alter Vertrautheit und alter Angst.

Finde sie nicht.

Habe Platz genommen.

Lese Nottebooms

Buch über Berlin und

Die Bilder,

Die andere übersehen.

Es gefällt mir gut.

16.2.01

Wenn die großen

Probleme der Politik

Der Wirtschaft

Und der Philosophie

Ausweglos scheinen

Fällt mir die

Englandreise ein

und

Der wundervoll

Glückliche Satz

Meiner Tochter

Ich bin auf dem Meer.

25.2.01

Durchs Fenster

Der Blick auf den

Leeren Hof.

Hinter den Häusern

Die Stadt.

Hinter den Scheiben

Geschäftigkeit.

Im Radio höre ich

Dass der Verkehr

Sich staut.

Ich kehre zum Tisch

Zurück und

Trinke die Tasse leer.

Nach oben gehen

Zum blauen Licht

Des Tages.

3.5.01

Von den Bergen

Melden sie Schnee.

Stau auf den

Autobahnen.

Bedeckter Himmel.

Samstagsstille in der Stadt.

Die Post bringt

Geld.

Am Stück

ein

Paar Worte.

Vielleicht

Kommen am Abend

Einige Zeilen

hinzu.

Uli K.

Eine weiße Hose

Das weiße Hemd

Bedächtig geht er

In diesen ebenerdigen

Raum.

Eine Matratze

Auf dem Boden.

Ein Vogelkäfig.

Schachteln, Stifte und Messer.

Pinsel auf dem Regal.

Fotoapparate.

Eine Erbswurstlampe.

Sehr schön.

Dean Martins Stimme.

Rau und weich.

Stuhle,

die ich kenne.

Ein Bild auf einer Staffelei.

Verwundert nehme ich wahr,

dass er alt geworden ist.

Immer noch voll von Geschichten,

die ich nicht stoppen kann,

also höre ich zu.

Die Angst vor dem Verstummen.

Damals kannte ich sie nicht.

Wo ist das Wort?

Das Wort ist fort.

Jetzt spiele ich ein Lied

Aus deiner Jugendzeit.

Das hörte ich mal.

Der Gedanke,

dass ich wohl deshalb

all die Cassetten

gekauft und ins Regal gestellt.

Am Morgen bin ich aufgewacht

Nach schwarzem Guinness

Und dachte

Huch Ricarda Huch.

Gegen die Wucht der Tage

Herausgeholt

Aus dem Nichts.

Vielleicht ist es

Tatsächlich

Kein übler Film.

13.5.

C. M.

Der alte Mann

Mit dem Stock

Und dem schmalen Mund.

Die junge Frau

An seiner Seite.

I am the American wife.

Kichernd

zieht er seine Bahn.

Auf alten Spuren

Der Kindheit.

Er ruht ein paar

Stunden

Beschützt und bewacht von ihr

Von der die Kenner und Freunde

einmal sagen werden

Dass sie seine Biografie verfälscht.

Abends trinkt er

Einen Schnaps.

Ich denke ich mache das jetzt

Jeden Tag.

Er bekommt mir.

Dann hält er

Ein Buch vor die müden Augen

Und formuliert

Augenzwinkernd

Einen bösen Satz.

Der alte Dichter.

16.5.01

Du

mit dem

Feuerroten Haar

In der Gasse

Aus Licht.

Scheinwerfer gleiten

Drüben entlang.

Du schüttelst herrisch

Den Kopf.

Aber wir doch nicht.

Ich weiß

draußen lagern Soldaten.

Unbekümmert

an ihre Panzer gelehnt

gleiten ihre Hände sichernd

Zum Gurt.

Dumpfe Trommeln

Hör endlich mal!

Und siehst du es nicht?

Eine Amsel reckt

Ihren Hals aus der Luke

vom Gartenhaus.

Zeig mir die

Ferne,

den Süden,

das Meer.

Nördliche Himmel

Und

Wolken

Aus Wasser und Eis,

Gleich hinter deiner

Straße

Im

Roten Glanz

Deines Haars.

16.5.01

C.M.2

Mit strenger

Spöttischer Miene