Die wandelbare Frau oder Das Glück kommt nie zu spät - Sylvia M. Hofmann - E-Book

Die wandelbare Frau oder Das Glück kommt nie zu spät E-Book

Sylvia M. Hofmann

0,0
5,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Eine bürgerliche Idylle zerbricht. Friederike hat alles was sich eine Frau in den besten Jahren wünschen kann: Fast erwachsene Kinder, einen Karrieremann, ein gepflegtes Eigenheim. Doch sie fühlt sich als Ehefrau unverstanden und benutzt. Eines Tages bestätigt sich ein Verdacht: Ihr geliebter Supermann geht fremd. Alles aufgeben oder Augen zu und durch? Wie sie mit der Situation umgeht, sich nach einigen Verstrickungen alles zum Guten wendet, sie als gereifte Persönlichkeit und selbständige Frau hervorgeht und das Glück ihres Lebens findet, das wird hier in spannender und einfühlsamer Weise erzählt. Eigenarten der Charaktere werden deutlich herausgestellt. Die Autorin setzt sich mit aktuellen Problemen unserer Zeit auseinander: Einsamkeit trotz Partnerschaft, Eheprobleme, Verlustängste, Abnabelung erwachsener Kinder, beruflicher Wiedereinstieg, Hausfrauen-Depression und Angst vor Brustkrebs werden angesprochen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 210

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Titelseite

Impressum

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Sylvia M. Hofmann

Die wandelbare Frau oder Das Glück kommt nie zu spät

Engelsdorfer Verlag 2011

Bibliografische Information durch Die Deutsche Bibliothek: Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

www.diewandelbarefrau.de

Copyright (2011) Engelsdorfer Verlag

Alle Rechte beim Autor

Coverfoto © wacker – FOTOLIA

www.engelsdorfer-verlag.de

eISBN: 978-3-86901-292-6

Mögliche Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

1

Wenn ER nur endlich nach Hause käme! Das Essen kann nicht noch länger warm gehalten werden. Manchmal hat er auch angerufen, wenn es später als gewohnt wurde. Aber in letzter Zeit wird er immer nachlässiger. Wie lange soll ich denn noch warten? Gerade heute, wo ich doch noch mit Sybille einkaufen gehen will. Und er weiß das! Aber das kümmert ihn nicht! Um die Ohren werde ich ihm den Topf werfen, dann kann er zwar noch den Duft riechen, aber zu essen hat er nichts mehr. Ja, so sollte man es tatsächlich machen mit den Männern. Zu sehr verwöhnt habe ich Ihn. Warum soll er sich sein Essen nicht künftig selbst bereiten?, denkt Friederike. Ich werde jetzt gehen, basta! Sie nimmt ihren Mantel und verlässt das Haus.

Sybille, ihre Freundin, wartet schon im Cafe Schön an der Panoramastraße, wo sich die beiden Frauen immer treffen und eine Tasse Kaffee miteinander trinken, bevor sie zum Einkaufsbummel starten. „Du siehst heute wieder aus, als wenn Dir eine Laus über die Leber gelaufen wäre“, empfing Sybille ihre Freundin Friederike. „Aber nicht nur eine Laus – vergessen wir das und freuen uns auf einen schönen Nachmittag.“

„Du hast Recht. Sicher hat es wieder Probleme mit Deinem Bernhard gegeben? Ich will gar nicht fragen, sonst können wir gleich hier sitzen bleiben und darüber reden. Es kommt eh nichts dabei raus – weil wir die Männer nicht ändern! Egoistisch sind sie und, wenn wir Frauen mal was vorhaben, dann haben sie das total vergessen.“

„Hör auf, ich will es nicht mehr hören! Es geht mir schon so auf den Wecker, immer das gleiche Lied.“ Friederike und Sybille schicken sich an, das Cafe Schön zu verlassen.

Gegen 20 Uhr ist Friederike wieder zu Hause. Gelöst wirkt sie, trotz des anstrengenden Einkaufsbummels durch die Läden der Fußgängerzone. Sie stellt zwei große Plastiktüten mit einer bunten Aufschrift neben die schwere Eichenkommode im Flur und ruft nach Bernhard. Wo steckt er denn wieder? Sie ruft nur einmal. Vielleicht sollte sie ihn lieber mit dem neuen Kostüm überraschen? Es einfach anziehen und dann nach ihm schauen. Leicht beschwingt läuft Friederike ins Schlafzimmer, wo sie ihren weißen Pulli und die schwarze lange Wollhose auf ihr Bett wirft und schnell in das soeben erworbene leichte Frühjahrskostüm schlüpft. Auch ein passendes Top hat sie mit der Beratung ihrer Freundin erworben. Eilig schließt sie auch noch die untersten weißen Kugel-Knöpfchen. Passt prima zusammen! Zufrieden steht sie vor dem breiten Spiegelschrank und begutachtet nochmals die neu erworbenen Stücke. Die in den vergangenen Monaten angefutterten Pölsterchen, die Sybille als Kummerspeck bezeichnet hat, sind in der längeren Jacke gut versteckt. Wird sie ihrem Berndie, wie sie ihn früher nannte, mal wieder gefallen? Schon geht sie die Kellertreppe hinunter, wo sich der Familien-Fitnessraum befindet. „Hey, Mama!“

„Wo ist denn Papa?“, „Der war noch nicht da. Toll siehst Du aus! Endlich hast du dir mal etwas Chices und Jugendliches gekauft“, meint Roland, Friederikes erwachsener Sohn. Er trainiert gerne abends im Heimstudio, weil er wegen seines Studiums sonst wenig Zeit hat, sich sportlich zu betätigen. „Jetzt brauchst du nur noch eine tolle Frisur und du könntest als Schwester von Julia auftreten. Wäre doch lustig, ihr beide mit gleichem Haarschnitt. Was meinst du? – Aber vielleicht ist es besser, wenn du dich nicht so veränderst, sonst läufst Du uns noch davon“, er schmunzelt und zieht den rechten Mundwinkel hoch, „wer sollte denn für uns kochen und einkaufen und die Wäsche waschen?“

„Sei nicht so frech, du Lümmel!“

„Pass nur auf, dass ich dich nicht packe, Du weißt ja, ich muss mein Krafttraining erproben.“ Und schon packt er seine, um einen ganzen Kopf kleinere Mutter, und stemmt sie hoch. „Halt, lass mich los!“ Friederike zappelt mit den Beinen, der enge Rock schiebt sich hoch bis zu den Schenkeln und es kracht in der Naht.

„Hör auf, aber schnell, – ich wollte doch deinen Vater überraschen! Vielleicht lässt er sich überreden, eine kleine Reise mit mir zu machen, jetzt wo der Frühling kommt. Zur Tulpenblüte nach Holland wäre schön, oder nach Südtirol zur bevorstehenden Blütezeit ...“ Sie kommt ins Schwärmen. „Ach, hör auf Mama, er fährt ja doch nicht weg. Fahr lieber mal mit Sybille. Du kennst doch deinen Mann. Er bleibt am Liebsten daheim.“

„Gute Nacht mein Lieber und geh nicht zu spät ins Bett. Welche Vorlesung hast du morgen?“

„Ich muss erst um 10 Uhr in die Uni ... schlaf gut Mama. Ich geh gleich noch mal weg.“

Fast hätte Friederike den Krimi vergessen, den sie sich jeden Donnerstag ansieht. Heute wird sie nicht in ihrem warmen, aber etwas unförmigen, dunkelroten Hausanzug mit den weiten, bequemen Beinen auf der Ledercouch herumlümmeln, wenn ihr Mann nach Hause kommt. Sie wird jetzt korrekt angezogen bleiben. Wird sie Bernhard auch gefallen? Sybille und die Verkäuferin waren der Meinung, dass sie ungeheuer chic aussieht.

Wirklich spannend ist der Film wieder, 1 ½ Stunden sind im Nu vergangen. Oh je, da steht ja noch alles in der Küche herum, und niemand hat den Geschirrspüler bestückt. Auch Bernhard lässt selbst jedes Glas stehen, weil er der Meinung ist, Friederike sei ja Hausfrau, und sie könne das ruhig alles machen. Davon würde sie sich gewiss nicht überarbeiten. Aber auch die beiden Kinder sind es gewöhnt, dass es die Mama übernimmt alles wegzuräumen, was sie irgendwo liegen gelassen haben. Julia allerdings packt auch mal an, wenn man sie darauf hinweist. Wenn sie mal eine eigene Familie hat, meint die Mutter, muss sie sowieso überall zupacken. Deshalb soll sie es jetzt, solange sie noch bei den Eltern wohnt, schön haben. Die berufstätigen Frauen heute sind doch alle so überlastet.

„Für euch mach ich es gerne“, pflegt Friederike zu sagen. Doch manchmal regt sie sich doch innerlich auf, wenn sie wieder den ganzen Tag nur mit dem Haushalt beschäftigt war, dann wünscht sie sich mal wieder einen Theaterbesuch oder wenigstens ein schönes Essen zusammen mit Bernhard in einem guten Restaurant. Gerade um die Ecke hat ein neuer Italiener aufgemacht. Aber Bernhard mag ja keine italienische Kost, fällt ihr ein. Deftige deutsche Hausmannskost isst er viel lieber. Wenn nur Sybille mehr Zeit hätte! Vielleicht kann sie Roland mal dazu bringen, seine Mutter auszuführen. Es ist doch schön, wenn man einen großen Sohn hat! Morgen wird sie ihn fragen. Wie oft hat sie ihren Mann schon darauf angesprochen, mal wieder einen schönen Abend mit ihr zu verbringen. Auch eine Hausfrau, die keine berufliche Belastung hat, braucht Abwechslung vom Alltag. Hausarbeit wird von den Männern ja sowieso nicht als Arbeit anerkannt. Warum hat er nur so wenig Verständnis für sie? Früher sind sie doch manchmal spontan abends auf ein Glas Wein gegangen. Aber seit Bernhard, angeblich des guten Schlafes willen, auf Bier umgestellt hat, sind die Besuche im „Weingarten“ auch weggefallen. IHM fehlt natürlich das Ausgehen nicht. Wie oft ist er abends noch mit Kollegen zusammen, um etwas zu besprechen, oder er war mittags schon beim Geschäftsessen. Dann hat er kein Bedürfnis mehr Friederike auszuführen.

Ja, Bernhard ist oft unterwegs. Zu oft, meint Friederike, aber ein erfolgreicher Versicherungskaufmann und Direktionsleiter kann sich nicht zu Hause hinsetzen und warten bis ihn Kunden anrufen. Ich versteh’s ja, denkt Friederike, das Geschäftsleben ist heute schwer genug. Aber ein bisschen Zeit möchte man doch auch zusammen verbringen. Soll das ewig so weitergehen? Bald werden Julia und Roland aus dem Haus sein und was bleibt i h r dann? Sollte sie noch einmal ins Berufsleben einsteigen? Nein, unmöglich! Seit 23 Jahren ist sie nun Hausfrau und dies war auch notwendig, denn wer hätte sich um alles gekümmert? Früher als sie das gepflegte Eigenheim vor den Toren der Großstadt mit dem hübsch angelegten Garten noch nicht besaßen, dafür aber Hugo den Bernhardiner, der auch auf seine Kosten kommen wollte, und die Kinder noch in den Kindergarten und zur Schule gingen, war sie vollauf beschäftigt. Allein die Fahrten zu den Nachmittags-Unterrichtsstunden oder Ballett und Judokursen verschlangen viel Zeit. Freunde der Kinder wollten abgeholt und wieder nach Hause gebracht werden und, dann gab es noch die täglichen Kontrollen der Hausaufgaben. Die vielen kleinen Dinge, die täglich zu erledigen waren, die ein Mann nicht sieht und auch nichts davon hören will, wenn er abends heim kommt. Alles wird als nebensächlich betrachtet. Aber wehe, wenn Mama mal krank sein sollte. Dann läuft nichts mehr und alle klagen. Es wäre unmöglich gewesen auch nur einer Halbtagsbeschäftigung nachzugehen. Immer gab es irgendetwas zu tun. Sie wurde einfach daheim gebraucht. Bernhard setzte damals seine ganze Energie für sein berufliches Fortkommen ein, und es war eine absolute Ausnahme, wenn er mal mit dem kleinen Sohn Fußball oder Softball gespielt hatte. Ja, Roland war ein Mama-Kind geworden, und auch heute verstehen sich die beiden sehr gut. Auch zur Tochter hat Friederike ein gutes, vertrauensvolles Verhältnis. Eigentlich sollte sie zufrieden sein, doch in ihrem Inneren brodelt es in letzter Zeit öfters. Zur eigenen Beruhigung sagt sie sich dann, sie hätte doch keine Probleme. Alle vier sind sie gesund, und es bräuchte keine Zukunftsängste zu geben. Was haben doch manche Familien für Schwierigkeiten! Die Jungen stopfen sich mit Drogen voll, der Vater wird arbeitslos, die Mutter findet keine Stelle oder jemand erkrankt schwer – und was man da alles so hört.

Mir geht es doch gut, wirklich! Auch wenn Bernhard noch nicht zu Hause ist. Ich lege mich jetzt ins Bett und warte nicht noch länger auf ihn. Er kann auch morgen das neue Kostüm bewundern. Oder auch nicht – bald ist mir’s egal! Vielleicht wird er es auch ignorieren, überhaupt nicht bemerken das neue Stück. Was soll’s? Es wäre nicht die erste und bestimmt auch nicht die letzte Enttäuschung in meiner Ehe.

2

„Weißt Du was, am nächsten Sonntag kommst Du zu uns“, meint Wolfgang, der ältere Bruder von Friederike. Er war kurz mit dem Fahrrad vorbeigekommen, um sich Bernhards Wagenheber auszuleihen. An einem Rad seines alten Fords hatte er einen Platten festgestellt. Er kann sich nicht alle zwei bis drei Jahre einen neuen Wagen zulegen, wie Bernhard das tut, um noch einen guten Verkaufspreis zu erzielen. Wolfgang ist Beamter bei der Stadtverwaltung und seine Frau Irene ist beim örtlichen Amtsgericht teilzeitbeschäftigt. Sie ist mittags wieder zu Hause, wenn die Tochter aus der Schule kommt. Wolfgang und Irene haben erst recht spät geheiratet. Als sich noch unerwarteterweise ein Kind ansagte, war ihr Glück perfekt.

„Gestern haben wir alle drei einen Fahrradausflug gemacht. Es war ja so schön warm, und da sind wir auch schon frühmorgens losgefahren. Nach dem langen Winter hat man wirklich das Bedürfnis ins Freie zu gehen und jeden Sonnenstrahl auszunutzen. Wo seid Ihr denn gewesen?“, will Wolfgang wissen.

„Nirgends waren wir! Du weißt doch, sonntags sind Julia und Roland meist bei ihren Freunden.“

„Wenn man so einen schönen Garten hat wie Ihr, kann ich das verstehen.“ Wolfgang wirft einen Blick durch das weitflächige Blumenfenster der Familie Anders. Herrlich gepflegt wirkt das ganze Grundstück. Die ersten Frühlingsblumen stehen sauber in Reih und Glied im Beet. Bunt leuchtet es in allen Popfarben, rote Tulpen, weiße Narzissen und gelbe Osterglocken. Der Forsythien-Strauch steht in voller Blüte. So ein Garten war früher auch Wolfgangs Traum gewesen. Auf der überdachten Terrasse, die zum Teil ins Haus eingebaut ist, kann man in einem geschützten Eckchen im Herbst noch lange die letzten wärmenden Sonnenstrahlen genießen. Bald musste Wolfgang aber diesen Traum begraben, denn als die Großeltern der beiden gestorben waren, hatte er sich von der Erbschaft ein neues Auto kaufen müssen. Zu einem Baugrundstück hat es nicht gereicht. Vielleicht ist er ein bisschen neidisch auf Friederike, der es so gut zu gehen scheint, und dies ist der Grund, warum er seine Schwester recht selten aufsucht. Auch seine Frau versteht sich nicht sonderlich mit Friederike, weil sie ihr zu korrekt ist und jedes abgefallene Blättchen vom gepflegten englischen Rasen aufsammelt. Bald in Ohnmacht wäre die Schwägerin gefallen als Irene ihr einmal vorgeschlagen hatte, sich weniger Mühe mit dem Garten zu machen, und lieber eine bunt gemischte Blumenwiese wachsen zu lassen, die man nicht ständig nachmähen muss, auf der auch der Klee und Löwenzahn wild wachsen dürfen. Ja, der Garten ist Friederikes besonderer Stolz, obwohl er ihr so viel Arbeit bereitet und Bernhard ihr nicht hilft.

Wenn der gnädige Herr mal da ist, legt er sich höchstens in den Liegestuhl und liest stundenlang die Zeitung. Ab und zu spricht Friederike ihn dabei an, während sie pflanzt, Unkraut jätet oder Blätter zusammenkehrt, denn der Birkenbaum gleich neben der Terrasse hat viel Laub, und im Herbst muss sie jeden Tag wieder Ordnung machen. Sie hasst es, wenn ihr Garten verwahrlost. Bernhard ist dann sehr wortkarg und irgendwann gibt es gar keine Antworten mehr. Die Zeitung ist interessanter. Und Friederike hat dann auch meistens keine Zeit mehr, denn es heißt die nächste Mahlzeit vorzubereiten.

Die Fragerei ihres Bruders ist ihr unangenehm. Denn gerne würde sie auch einmal einen kleinen Sonntagsausflug in die nähere Umgebung machen. Manchmal besucht Bernhard spezielle Kunden, die während der Woche nicht erreichbar sind, oder er verbringt seinen Sonntag im Sportpark, wo er sich mit Kollegen trifft, die seit einigen Jahren plötzlich auch sportliche Ambitionen entwickelt haben und so den Familienverpflichtungen entrinnen können. Ja, früher, da musste man mit den Kindern zum Spielplatz und später auch mal eine Wanderung unternehmen oder einen Museumsbesuch einplanen. Immer hat man sich nach den Bedürfnissen der zwei Kleinen gerichtet und jetzt, wo beide an den Wochenenden nur noch zum Essen heimkommen, ja, jetzt hätte man Zeit. Doch Friederike ist sonntags immer alleine. Einfacher haben es da noch die alleinstehenden Frauen, meint sie, denn die müssen nicht für eine Familie sorgen, einkaufen, kochen, alle Wäsche waschen usw. Ist wirklich mal ein gemeinsamer Spaziergang in Aussicht gestellt, ruft gewiss ein Freund von Bernhard oder ein Sportskamerad an, und ihr Mann kann dann ja nicht absagen, wenn z.B. ein Tennisdoppel geplant ist und er dazu dringend benötigt wird. Freunde lässt man nicht im Stich. Bei der langjährigen Ehefrau ist das etwas anderes. Natürlich! Manchmal hat sie sich schon Gedanken gemacht, ob er sich schon einmal überlegt hätte, wie langweilig für Friederike die Sonntage verlaufen. Denkt er vielleicht sie sei gerne allein? Wahrscheinlich macht er sich darüber überhaupt keine Gedanken. Dabei geht sie meistens donnerstags oder freitags zum Friseur, um für ihren Mann attraktiv zu sein. Für wen denn sonst! Der merkt es aber gar nicht. Höchstens wenn das Geld mal nicht ausgereicht hat, weil ein neuer Schnitt, eine Tönung oder Dauerwelle angesagt war. Der Friseur wird auch ständig teurer, brummelt er dann, gibt ihr aber ohne zu zögern das verlangte Geld.

Als Wolfgang gegangen war, muss sie ihren Gedanken noch etwas nachgehen. Was nützt ihr das schöne Einfamilienhaus am Rande der Stadt, die wohl durchdachte und gediegene Einrichtung mit einigen gut erhaltenen Erbstücken von den Großeltern, der gepflegte Grundbesitz, wenn sie so oft alleine ist? Für die Familie sind ihre Dienste selbstverständlich und auch die Tatsache, dass alle ihre eigenen Wege gehen, aber Mutter scheinbar weiter keine Wünsche hat. Gehört sie etwa schon zum alten Eisen und ist zu nichts mehr zu gebrauchen? Kann sich einer von denen vorstellen, wie einsam sie sich manchmal fühlt? Sie ertappt sich dabei, dass sie schon mit den Fliegen an der Wand spricht, mit ihren Blumen sowieso ...

Dabei war ihr Berndie, wie sie ihn vor 20 Jahren nannte, ihr absoluter Favorit. Damals fühlte er sich noch zu keinerlei sportlicher Betätigung prädestiniert. Es genügte ihm schon, im Bett ausgefallene Varianten von Liebesstellungen auszuprobieren, und dies war manchmal auch ganz schön strapaziös gewesen und zog heftigen Muskelkater nach sich. Wie sich die Zeiten doch ändern! Seine Hobbies waren jetzt malen, basteln oder fotografieren und sein Auto. Vor allem hatte er damals tolle Aktaufnahmen von ihr gemacht. Ja, früher war ich noch rank und schlank. Die nostalgische Welle ergreift von Friederike Besitz. Die Vierzig hatte Bernhard bereits überschritten, als mit der Gesundheits- und Jogging-Welle, die aus den USA herüber schwappte, der Sinneswandel bei ihm einsetzte. Er hat ja Recht! Man sollte sich jung und aktiv halten, gerade wenn man in die Jahre kommt, ist dies wichtig. Zuerst wollte Friederike mitmachen, doch Jogging war nichts für sie und mit Bernhard waren ja sowieso nur männliche Jogger beim Training. Was hatte eine untrainierte Hausfrau also da zu suchen? Die Gartenarbeit war ja auch ein Training. Nahezu den ganzen Samstag hatte sie wieder damit verbracht ihr Grundstück zu pflegen, und jetzt sah es rings ums Haus wieder ganz prächtig aus. Sogar der Frau Müller von nebenan war es aufgefallen, dass in diesem Jahr die Kombination der verschiedenen Frühlingsblumen besonders gut gelungen war, wie sie meinte.

Bei Müllers ist es genau umgekehrt. Der Mann versorgt den Garten und Frau Müller räkelt sich im Liegestuhl und gibt ihre Anweisungen. „Du hast die Kraft nicht“, meint dann Lothar, ihr Mann liebevoll. Er macht es ja gerne, ist froh, wenn er das lange Sitzen im Büro durch Bewegung im Garten ausgleichen kann, sagt er. Zum Glück sind Müllers am Wochenende oft unterwegs, da können sie wenigstens nicht sehen, wie Friederike wieder mal alleine schuftet.

Sohn Roland nimmt ab und zu mal den Rasenmäher, aber er hat ja so wenig Zeit. Er soll sich auf sein Studium konzentrieren. Was bleibt Friederike da schon übrig? Einer muss ja den Garten versorgen.

Nach so einem arbeitsintensiven Tag hat sie schon manchmal von einer kleinen, aber feinen Stadtwohnung geträumt, wo im Höchstfalle Blumenkästen am Balkon zu versorgen wären.

Am Abend, wenn sie sich dann meist vor Muskelkater kaum bewegen kann und ihr der Gang in den Keller, um Bier heraufzuholen, schon Schmerzen verursacht, muss sie noch den Spott ihres Mannes ertragen, der ja nicht gesehen hat, wie mühevoll ihre Tätigkeit in den Pflanzenbeeten war.

„Du wirst halt auch nicht jünger“, kann sich dieser Kavalier in solchen Fällen nicht verkneifen. „Jetzt fangen die Zipperlein an!“

Nur gut, dass ER sich so jung und vital fühlt! Sonst müsste er ja am Sonntag noch die Sportsfreunde enttäuschen!

Zum Single-Treff werde ich mal gehen, kam es Friederike in den Sinn, als sie am Sonntagmorgen das Frühstück für die Langschläfer bereitet. Mir geht es auch nicht anders als einer Single-Frau. Der einzige Unterschied, dass ich mehr Arbeit mit der Versorgung der vier Personen habe und Mama für alle die Erledigungen machen darf, weil sie ja hier die Einzige ist, die Zeit dazu hat, zumindest sie sich nehmen muss.

Auch Julia hat meist einen anstrengenden Tag hinter sich gebracht und will abends Musik hören oder mit Freunden telefonieren, was sich über Stunden hinziehen kann. Auch sie ist nicht ansprechbar. Physisch zwar vorhanden, aber als Person in einer Hausgemeinschaft wieder doch nicht. Lass ihr die Unterhaltung und Entspannung, meint Friederike, denn in der Arztpraxis, wo Julia auch ihre Ausbildung hinter sich gebracht hat, geht es meist hoch her und ihr Chef verlangt, dass beide Arzthelferinnen dableiben, bis der letzte Patient gegangen ist. Spät wird es manchmal! Da kann Friederike als Mutter und Hausfrau ein junges Mädchen doch nicht noch mit Hausarbeit einspannen.

Selbst ist die Frau, heißt notgedrungen die Devise. Das war auch früher so, als sie noch die Vierzimmerwohnung hatten und regelmäßig Eigentümerversammlungen stattfanden. An solchen Abenden hatte Bernhard meist Kundenbesuche abzustatten, weil er vergessen hatte, sich den Termin im Kalender zu notieren. Später dann fand er eine andere Ausrede: Nach einem stressreichen Arbeitstag sei er nicht mehr in der Lage, sich das Geplänkel der Mitbewohner anzuhören. So blieb Friederike die Pflicht, die Familie dort zu vertreten. Gott sei Dank ist dies heute nicht mehr notwendig, dachte sie bei sich. Sie war es gewohnt, auch Elternabende in der Schule allein zu bestreiten. Ob sie auch alleinerziehende Mutter wäre, hatte sie eine Dame mal gefragt. Alles heute vorbei! Aber war sie jetzt glücklicher?

Nach dem Tennisspielen war Bernhard am Samstagabend kurz in der Küche gewesen und hatte sich ein Bier geholt. Zum Essen war sie mit den Kindern allein, was an den Wochenenden nichts Besonderes war. Ohne ein Wort war er nach oben verschwunden. Er wird wohl an dem Bild weitermalen, mit dem er kürzlich begonnen hatte. Und dabei hatte Friederike so gehofft, er sei nun müde und würde sich zu ihr auf die Couch setzen. Selbst wenn ihn das Fernsehprogramm wenig interessierte. Heute wird sie sich einen Film über die Karibik anschauen, ein Reiseziel das schon lange ihr Wunschtraum wäre. Noch nie war sie über den großen Teich geflogen. Den amerikanischen Kontinent bereisen, die berühmten Nationalparks sehen, ja das wäre ein toller Urlaub, aber mit ihrem Mann nicht realisierbar. Trotzdem hätte er sich zu ihr setzen und sich ein bisschen unterhalten können. Ist das schon zu viel verlangt? Als eine „Spinnerei“ bezeichnet ihr Mann nur ihre Sehnsüchte und das Fernweh.

Was waren das früher für Zeiten, als sie noch Miniröcke getragen hatte. Mit ihren hübschen schlanken Beinen hatte Friederike es sich wirklich leisten können. Seine warme fleischige Hand war nach nicht all zu langer Zeit unter dem kurzen Falten-Röckchen verschwunden gewesen. Als sie Berndie kennen gelernt hatte, sind Strumpfhosen für Frauen noch nicht so populär gewesen und Frau trug noch Strümpfe mit Strapsen. Eine Strumpfhose – das war die Ausnahme. Wie war es ihr peinlich gewesen, wenn beim Sitzen mal das stramme helle Fleisch ihres Schenkels unter dem kurzen Röckchen hervorschaute. Bernhard gefiel das, und es hatte ihn stets zu weiteren Aktivitäten angeregt. Richtig geliebt hatte er damals jede einzelne Stelle ihres Körpers und es hatte nicht allzu lange gedauert, bis sie beide im damals sehr beliebten weißen Schleiflack-Schlafzimmer gelandet waren. Es durfte auch mal der Küchentisch sein, wenn sein Temperament mit ihm durchging. Friederike ist es schon peinlich, wenn sie heute daran zurückdenkt. Bernhard war in jungen Jahren ein stürmischer Liebhaber gewesen. Es gab keine sexuelle Praktik, die ihn nicht interessierte und er nicht ausprobieren wollte. Begierlich hatte Friederike schon auf die nächste Ausgabe des Silbernen Blattes gewartet, wo wöchentlich Artikel von Oswalt Kolle erschienen waren. Nichts war ihrem Berndie fremd gewesen. Er hatte auch schon etliche Freundinnen vor ihrer Zeit gehabt und Friederike konnte ihn tatsächlich als erfahrenen Mann bezeichnen. „Das was v o r DIR war, ist alles nicht mehr wichtig“, pflegte er zu sagen, „jetzt zählst nur noch DU! Sei froh, dass ich nicht ganz unerfahren bin, denn nur DU profitierst davon!“ Und damit hatte er absolut Recht gehabt. Trotzdem hatte es längere Zeit gedauert, bis Friederike es fertig gebracht hatte, sich ganz fallen lassen zu können und beim Liebesspiel vollkommen abzuschalten. Auch wenn sie Berndie von Herzen geliebt hatte, war sie anfangs nicht bereit mit ihrem jungen Ehemann alle möglichen und manchmal auch unmöglichen sexuellen Stellungen auszuprobieren. Es war auch ohne Extras schön mit ihm. Warum immer etwas Neues? Mit der Zeit war sie dann dahinter gekommen, dass es an ihrem Körper mehrere Stellen gab, wo sie besonders empfindlich reagierte und sich ein starkes Gefühl entwickeln konnte. Sie hatte doch zu den jungen Mädchen gehört, die keine Selbstversuche gestartet hatten. Deshalb hatte sie ihre gewissen erogenen Zonen auch nicht gekannt und zudem an sich selbst auch nicht vermutet. Woher hätte sie es bei ihrem braven Lebenswandel vor ihrer Ehe auch wissen sollen? Bernhard hingegen muss ein recht begehrter Junggeselle gewesen sein, dem die Frauen nur so nachliefen und sich von ihm sogar nackt auf einer Blumenwiese fotografieren ließen.

Stolz sollte ich sein, dass er gerade mich geheiratet hat, sagte sie sich immer wieder. Er hatte auch wahnsinnig gut ausgesehen. Freundinnen hatten sie um diesen Mann beneidet, als sie heirateten. Auch jetzt noch, wo er die Fünfzig seit einigen Jahren überschritten hatte, zogen sich nur ein paar leichte graue Strähnchen durch sein volles Haar. Das bereits in jungen Jahren männlich markante Gesicht hatte sich mit den Jahren noch mehr ausgeprägt. Und nicht zu seinem Nachteil! Die kleinen Fältchen um Mund und Augen ließen ihn noch männlicher und interessanter wirken. Kaum ging er in die Sonne, bekam er eine wunderbare gleichmäßig braune Farbe, und er sah dann den ganzen Sommer lang aus wie frisch aus dem Urlaub im Süden.

Auch heute noch schauten ihm Frauen mit dem ganz gewissen Blick nach. Oder täuschte sie sich etwa? War sie eifersüchtig? Nach so langen Ehejahren?

Ihr Mann ist ruhiger geworden, wie man so sagt. Nein, sie brauchte keine Bedenken zu haben!

3

Ein Anruf gestern hatte Friederike zu denken gegeben. Doch heute am Montag sieht die Welt schon wieder anders aus. Es gibt eine Menge zu tun: Das Haus muss gestaubsaugt werden, die Vögel versorgt, der Käfig gereinigt usw. Gestern hat sie trotz sorgfältiger Pflege wieder Unkraut neben dem Erdbeerbeet entdeckt. Das bedeutet: Ran an die Arbeit!