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Eine Anzahl von Gedichten ist in den Jahren entstanden: Notizen, Gedankensplitter, Aufzeichnungen von Reisen, von Landschaften, die ich sah, von Menschen, denen ich begegnete. Eine Art Tagebuch aus vergangener Zeit ist daraus geworden.
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Seitenzahl: 68
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Altvater
Tartu
Georg Britting
Lemberg 1
Lemberg 2
Viivi Luik
Estland
Estland 2
H-G. H
Uli K.
C. M.
C.M.2
Die Dinge gehen so
Reiterheere Burgen Schlachten
Lancut
K.
Janus
R.M.
G.H.
Russische Ballade
Der Lauf der Zehnkämpfer
L.
Der Hügel des Chassidim in Uman
Die Eisblumen auf deinem Gesicht
Der Spaziergang im Wald
Was Freundschaft ist
Auch wieder ein Tag
Verse Geschichten
Waag
Nach der Arbeit an dem Bild der Welt
Vor den Augen der Nacht
Schlattner
Ein Tag fällt zur Nacht
Am Abend vor dem Spiel
Osama bin Laden
Rock Song
Altvater
Das Licht fällt aus der Nacht
Und tausend Männer schreien.
Der Vater sieht zum Wetter hin
Die Linde steht am Weiher.
Die Elster huscht von Ast zu Ast
Ein Mönch zieht aus zum Beten.
Drei Mütter taumeln in den Tag
Schauen ihren Söhnen nach.
Ein Leutnant sagt
Es ist vollbracht.
Die Spüle glänzt im Morgenlicht
Verwittert blass im Zimmer.
Tartu
Das blaue Rechteck der Nacht
Im Blick deines Wahns.
Lippen aus Fieber
Und Wangen aus
Bleikristall.
Was soll das?
Fragst du und
Willst doch bloß
Zustimmung hören
Ein Zug
als donnerndes Band
Am grauen Rand
falscher Ferne
Ich gehe
nie wieder
Zur Kirche.
Dort.
Hier.
Eine Schwalbe
Auf
dem Draht
deiner Augen
Im blauen
Rechteck
der Nacht
6.4.00
Everything goes.
Einen Krieg
Wollte er nicht
mehr mitmachen.
Soviel war klar.
Und es schien auch
Zu klappen,
bis dann die Grauhemden
an die Macht kamen
und die erste beste Gelegenheit
beim Schopfe packten.
Da saß er nun.
Nicht fern
In der Türkei,
wo die Völker
aufeinanderschlagen,
sondern mittendrin.
Hier.
Vom Flugplatz
kaum
Fünfzig Kilometer entfernt
Hoben die Bomber ab
Vom schlafenden Land.
Nacht für Nacht
Rauschten sie
An dem vorbei,
was bis dahin
Sterne waren.
Nicht für Chiffren und Zeichen
In einem Cyperspiel.
Zu noch lebenden Menschen
Trugen sie ihre Fracht.
Everything goes.
Alles geht.
1.5.00
Georg Britting
Die grüne Kälte
Deiner Gnade,
mit der du
die Zettel
dem Wasser übergabst.
Woher wusstest
Du,
dass keiner
sie vermisst,
kaum,
dass sie
davongezogen
zum
verschreckten Meer
1.5.00
Lemberg 1
Die heulende Frau
am Fenster
der Mann
mit den traurigen
Augen.
Eine Flasche
auf dem Tisch
Gläser Wodka
Und Orangensaft
Graublau
Der Hügel
hinter
Den Scheiben.
Regen
und
Radiomusik.
Ein Tag
Zieht leise
Zur Nacht.
Einzelne Laute,
die ich
verstehe
eigentlich
die ganze
Geschichte.
10.5.00
Lemberg 2
Die Kids
Ähneln einander
Auf dem blauen
Planeten,
Mit ihren Hosen,
Den Shirts,
Den Rucksäcken,
Die sie geduldig
Schleppen.
Ihren Gesten,
Die sie nicht lernen
Müssen.
Nicht
Leugnen wollen.
In welchen
Krieg
Werden
Sie einst
Einander
Gegenüberstehen,
Nachdem ihre Väter
Schon wieder
Die Welt
Verraten haben
Und die Mütter
Wieder einmal
Und wieder zu viel
Geduld beweisen?
12.5.00
Jaan Kaplinski
Der Dichter
Mit dem streng
Gebundenen
Haar.
Versonnen
Sagt er,
dass er
Erkennen
suche.
Leise,
voller Verwundern
über seine nun
fast 60 Lebensjahre.
Die vielen Wege,
die er ging.
Dinge, die er sah.
Frauen,
denen er begegnete.
Eigentlich
Habe die
Suche jüngst
Erst begonnen.
29.5.00
Viivi Luik
Leise
Verwundert
Trotzig empört
Betrachtet sie
Die Orte
Der Kindheit.
Das Licht
Und den weiten Himmel
Des Nordens.
Leer ist alles.
Leblos in Stich
Gelassen.
Jeder weiß
Vergangenes
Und trägt es
Ihr zu.
Keiner, der
Sie berührt.
6.6.00
Estland
Birken
Am Weg
Zum leeren Haus.
Tote Augen
Über freiem Grün.
Ein Feldsteinsockel
Stützt
Morsches Holz.
Graue
Schindeln klemmen
Im Wind.
Eckig huscht
Eine Elster über den
Traurigen
Hof.
8.6.00
Estland 2
Der ungeheure
Verfall
Im gleichgültig
Verrinnenden
Tag.
Und das Geld
Aus dem Westen.
Die Autos
Von dort,
die Computer,
die Träume
von immerwährender
Zufriedenheit.
Ich gehe im Juli
Nach Spanien.
Arbeiten.
Ein paar Monate.
Ein Jahr
Vielleicht
Für immer
9.6.00
Die Nacht der
Generäle
Mit dem
Blauen Visier
Im schnittigen
Panzer
Auf staubigen Wegen
Am Rande
Der Welt.
Behütet vom Glanz
Ihrer Eitelkeit
Und den stolzen
Gedanken
Der Frauen
Daheim
18.6.00
Vor den Augen
Der Frauen
flanieren die Töchter
über den blass gelben Markt.
Sie sind stolz
Auf die Röcke
Die Blusen
Die Ketten und Reife
Die sie ihnen ließen.
Sie denken an
Die Männer
Und ihren bedenkenlosen
Griff.
Das Glied einer Kette.
Zeit.
Die Qualen am Herd
Der Schlaf
Aufschrecken
So oft in der Nacht
Wie leicht sie
Gehen
Noch voller Traum
und Hoffnung
Wie gelöst ihr
Lachen ist
Auf diesem
Graugelben Platz.
Verstrich
Den Männern
dieser Augenblick.
19.7.00
Wir gehen durch
Diese nachtdunkle Stadt
Am Rande des Winters
Die Nase läuft
Der Fuß schmerzt
von dem Pflaster
Die Kinder laufen und plappern froh,
dass sie einander ein paar Stunden lang
sehen
bevor wieder die Schule
beginnt,
das Studium,
ich Interviews machen werde
Geschichten zu erlauschen
Aus dieser
Dusteren Zeit.
6.1.01 Berlin
Die freche Frage
Welche Familie
Machte mir klar
Dass ich nicht
Der Einzige bin
Der einen Verlust erlitt
7.1.
H-G. H
Nach
so vielen Jahren
Die Stimme
am Telefon.
Schmeichelnd,
freundlich weich
versucht
Er mir eine Aufgabe zu
Übertragen.
Die Freude am einstigen
Raum.
Der Versuch zu fragen
Zerschellt
An der Beharrlichkeit.
Ich rede nicht weiter.
Höre zu.
Ich erkenne deine Stimme nicht.
Du warst schon immer so.
Was liest du denn überhaupt?
So geht es dahin.
Verwundert horche ich
Nach alter Vertrautheit und alter Angst.
Finde sie nicht.
Habe Platz genommen.
Lese Nottebooms
Buch über Berlin und
Die Bilder,
Die andere übersehen.
Es gefällt mir gut.
16.2.01
Wenn die großen
Probleme der Politik
Der Wirtschaft
Und der Philosophie
Ausweglos scheinen
Fällt mir die
Englandreise ein
und
Der wundervoll
Glückliche Satz
Meiner Tochter
Ich bin auf dem Meer.
25.2.01
Durchs Fenster
Der Blick auf den
Leeren Hof.
Hinter den Häusern
Die Stadt.
Hinter den Scheiben
Geschäftigkeit.
Im Radio höre ich
Dass der Verkehr
Sich staut.
Ich kehre zum Tisch
Zurück und
Trinke die Tasse leer.
Nach oben gehen
Zum blauen Licht
Des Tages.
3.5.01
Von den Bergen
Melden sie Schnee.
Stau auf den
Autobahnen.
Bedeckter Himmel.
Samstagsstille in der Stadt.
Die Post bringt
Geld.
Am Stück
ein
Paar Worte.
Vielleicht
Kommen am Abend
Einige Zeilen
hinzu.
Uli K.
Eine weiße Hose
Das weiße Hemd
Bedächtig geht er
In diesen ebenerdigen
Raum.
Eine Matratze
Auf dem Boden.
Ein Vogelkäfig.
Schachteln, Stifte und Messer.
Pinsel auf dem Regal.
Fotoapparate.
Eine Erbswurstlampe.
Sehr schön.
Dean Martins Stimme.
Rau und weich.
Stuhle,
die ich kenne.
Ein Bild auf einer Staffelei.
Verwundert nehme ich wahr,
dass er alt geworden ist.
Immer noch voll von Geschichten,
die ich nicht stoppen kann,
also höre ich zu.
Die Angst vor dem Verstummen.
Damals kannte ich sie nicht.
Wo ist das Wort?
Das Wort ist fort.
Jetzt spiele ich ein Lied
Aus deiner Jugendzeit.
Das hörte ich mal.
Der Gedanke,
dass ich wohl deshalb
all die Cassetten
gekauft und ins Regal gestellt.
Am Morgen bin ich aufgewacht
Nach schwarzem Guinness
Und dachte
Huch Ricarda Huch.
Gegen die Wucht der Tage
Herausgeholt
Aus dem Nichts.
Vielleicht ist es
Tatsächlich
Kein übler Film.
13.5.
C. M.
Der alte Mann
Mit dem Stock
Und dem schmalen Mund.
Die junge Frau
An seiner Seite.
I am the American wife.
Kichernd
zieht er seine Bahn.
Auf alten Spuren
Der Kindheit.
Er ruht ein paar
Stunden
Beschützt und bewacht von ihr
Von der die Kenner und Freunde
einmal sagen werden
Dass sie seine Biografie verfälscht.
Abends trinkt er
Einen Schnaps.
Ich denke ich mache das jetzt
Jeden Tag.
Er bekommt mir.
Dann hält er
Ein Buch vor die müden Augen
Und formuliert
Augenzwinkernd
Einen bösen Satz.
Der alte Dichter.
16.5.01
Du
mit dem
Feuerroten Haar
In der Gasse
Aus Licht.
Scheinwerfer gleiten
Drüben entlang.
Du schüttelst herrisch
Den Kopf.
Aber wir doch nicht.
Ich weiß
draußen lagern Soldaten.
Unbekümmert
an ihre Panzer gelehnt
gleiten ihre Hände sichernd
Zum Gurt.
Dumpfe Trommeln
Hör endlich mal!
Und siehst du es nicht?
Eine Amsel reckt
Ihren Hals aus der Luke
vom Gartenhaus.
Zeig mir die
Ferne,
den Süden,
das Meer.
Nördliche Himmel
Und
Wolken
Aus Wasser und Eis,
Gleich hinter deiner
Straße
Im
Roten Glanz
Deines Haars.
16.5.01
C.M.2
Mit strenger
Spöttischer Miene