Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke - Rainer Maria Rilke - E-Book

Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke E-Book

Rainer Maria Rilke

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Beschreibung

Nach Rainer Maria Rilkes eigener Schilderung entstand das Buch beim Schein zweier im Nachtwind wehender Kerzen in nur einer Herbstnacht. Die Szenerie wird durch die Unmittelbarkeit des Textes, oft knapp und verkürzt, gleichzeitig aber bildreich und poetisch, wiedergegeben. In dieser spannungsgeladenen Atmosphäre erzählt der Schriftsteller über die Abenteuer und Erlebnisse der letzten Tage des Fahnenträgers Christoph Rilke, der in Ungarn im Kampf gegen die eindringenden Türken fiel. Zweifellos handelt es sich hierbei um eines der bedeutendsten Werke Rilkes, in dem es ihm gelingt, in einzigartiger Weise Gefühle von Jugend und Lebenshunger, Liebe und Tod zu vermitteln. Auf Empfehlung von Stefan Zweig wurde das Buch im Jahr 1912 als erste Nummer der Insel-Bücherei herausgegeben. Zum besseren historischen Verständnis wurde das Buch mit erklärenden Fußnoten versehen.

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Inhaltsverzeichnis

Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke

Rainer Maria Rilke

Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke

Geschrieben 1899

 

»... den 24. November 16631 wurde Otto von Rilke / auf Langenau / Gränitz und Ziegra2 / zu Linda3 mit seines in Ungarn gefallenen Bruders Christoph hinterlassenem Antheile am Gute Linda beliehen; doch mußte er einen Revers4 aufstellen / nach welchem die Lehensreichung null und nichtig sein sollte / im Fall sein Bruder Christoph (der nach beigebrachtem Totenschein als Cornet5 in der Compagnie des Freiherrn von Pirovano des kaiserl. oesterr. Heysterschen Regiments6 zu Roß ... verstorben war) zurückkehrt ...«

 

Reiten, reiten, reiten, durch den Tag, durch die Nacht, durch den Tag. Reiten, reiten, reiten.

Und der Mut ist so müde geworden und die Sehnsucht so groß. Es gibt keine Berge mehr, kaum einen Baum. Nichts wagt aufzustehen. Fremde Hütten hocken durstig an versumpften Brunnen. Nirgends ein Turm. Und immer das gleiche Bild. Man hat zwei Augen zuviel. Nur in der Nacht manchmal glaubt man den Weg zu kennen. Vielleicht kehren wir nächtens immer wieder das Stück zurück, das wir in der fremden Sonne mühsam gewonnen haben? Es kann sein. Die Sonne ist schwer, wie bei uns tief im Sommer. Aber wir haben im Sommer Abschied genommen. Die Kleider der Frauen leuchteten lang aus dem Grün. Und nun reiten wir lang. Es muß also Herbst sein. Wenigstens dort, wo traurige Frauen von uns wissen.

Der von Langenau rückt im Sattel und sagt: »Herr Marquis7 ...«

Sein Nachbar, der kleine feine Franzose, hat erst drei Tage lang gesprochen und gelacht. Jetzt weiß er nichts mehr. Er ist wie ein Kind, das schlafen möchte. Staub bleibt auf seinem feinen weißen Spitzenkragen liegen; er merkt es nicht. Er wird langsam welk in seinem samtenen Sattel. Aber der von Langenau lächelt und sagt: »Ihr habt seltsame Augen, Herr Marquis. Gewiß seht Ihr Eurer Mutter ähnlich –«

Da blüht der Kleine noch einmal auf und stäubt seinen Kragen ab und ist wie neu.

Jemand erzählt von seiner Mutter. Ein Deutscher offenbar. Laut und langsam setzt er seine Worte: Wie ein Mädchen, das Blumen bindet, nachdenklich Blume um Blume probt und noch nicht weiß, was aus dem Ganzen wird –: so fügt er seine Worte. Zu Lust? Zu Leide? Alle lauschen. Sogar das Spucken hört auf. Denn es sind lauter Herren, die wissen, was sich gehört. Und wer das Deutsche nicht kann in dem Haufen, der versteht es auf einmal, fühlt einzelne Worte: »Abends ...« – – »Klein war .

---ENDE DER LESEPROBE---