Dieses Gestöber aus Licht - Erich Reißig - E-Book

Dieses Gestöber aus Licht E-Book

Erich Reißig

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Beschreibung

Ein neues Jahrhundert. Jahrtausend sogar. Munter dreht alles sich im Reigen. Vier Personen unterhalten sich: über den Alltag, das Leben. Über die Liebe und Politik.

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Inhaltsverzeichnis

Reigen 2005: Die Schlangengrube

Reigen 2010: Dieses Gestöber aus Licht

Reigen 2005 Die Schlangengrube

Personen: Stefan Olga Franz Mathilde

Zeit; Nach der Jahrtausendwende

Stefan:

Eintausendeinhundertfünf, Eintausendeinhundertsechs...

Olga:

Zählst du wieder?

Stefan:

Allein der Mensch, der Geld zählen kann, hat Leben.

Eintausendeinhundertsieben, Eintausendeinhundertacht...

Olga:

Einen Teil davon sollten wir anlegen, meinst du nicht?

Stefan:

Bist du wahnsinnig!

Geld legt man nicht an.

Geld, das arbeitet, wird müde, wie der Mensch.

Mein Geld bleibt daheim.

Olga:

Unser Geld.

Stefan:

So lange ich lebe, ist es meins und wird nicht angerührt.

Olga:

Wo wäre der Sinn von Geld, wenn man es nicht ausgeben würde.

Stefan:

Geld hat keinen Sinn.

Es hat einen Wert.

Olga:

Das verstehe ich nicht.

Stefan:

Das ist mir klar.

Olga:

Du liebst das Geld mehr als mich.

Stefan:

Stärker.

Olga:

Was stärker?

Stefan:

Es heißt: du liebst das Geld stärker als mich.

Olga:

So ein Quatsch!

Stefan:

Leute, die kein Geld haben, können nicht vernünftig über Geld

reden.

Olga:

Wenn ich dein Geld mehr lieben würde als dich, hätte ich dich dann geheiratet?

Ich hätte es dir weggenommen und basta.

Stefan:

Stärker.

Olga:

So habe ich dich und das Geld.

Stefan:

Das Geld hast du nicht.

Olga:

Hab ich doch.

Das wäre ja noch schöner.

In der Ehe wird alles geteilt.

Zumindest die Hälfte gehört mir.

Stefan:

Geld teilt man nicht, man vermehrt es.

Weil die meisten das nicht verstehen, deswegen gehen sie zugrunde.

Olga:

Na sowas.

Zugrunde geht der Mensch, der ohne Liebe lebt.

Stefan:

Die meisten gehen am Geld zugrunde.

Olga:

Das ist hart.

Stefan:

Die Erfahrung macht hart.

Olga:

Aber du liebst mich?

Stefan:

Ich...

Olga:

Sag, daß du mich liebst

Stefan:

Ich...

Olga:

Beim Geldzählen bist du schneller

Stefan:

Ich..

Olga:

Und sprachgewandter.

Du denkst nur an dich.

Stefan:

Was...

Olga:

Was ist was?

Du brauchst doch nur zu sagen, ich liebe dich.

Fällt dir das so schwer?

Stefan:

Ich...

Olga:

Du machst mich irre mit deinem Ich.

Stefan:

Du...

Olga:

Jetzt soll ich schuld sein?

Stefan:

Tragen.

Olga:

Was tragen?

Stefan:

Schuld tragen

Olga:

Ich trage keine Schuld.

Ich trage Kleider.

Stefan:

Blödsinn.

Olga:

Wieso?

Soll ich mich ausziehen?

Stefan:

Du verstehst mich nicht.

Olga:

Du meinst, wer kein Geld hat, hat selber Schuld?

Stefan:

Gehabt hat

Olga:

Na meinetwegen gehabt hat.

Stefan:

Was gehabt hat?

Olga:

Na Geld gehabt hat, davon reden wir doch.

Stefan:

Geld ist das Blut der Welt.

Olga:

Wenn es weg ist, ist es nimmer.

Stefan:

Geld ist immer.

Olga:

Na wirklich?

Also glaub mal.

Denk an den Euro, da ist schon der Name zum Erbrechen.

Stefan:

Auch der wird werden.

Olga:

Leicht gesagt.

Und dann noch Cent.

Jetzt haben wir grad die Rechtschreibreform gehabt und sollen Cent mit C schreiben.

Jeder vernünftige Mensch würde es doch mit Z schreiben.

Das ist doch alles komplett bescheuert.

Stefan:

Das sagst du.

Olga:

Einer muß es ja sagen.

Wir sollten Aktien kaufen, Fonds.

Stefan:

Einen Teufel werd ich.

Olga:

Alle machen es.

Stefan:

Ich nicht, ich behalte mein Geld.

Olga:

Es wird nicht mehr, wenn du es wieder und wieder zählst.

Stefan:

Aber ich weiß genau, wieviel ich besitze.

Olga:

Wieviel?

Stefan:

Dreihundertsechszehntausend genau.

Münzen nicht gerechnet.

Olga:

Dreihundertsechszehn nur?

Stefan:

Ich habe Zigaretten gekauft gestern.

Die Räuber verlangen immer mehr für eine Packung.

Olga:

Von den Zinsen...?

Stefan:

Ich will keine Zinsen.

Ich will die Scheine fühlen, riechen, betasten, sie zerknittern, glattstreichen.

Kein Zinssatz bereitet mir solch ein Vergnügen.

Die verdummen die Menschen mit ihren Zinsen.

Zinsen. Pah!

Olga:

Andere lieben Zinsen.

Stefan:

Ich nicht, ich liebe mein Geld.

Olga:

Aber die Liebe....

Stefan:

Warum fängst du jetzt von der Liebe an?

Olga:

Liebe ist schön.

Ich rede gern über die Liebe.

Stefan:

Wer über die Liebe redet, hat keine Liebe

Olga:

Wieviel gibst du mir für meine Liebe?

Stefan:

Liebe ist kein Handelsobjekt.

Olga:

Alles worüber der Mensch verfügt, ist Handelsobjekt.

Stefan:

Der Mensch verfügt nicht über die Liebe.

Olga:

Geld läßt die Menschen auch nicht glücklicher werden.

Stefan:

Mich schon.

Olga:

Schau ich von meinem Fenster über das Pflaster zum Markt, dann höre ich die Rufe der Betrunkenen und ahne, daß es noch vieles gibt, das ich nicht weiß.

Stefan:

Geld hält alles zusammen.

Olga:

Ich fürchte mich.

Stefan:

Dreihunderttausend und du fürchtest dich?

Warum?

Olga:

Der graue Gast streicht um unser Haus.

Stefan:

Von wem redest du?

Olga:

Nachts höre ich sein Rufen.

Stefan:

Nachts schlafe ich.

Olga:

Ich sehe die Fliegen die Laterne umkreisen.

Weiß steht ihr Glas im Schwarz.

Von unheimlicher Macht dort angebracht.

Stefan:

Arbeiter haben die Laterne aufgestellt und die Leitungen gelegt.

Und ein Kraftwerk liefert den Strom.

Das ist alles.

Olga:

Wenn ich im Nachtkleid hinüberschaue, wird sie zum Gebilde an sich.

Stefan:

Es gibt kein Ding an sich.

Alles hat eine Ursache.

Olga:

Das willst du so haben, weil nichts anders sein darf, als deinesgleichen die Welt versteht.

Aber es ist.

Stefan:

Nichts ist, was ich nicht will, daß es sei.

Ich bin ein Verräter an der Welt, an ihren Zuständen.

Ich schaffe mir die Mittel ihnen zu entkommen.

Mein Geld und meine Wendigkeit.

Mich hält kein Ort.

Ich kenne kein Haus, keine Stadt und kein Vaterland.

Olga:

Arm bist du, o Mensch!

Stefan:

Ich bin einem Bettler gleich.

Bettler sind frei.

Sie bindet nichts.

Olga:

Dich bindet dein Geld, das du in der Schublade versteckst.

Stefan:

Das Geld macht mich frei.

Olga:

Du brauchst es.

Stefan:

Ich habe es erworben, fasse es und zähle es.

Olga:

Gib es mir, dann bist du frei.

Stefan:

Deine Zeit ist noch nicht.

Olga:

Es ist unser beider Zeit.

Stefan:

Dann begnüge dich, daß ich es habe.

Du entbehrt nichts.

Noch nicht einmal das, was du an mir Unfreiheit nennst.

Olga:

Ich liebe dich.

Stefan:

Sei zufrieden, daß du alles hast, was du brauchst.

Olga:

Ängstige ich mich deswegen so?

Stefan:

Ängstigt sich der Regen, wenn er auf die Erde fällt?

Olga:

Sie brauchen einander, damit Leben ist.

Stefan:

So leben auch wir.

Olga:

Wenn du das Leben nennst.

Stefan:

Was fällt dir besseres ein?

Olga:

Wir sitzen im Haus herum, reden, schweigen, essen, schauen fern und legen uns ins Bett.

Tagaus, tagein.

Die ewige Wiederkehr

Stefan:

Auch andere erleben nicht mehr.

Olga:

Volker ist aus dem Haus.

Selten ruft er uns an.

Stefan:

Kinder laufen fort.

Olga:

Dafür habe ich ihn nicht großgezogen, daß er mich jetzt alleine läßt.

Stefan:

Wenn du ihn wirklich brauchen wirst, wird er zur Stelle sein.

Olga:

Er denkt nur an sich.

Stefan:

Er muß an sich denken.

Es führt sein eigenes Leben.

Olga:

Aber ich liebe ihn.

Er ist mein Sohn.

Stefan:

Er liebt dich auch.

Deswegen musste er gehen.

Olga:

Auch du bist nicht hier.

Stefan:

Ich sitze neben dir.

Olga:

Und zählst dein Geld.

Stefan:

Ich zähle mein Geld.

Olga:

Ist das alles, was uns vom Leben blieb?

Stefan:

Da Leben gibt, was man sich nimmt.

Olga: