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Die geflüchteten Frauen, die zu Cristina Roters in ihre Malbegleitung kamen, hatten lange Wanderungen zu Fuß, schwere Misshandlungen und den Verlust naher Verwandter hinter sich und trugen die daraus resultierenden tiefen Verletzungen in sich. Doch in dem Raum, den Cristina Roters ihnen mit dem Malen und mit Märchen eröffnete, blüten sie auf, genährt von ihrer ursprünglichen Verwurzelung in einer naturnahen Umgebung. Auch wenn der Verlust der Heimat und der eigenen Sprache vermutlich niemals ganz aufgewogen werden kann, so konnten durch die Seelennahrung, die das Malen und die Märchen waren, die Seelenblumen dieser Menschen wieder erblühen. Nun geht es in diesem Buch jedoch nicht vor allem um die Einzelschicksale dieser Frauen, die sind lediglich eingewoben in ein größeres Bild, das uns zeigt, welche reichen Seelenschätze uns in unserer Wohlstandsgesellschaft verlorengegangen sind. Diese Schätze wieder ans Licht zu holen, indem wir eintauchen in die reichen inneren Landschaften unserer Seele, darum geht es bei diesem Buch vor allem. Es verwebt die Einzelschicksale mit Bildern und Märchen und geführten Innenreisen, damit wir wieder heimisch werden in unserer Natur- und Seelenwelt. Denn auch wir sind Heimatvertriebene, und jene, die dieses Schicksal so unmittelbar erlebten, können uns unsere wahre Heimat zeigen, die in uns liegt.
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Seitenzahl: 258
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cristina Maria Roters
Es gibt heute unbedingt viele gute Gründe, das weibliche Geschlecht wieder besser sichtbar zu machen. Dies ist seit mehr als 40 Jahren auch Anliegen unseres Verlages. Ob dies durch Gendern erreicht wird, darf man jedoch hinterfragen, immerhin geht es um unsere Muttersprache. Sicher ist, dass der grammatische Genus nichts über das Geschlecht (Sexus) aussagt. Deswegen halten wir uns als Verlag beim Gendern bewusst zurück. Ausführliche Begründung dazu unter www.neue-erde.de/derdiedas
Cristina Maria Roters
Wie wir allewieder Heimat finden
Mit Zeichnungen der Autorin
Bücher haben feste Preise.
1. Auflage 2025
Cristina Maria Roters
Die Weisheit der Seelenblumen
© Cristina Maria Roters/Neue Erde GmbH 2025
Alle Rechte vorbehalten.
Umschlag:
Gemälde: Cristina Roters
Gestaltung: Dragon Design, GB
Lektorat: Nadine Balazs
Satz und Gestaltung:
Dragon Design, GB
eISBN 978-3-89060-499-2
ISBN 978-3-89060-881-5
Neue Erde GmbH
Cecilienstr. 29 · 66111 Saarbrücken
Deutschland · Planet Erde
www.neue-erde.de · [email protected]
Widmung
Für meine Urgroßmütter Joana, Nina, Maria und Martha.
Für meine Großmütter Joana und Emilia.
Für meiner Mutter Nini.
Für meine Kinder Joel und Anja
Vorwort
Einführung Das Naturvolk der Samen und ihre Zauberwörter
Die Legende von Jubmel
Der Bergkönig und Sampo
Die alten Naturkulturen
Volksmärchen und Legenden
Kapitel 1 Ein Volk der Ehre Tschetschenien (Kaukasus)
Tschetschenien
Das Märchen von Baba Yaga und Wassilissa
Baba Yaga, die strenge Meisterin
Die Ehre
Die Ehre Ein Märchen aus dem russischen Kaukasus
Die weise Frau Tschetscheniens
Eine innere Reise in die Landschaft des Kaukasus
Kesenoiam-See im Kaukasus
Kapitel 2 Ein Volk des Mutes Afghanistan
Die Hazara
Die Erdmutter der Afghanen
Ozhra, eine Paschtune aus Dschalalabad
Das Geschenk der Löwin Ein Märchen aus Afghanistan
Lapislazuli, Stein der Könige
Eine innere Reise zu einer Lapislazuli-Höhle in den Bergen Afghanistans
Bamiyan
Kapitel 3 Ein Volk der Fülle Iran (Persien)
Iran, aus dem Buch des Lebens
Das Feuer Zarathustras
Die weisen Frauen aus Persien
Die Märchen Irans
Die Distelsamen Ein Märchen aus dem Iran
Eine Vision für den persischen Iran
Bilderreise: Die Samen unserer Ahnen
Eine innere Reise in die Bergwüste Irans
Chahkooh Canyon auf der Qeshm Insel
Kapitel 4 Ein heimatloses Volk auf dem Weg zur inneren Heimat Kurdisches Gebiet des Irak
Die heimatlosen Kurden
Der Irak
Herzensheimat finden
Die weise Frau aus dem Irak
Sahmaran, die Schlangenkönigin Ein Märchen aus der Region Mesopotamien im Irak
Der alte Irak und Babylon
Eine innere Reise zu den Gärten Babylons
Höhle von Shanidar im Irak
Kapitel 5 Ein Volk des Herzens Zwei arabische Länder: Syrien und Libanon
Syrien und Libanon
Märchen beim Teetrinken
Das Kürbismädchen Ein Märchen aus Libanon
Die Zedernwälder des Libanon
Die weise Frau im östlichen Mittelmeer
Eine innere Reise an die Meeresküste
Baatara Schlucht im Libanon
Kapitel 6 Ein Volk der kreativen Ausdruckskraft Westafrika: Senegal, Nigeria, Togo, Sierra Leone
Die Göttin Westafrikas
Das Märchen vom Fischer
Die Märchen aus Westafrika
Ein Märchen heißt »Gli Lo« in meiner Sprache
Der Rat des Malam Märchen aus Nigeria
Der Affenbrotbaum
Der Stamm der Griots
Eine Märchenerzählerin aus Louga, Senegal
Innere Reise zu einem Baobab
Cascade de Kpalimé in Togo – Westafrika
Kapitel 7 Ein Volk des Friedens Ostafrika: Burundi, Sudan, Südsudan, Äthiopien
Die heiligen Kühe in Ostafrika
Burundi
Besuch aus dem Sudan und Südsudan
Äthiopien
Der Fuchs und der Hahn Ein Märchen der Oromo
Ein dummer Mann und eine kluge Frau Ein Märchen aus Äthiopien
Die Weise, der Weise in dir
Friedensmensch
Das Herz der Menschen
Die Opale: Eingefangenes Sonnen- und Regenbogenlicht
Eine innere Reise zu einer Opalhöhle in den Bergen Äthiopiens
Vulkan Erta Ale in Äthiopien
Kapitel 8 Das heilige Volk der Sternenfrauen Sri Lanka
Ein Urwald im Herzen
Sri Lanka
Das Leben von Komathy in ihrem Dorf
Die Märchen in Sri Lanka
Die goldenen Netze Märchen aus Bengalen
Innere Reise zum Lotusteich
Sigiriya-Fels in Sri Lanka
Kapitel 9 Mal- und Märchenbegleitung für traumatisierte Menschen Der Seele eine Stimme geben
1. Phase: Die Zeit der Erdung
Warum ist die Erdung wichtig?
Hilfsmittel für die Erdung
Wie erkenne ich, ab wann jemand geerdet ist?
2. Phase: Die Zeit des Rückblicks und des Herzöffnens
Warum Malen in der Traumabegleitung?
Lebendige Bilder malen
Ist Malen eine Kunst?
Macht und Ohnmacht
Die Bilder verstehen
3. Phase: Der inneren Führung folgen
Märchen als Brückenbauer
Märchen in der Begleitung
Am Ende des Weges
Der Malraum
Kapitel 10 Die Naturkultur der neuen Zeit
Der Jäger Sergewan
Über die Autorin
Danksagung
Quellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Weitere Bücher von Neue Erde
Dies ist ein Gesang an die Mutter der Erde
und an alle Frauen und Männer, die sie mit Liebe berühren.
Die Zeit des blinden Umherirrens ist bald vorbei.
Sobald du die Erde liebevoll mit den Händen berührst,
wirst du wieder ankommen bei dir.
Alle Illusionen werden sich auflösen in nichts,
sobald du die Erde mit deinen liebenden Händen berührst.
Du wirst wieder ankommen, du wirst dich wieder erinnern, dass du die Tochter und der Sohn der Erde bist.
Dass deine Seele eine Blume ist, die in dieser Erde blühen will.
Und wenn immer mehr Frauen und Männer ihre Blumen begießen und pflegen, dann wird die Erde zu einem wundervollen Blumengarten werden.
Sie wird zu dem Garten werden, den Hunderte von Generationen vor uns erträumt haben: zum Garten Eden.
Sie war still, sprach nicht viel. Sie trat in den Malraum am Ende des Korridors und nahm Platz am Tisch vor ihrem Blatt Papier. Sie überlegte kurz, wie sie weitermalen sollte.
Auf der Straße wäre sie nicht aufgefallen, außer dass sie Ausländerin war. Ihre Haut war eher dunkel, ihr Haar lang, gekräuselt und tiefschwarz. Sie war sehr jung, trug keine Brille, obwohl sie nicht gut sehen konnte. Sie trug kein Hörgerät, obwohl sie nicht gut hörte.
Sie nahm den Pinsel und begann zu malen. Und dann sah ich sie wirklich! Rund um sie herum entstand ein exotischer Garten, und sie war mittendrin: Leuchtende Blumen blühten aus einem dichten grünen Urwald. Es war warm und schön im Schatten der uralten Bäume. Hier war sie zuhause. Das waren die Bilder ihre Seele. Hier erholte sie sich immer wieder von dem Land, in dem sie jetzt lebte: einem lauten Industrieland, das weit weg von ihrem Zuhause war und wo sie nur funktionieren durfte. Denn sie arbeitete von morgens bis abends und machte jeden Tag das gleiche.
Am Tisch malte sie sorgfältig jedes Detail mit kraftvollen Farben. Es entstanden Zaubergärten, Seerosenteiche, exotische Häuser und wilde Tiere. Sie trug in sich eine reiche Künstlerseele.
Dieser inneren Bilder ansichtig zu werden, berührte mich sehr und prägte sich stark in mir ein. Ich lernte, dass, wenn die Sprache ausfällt (und das ist oft der Fall bei den geflüchteten Menschen, da sie noch kein Deutsch sprechen, wenn sie zu uns kommen), sich eine Türe öffnet, die den Zugang zum wahren Wesen der Menschen ermöglicht. Ich begann, diese Menschen anders zu sehen und erkannte etwas sehr Grundlegendes: Sie tragen Kraft und Weisheit in sich, die sich entfalten, wenn sie sie ausdrücken dürfen.
Es geht nicht darum, diese Menschen zu idealisieren, sondern zu erkennen, dass wir alle wunderbare Wesen sind. Unsere Identitäten und auch die Sprache selbst hindern uns oft, dieses Wesen in uns und den anderen Menschen zu erkennen. Und wenn ich über Sprache schreibe, meine ich die Sprache, die unsere Gedanken sprechen, nicht jene, die von unserem wahren Selbst gesprochen wird. Denn Sprache hat eine große Kraft. Je verbundener ein Mensch mit seinem wahren Selbst ist, desto kraftvoller wird seine Sprache. Malen, Tanzen oder Singen sind auch eine Sprache. Damit kann sich unser Kern wahrhaftig mitteilen.
Im Jahr 2002 lernte ich die Volksmärchen und Legenden Lapplands kennen. Ich war so angetan von der Weisheit dieses letzten Naturvolks Europas, dass ich in seine Kultur eintauchte und alle Bücher über sie las, die ich fand. Ich schaute mir auch die Landschaften dieses Landes an und ging mit meinem Geist dorthin spazieren. Ich hörte eine Herde von Tausenden Rentieren über das Land rennen und war zutiefst bewegt von dieser machtvollen Kraft. Ich saß in einem Zelt und hörte zu, was ein altes samisches Ehepaar sprach. Mein Interesse galt auch ihren Gesängen und Heilmethoden. Da ihre Landschaft eher karg und der Winter zu lang ist, um Heilkräuter anzubauen oder zu ernten, lernten die Samen, die Kinder der Sonne, wie sie sich selbst nennen, mit Gesängen und Kraftwörtern zu heilen. Es handelt sich um die Wortmedizin. Die Samen kennen für jede Krankheit ein Wort oder einen Satz. Und natürlich tragen ihre Legenden Kraftwörter in sich. Wenn sie erzählt werden, werden sie ausgesprochen und beginnen zu wirken und zu heilen. So sind die Samen ein Volk, das das alte Wissen der Zauberwörter in sich trägt.
Und so schenke ich dir am Anfang dieses Buches ein sämisches Zauberwort. Es steht für alles, was wirklich schön, wertvoll und heilig ist:
SÄPMI
Und vielleicht ist dieses Wort der Schlüssel zum neuen Zeitalter. Denn nur wer die wahre Schönheit mit dem Herzen sieht, nimmt den verborgenen Reichtum wahr. Oder mit den Worten eines Gnomenkönigs aus dem Naturreich: »Die Menschen werden erst reich, wenn sie gelernt haben, ihren inneren Reichtum zu sehen.«
In der prophetischen Legende vom Gott Jubmel erzählen die Samen von einer Zeit, als Lappland ein reiches Land war, ein goldenes Land. Die Erde war fruchtbar, das Wetter warm, den Menschen ging es gut, und sie waren wohlhabend.
Als Jubmel, der Gottvater oder große Schöpfer, Lappland, das Land der Samen schuf, war es ein wunderbares, reiches Land: Die Berge waren aus Gold und Silber, die Wälder groß und dicht, und die Bäume trugen fein schmeckende Früchte.
Dann wurden die Menschen streitsüchtig und gierig, und Gott wurde es leid. Er kehrte die Welt um, so dass alle Schätze unter der Erde verschwanden, in das Erdinnere gelangten, und es oberhalb der Erde karg und leer wurde.
Erst wenn die Menschen einander wieder achtsam und mit dem Herzen begegnen würden, würde die Erde wieder so sein wie damals, mit ihrer ganzen Schönheit und Fülle und ihrem Reichtum. In der Legende steht …
Aber ein großer Streit kam über das Land. Der habgierige und jähzornige Attjis tötete seinen gutherzigen Bruder Njavvis. Jubmel verbannte Attjis zur Strafe auf den Mond. Und da er sah, dass Reichtum und Überfluss nicht gut für den Menschen waren, beschloss er, allen Überfluss zu verbergen. Die Menschen sollten ihn nicht finden, ohne danach zu suchen und dafür zu arbeiten: an sich selbst zu arbeiten. Er kehrte das ganze Land um: das Untere nach oben und das Obere nach unten. Das Gold und Silber der Berge verbarg er unter Erdreich und Gestein, und er verbarg den Reichtum der Wälder. Erst wenn die Menschen genauso gut im Herzen wie Njavis wären, würden sie die Reichtümer wiederfinden, und die frühere Goldene Zeit würde wiederkehren. Seitdem ist das Land karg und arm, denn Lappland ist ein verzaubertes Land.
Solange die Samen ihre Kultur pflegen konnten, waren sie ein starkes, naturverbundenes Volk geblieben. Mit ihrer Kultur konnten sie die innere Sonne nähren, wenn im Winter die Sonne draußen fehlte. Aber dann wurde ihnen die Kultur genommen. Ein Same durfte nicht mehr Same sein, er musste in einer anderen Sprache sprechen, da seine Sprache in der Schule verboten war. Mit dem Verlust ihrer Kultur und wahren Identität verloren die Samen ihre seelische Nahrung und begannen, innerlich zu verhungern. Sie wurden depressiv und alkoholabhängig. Ohne die Verbindung zu den eigenen Wurzeln wurden die Menschen leer im Innern, und ihre Kultur zerfiel immer mehr. Was hier geschah, passierte früher oder später auf der ganzen Welt: Die Menschen verloren ihre Kultur, ihre nährenden Wurzeln und ihr seelisches Zuhause, ihre wahre Spiritualität und Verbundenheit mit der Natur. Sie wurde durch eine künstliche Welt ersetzt. Nur noch sehr wenige Naturvölker, die abgelegen leben, oder einzelne alte Menschen konnten dieses alte Wissen bewahren. Wir brauchen sie wieder, um den verlorenen Pfad wiederzufinden.
Das lappländische Märchen »Der Bergkönig und Sampo« erzählt von der Dunkelheit des Winters und der Sehnsucht der Menschen nach dem Sonnenlicht – nach der Rückkehr des Lichts. Der Winter kann auch als der Winter der Seele gesehen werden: Eine Zeit des Herumirrens und der inneren Leere für die Menschen, die keine Zeit haben, ihre innere Sonne zu pflegen. Kurz bevor die Sonne nach dem langen Winter und einer langen dunklen Zeit zum ersten Mal aufgeht, wird es am dunkelsten und gefährlichsten auf der Erde. Die dunklen Mächte kämpfen, um ihre Macht nicht zu verlieren. Sie haben keine Nachsicht, kein Erbarmen, kein Mitgefühl. Sie zerstören alles, was schön und liebenswert ist. Sie tun alles, um ihre alte Macht nicht zu verlieren.
Aber viele Menschen wissen von den lichten Welten und lassen sich nicht unterkriegen oder verängstigen. So wie der kleine Hirtenjunge Sampo, der den Berg Rastekais hinaufstieg, weil er selbst dabei sein wollte, wenn die Sonne zum ersten Mal aufginge. Und natürlich versuchten die dunklen Mächte die Menschen und Wesen zu belügen und glauben zu lassen, dass die Sonne niemals kommen würde; dass sie die wahren Könige seien.
Der kleine Sampo hielt es nicht mehr aus, hinter dem Fels versteckt zu sein. Er trat heraus und stellte sich vor den mächtigen dunklen Bergkönig und rief so laut er konnte: »Du lügst, Bergkönig! Du lügst ganz unverschämt! Die Sonne kommt wieder, ich habe die ersten Sonnenstrahlen gesehen!«
Dieses Märchen prophezeit eine Zeit der Lügen und falschen Mitteilungen. Aber viele Menschen wissen die Wahrheit und können nicht getäuscht werden. Diese Menschen stellen sich den Schattenwelten und sprechen die Wahrheit.
Ja, die Sonne geht trotzdem auf. Keine dunkle Kraft kann das verhindern. Und alle Menschen und Wesen, die nicht aufgegeben und das Vertrauen nicht verloren haben, werden vom Sonnenaufgang erleuchtet. Aber auch jene, die auf der dunklen Seite waren, können sich neu entscheiden, ob sie sich nicht dem Sonnenlicht zuwenden wollen. Denn die Sonnen-Er-Leuchtung ist für alle da und lässt niemanden außen vor. Es ist mehr die Frage: Wie hoch darf das Licht sein, das in deine Augen scheint? In diesem Märchen wird so schön erzählt, was Erleuchtung eigentlich ist:
Und die Sonne schien tief in alle Herzen … alle Schatten lösten sich auf: Der Bart des Bergkönigs begann zu schmelzen. Aus Sampo wurde ein mutiger junger Hirte, dem kein Winter, kein Wolf und keine Lügen jemals Angst machten.
Erleuchtung ist da, wenn es im Herzen keinen Platz mehr für Schatten und Ängste gibt. Dann, wenn alles, das Wahre und das Unwahre, beleuchtet wird.
Von der Kultur der Samen und ihren Märchen lernte ich, in den dunklen Zeiten meines Lebens mehr zu vertrauen. Ich lernte, nicht aufzugeben. Ich lernte, dass es keine Trennung gibt zwischen mir und der Welt, vor allem der Natur. Und ich lernte, dass in unserem Inneren eine Sonne scheint. Und wir entscheiden, ob wir diese Sonne nähren wollen mit Seelennahrung oder ob wir sie verhungern lassen.
Was in Lappland und auf der ganzen Welt geschah, war dasselbe: Hochkulturen und naturverbundene Völker verschwanden. Einige waren hochentwickelt und verließen die dreidimensionale Welt, um in einer anderen, feineren Dimension zu leben, wie das Volk der Tuatha de Dannan in Irland, der Inkas in Machupichu oder der Mayas und Azteken in Guatemala und Mexico. Andere blieben auf der Erde und wanderten durch die dunklen Zeiten, um zu lernen, das eigene Licht wiederzufinden. Einige ihrer alten Stätten und Tempel kann man heute besuchen und darüber rätseln, wer diese Gebäude gebaut hat.
Ich bin sicher, dass mit den gewöhnlichen Werkzeugen der Universitäten dieses Rätsel nicht ganz gelöst werden kann. Die Wahrheit dieser Plätze findet man auf einer ganz anderen Ebene. Man muss diese Steine berühren und zuhören, man muss ihre Bilder sehen und man muss ihre Legende hören, um herauszufinden, wer diese zauberhaften Menschen waren. Ich bin mir sicher, dass alle diese Rätsel nur mit dem inneren Werkzeug erkannt werden können. Diese Menschen waren wir selbst, alles steht in unseren Genen geschrieben. Wir müssen uns nur wieder daran erinnern.
Im Jahr 2018 gründeten der Kunsttherapeut Joseph Aschwanden und ich »Zaffe«: eine Traumabegleitung für Asylsuchende, die in der Schweiz ankamen. Diesen wandernden Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten, ging es sehr schlecht. Wir wollten ihnen helfen, sich von ihren traumatischen Erlebnissen zu erholen und zu lösen und wieder bei sich selbst und in einem neuen Land anzukommen. Diese Menschen waren alle durch die tiefsten Abgründe gegangen, und sie hatten es überlebt.
Die Frauen, die zu mir kamen, erzählten mir ihre Geschichte, und ich war zutiefst ergriffen, wie groß ihr Mut und ihre Kraft waren. Sie waren mehrmals dem Tod begegnet, und sie hatten nicht aufgegeben. Sie waren von Menschenhändlern gefangen und prostituiert, von Gefängniswärtern gefoltert worden, sie hatten ihre Kinder, Männer und Eltern im Krieg oder unterwegs verloren, sie hatten die Wüste durchquert, mehrere Länder zu Fuß und ohne Schuhe durchwandert, sie hatten Wasser getrunken, in dem Leichen schwammen, sie wurden mehrfach vergewaltigt, mussten vor Bomben und Krieg fliehen, vor einem frauenfeindlichen Staat, wo kleine Mädchen im Geheimen beschnitten und verstümmelt wurden. Diese Frauen saßen vor mir und waren dankbar, dass eine da war, die ihnen zuhörte. Oft strahlten sie eine große Ruhe aus. Ihr Vertrauen in das Leben hatte sie durch die Abgründe des Lebens geführt.
»Und als du in der Wüste warst, erschöpft, aber nicht schlafen durftest, und es kalt hattest mitten in der Nacht und alleine unter Hunderten von Menschen und Leichen warst, was gab dir die Kraft, weiterzuleben?«
»Ich schaute zum Himmel und sah die vielen Sterne und wusste, dass ich nicht alleine war.«
Hababo aus Äthiopien
Diese Frauen nahmen den Pinsel in die Hand oder tauchten ihre Hände in die Farbschalen und malten ihre Geschichten mit großer Achtsamkeit und Liebe, aber auch mit viel Trauer und Schmerz. Die meisten Frauen hatten vorher nie gemalt. Und da sie aus einer Naturkultur kamen, hatten sie oft die Schule nicht lange besucht. Genau das machte sie frei. Sie setzen sich selbst nicht mit perfektionistischen oder technischen Erwartungen unter Druck. So waren ihre Bilder und Werke von wahrer Ausdruckskraft erfüllt. Ihre Bilder sprachen über ihr Leben, über ihre Heimat und ihren Weg in dieses neue Land.
Ich sah, dass sie entwurzelt waren und ihre Herzen dringend genährt werden mussten. Und so begann ich, nach den Volksmärchen ihrer Kulturen zu suchen, um sie ihnen vorzulesen oder in ihre Sprache zu übersetzen. Dabei erkannte ich, dass beim Zuhören etwas bei ihnen passierte. Sie hörten zu und begannen zu lachen und zu erzählen von ihrem Leben in ihrer Heimat. Es kam mir so vor, als hätte ich mit den Volksmärchen ein verwelktes Pflänzlein mit frischem Wasser versorgt.
So begann ich zu forschen und entdeckte, dass es überall Naturkulturen gegeben hatte und wir von ihrem Wissen nichts mehr wussten. Ich erkannte, dass diese Naturkulturen bewusst zerstört wurden, damit die Menschen sich ganz verlieren konnten, um sich irgendwann schlussendlich wiederzufinden. Ich erkannte, dass die Menschheit an einem Punkt war, wo es wieder nach Hause ging. Ich erkannte, dass jeder Mensch einen Samen in sich trägt, der von seinen Ahnen angelegt wurde. Dieser Samen will sich entfalten. Er ist ein Speicher uralter Erden- und Sternenweisheit. Jeder Mensch trägt in sich die Erinnerung aus mehreren Hochkulturen. Denn unsere Ahnen haben sie weitergegeben, von Generation zu Generation. Wer sich daran erinnert und Zugang zu den eigenen Speichersamen bekommt, kann mithelfen, die Erde zu einer besseren Welt zu machen.
Volksmärchen sind alte überlieferte Geschichten, die von Mund zu Mund weitererzählt wurden. Sie haben mit den heutigen Geschichten nichts zu tun. Volksmärchen wurden von Menschen empfangen, die damals zugänglich für die Botschaften der geistigen Welt waren. Die Sprache des Märchens ist eine Bildersprache, die direkt zu der Seele der Menschen spricht. Oft muss man sie nicht einmal verstehen können, denn die Bilder allein haben eine heilsame Wirkung.
Aus meiner praktischen Erfahrung in der therapeutischen Begleitung weiß ich, dass Märchen im Inneren des Menschen etwas bewegen und berühren, so wie es keine normale Geschichte bewerkstelligen kann.
Die Menschen, die die Volksmärchen empfingen, waren oft spirituelle Priester oder einfache Menschen wie Hirten, Bauern und Handwerker. Während sich die ersten mit Hilfe von Pilzen und Trommeln gezielt in Trance versetzten, waren Menschen, die viele Stunden in der Natur verbrachten, von den Naturelementen in Trance versetzt. Lange gleichbleibende Naturklänge wie der Wind, Regen, Meeresrauschen, Feuerknistern … hatten diese Wirkung. Was die Menschen erlebten, erzählten sie in Form von Märchen ihrem Volk weiter. Da diese Menschen sehr naturverbunden lebten, hatten sie direkten Zugang zu den Naturwesen. Es konnte geschehen, dass sie in die Feenwelten hineinschlüpften oder in die unteren oder oberen Welten reisten. Hier erhielten sie die Medizin und die Zauberdinge, die die Seelen der Menschen gerade brauchten.
Die Volksmärchen, die bei uns geblieben sind und noch erzählt werden, sind jene, die wir noch heute brauchen, um den Weg zu unserer Seele zurückzufinden. Diejenigen Märchen, die nicht mehr in Resonanz mit uns sind, sind inzwischen ausgestorben und werden nicht mehr erzählt, weil sie ihren Zweck erfüllt haben.
Volksmärchen werden in der ganzen Welt und in allen Völkern erzählt. Bei den letzten Generationen sind es die Großmütter und Mütter, die die Märchen in allen Kulturen ihren Kindern erzählen. Die Märchen geben ein Gefühl von Zuhause, von Geborgenheit und Wärme, das die Großmutter beim Erzählen weitergibt.
Heute vereinsamen viele alte Menschen. Die wenigsten haben die Zeit und die Ruhe, ihnen zuzuhören. Aber sie haben viel zu erzählen: aus ihrem Leben und vielleicht auch ein kleines Märchen? Sie können uns inspirieren, sie können uns berühren, unsere Herzen wärmen. Alte Menschen tragen ein ganzes Leben in sich, nehmen wir Platz an ihrer Seite und hören wir ihnen zu, anstatt mit ihnen wie mit kleinen Kindern zu sprechen. Es geht nicht nur um die Geschichten selbst, sondern um unsere Herzen, die sich öffnen, wenn wir verstehen, wenn wir mitfühlen können. Geben wir dem Geschichtenerzählen wieder seinen Wert, den es verloren hat, damit es uns Menschen und Menschenkindern wieder gutgeht.
Wer ein Märchen aus seiner eigenen Kultur hört, fühlt sich oft innerlich genährt. Die Samen seiner Kultur werden wieder begossen und die inneren Pflänzchen können wieder wachsen und gestärkt werden. In meinen Begleitungen suchte ich immer wieder nach Volksmärchen, die meine Klientinnen nähren konnten. Sie waren eine große Unterstützung für ihre Heilung.
In Irland gibt es den Spruch: Wer Märchen zuhört, wird nie krank. Ich sage: Wer Märchen zuhört, wird wieder heil.
Auch die Legenden sind wichtige Überlieferungen. Jedes Kapitel dieses Buches beginnt mit dem kurzen Teil einer Legende, einem Bild. Legenden erinnern uns daran, dass wir in Wirklichkeit Sternenwesen und aus einer anderen Welt hierhergekommen sind. Jeder von uns trägt eine Legende in sich, sie ist aus unserer aller Leben auf der Erde und in anderen Galaxien entstanden. Die Legenden im Buch mit ihren übermittelten Bildern erinnern uns daran, dass wir diese Götter sind.
In diesem Buch erzähle ich von den Frauen, manchmal auch von Männern, die ich begleiten durfte. Als Erzählerin erzähle ich mit einfachen Worten von ihrer Geschichte, ihren Erinnerungen an das alte vermittelte Wissen ihrer Großeltern und von ihren Märchen. Ich schreibe über das, was mich betroffen gemacht und mich berührt hat und über das, was mich eingeladen hat einzutauchen. Ich erzähle dir, wie du deinen Weisheitsfaden wiederfindest und dir die Weisheit deiner Vorfahren zurückholen kannst, die Saat, die du in dir trägst. Es geht nicht darum, die Kultur anderer Frauen zu leben, sondern die eigene Kultur und ihre Wurzeln wiederzufinden. Es geht darum, ohne Hilfsmittel oder Identifikationen in einer liebevollen Beziehung direkt mit der Erde zu sprechen und ihr zuzuhören.
Hier lade ich dich ein, dein Lebensbuch zu öffnen und alle deine Erkenntnisse und Erfahrungen, die du während des Lesens und bei den Übungen machst, aufzuschreiben.
Die Kulturen, von denen ich in diesem Buch spreche, sind die Kulturen, aus denen meine Klientinnen kamen. Das ist der Grund, warum viele Kulturen nicht dabei sind. Dieses Buch soll keine wissenschaftliche oder historische Studie sein, sondern es soll dich eher anregen, ein Stück deiner eigenen Weisheit zu finden. Meine Absicht ist, die Seele dieser Kulturen und Orte einzufangen. Alle zerstörerischen Kräfte, die in diesen Ländern am Wirken sind, habe ich außen vor gelassen. Denn ich bin mir sicher, dass nur, wenn die Menschen sich wieder an die Schönheit und Kraft dieser Kulturen und Länder erinnern, diese wieder ihren Raum einnehmen und wachsen können, während die Dunkelheit weicht, da sie dann verhungern wird.
Wenn die Menschen flüchten, beginnen sie ihren Weg meistens allein oder als Familie, irgendwann erreichen sie den flüchtenden Strom. Das sind die Menschen, die aus allen Richtungen zusammenkommen und wie in einer unendlichen Karawane Richtung Europa ziehen. Dieses Buch ist eine innere nomadische Wanderung. Märchen sind immer wieder mit den Menschen gereist; wir werden mitwandern und den Landschaften und Kulturen, die wir finden werden, persönlich begegnen. Mögen die Frauen aus Afghanistan, Irak, Libanon, Iran, Äthiopien, Sudan, Südsudan, Syrien, Burundi, Togo, Sierra Leone, Nigeria, Tschetschenien und Sri Lanka dich mit ihren Geschichten inspirieren. Sie wurden mir während des Malens erzählt.
(Anmerkung: Die Namen der Frauen wurden geändert. Alle Frauen mit Nachnamen heißen wirklich so und sind keine Klientinnen. Die Geschichten der Frauen haben nichts mit der therapeutischen und trauma-orientierten Begleitung zu tun. Diese bleibt privat, und die therapeutischen Prozesse werden in diesem Buch nur angedeutet.)
Erda, die Göttin der Erde und des Hauses, hütet den Brunnen der Weisheit, tief im Schoß der Erde, wo Geburt und Tod stattfinden.
Eines Tages wollte ein Junge einen Ort aufsuchen, wo es keinen Tod gab. Jahrelang wanderte er um die Welt, aber nirgends fand er diesen Ort. »Ein solches Land gibt es nicht«, sagten alle zu ihm. Aber er gab nicht auf und ging weiter, bis er zu einem gläsernen Haus kam. Dort lebte ein wunderschönes Mädchen, es war die »Schönheit.« Ihm gefiel es gut bei der Schönheit, denn sie starb nicht. Als er aber nach langer Zeit zurück in seine Welt wollte, sagte das Mädchen zu ihm: »Du bist der Unendlichkeit nicht würdig, denn du sehnst dich nach deiner alten Welt.« Als er in sein altes Haus zurückkam, waren alle, die er kannte, schon tot. Er wurde in kurzer Zeit zu einem alten Greis und starb gleich darauf in seinem Dorf.
Und bestimmt nahm Erda ihn zu sich und tauchte ihn in den Brunnen der Weisheit.
Aus einem kaukasischen Märchen
»Eine weise Frau ist jemand, die viele Erfahrungen im Leben gemacht hat. Sie weiß deswegen sehr viel, und sie gibt das, was sie weiß, an andere Menschen weiter. Sie hört eher zu, als dass sie spricht. Man lernt mehr im Leben, wenn man gut zuhört. Sie ist immer offen, um zu lernen, auch wenn sie alt ist.«
Malena, 22 Jahre alt
Ein Frauengesang
in einer von der Sonne bestrahlten Berglandschaft.
Eine Botschaft an das Leben über die Liebe.
Frauengesänge antworten.
Es ist eine Freude, ein Lachen.
Die Frauen werden gehört.
Sie singen von der Vergangenheit, von dem, was geschieht, von dem, was geschehen wird.
Das Land Tschetschenien befindet sich im Nordkaukasus und war früher Teil von Inguschetien. Heute gehört es zu Russland. Die Tschetschenen und Inguschen gehören zu dem Volk der Wainachen, hatten eine eigene Kultur und folgten einer Naturreligion. Ihr Gott war der Sonnengott Malkha-Dela. Eine seiner Göttinnen war Erda oder Mutter Erde. Man findet Erda auch bei den nordeuropäischen Völkern in den Schriften der Edda.
Vor Generationen fanden die Tschetschenen Zuflucht in Kasachstan. Heute finden sie dort keine Sicherheit und fliehen über Russland, Belarus und die Ukraine bis nach Europa. Sie suchen nach dem, was sie seit vielen Jahren verloren haben: Sicherheit, vor allem für die Frauen und die Kinder. Mit ihnen reisen die Märchen von Baba Yaga.
Zubaira, 56 Jahre alt, erzählt:
»Meine Eltern führten einen Bauernhof oben in den Bergen. Es war sehr steil dort. Die Berge bildeten die Form eines Kessels. Darunter war ein See. Wir gingen nicht dorthin, er war sehr weit unten. Nur die Männer stiegen ab und zu herunter zum See, um dort zu fischen.
Wir waren viele Kinder in unserer Familie, und wir halfen alle mit, vor allem mit den Tieren. Wir hatten Kühe und Pferde, Schafe, Gänse, Hühner und Enten. Und da war auch ein junger Ziegenbock, der mit uns in die Stube durfte. Bei uns gab es immer genug zum Essen, das war für meinen Vater sehr wichtig. Seine Mutter starb, als er ein Kind war, und seine Stiefmutter ließ die Kinder hungern. Meine Eltern waren sehr großzügig und verschenkten viele Lebensmittel vom Hof an andere Menschen. Bei uns ist es Brauch, einmal in der Woche das Essen mit den Nachbarn auszutauschen. Was wir kochten, brachten wir zu einer anderen Familie, und wir erhielten auch von ihnen ihre Gerichte.
Wir Kinder waren in einem Internat in der Stadt, und am Wochenende kamen wir nach Hause. Dann halfen wir auf dem Hof – und wir liebten es, diese Arbeit zu tun.
Ich erinnere mich nicht mehr, ob bei uns zuhause Märchen erzählt wurden, aber in der Schule, ja. Dort wurden uns die Märchen von Baba Yaga erzählt.«
In der Einsamkeit der Berge Tschetscheniens, dort, wo die Wölfe und Bären zuhause sind, sind die Winter kalt und dunkel. Baba Yaga ist in dieser Zeit die Herrin des Landes und versetzt die Menschen in Angst und Schrecken. Sie ist eine Hexe, die die Mädchen und Frauen prüft: Sind sie stark und weise genug, um mit dem Leben umzugehen? Ist ihr Herz rein genug, um sich der Dunkelheit zu stellen? Sie lebt zurückgezogen im Wald in einer Hütte aus Tierknochen. Sie ist die Herrin der Dunkelheit und des Todes. Sie ist streng mit ihren Schülerinnen, denn es gibt kein Leben, ohne den Mut zu haben, dem Tod zu begegnen. In ihrem Garten hängen Totenköpfe als Laternen. Sie erinnern die Menschen daran, dass der Tod ein Lebenslehrer ist, den es nicht zu verachten gilt und der schlussendlich zum Licht führt.
Sterben ist, als hätte man lange geschlafen und plötzlich öffnen sich die Augen. Man erwacht nach einem langen Schlaf. Und dann stellt man fest, dass man Zuhause angekommen ist, bei den Menschen, die immer für uns da waren, aber nicht gesehen wurden, weil wir im Leben auf der Erde geschlafen haben.
Eigentlich beginnt das Leben doch mit der Geburt. Warum beginnt das erste Kapitel dann mit dem Tod? – Weil es die Begegnung mit dem Tod war, die die meisten Frauen zu mir geführt hat. Und weil unsere