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Die Weihnachtszeit ist die Lieblingszeit von Florentine Feiertag, denn wann sonst lassen sich so viele Kinderwünsche auf einmal erfüllen? Und Wünsche erfüllen ist nun mal Florentines Leidenschaft. Diesmal haben die Wünsche es aber wirklich in sich – von Ponys und Elefanten über Trampoline bis hin zu einer Familienversöhnung ist alles dabei. Gleichzeitig muss Florentine sich auch noch um eine Einbruchsserie kümmern, die den kleinen Ort Waldstadt beschäftigt. Und natürlich ist auch der unheimliche ER nicht weit, der es auf Florentines Geheimrezept für ihre leckeren Crêpes abgesehen hat. Ob Florentine alles rechtzeitig vor dem großen Weihnachtsfest im Hinterhof schaffen wird? Mit Illustrationen von Annabelle von Sperber nach den Originalen von Nina Dulleck
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Seitenzahl: 144
Uli Leistenschneider
Die Weihnachtszeit ist die Lieblingszeit von Florentine Feiertag, denn wann sonst lassen sich so viele Kinderwünsche auf einmal erfüllen? Und Wünsche erfüllen ist nun mal Florentines Leidenschaft. Diesmal haben die Wünsche es aber wirklich in sich – von Ponys und Elefanten über Trampoline bis hin zu einer Familienversöhnung ist alles dabei. Gleichzeitig muss Florentine sich auch noch um eine Einbruchsserie kümmern, die den kleinen Ort Waldstadt beschäftigt. Und natürlich ist auch der unheimliche ER nicht weit, der es auf Florentines Geheimrezept für ihre leckeren Crêpes abgesehen hat. Ob Florentine alles rechtzeitig vor dem großen Weihnachtsfest im Hinterhof schaffen wird?
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Uli Leistenschneider, geboren 1981, ist in Bingen am Rhein aufgewachsen und zur Schule gegangen. Nach dem Abitur hat sie in Mainz Germanistik, Philosophie und ein kleines bisschen Katholische Theologie studiert und lebt heute in Karlsruhe. Das Schreiben begleitet sie seit ihrer Kindheit.
Annabelle von Sperber studierte Buchkunst in Hamburg und illustriert seit vielen Jahren erfolgreich Kinderbücher für verschiedene Verlage. Daneben hat sie einen Lehrauftrag an der Akademie für Illustration und Design in Berlin und ist für den Fachbereich Illustration an der Akademie Faber-Castell zuständig. Sie lebt in Berlin und im Schwarzwald.
An diesem Sonntagmorgen war es kalt. Dicke Schneeflocken stoben vom Himmel, und der Hinterhof der Kastanienallee sah bereits aus wie mit Zucker überzogen. Das Crêpeshäuschen, der Apfelbaum, das kleine Gärtchen – alles war dick gepudert, und es wurde immer mehr.
Drinnen in ihrer Wohnung im zweiten Stock saß Florentine Feiertag an ihrem siebeneckigen Tisch und trank warmen Gewürztee aus ihrer Regenbogentasse. Im Kachelofen prasselte ein gemütliches Feuer. Florentine schrieb fleißig bunte Zettel, die sie zusammenfaltete und in einen großen Lostopf warf. Nächstes Wochenende würde nämlich ein Weihnachtsmarkt im Hinterhof stattfinden, dort wollte sie die Lose an ihre Nachbarn verteilen. Florentine freute sich schon darauf, denn im Winter traf man sich sonst nicht so oft draußen.
Nur der Wunschbaum in der Mitte des Hofes wurde zurzeit rege von den Kindern genutzt. Seit Tagen hingen dort immer mehr Weihnachtswünsche. Neugierig schaute Florentine durch das Fenster zu den schneebedeckten Ästen hinaus. Tatsächlich, schon wieder leuchteten ihr neue bunte Zettel entgegen. Auf einem Zweig saß dick aufgeplustert das Rotkehlchen Pieps.
«Ach, du Armer», sagte Florentine mitleidig. Sofort stand sie auf und holte aus der Küche einen Futterknödel. Sie hatte ihn aus Kokosfett selbst gemacht, mit Haferflocken, Weizenkleie und vielen Rosinen. Pieps liebte Rosinen über alles.
Schnell räumte Florentine den Lostopf weg. Dann schlüpfte sie in Mantel und Stiefel und lief nach unten in den Hinterhof. Lachend hielt sie ihr Gesicht in das Schneetreiben. War das schön!
«Hier kommt ein bisschen Energie für dich!», rief sie ihrem Rotkehlchen zu und befestigte den Knödel an einem Ast. Zwitschernd kam Pieps angeflogen. Seit Florentine ihn als Babyvogel vor einer Katze gerettet hatte, war er ihr treuer Begleiter. Er wohnte im alten Apfelbaum, den Florentine vor einiger Zeit zum Wunschbaum erklärt hatte. Denn Florentine Feiertag war von Beruf Wunscherfüllerin und hatte es sich zur Aufgabe gemacht, Kinderwünsche zu erfüllen.
«Mal sehen, was es heute gibt.» Gespannt löste Florentine den ersten Zettel vom Baum. «Ah, die kleine Frieda möchte das Christkind sehen», sagte sie zu Pieps, der fleißig an seinem Knödel herumpickte. «Karls jüngerer Bruder will lieber den Weihnachtsmann kennenlernen», fuhr sie schmunzelnd fort, als sie den nächsten Zettel gelesen hatte. Auf dem übernächsten Zettel stand:
Ich wünsche mir ein eigenes Pony, deine Lorena
Lorena war erst vor Kurzem mit ihren Eltern und ihrem kleinen Bruder in die Wohnung gegenüber von Florentine eingezogen. Leider hatte Florentine die Familie noch nicht richtig kennenlernen können. Es schienen eher zurückhaltende Leute zu sein. Ein Pony für Lorena zu besorgen würde nicht einfach werden. «Aber da findet sich schon eine Lösung», meinte Florentine zuversichtlich. Bisher hatte sie noch jeden Wunsch erfüllen können.
Inzwischen wohnte Florentine seit fast einem halben Jahr in der Kastanienallee 12. Nach vielen Reisen durch die ganze Welt war sie in ihre Heimatstadt Waldstadt zurückgekommen und hatte die Altbauwohnung ihrer verstorbenen Eltern übernommen. Mit ihren Nachbarn hatte sie sich größtenteils angefreundet, insbesondere mit den Kindern. Die meisten Kinder und ihre Eltern waren begeistert von Florentine, ihren Ideen und vor allem von ihren köstlichen Crêpes, die sie oft in ihrem kleinen Häuschen im Hinterhof backte. Florentine fühlte sich rundum wohl in Waldstadt.
Zwei Wünsche hingen noch am Baum. Florentine las:
Ich will einen echten Elefanten haben. Robby.
Amüsiert faltete Florentine den Zettel zusammen. «Das wird ein tierisches Weihnachten, Pieps.»
«Tschahip-tschip!», trällerte Pieps, als würde ihm das ganz gut gefallen.
Der letzte Wunsch war von einem Mädchen, das Florentine nur zu gut kannte: Nele Grünling, die mit ihren Eltern über ihr wohnte und inzwischen eine enge Freundin von Florentine war. Sie wünschte sich ein eigenes Trampolin.
Als hätte sie es geahnt, kam Nele in diesem Moment mit ihrem kleinen Hund Kurt in den Hinterhof. «Florentine, Kurt ist im Wald einem Kaninchen hinterhergejagt!», rief sie atemlos. «Komme ich zu spät?»
Florentine schüttelte lächelnd den Kopf. «Nein, alles gut!» Sie hatte sich mit Nele und Samuel zum Plätzchenbacken verabredet. Die Plätzchen würden sie auf dem Weihnachtsmarkt für einen guten Zweck verkaufen.
Erleichtert atmete Nele auf. Interessiert kam sie näher. «Hast du schon meinen Wunsch gelesen?», fragte sie.
«Ja!» Florentine nickte. Sie streichelte Kurt, der freudig an ihr hochsprang. Auch Kurt war ein großer Wunsch von Nele gewesen. Bevor der braun-weiß gescheckte Mischlingshund zu ihr gekommen war, hatte er eine Zeit lang bei Florentine gewohnt. «So ein Trampolin ist ein ziemlich großes Ding, was?», sagte Florentine.
«Genau deshalb hab ich den Wunsch an den Baum gehängt», antwortete Nele eifrig. «Mama und Papa wollen kein Trampolin, weil es nicht in unsere Wohnung passt und der Hof nicht zugestellt werden darf.»
«Im Hof ist wirklich zu wenig Platz für so etwas», meinte auch Florentine.
Nele ließ die Schultern hängen. «Dann wird das wohl der erste Wunsch, den du nicht erfüllen kannst.»
«Abwarten», entgegnete Florentine augenzwinkernd. Sie blickte in den Himmel, aus dem es immer heftiger schneite. «Frau Holle meint es ziemlich gut mit uns. Pieps, willst du nicht mit in die warme Stube kommen?», rief sie ihrem Vögelchen zu.
Das Rotkehlchen flog schon los und landete auf dem Geländer von Florentines Balkon.
«Komm, Kurt», sagte Nele und rannte mit Kurt zur Kellertreppe.
«Bis gleich, ich schaue noch kurz in den Briefkasten!», rief Florentine ihr nach und ging durch das große Hoftor nach draußen vor das Haus.
Außer einem Werbekatalog und zwei Rechnungen lag noch ein roter Umschlag ohne Absender in Florentines Briefkasten. Eine frühe Weihnachtskarte, dachte Florentine. Da sah sie Samuel die Straße entlangkommen. Florentine klemmte sich die Post unter ihren Arm und winkte dem Jungen zu. Samuel war Neles bester Freund und wohnte zwei Häuser weiter.
«Und was wünschst du dir zu Weihnachten?», fragte Florentine, während sie die Haustür aufschloss.
Samuel grinste. «Eine eigene Schlittschuhbahn.»
«Oh!» Florentine verdrehte lachend die Augen. «Eure Wünsche haben es wirklich in sich. Wie sollen deine Eltern das denn schaffen?»
«Dann muss ich den Wunsch wohl an den Wunschbaum hängen», antwortete Samuel und grinste noch mehr.
Es gab wirklich allerhand zu tun für Florentine, aber sie freute sich darüber.
Die beiden gingen durch das Treppenhaus in den zweiten Stock. Dort wartete schon Nele mit Kurt vor Florentines Wohnungstür.
Drinnen legte Florentine die Post auf ein Schränkchen. Dann ließ sie Pieps ins warme Zimmer, wo er es sich auf der Vorhangstange gemütlich machte. Kurt legte sich auf seinen Platz neben dem roten Sofa.
«Welche Plätzchen wollen wir backen?», fragte Florentine die beiden Kinder.
«Kokosmakronen!», kam es aus Samuels Mund geschossen.
«Und welche zum Ausstechen, die kann man schön verzieren», meinte Nele.
«Sehr gut», sagte Florentine zufrieden. «Ich habe noch an Zimtsterne gedacht, Schoko-Marzipan-Plätzchen und welche mit Marmeladenfüllung.»
«Schade, dass sie noch nicht fertig sind», seufzte Nele, der bereits das Wasser im Mund zusammenlief.
Florentine lachte und krempelte die Ärmel ihres Pullis hoch. «Dann los!», rief sie und warf den beiden Kindern jeweils eine Küchenschürze zu.
Als Erstes begannen sie mit den Ausstecher-Plätzchen. Die waren einfach und schnell zu machen. Als sie ausgekühlt waren, verzierten Nele und Samuel sie, während Florentine den nächsten Teig vorbereitete.
«Wir haben heute schon die erste Weihnachtspost bekommen», erzählte Samuel, während er die Plätzchen mit Zuckerguss bestrich und bunte Streusel draufstreute. «Von unserer Tante aus Neuseeland.»
«Ganz schön früh», meinte Nele.
«Oh, ich glaube, ich hatte auch schon eine Weihnachtskarte im Briefkasten», fiel Florentine da ein. Sie wischte ihre Hände an einem Küchenhandtuch ab. Dann lief sie in den Flur und kam kurz darauf mit dem Umschlag zurück.
«Mal sehen», meinte sie und öffnete ihn mit einem Messer. Darin war wirklich eine Weihnachtskarte. Florentine klappte sie auf und las:
Liebe Florentine, ich bin in der Stadt. Lass uns treffen. Komm doch bitte am 24.12. vormittags auf den Weihnachtsmarkt. Deine Tante Gertrude
Florentine ließ sich auf einen Küchenstuhl sinken. Verwirrt starrte sie auf die Weihnachtskarte. Wie konnte das sein?
«Was ist denn?», fragte Samuel besorgt, als er Florentines Gesicht sah.
«Florentine?» Nele rüttelte behutsam an Florentines Schulter. Dabei erhaschte sie einen Blick auf die Karte. «Wer ist denn Tante Gertrude? Du hast noch nie etwas von ihr erzählt.»
Ein Ruck ging durch Florentine. Schnell schlug sie die Karte zu und steckte sie zurück in den Umschlag. Dann lächelte sie die Kinder an. «Ach, da gibt es auch nicht viel zu erzählen. Tante Gertrude ist eben eine Tante. Ich habe wirklich lange nichts von ihr gehört, deshalb war ich etwas verwundert. Aber am 24.12. vormittags habe ich sowieso keine Zeit, schließlich gehen wir da alle zusammen ins Weihnachtsmärchen.»
Schon lange hatte Florentine Theaterkarten für die Anwohner des Hinterhofes besorgt. Sie wollte sich das Märchen auf keinen Fall entgehen lassen.
Samuel und Nele wechselten vieldeutige Blicke. «Irgendwie sahst du gerade ganz schön erschrocken aus», bemerkte Nele.
«So, sah ich das?» Florentine stand auf. Sie sagte aber nichts weiter, sondern begann damit, Zucker für die Zimtsterne abzuwiegen.
Seufzend schnitt Samuel die Tüten mit den gemahlenen Mandeln auf, und Nele holte Eier aus dem Kühlschrank. Zu gerne hätten die beiden mehr über diese Tante Gertrude erfahren, die Florentine ganz offensichtlich durcheinanderbrachte. Aber die Kinder kannten Florentine inzwischen gut genug und wussten, dass sie nicht mehr aus ihr herauskriegen würden.
Florentine schaltete ihr kleines Küchenradio ein. «Mal sehen, ob weihnachtliche Musik kommt», meinte sie. Bald hatte sie einen Sender gefunden, der fröhliche Weihnachtslieder spielte. Florentine begann, durch ihre Küche zu tanzen. «Los, worauf wartet ihr?», rief sie und forderte Samuel und Nele mit einem Hüftschwung auf, mitzumachen. Kichernd fielen die beiden mit ein. Kurze Zeit später waren Tante Gertrude und ihre seltsame Karte vergessen. «Lasst uns froh und munter sein …», grölten die drei in den unterschiedlichsten Tonlagen und lachten sich dabei kaputt.
Drei Stunden lang backten sie, dann waren alle Plätzchen fertig. In Florentines Küche duftete es wundervoll. Nele hatte Mühe, Kurt von den Plätzchen fernzuhalten. «Nein, Kurti, das ist wirklich nicht gut für dich!», sagte sie und Kurt trottete mit hängendem Kopf zu seinem Platz neben dem Sofa zurück. Vorwurfsvoll blickte er zur Küche hin. Nele holte ein Hundeleckerli aus ihrer Jackentasche und gab es ihrem Hund, der es schwanzwedelnd zerkaute.
Samuel stopfte sich in der Zwischenzeit ein Schoko-Marzipan-Herz in den Mund. «Köschtlich!», nuschelte er mit vollem Mund.
«He!» Nele gab ihm einen Klaps auf die Finger, als er das nächste nehmen wollte. «Du bist ja noch schlimmer als Kurt. Die sind für einen guten Zweck!» Dann schnappte sie sich selbst einen Zimtstern.
Samuel lachte, und Florentine meinte: «Ein paar habt ihr euch wirklich selbst verdient. Ich habe auch noch eine Sorte, die ich schon vor ein paar Tagen gebacken habe.» Sie holte eine Keksdose aus ihrem Küchenregal und öffnete sie. «Hier, probiert mal.»
Gespannt nahmen sich Samuel und Nele jeder ein Plätzchen und kosteten davon.
Nele riss die Augen auf. «Oh, Florentine! Die sind einfach … wow!», schwärmte sie hingerissen.
«Irgendwie erinnern sie mich an deine Crêpes», fand Samuel.
Florentine war in der ganzen Stadt bekannt für ihre Crêpes, die sie oft in ihrem kleinen Häuschen im Hinterhof backte. Nicht alle Nachbarn waren davon begeistert, doch die meisten verzauberte Florentine mit ihren besonderen Crêpes-Kreationen.
«Ist da Apfel drin?», fragte Nele kauend.
Florentine nickte. «Ja, das sind Bratapfel-Plätzchen. Ich habe ein paar Äpfel von unserem Wunschbaum hineingerieben.» Die Äpfel lagerten im Keller, sodass Florentine das ganze Jahr über welche zur Verfügung hatte.
«Und warum haben wir die nicht für den Weihnachtsmarkt gebacken?», erkundigte sich Samuel und nahm gleich noch einen Keks.
«Weil diese Plätzchen unverkäuflich sind», erwiderte Florentine. Geheimnisvoll fügte sie hinzu: «Ich habe ein Crêpesrezept für sie abgewandelt.»
«Umso besser für uns!», lachte Nele und griff noch mal in die Keksdose.
«Aber nicht zu viele auf einmal!», ermahnte Florentine augenzwinkernd. «Es gibt jetzt noch Mittagessen.» Schon am Tag zuvor hatte sie eine kräftige Gemüsesuppe vorbereitet, die sie nur noch aufzuwärmen brauchte.
Samuel schnupperte. «Hm, das riecht aber gut», meinte er. «Irgendwie ist das Essen bei dir immer toll, selbst Gemüsesuppe.»
Florentine lachte und deckte den Tisch. «Also, ich finde Gemüsesuppe sowieso toll», antwortete sie.
Da hob Nele plötzlich die Hand. «Seid mal kurz leise, da kommt gerade was aus Waldstadt!»
Florentine und Samuel verstummten. Im Radio lief nun keine Weihnachtsmusik mehr, sondern eine kleine Reportage:
«… tappt die Polizei noch im Dunkeln. Wer steckt hinter den Einbrüchen? Falls Sie Hinweise haben, melden Sie sich bitte unter folgender Telefonnummer …», sagte der Radiosprecher, und Florentine schnappte einen Zettel und einen Stift und notierte die Nummer.
«In Waldstadt wurde in den letzten Wochen schon öfter eingebrochen», sagte Nele empört.
Florentine trug den dampfenden Suppentopf zum Tisch. «Ja, davon habe ich auch gehört. Die Diebe nehmen einfach alles mit, was wertvoll ist.»
«So eine Frechheit und dann auch noch vor Weihnachten!», rief Samuel aufgebracht und setzte sich an den Tisch.
«Das ist ja echt schlimm», fand auch Nele. «Da kann man doch gar nicht mehr schön feiern.»
Florentine zündete zwei Kerzen auf ihrem Adventskranz an. «Ich muss die Augen offen halten», murmelte sie. «Eigentlich habe ich keine Lust, den Verbrechern zu begegnen. Aber …» Mit einem Mal blickte sie den Kindern fest in die Augen. «Ihr müsst mir versprechen, vorsichtig zu sein, egal, was passiert, okay?»
Samuels Augen wurden groß, und Nele schluckte. «Du sagst das so komisch», meinte sie.
«Weißt du denn etwas über die Verbrecher?», erkundigte sich Samuel vorsichtig.
«Natürlich nicht!», entgegnete Florentine. «Aber man weiß nie. Am Ende verirren sie sich auch noch in die Kastanienallee.»
«So reich sind wir ja alle nicht», erwiderte Nele hoffnungsvoll.
«Zum Glück, würde ich sagen», stimmte Florentine ihr zu und schöpfte Suppe in die Teller. «Und jetzt lasst es euch schmecken!»
Während Nele und Samuel hungrig die Suppe löffelten, setzte sich Pieps plötzlich in Bewegung. Aufgeregt flatterte er vor der Balkontür auf und ab. «Pirilie, tschieptschiep, pirilie!», zwitscherte er lauthals.
Immer wenn ein neuer Wunsch am Baum hing, pfiff Pieps genau diese Melodie. Florentine ging zur Balkontür und öffnete sie. Gespannt sah sie nach unten in den Hof. Dort lief gerade Lorenas kleiner Bruder Mika vom Wunschbaum weg. Pieps flog laut zwitschernd zu seinem Futterknödel.
«Habt ihr Lorena und Mika eigentlich schon näher kennengelernt?», fragte Florentine und schloss die Balkontür schnell wieder, bevor es in ihrem Wohnzimmer kalt wurde.
Samuel schlürfte gerade den Rest seiner Suppe aus dem Teller. «Lorena geht in unsere Klasse», antwortete er.
«Sie ist nett», meinte Nele. «Aber irgendwie erzählen sie und ihr Bruder nicht viel von sich. Als hätten die irgendein Geheimnis.»
Jetzt war Florentine noch gespannter. Was sich Mika wohl wünschte?
«Habt ihr Lust, noch im Wald Schlitten zu fahren?», schlug sie vor. «Dann bekommt ihr noch ein bisschen frische Luft, bevor ihr zum Adventsfeiern nach Hause geht.»
«O ja!» Nele und Samuel waren gleich dabei. Und auch Kurt, der neben dem Sofa gedöst hatte, sprang begeistert auf, als merkte er, dass es jetzt wieder rausging. Zuvor mussten Nele und Samuel aber noch zu Hause Bescheid sagen und ihre Schneehosen und -jacken anziehen.
«In einer Viertelstunde vor dem Haus!», rief Florentine.
Vorsichtig legte sie die ausgekühlten Plätzchen in fünf große Dosen. Dann zog sie ihre Schneesachen an, schlüpfte in ihre dicksten Stiefel und stapfte in den Keller.
Es hatte aufgehört zu schneien, als Florentine mit ihrem Schlitten in den Hof zurückkam. Vergnügt zog sie ihn über die Schneedecke zum Wunschbaum. Dort nahm sie gleich den neuen Wunsch ab. Auf dem Zettel stand in einer krakeligen Schrift geschrieben:
Opa Kalle sol es auch gutgen. Er braucht geld. Er wont in der Schneidergase bei der Brüke. Mika
Nachdenklich zog Florentine die Mütze tiefer über ihre Locken. Mika konnte offensichtlich noch nicht gut schreiben. Aber sie verstand trotzdem genau, was er wollte. Sein Opa war in Not. «Dies ist ein sehr wichtiger Wunsch», murmelte Florentine und steckte den Zettel in ihre Jackentasche.
Es war ein ungemütlicher Montagmorgen, als Florentine auf ihrem grünen Hollandrad zur Schneidergasse fuhr. Pieps hatte es vorgezogen, in seinem kleinen Vogelhäuschen am Wunschbaum zu bleiben.