Die weiße Sklavin - Charlotte Camp - E-Book

Die weiße Sklavin E-Book

Charlotte Camp

0,0

Beschreibung

Witzig, spritzig, spannend, mit einem Hauch knisternder Erotik. Man schrieb das Jahr 1654.Schon wieder ist ein Jahr vergangen. Das Leben hatte ihr nichts geschenkt, außer atemberaubender Schönheit. Seit Jahren schon sitzt sie in der falschen Zeit fest, doch alle verzweifelten Versuche, ihr endlich zu entkommen, misslingen. Wieder einmal hat sie sich auf den beschwerlichen Weg begeben, das Ziel ist so nah. Sie kann ihn schon sehen, den Berg - ihren Berg, den Berg mit der Höhle - dem Zeitkanal. Doch das Schicksal hat etwas Anderes mit ihr vor. Sie gerät in immer tiefere Abgründe, aus denen es kein Entrinnen zu geben scheint.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 220

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1: Die falsche Braut

Kapitel 2: Die Tarnung des Teufels

Kapitel 3: Der Weg ins Licht

Kapitel 4: Die Verschwundene Braut

Kapitel 5: Der Aufbruch ins Ungewisse

Kapitel 6: Der Untergang

Kapitel 7: Die Suche

Kapitel 8: Der Korsar

Kapitel 9: Die letzte Chance

Kapitel 10: Die Ungewissheit

Kapitel 11: Die falsche Schlange

Kapitel 12: Der Himmel über uns

Kapitel 13: Der falsche Weg

KAPITEL: 1 DIE FALSCHE BRAUT

Alles war plötzlich anders, der Knoten in meinem Magen hatte sich gelöst. Die bleischweren erdrückenden Sorgen, waren gleich munteren Schmetterlingen davon geflattert.

Leicht beschwingt, glaubte ich über den Boden zu schweben.

Die Odyssee, mein endloser Irrweg hatte ein Ende, das Ziel meiner Wünsche war in greifbare Nähe gerückt.

Meine triefend nassen Schuhe hatte ich in die Satteltaschen gestopft und genoss nun das erfrischende Gras unter meinen Füßen.

Die struppige Heidelandschaft ging allmählich in einen verzauberten Urwald über.

Und hinter dem Wald?

Oh mein Gott, ich konnte es nicht erwarten, konnte nicht weiterdenken, zu köstlich war das Wissen, das so lange ersehnte Ziel, der Erfüllung meiner Sehnsucht so vieler Jahre so nahe zu sein.

Ich wollte noch ein Stück laufen, das Leben spüren, meine Muskeln stärken und das Pferd noch ein wenig schonen, ehe ich den Ritt auf seinem Rücken fortsetzen würde.

Nun da ich das Ziel so dicht vor Augen hatte, spielte die Zeit keine Rolle mehr. Die Sonne versank schneller als ich gedacht, die Bäume verwandelten sich in schwarze Spukgestalten.

Sei es drum, der Hengst würde mich schon führen, dem nachtschwarzen Berg entgegen, dachte ich voller Zuversicht.

Plötzlich spürte ich einen brennenden Schmerz in meiner Wade, ein höllisches Feuer, wie von hundert Wespen gestochen, dass sich schnell ausbreitete.

Ich sank zu Boden, der teuflische Schmerz raubte mir fast die Sinne. Im Moos kauernd, gelang mir ein Blick auf die Wunde, ein Schlangenbiss.

Halb betäubt, sah ich mein Ende nahen, so werde ich denn sterben, so kurz vor meinem Ziel.

Lebwohl mein Liebster, ich wäre so gern in deinen Armen gestorben, nun werden wir uns nicht mehr wiedersehen.

Alles hat einmal ein Ende, auch unsere Ewigkeit.

Ich hörte noch ein Fuhrwerk vorbei rattern, riss meine Augen auf und sah eine pompöse Kutsche mit dem gräflichen, Wappen der von Elzen, als mich die Ohnmacht lähmte.

So hörte ich nicht mehr, dass die Kutsche nicht weit von meinem Versteck zum Stehen kam.

Bald ist es stockdunkel, dachte der junge Graf und trat hinter eine Baumgruppe um sich endlich zu erleichtern.

Sie waren aufgebrochen, um die Braut seines älteren, nichtsnutzigen Bruders in Empfang zu nehmen.

Ein hoher General, hatte einen Kurier gesendet, mit der Nachricht, die entsprechende Dame unter seinem Schutz zu beherbergen, zwecks einer Übergabe an die Grafenfamilie.

Nun ja, ihm sollte es gleich sein, er würde dafür Sorge tragen, wenngleich sein träger Bruder es nicht für nötig erachtete, seine Zukünftige selbst in Empfang zu nehmen.

Er wollte der Komtesse, militärisches Geleit geben, hatte der General von seinem Sendboten ausrichten lassen und es schon Stunden später wieder bereut, denn er selbst hatte ein Auge auf die überaus reizende Dame geworfen.

„Wie lächerlich, ein militärisches Geleit für eine einzige Frau“, hatte der alte Graf verächtlich ausgerufen.

Vermutlich verlangt der General eine saftige Auslösesumme für seine Mühe.

„Das Geld können wir uns für die Hochzeit aufsparen, wir selbst werden sie holen!“, bestimmte er.

„Siegfried, mein zweitgeborener, dir übertrage ich die ehrenwerte Aufgabe, du bekommst 5 bewaffnete Landsknechte zum Schutz vor Wegelagerern, dir vertraue ich die kostbare Fracht an“.

„Ich hoffe das sich der Aufwand lohnt“.

„Ich soll malwieder meinen trunksüchtigen Bruder vertreten, für ihn die Kohlen aus dem Feuer holen“, brauste der Angesprochene auf.

„Ach Gott ja, der Junge ist zu sensibel, ein Träumer, du weist doch von seinem Leiden, eine liebreizende Dame kann ihn von seiner Schwermut heilen“.

„Bah, Schwermut nennst du das, ich würde eher sagen, er ist… doch lassen wir das, nun denn, so werde ich mich also auf den Weg begeben“.

„Weise die Köchin an, sie möge uns mit ausreichender Wegzehrung versorgen“, befahl er dem Diener.

Nach einer ausgiebigen Mahlzeit hatten sie sich auf den Weg begeben. Ihn drängte keine Eile, er war froh dem langweiligen Leben auf dem Schloss für ein paar Tage zu entkommen, wenn ihn auch keine erquickende Abwechslung erwartete.

Er wusste von einer Herberge auf dem Weg, so kümmerte ihn die hereinbrechende Dunkelheit nicht. sicher ist es nicht mehr weit bis zu unserem Nachtquartier.

Er spürte einen Druck auf der Blase und wies den Kutscher an, zu halten.

Eine blaublütige Holde muss es sein, egal ob hässlich wie die Nacht, ob fett oder dürr wie eine Bohnenstange, aber von Adel!

Er schüttelte verständnislos den Kopf, als er durch das knisternde Laub schritt. Seine eigene Braut musste schön sein wie die Sonne.

Er fand einen Platz hinter einem Dornengestrüpp, da sah er sie leblos im Gras liegen, ein Wesen halb Mann halb Weib. Nein, sie ist nur verkleidet.

Er sah ihre bloßen Arme, schutzlos dem Gewürm ausgeliefert. Ein nie gekannter Beschützerinstinkt erwachte in ihm. Ungläubig staunend betrachtete er sie. Oh mein Gott, noch nie hatte er solch ein schönes Weib gesehen, Herr im Himmel, lass sie nicht tot sein.

Erschüttert beugte er sich über sie, betastete ihre warmen Arme, strich ihr über die Wangen, spürte den leichten Hauch ihrer Lippen.

Sie lebt noch, es ist höchste Eile geboten. Mit zittrigen Händen hob er sie auf und lief mit ihr auf den Armen durch das Gestrüpp, dem Fahrweg entgegen.

„Leuchtet mir den Weg“, brüllte er aus Leibeskräften die Männer an, die vor der Kutsche gelangweilt auf ihn warteten.

„Wendet den Wagen, wir müssen umgehend zurück fahren“.

Sie beeilten sich, die Fackeln zu entzünden und eilten ihm entgegen.

Die Sonne war versunken, hatte aber den Horizont im Nordwesten in eine glühende Feuerwand verwandelt, während der Waldboden schon in dunkle Schatten getaucht, schimmerte über den Baumwipfeln ein flammend rotes Licht, das den Eindruck des Überirdischen, Unwirklichen noch verstärkte, als sie ihren jungen Herrn mit seiner ungewöhnlichen Last auf den Armen durch die Bäume, keuchend auf sich zukommen sahen.

Bei Gott, ein Weib. Die weißblonden Haare der geheimnisvollen Frau hatten sich gelöst. Eine Flut engelhaften Feenhaares ergoss sich über seine Arme, floss bis auf den moosigen Waldboden, strömte über Wurzeln und Flechten, folgte ihm wie Meereswellen.

Die Männer, die nun allesamt den Wagen verlassen hatten, hielten staunend die Luft an und bekreuzigten sich.

In den Klauen des mystischen Moments gefangen, verhindert der Fähigkeit des Denkens, verharrten sie erstarrt, blöd glotzend.

„Was glotzt ihr so blöd, habt ihr nicht gehört, was ich euch gesagt habe“, bellte er unbeherrscht.

Sie bemerkten nicht den Einspänner und den Mann der ungläubig, staunend diese Szene verfolgte.

Wenig später ratterte die Grafen Kutsche in größtmöglicher Geschwindigkeit den Weg zurück den sie gekommen waren.

Der junge Graf war so mit seinen Gedanken an die Braut seines Bruders beschäftigt, das er wie selbstverständlich voraussetzte, Jene in seinen Armen zuhalten.

Welch ein göttliches Wesen, dachte er, sie wird nie die Braut meines Bruders werden, er wird sie nie bekommen, sie ist Mein, meine Braut, ich werde sie zum Traualtar führen. Wenn sie nur überlebt!

Die Köchin, meine Mutter ist heilkundig, sie weis mit heilsamen Kräutern und Tinkturen umzugehen. Mit Gottes Hilfe wird sie die schöne Unbekannte wieder zum Leben erwecken.

Er hatte seine kostbare Fracht über seinen Schoss auf die Rückbank gebetet und hielt sie fest in seinen Armen, so kann das Leben nicht aus ihr entweichen, dachte er naiv.

Leider konnte er sie in der Dunkelheit nicht sehen, nur spüren, doch er hatte genug gesehen, um in heißer Liebe zu ihr zu entflammen.

Zwei seiner Männer hatte er auf das Kutscherdach verbannt, dorthin wo üblicherweise das Gepäck verwahrt wurde. Heute benötigte er den Platz auf dem Sitz allein für sich und die Frau.

Er beugte sich besorgt über sie und lauschte ihrem Atem.

Mittlerweile hatten sie das erste Dorf erreicht, den Ort neben dem Zauberberg mit der sagenumwobenen Höhle. Ihm schien, als rollten sie schon eine Ewigkeit durch die Nacht. Welch ein Segen das wir Vollmond haben, dachte er, ungeduldig.

„Fahr er schneller oder schläft er schon dort oben“, rief er dem wackeren Kutscher zu, der sich redlich mühte dem dunklen Fahrweg zu folgen.

„Wieviel Orte sind es noch bis zum Schloss“?

„Fünf oder sechs Dörfer müssen wir noch durchfahren, edler Herr, das wird noch eine Weile dauern, ich fürchte, die Pferde werden das nicht durchhalten, bei diesem Tempo, wir werden noch eine Rast einlegen müssen“.

„Das kommt gar nicht in Frage, die Gäule können in ihrem Stall ausruhen“, widersprach er.

Gezwungen zum Warten, hatte er genügend Zeit zum Nachdenken.

Woher weis ich das ausgerechnet diese Schöne die Braut ist, die meinem Bruder zugedacht ist?

Ihm kamen die ersten Zweifel. Warum war sie allein in diesem Urwald unterwegs, was ist ihr zugestoßen, ist sie etwa überfallen, niedergeschlagen und geschändet worden?

Wer ist sie, wenn nicht die angekündigte Braut. Eine Landstreicherin oder ein Kräuterweib ist sie sicher nicht.

Er schnüffelte an ihrem Halsausschnitt.

Was für eine merkwürdige Kleidung sie trägt. Eine Bluse ohne Ärmel, auch trägt sie kein Mieder wie die hohen Damen.

Stattdessen ist sie in Männerhosen gekleidet.

Na ja, das mag wohl von Vorteil sein auf der Reise mit einem Pferd. Wo aber ist das Pferd, ich hätte danach suchen müssen, wenn es hell ist, werde ich ihre Satteltaschen durchsuchen, sicher gibt mir das Aufschluss über ihre Identität.

Ich muss mich gedulden. Wer immer sie ist und woher sie kommt, ist mir egal, sie gehört mir, mir allein.

„Warum zum Teufel haltet ihr?“, mokierte er sich, aus seinen Träumen gerissen.

„Die Pferde sind erschöpft, ich will sie nicht zu Tode schinden, der Graf wird mich schelten“, klagte der Kutscher und hüpfte von seinem Sitz, ihr seid ein Heißsporn junger Herr, wenn ich mir erlauben darf, das zu sagen!“

„Ja in Gottesnamen, so leg er eine Rastpause ein“, brummte er und griff nach dem Fresskorb.

Das erste zaghafte Tageslicht zeigte sich, als sie endlich den heimischen Hof erreichten.

Die Aufregung war groß, als er mit seiner menschlichen Fracht auf den Armen durch das Portal des Schlosses stürmte.

„Weckt die Hausmädchen und die alte Köchin“, befahl er dem verschlafenen Diener, der ihm mit schlürfenden Schritten entgegen trottete.

Nun riss er die Augen auf und starrte auf das unwirkliche leblose Wesen das der junge Herr noch immer auf seinen Armen trug.

„Was ist geschehen, um Himmelswillen“, stammelte er und wich erschrocken zur Seite.

„Was hältst du Maulaffenfeil du Hundsfott, wo bleibt die alte Fettel!“, brüllte der junge Graf gefährlich.

Seine Ungeduld war ins unerträgliche gewachsen, es war nicht seine Art, die Dienstboten anzufahren.

„Hier bin ich Junge“, meldete sich die betagte Köchin.

Sie hatte sich in aller Eile einen Umhang über ihr langes Schlafhemd geworfen. Ihre Nachthaube war verrutscht, doch ihre Miene war ernst.

„Oh du liebes bisschen!“, rief sie verwundert, „die arme Kleine, was ist ihr zugestoßen, so bringt sie schnell in die kleine Stube“.

Sie watschelte so schnell es ihr gelang, in ihren ausgetretenen Pantoffeln voraus und öffnete die Tür.

„Legt sie auf den Divan, so ist es gut und nun verschwindet ihr Männer, los los, fort mit euch, hinaus“, - zischte sie und schob den verdatterten jungen Mann, einen unangenehmen Zischlaut ausstoßend, aus dem Raum.

„Lasst mich mit ihr allein“, brummte sie energisch und verschloss hinter ihm die Tür.

Kopfschüttelnd machte sie sich nun daran die seltsame Frau von ihrer merkwürdigen Kleidung zu befreien.

Sie tastete ihren Körper sorgfältig nach Schwellungen ab.

Suchte nach Striemen, Blutergüssen, Knochenbrüchen und auffälligen Wunden, bis sie die angeschwollene, inzwischen blau verfärbte Bissstelle an der Wade entdeckte, zweifelsohne ein Schlangenbiss von einer bösen Viper. Sie hatte so eine Biss-Spur schon einmal gesehen.

Deutlich erkannte sie die typischen Spuren. Sie riss die Tür auf und rief in die Halle.

„Bringt heißes Wasser und saubere Tücher, eilt euch“.

Während sie selbst sich in Bewegung setzte und in ihre Kammer eilte, dort suchte sie nach einem bestimmten Kräuterpäckchen.

Sie wusste was zu tun war.

Auf jeden Fall würde sie ihr bestes versuchen um das Leben der zarten Dame zu retten.

Sie verbrachte Stunden an ihrem Lager, bestrich die Wunde mit übelriechender Salbe, flößte ihr blutreinigenden Tee ein, kühlte ihre fieberheiße Stirn und betete zum Herrgott.

Mehr konnte sie zunächst nicht tun, nur beten und hoffen das die Wunde nicht schwären möge.

Ein Wundbrand würde sie zum Äußersten zwingen.

Man müsste das hübsche, wohlgestaltete Bein amputieren, unterhalb des Knies.

Ach Gottchen das arme Ding, wer würde sie dann noch heiraten wollen, einen einbeinigen Krüppel.

Sie strich noch ein letztes Mal etwas von der grünen Salbe auf die geschwollene, hässlich verfärbte Wunde, band ein Tuch darum und zog eine Wolldecke über den Körper der bemitleidenswerten fremden Frau, die im tiefen Delirium dahindämmerte.

„Schlaf nur meine Kleine“, murmelte sie und kühlte ihre Stirn.

Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich glauben das ich sie kenne, aber das kann nicht sein, dachte sie, als sie mit schweren Schritten aus dem Raum schlürfte.

Längst war das Haus zum Leben erwacht. Schon seit geraumer Zeit hatte sie aufgeregte Stimmen vor der Tür vernommen.

Die Küchenmädchen warteten auf ihre Anweisungen.

Oh wie müde sie war, sie spürte ihre alten Knochen, wie gerne würde sie jetzt ihre Schlafkammer aufsuchen, doch die Pflicht rief sie in die Küche.

An der Tür prallte sie mit dem alten Grafen zusammen.

„Lasst sie schlafen, die Kleine, ich habe mein Bestes getan, alles Weitere wird der liebe Herrgott entscheiden, schickt die Hildegard zu ihr, sie möge an ihrem Bett wachen und sie mit feuchten Tüchern kühlen, das Fieber steigt, sie ist von einer giftigen Viper gebissen!“, sagte sie, schulterzuckend.

„Ich muss jetzt in die Küche, wenn die hohen Herrschaften nicht auf ihren gewohnten Gaumenschmaus verzichten wollen“, fügte sie schnippisch hinzu.

„Nein bleibt, ihr seid von euren Pflichte freigestellt!“, beeilte sich der junge Graf zu sagen, der ebenfalls den Raum betreten hatte.

„Also ich will keinesfalls auf mein Mittagsmahl verzichten“, nörgelte sein älterer Bruder, der sich an der Köchin und dem Bruder vorbeigedrängelt hatte, um ebenfalls einen Blick auf die fremde Frau zu erhaschen.

„Sie schläft doch eh… oh was für ein Traumwesen!“, er schnappte nach Luft, „Herr im Himmel, was für ein Weib!“

Stammelte er ergriffen und versenkte sich in ihren Anblick, „das also ist meine Braut, wie schön sie ist, wie unglaublich schön, sie ist meiner würdig“.

„Du täuschst dich Kerl, das ist nicht deine Braut!“, belehrte ihn sein jüngerer Bruder, „meine Braut ist sie, denn deine musst du dir selber holen, sie wartet noch auf dich!“

„Was faselst du da, Vater hat dich doch ausgeschickt sie zu holen!“, blökte er und stieß dem Bruder erbost mit der Faust gegen die Brust.

„Was bildest du dir ein, du Bastard, Sohn einer Hure du, du…“ Ihm gingen die Worte aus, er schnaufte und bebte vor Zorn und Selbstherrlichkeit, sein Gesicht war rot angelaufen, Schweißperlen standen auf seiner Stirn.

„Du schimpfst mich einen Bastard, du ein Trunkenbold und Nichtsnutz, du weist ja noch nicht einmal mit einem Schwert umzugehen, du bist ja gar kein richtiger Mann, eine rotznäsige Memme, ein erbärmlicher Schmarotzer“, fauchte er böse und packte den Bruder und stieß ihn von sich.

Der stolperte Rückwärts und landete auf allen Vieren, kurz vor dem Bett der schlafenden Frau. Erschrocken rappelte er sich wieder auf.

„Wehr dich Kerl, zeig dass du ein Mann bist, was soll die Dame von dir denken, aber das ist dir ja gleich, die jedenfalls ist nicht für dich bestimmt, sage ich dir!“

„Aber ich will keine andere“, jammerte der weinerlich.

„Dein Pech“, entgegnete der Jüngere, „denn sie wird mich erwählen und mir gehören“.

„Das könnte dir so passen, begehrte der Ältere auf, ich werde dich zu einem Duell herausfordern!“

„Bah, du Feigling, du kannst ja kein Schwert von einem Küchenmesser unterscheiden“.

„Ich werde dich töten“, fauchte der Bruder und ging mit erhobenen Fäusten auf den Rivalen los.

„Ha, das ich nicht lache, du Hosenscheißer,- los schlag doch zu“.

„Was geht hier vor?“, meldete sich der Graf, der wieder den Raum betreten hatte, mit dröhnender Stimme und trennte die Kampfhähne.

„Ihr benehmt euch wie Gassenjungen, schämt ihr euch nicht, euch so aufzuführen im Angesicht der Dame“.

Er packte die jungen Männer und stieß sie zur Tür, um sich selbst an dem Anblick des Streitobjektes zu ergötzen.

„Oh, welch ein liebreizendes Geschöpf“, brach es aus ihm heraus, er verharrte ergriffen von ihrem Anblick und stieß einen unterdrückten Pfiff der Verwunderung aus.

„Ich denke sie ist nichts für euch, ihr Grünschnäbel, diese Dame hier bedarf eines richtigen Mannes!“

Ein lastendes Schweigen senkte sich über den Raum.

„Nun raus mit euch“, unterbrach er die Stille, „die Kranke braucht Ruhe“.

Allein gelassen, betrachtete er nun ausgiebig die geheimnisvolle Schöne ehrfurchtsvoll, wie ein kostbares Kunstwerk.

Er seufzte, in lebhafte Träumereien versunken, kratzte sich nervös über die Bartstoppeln, so bemerkte er nicht, dass die alte Seele des Hauses die Kammer betreten hatte.

„Beherrscht euch, alter Gockel! Brummte sie zynisch, „wenn ich den Grafen nun bitten darf uns allein zu lassen, ihr seht ja selbst das die gnädige Dame hilflos ist und der Pflege bedarf“.

„Wie, - aeh, - ja freilich, - aeh, was hat sie für ein Leiden, ich meine, wird sie wieder gesund?“

„Das liegt allein in Gottes Hand“, tat sie seine Fragen ab.

„Aber könnt ihr nicht…“

„Ich versuch mein bestes, es sieht aber gar nicht gut aus, sie ist von einer Schlange gebissen, hier, seht selbst“. Sie hob die Decke, nestelte an dem Verband und entblößte das Bein der Schlafenden.

„Da schaut, wie übel es sie erwischt hat, ich fürchte“…

„Ihr wollt doch nicht etwa andeuten das sie, - das ihr in Betracht zieht aeh, - sie zu verstümmeln?“, stotterte er ungläubig und wusste doch selbst das es unumgänglich sein würde, als er die dunkel verfärbte Schwellung sah.

„Noch ist es nicht soweit, es besteht Hoffnung das Bein zu erhalten, nun lasst mich meine Arbeit tun!“, fügte sie im herrischem Ton hinzu und wies unmissverständlich zur Tür.

„Geht jetzt“, zischte sie ungeduldig und schob ihn resolut aus dem Raum.

Wieder wurde mir die bittere Flüssigkeit eingeflößt, ich schluckte artig, bemüht mich nicht zu verschlucken.

Oh Gott diese Schmerzen, dieses fürchterliche Brennen das mich lähmte und vom Bein hinauf in den Körper kroch.

Ich wand mich in Fieberträumen, glaubte mich allein in der Dunkelheit, verlassen irgendwo.

Aber nein, ich hörte Stimmen. Jetzt ist es mir doch passiert.

Ich bin an den Schandpfahl gebunden, hocke auf dem Scheiterhaufen, das Feuer ist schon angezündet und verbrennt mich. Oh ich spür es schon, „nein lasst mich, ich will leben,“ schrie ich in höchster Not.

Meine Augen waren wie zugeklebt, hatte man sie verbunden?

Ich riss sie auf und sah…

Ein altes Mütterchen über mich gebeugt.

So rettet mich vor den Flammen, ich werde verbrennen, wollte ich rufen, doch ich brachte wohl nur ein klägliches Krächzen hervor.

„Beruhigt euch Kleine, hier seid ihr in Sicherheit, ich werde euch retten,“ beruhigte sie mich mit sanfter Stimme, „schlaft nur, alles ist gut!“

„Aber wo bin ich hier?“, fragte ich und versank wieder in Dunkelheit.

Stimmen, unbekannte Stimmen weckten mich.

„Was tue ich hier, wo bin ich?“, fragte ich erschrocken und wollte mich aufsetzen, „warum bin ich in diesem Bett?“

Eine Hand drückte mich sanft auf mein Lager zurück.

„Aber ich muss aufstehen, sie warten auf den Kaffee und“…

„Ihr könnt noch nicht aufstehen, noch nicht, kleine Frau.“

„Aber warum, bin ich eine Gefangene?“, rief ich und sah mich mit irren Blicken im Zimmer um.

Den Schrank kenne ich und auch das Vertiko dort in der Ecke, auch den hohen Fensterbogen mit dem Fries, aber alles ist anders, so grau, dachte ich und rieb mir die Augen.

Das kann nur ein Albtraum sein. Jetzt nahm ich mein Gegenüber in Augenschein.

Ein Herr in mittleren Jahren, etwa so alt wie ich.

Er saß vor mir auf einem Stuhl und beugte sich über mich.

Ich sah Lachfältchen um seine Augen, ein freundliches Zwinkern.

„Ihr seid keine Gefangene, wohl aber seid ihr Gast in meinem Haus, so es euch beliebt schöne Jungfer, doch ihr solltet euch nicht so erzürnen, euer Befinden steht nicht zum Besten, ihr braucht Ruhe, denn euer Leiden ist noch längst nicht ausgestanden!“

„Was für ein Leiden?“, griff ich seine letzten Worte auf.

„Oh wir haben lange um euer Leben gebangt, unsere gute alte Seele besitzt Heilwissen, sie hat euch aufopfernd gepflegt und ins Leben zurückgeholt, das war eine schlimme Zeit.“

„Nun lasst mich nicht länger im ungewissen, so sagt doch endlich welche Krankheit hat mich befallen, habe ich etwa die Pest überstanden?“, fragte ich ungeduldig.

„Nein, Gott bewahre, die Pest ist es nicht, ein Schlangenbiss hat euch hernieder gerafft!“

„Ein Schlangenbiss, sagt ihr, aber es gibt doch kaum noch giftige Schlangen!“

„Oh doch, die gibt es noch zu Hauf in den Wäldern und Bergen.“

„So so, eine Schlange hat mich also erwischt, aber nun verratet mir wer ihr seid und wo ich mich befinde, wie heißt der Ort?“

„Das will ich euch gerne sagen, doch zunächst würde ich gerne wissen, wen ich unter meinem Dach beherberge, wer seid ihr, geheimnisvolle Schöne, wie ist euer Name?"

„Ach mein Name spielt doch keine Rolle, doch wenn es euch so wichtig ist, Elzen, Carla von Elzen“ hauchte ich kaum hörbar.

„Was sagt ihr, habe ich recht gehört, von Elzen?“

Er war aufgesprungen und starrte mich ungläubig an.

„Wer ist euer Vater, wo kommt ihr her?“, verlangte er zu nwissen.

Oh je, wie unüberlegt von mir, wie konnte ich das sagen, welch eine Verwirrung würde das nach sich ziehen, wie soll ich meine Verwandtschaft mit der Sippe erklären.

Wie es verständlich machen, das ich Jahrhunderte später einen Ur-Ur-Ur-Ur Enkel von ihm geheiratet habe?

Meine Gedanken verirrten sich, in meinem Kopf purzelte alles durcheinander, das war zu viel. Ein Rauschen und Dröhnen in meinen Ohren nahmen mir die Sinne, alles wurde Schwarz um mich, ich schloss benommen die Augen.

„Ihr überfordert die junge Komtess, sie hat die Wahrheit gesprochen“, vernahm ich eine andere Stimme von der Tür her, bevor die Welt um mich versank.

„Was faselst du da Junge, woher nimmst du die Weisheit?“, erregte sich der Graf.

„Ich habe es gesehen, mit eigenen Augen, in ihren Taschen habe ich die Papiere gefunden“, erklärte der Sohn.

„Welche Papiere, wo sind sie?, zeig sie mir auf der Stelle“, polterte der Graf unbeherrscht.

„Das kann ich nicht, sie sind nicht mehr da, irgendwer hat“…

„Was soll das heißen Bengel, warum sind sie nicht mehr da?“

„Ich weis es nicht Vater, sie sind verschwunden mitsamt den Taschen, jemand hat sie entwendet!“

„Unsinn, du willst dich nur wieder aufspielen, wer hier von dem ungebildeten Gesinde, sollte sich dafür interessieren und nun geh mir aus den Augen, du Lügenbold“, sagte er und nahm eine drohende Haltung ein.

„Gewährt mir euer liebliches Antlitz noch eine Weile zu schauen“, brummte er und nahm seinen Platz vor ihrem Bett wieder ein.

Oh er wusste viel mehr, als der Alte ahnte.

So hatte er schnell begriffen, dass der Vater ein Auge auf die schöne Dame geworfen hatte, er durchkreuzte seine eigenen Pläne, aber der würde sie nicht bekommen.

Ich werde sie heiraten, wenn ich erst 20 und volljährig bin im nächsten Jahr, auch wenn sie eine Hexe ist.

Die Satteltaschen hatte er gut verborgen unter den Dielenbrettern. Sie waren sein Geheimnis.

Doch die besagten Papiere waren tatsächlich verschwunden, die Taschen bargen noch andere Beweise die ihn verwirrten und in seiner Annahme bestärkten.

Eine Männerhose mit dem typischen Eisenverschluss, der sie als Hexe auswies, sowie Flaschen und Crem-Tiegel aus einem unbekannten Material, etwas das es gar nicht gab.

Er erinnerte sich an die Jahreszahl 1830, aber wie konnte das sein? Ein Druckfehler etwa, denn es müsste eher 1630 heißen.

Aber dann wäre die Schöne schon 25 Jahre, nein unmöglich, sie ist kaum älter als ich, grübelte er.

Ich schlug die Augen auf, die Sonne erhellte das Zimmer, ich setzte mich auf.

Wo zum Kuckuck bin ich hier gelandet?

Ich pellte mich aus der Decke und streckte meine Beine aus dem Bett ein durchdringender Schmerz durchfuhr mich, ich betrachtete mein linkes Bein. Das war also der Schlangenbiss, ich konnte noch deutlich eine Schwellung und eine hässliche Verfärbung ausmachen.

Aber das wird mich nicht hindern an das Fenster zutreten und hinaus zu sehen. Wenn ich da bin wo ich vermute, muss es doch schon Zeichen geben. Die Eichen vor dem Haus etwa, dachte ich, doch es gab keine Eichen, nur Schlehen, Weißdorn und Kastanien.

Aber das Dorf mit dem hohen Kirchturm, den Hof mit dem steilen Dach bis fast auf den Boden mit grauen Schindeln, erkannte ich…

Sollte ich tatsächlich im Schloss der Vorfahren sein?

Dem Schloss, das mir gehörte, im Jahre 2040. Nun ja, nicht ich bin sein rechtmäßiger Besitzer, habe dort aber Wohnrecht auf Lebenszeit, also unbegrenzt nach oben, als Gattin eines Nachkommen, mehr als 10 Generationen später, einem Grafen, der keinen Wert mehr auf den Titel legt.

Nun aber sitze ich hier, nahezu 400 Jahre, vor dieser Zeit.

Noch heute werde ich hinaus schleichen um das Gemäuer von außen sehen zu können. Ich muss Gewissheit erlangen wo ich mich befinde. Wenn nur der höllische Schmerz in meinem Bein nicht wäre.

Ich habe eine wunderbare Heilsalbe und Schmerztabletten in meinen Satteltaschen, entsann ich mich.

Wie bin ich nur hierher geraten, wer war es, der mich gerettet und hierhergeschafft hat und wo sind meine Taschen?

Ich sah mich im Raum um, hier sind sie nicht.

Ich beuge mich weit aus dem Fenster um nach den Efeuranken vor dem geheimen Eingang Ausschau zu halten und wahrhaftig waren sie schon vorhanden. Sie berankten das graue Gemäuer bis zum ersten Geschoss, später würden sie die gesamte Rückfront bedecken, aber Efeu gab es überall.

Dennoch war ich mir immer sicher, mich im Grafenschloss zu befinden.

Dieses verfluchte Jahrhundert hält mich fest, lässt mich nicht aus seinen Klauen.

Mein Blick wanderte weiter, suchte die nähere Umgebung ab.

Jetzt sah ich ihn, unverkennbar, ich sah unseren See in der Sonne schimmern. Er erstreckte sich bis an das Wäldchen, das heißt, der Wald reichte noch bis an den See.

Wie lange noch? Ich wusste das die Waldbestände rapide zurückgehen würden, doch dieses Gehölz würde nicht dem Raubbau anheimfallen.

Plötzlich erinnerte ich mich, dort im Jahre 2030 Heidelbeeren gesammelt zu haben. Oh mein Gott, wie kann das alles sein, wer hatte damals gedacht, das ich mich einst in so ferner Vergangenheit wiederfinden würde!