Die Zukunft ist dezentral - Philipp Sandner - E-Book

Die Zukunft ist dezentral E-Book

Philipp Sandner

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Beschreibung

Eine Technologie, die das gesamte Finanzsystem auf den Kopf stellt - die Blockchain hat das Potenzial, genau das zu tun. Denn Kryptowährungen wie Bitcoin lassen die Frage aufkommen, ob Banken eigentlich noch zeitgemäß sind. Dem Finanzsektor ist dabei längst klar: das größte Risiko der Blockchain ist, sich nicht damit zu beschäftigen. Aber wie muss ein Zahlungsmittel beschaffen sein, damit es flächendeckend Akzeptanz findet? Prof. Dr. Philipp Sandner, Prof. Dr. Andranik Tumasjan und Prof. Dr. Isabell Welpe zeigen das disruptive Potenzial der Blockchain-Technologie auf. Sie lassen führende Finanzexperten wie Dr. Dirk Siegel (Deloitte), Alexander Höptner (Börse Stuttgart), Dr. Helge Königs (Daimler), Dirk Bullmann (Europäische Zentralbank), Dr. Martin Diehl (Deutsche Bundesbank), Michael Spitz (Commerzbank, Main Incubator), Dr. Thomas Schönfeld (PwC) und Stephan Mögelin (BaFin) zu Wort kommen und geben einen Ausblick auf die bevorstehende Revolution der Finanzindustrie. Ebenfalls lesenswert: In "Der Blockchain-Faktor" wagen die Herausgeber einen Blick in die Zukunft und auf die Veränderungen, die eine Technologie wie die Blockchain für unsere Gesellschaft bereithält.

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Widmung

Für Satoshi Nakamoto

Danksagung

Die HerausgeberInnen danken sehr herzlich allen, die zu

diesem Buch beigetragen haben und möchten neben allen

Autoren und Autorinnen insbesondere auch Benjamin

Horvath für seine kluge und engagierte Unterstützung

im gesamten Entstehungsprozess des Buches danken,

sowie den folgenden Personen für ihre administrative

Unterstützung, Korrekturarbeiten und Lektorat: Philipp

Hülsemann, Christian Liebke, Pascal Mehrwald, Barbara

Rave, Stefan Schmitt, Simon Peters und Lorena Zurilov.

Inhalt

Einleitung

– Prof. Dr. Philipp Sandner, Prof. Dr. Andranik Tumasjan und Prof. Dr. Isabell Welpe ––

Everything a Marketplace: Wie die Blockchain neue Geschäftsmodelle eröffnet

– Sebastian Becker (Riddle & Code) –

Wird Blockchain die Basistechnologie für das Internet der Dinge?

– Dr. Dirk Siegel & Dr. Markus Stulle (Deloitte) –

Neue Märkte, neue Rollen: Wie die Blockchain die Finanzwelt verändert

– Alexander Höptner (Börse Stuttgart) –

Distributed-Ledger-Technologien und die Selbstadministration von Fahrzeugen

– Dr. Helge Königs (Daimler Truck) –

Bezahlen mit der Blockchain – wo Potenziale und Herausforderungen liegen

– Dirk Bullmann (Europäische Zentralbank) –

Digitale Token als Zahlungsmittel

– Dr. Martin Diehl (Deutsche Bundesbank) –

Die Bedeutung der Blockchain-Technologie zur Überwindung von »Mittelsmann-Geschäftsmodellen« im Finanzsektor

– Dr. Rolf Werner (GlobalLogic) –

Die dezentrale Zukunft des Finanzsystems: Wie Blockchain die Finanzwelt verändert

– Helge Michael & Michael F. Spitz (Main Incubator / Commerzbank) –

Blockchain als disruptives Element – sind die Akteure in der Finanzindustrie bereit für die zu erwartenden Veränderungen?

– Dr. Thomas Schönfeld (PwC) –

Die Blockchain als zentrale Schnittstelle führt zur Verschmelzung unterschiedlicher Branchen

– Karsten Treiber (targens) –

Initial Coin Offerings und tokenisierte Unternehmensanteile

– Maximilian Lautenschläger (Iconic Holding) –

Interoperabilität – Schlüsselfaktor für die Entfaltung des vollen Potenzials der Blockchain-Technologie

– Stephan Mögelin (BaFin – Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) –

Quellenangaben

Über die Autoren

Einleitung

– Prof. Dr. Philipp Sandner, Prof. Dr. Andranik Tumasjan und Prof. Dr. Isabell Welpe ––

Ende 2008 veröffentlichte Satoshi Nakamoto das nunmehr weltbekannte Blockchain-Konzept in einem kurzen Whitepaper. Bis heute wurde jener Satoshi Nakamoto noch nicht mit abschließender Sicherheit identifiziert. Es gibt Vermutungen, wer hinter diesem Pseudonym stecken könnte. Diese reichen von einem Team von Wissenschaftlern bis hin zu einem Individuum, ja bis zum Verdacht, dass Geheimdienste oder gar eine extraterrestrische Intelligenz dieses ursprüngliche Bitcoin-Konzept verfasst hätten. Es ist unklar, ob es sich bei Satoshi Nakamoto um eine Einzelperson oder ein Team, einen Mann oder eine Frau, einen Japaner, Europäer, Amerikaner oder Russen handelte. So hat hier jeder einen eigenen Verdacht, aber niemand kennt die Wahrheit. Die Blockchain-Community in Russland ist hier etwa fest davon überzeugt, dass ein Team von Russen hinter Satoshi Nakamoto steckt.

Einige sind der Ansicht, dass es für die Entwicklung des Bitcoins und der gesamten Blockchain-Technologie das Beste war, dass Satoshi Nakamoto nicht auffindbar war und bis heute verschwunden ist. Denn nur so konnte die Technologie in den Fokus geraten und der Kult um eine physische Person vermieden werden. Exakt dies ist das Kernmerkmal des Bitcoins und anderer dezentraler Ansätze: Es gibt kein Machtzentrum und keine Firma, welche die Entwicklung des Bitcoins zentral vorantreibt und steuert. Bitcoin hat keine Mitarbeiter, es gibt keinen Kundenservice. Es gibt keine Möglichkeit, eine Abmahnung an »die Bitcoin GmbH« zu senden; auch Unterlassungsklagen bleiben ohne Adressaten. Mithin ist Bitcoin reine Technologie: ein Rechnernetzwerk von tausenden Rechenknoten, die gemeinsam das Netzwerk Tag für Tag, Minute für Minute, erhalten. Exakt aus diesem Grund ist Bitcoin außergewöhnlich beeindruckend – und beängstigend. Natürlich gibt es Überlegungen, wie man Bitcoin theoretisch abschalten könnte, aber bis heute sind dies nur Theorien. Daher liegt der Schluss nahe, dass Bitcoin, auf die nächsten Jahre geschätzt, nicht abgeschaltet werden kann bzw. dies aufgrund der dazu notwendigen Energieaufwendungen nur von wenigen großen Volkswirtschaften überhaupt noch denkbar erscheint. Ob der Bitcoin-Preis steigt oder nicht, ist dabei eine andere Diskussion. Aber das Netzwerk wird voraussichtlich weiter betrieben werden. Leider aber auch mit dem unschönen Effekt des Stromverbrauchs. Dieser ist in der Mechanik des Systems – also implizit im Software-Code – so angelegt, und Änderungen dieser Mechanik sind nur in sehr inkrementellen Schritten möglich. Damit kann man annehmen, dass – auf einen Horizont von fünf Jahren gerechnet – der Stromkonsum des Systems nicht nur erhalten bleibt, sondern sogar noch zunehmen wird. Leider ist diese zu kritisierende Tatsache faktisch nicht zu ändern. Nur mittelfristig ist es denkbar, dass sich hier Besserung einstellen kann.

Wer das ursprüngliche Bitcoin-Paper gelesen hat – und dies sei jedem Leser und jeder Leserin empfohlen – ist beeindruckt von derart viel Brillanz und Präzision auf einigen wenigen Seiten. Jedes Wort sitzt. Kein Wort zu viel. Und ein paar wenige Referenzen zu relevanten Vorarbeiten. Damit ist dieses Dokument, unprätentiös als PDF-Datei ins Internet gestellt, auch für den Wissenschaftsbetrieb faszinierend. Ein brillantes Dokument mit immenser Bedeutung – offensichtlich ohne aufwendige wissenschaftliche Strukturen und Prozesse veröffentlicht.

Doch genug vom Bitcoin. Erst Jahre später, nachdem die Bitcoin-Blockchain in Betrieb genommen wurde, wurde erkannt, dass die zugrunde liegende Blockchain-Technologie sich für den digitalen Transfer von Werten in herausragender Weise eignet. Das Wort »Blockchain« entfernt sich dabei dieser Tage zunehmend von seiner ursprünglichen Bedeutung. Während »die Blockchain« eine bestimmte Ausprägung der Technologie meinte, wird das Wort zunehmend für eine gesamte Technologie-Familie gemeint. Im Kern ist damit eigentlich die sogenannte Distributed Ledger Technology (DLT) gemeint. Das Wort »Blockchain« wird ein generisches Wort wie »Internet« oder »Datenbank« werden und entfernt sich zunehmend von dem eigentlich gemeinten technischen Konzept. Es wird daher auch nie die eine Blockchain geben, sondern stattdessen tausende von Blockchain-Systemen, die auf der Basis von einigen Dutzenden unterschiedlichen Software-Frameworks basieren.

Die Blockchain-Technologie kann man auf unterschiedlichen Abstraktionsebenen erklären. Ganz pauschal eignet sich die Blockchain-Technologie für digitale Wertetransfers. Eine Ebene tiefer ist die konzeptuelle Ebene. Hier kann die Blockchain schlicht als »Registertechnologie« dargestellt werden. Das Verständnis dafür, dass Register digital abgebildet werden, ist ausgesprochen wichtig, denn davon lassen sich die Zuordnung von Eigentum, das Speichern von Werten und die Abwicklung von Geschäftsprozessen mit einem unabänderlichen, für alle einsehbaren Zeitstempel ableiten. Noch eine Ebene tiefer liegt die technische Architektur. Hier ist die Rede von Blöcken, Hash-Werten, asymmetrischer Kryptografie etc. – diese Ebene ist faszinierend, aber für das grundlegende Verständnis der Technologie nicht zwingend erforderlich. Oder wissen Sie, welche Bits und Bytes bewegt werden, wenn Sie mit Ihrem Smartphone ein Foto machen und dieses an Freunde versenden? Leider wird viel zu oft versucht, die Blockchain-Technologie anhand ihrer technischen Facetten zu erläutern (d. h., die tiefe Ebene), statt das Konzept als solches – also das Führen eines digitalen Registers – in den Vordergrund zu stellen und die damit verbundenen wirtschaftlichen Disruptionsmöglichkeiten zu betonen.

Seit 2015 wurden vielfach Überlegungen angestellt, wie die Blockchain-Technologie eingesetzt werden könnte. Stand heute kann man annehmen, dass Sie das gesamte Finanz- und Wirtschaftssystem verändern wird. Der Grund hierfür ist, dass die Blockchain-Technologie für alle Arten von Werten – egal, ob Kryptowährungen, Euro, Wertpapiere, Fahrzeugschein oder Arztrezept – die infrastrukturelle Basis sein kann, um diese Werte und die Zuordnung des Eigentums daran zu organisieren.

Weil die Blockchain-Technologie sich also zur digitalen Erfassung von Werten herausragend eignet, wird sie in den kommenden Jahren eine revolutionäre Entwicklung im Bereich des Finanzsektors auslösen. Dies betrifft mitnichten nur den Finanzsektor mit Banken und Börsen, sondern jede Finanzabteilung eines jeden Unternehmens, jeden Bezahlvorgang oder jede Aktie. Überall wird hier die technische Infrastruktur, auf Basis derer Werte verwaltet werden, durch Blockchain-Infrastrukturen ersetzt werden. Für den Wandel, der hier bereits eingesetzt hat und weiter voranschreitet, gilt: Kleinen Organisationen (z. B. Startups) fällt der Umgang mit der Blockchain-Technologie leichter als großen Organisationen (z. B. Konzernen). Die Technologie befindet sich weiterhin in einem frühen Stadium. Sollten z. B. im Jahr 2030 oder 2040 alle Werte weltweit (also »100 %«) auf Blockchain-Infrastrukturen notieren, so sind wir heute im Jahr 2019 bei vielleicht einem Prozent oder einigen Promille. Daher gibt es gerade heute immense Chancen für Unternehmen und Individuen, die allesamt Gründe bieten, sich mit der Technologie zu beschäftigen. Morgen allerdings – also in einigen Jahren – entstehen die Risiken: Das größte Risiko der Blockchain-Technologie ist, sich als Firma oder als Individuum nicht damit zu beschäftigen. Dies betrifft vor allem Unternehmen im Finanzsektor, aber auch alle anderen Unternehmen, für die der Finanzbereich wichtig ist. Mithin schließt dies ein: Banken, Börsen, Finanzorganisationen, DAX-Konzerne, die Mehrheit der Mittelständler etc. Über dies hinaus gilt dies branchenübergreifend, also für die Bereiche Maschinenbau, Mobilität, Energie, Logistik, Gesundheit und ebenso die öffentliche Verwaltung.

Wer – egal ob Unternehmen oder Individuum – die Blockchain-Technologie verpasst, vergibt sich eine gewaltige Chance. Für Unternehmen im Finanzsektor muss dies jedoch noch zugespitzt werden. Wer hier die Blockchain-Technologie verpasst – es darf hier spekuliert werden – steht einem signifikanten Risiko, nicht mehr wirtschaftlich relevant zu sein, gegenüber.

In diesem Buch möchten wir die verschiedenen Aspekte der Blockchain-Technologie für den Finanzsektor aufgreifen. Die Technologie ist so mannigfaltig, dass es uns als der beste Ansatz erschien, unterschiedliche Akteure mit ihren Blickwinkeln zu Wort kommen zu lassen. So haben wir beeindruckende Persönlichkeiten gefunden, die dieses Buch bereichern:

Sebastian Becker: Everything a Marketplace – wie die Blockchain neue Geschäftsmodelle ermöglicht

In einer auf Blockchain basierenden Token Economy wird es in Zukunft möglich sein, dass anteiliges Eigentum an Gütern jeder Art (z. B. Kunstwerken) oder auch an Firmen erworben werden kann. Fälschungssichere und transparente Einträge dokumentieren die virtuelle Teilung des Objekts, die Anteile daran werden verbrieft als Token an die (Anteils-)Eigentümer ausgegeben. Blockchain, kombiniert mit künstlicher Intelligenz z. B. in Smart Homes oder im Bereich autonomes Fahren führt zum Eintritt ganz neuer Marktteilnehmer. Maschinen schließen eigenständig Geschäfte ab und vergüten sich gegenseitig für erbrachte Leistung in Token. So kann in naher Zukunft (fast) alles zu einem Marktplatz werden, auf dem Geschäfte abgeschlossen werden, wie Sebastian Becker, Chief Commercial Officer des Blockchain Interface-Anbieters Riddle & Code, in seinem Beitrag veranschaulicht.

Dr. Dirk Siegel, Dr. Markus Stulle: Wird Blockchain die Basistechnologie für das Internet der Dinge?

Wird Blockchain die Basistechnologie für das Internet der Dinge? Dass sie das Potenzial dazu hat, zeigen Dr. Dirk Siegel und Dr. Markus Stulle vom Deloitte Blockchain Institute in ihrem Artikel. Denn: Das öffentliche Internet der Dinge benötigt eine verteilt organisierte Transaktionsschicht, die die Bereiche Verwaltung von Identität und Besitz sowie Transaktionsdokumentation abbildet. Eine eindeutige Identifizierung, Zuordenbarkeit von Besitz und die nachvollziehbare Dokumentation von Transaktionen sind Voraussetzung für ein funktionierendes Ökosystem im Internet der Dinge (IoT). Anhand verschiedener realer Use Cases zeigen die beiden Autoren auf, wie die Blockchain-Technologie dies gewährleisten kann und Sicherheit, Unveränderlichkeit, Offenheit und steuerbare Sichtbarkeit einer dezentralen Datenhaltung innerhalb selbst agierender Maschinen sicherstellen kann.

Alexander Höptner: Neue Märkte, neue Rollen

Ein Blick in die Geschichte zeigt – immer wieder hat der technologische Fortschritt ganze Branchen und Berufszweige überflüssig werden lassen. Ein solches disruptives Potenzial birgt auch die Blockchain-Technologie. Insbesondere für die Finanzbranche gibt es Zukunftsvisionen, die weite Geschäftsfelder von Finanzdienstleistern überflüssig werden lassen. Wertpapiere können auf Blockchain-basierten Token eindeutig, sicher und jederzeit sichtbar dokumentiert werden. So lassen sich die unterschiedlichsten Werte und Rechte digital verbriefen. Alexander Höptner, Sprecher der Geschäftsführung der Boerse Stuttgart GmbH, gibt einen Einblick, welche Chancen und Herausforderungen ein solches Szenario für die Finanzindustrie bietet.

Dr. Helge Königs: Distributed-Ledger-Technologien und die Selbstadministration von Fahrzeugen

Automatisierte selbst steuernde Fahrzeuge sind für manche Teile der Bevölkerung noch ein Horrorszenario aus einem Science-Fiction-Film, während sich andernorts schon erste Prototypen im Straßenverkehr bewegen. Doch was muss geschehen, damit selbst handelnde Fahrzeuge als sicher gelten können? Wie kann es möglich werden, dass Menschen den Handlungen von Maschinen vertrauen – ihnen sogar ihr Leben anvertrauen? Dass Menschen sich alltäglich ohne Angst zwischen autonomen Transportmitteln bewegen und mit ihnen interagieren? Experimente mit Kombinationen aus in und außerhalb der Blockchain stattfindenden Prozessen und Anwendungen bieten hierzu vielversprechende Lösungsansätze. Noch stecken sie in den Kinderschuhen, erlauben aber dennoch einen Blick in eine gar nicht so ferne Zukunft.

Dirk Bullmann: Bezahlen mit der Blockchain – wo Potenziale und Herausforderungen liegen

Wird die Blockchain die Übermittlung von Geld in ähnlicher Weise revolutionieren, wie das Internet unsere Kommunikation verändert hat? Muss die teilweise über Jahrzehnte gewachsene technische Infrastruktur zum Transfer von Zahlungen neu erdacht werden? Wie könnte eine direkt von den Zentralbanken herausgegebene digitale Währung (»Central Bank Digital Currency«) ausgestaltet sein? Mit diesen Fragen beschäftigt sich Dirk Bullmann, Leiter des Innovations-Teams im Geschäftsbereich Markt-Infrastrukturen der Europäischen Zentralbank (EZB), in seinem Beitrag. Ausgehend von erfolgreichen Use Cases und verschiedenen Experimenten mit der Blockchain-Technologie im Finanzsektor entwickelt Bullmann drei mögliche Zukunftsszenarien, wie der Einsatz der Blockchain-Technologie den Zahlungsverkehr nachhaltig verändern könnte und wo mögliche Stolpersteine liegen.

Dr. Martin Diehl: Digitale Token als Zahlungsmittel

Wie muss digitales Geld beschaffen sein, damit es erstens alle Geldfunktionen erfüllt und zweitens als Massenzahlungsmittel in Wirtschaft und Gesellschaft akzeptiert wird? Ausgehend von den Anforderungen, die ein Zahlungsmittel erfüllen muss, damit es einen Gegenwert darstellt, erläutert Dr. Martin Diehl, Analyst für Zahlungsverkehr und Wertpapierabwicklung in der Deutschen Bundesbank, die Funktionen von Krypto-Token und zeigt auf, was diese von uns heute geläufigen Währungen unterscheidet. Dies ist in erster Linie die Volatilität ihres Wertes. Wie das Konzept der Stable Coins dem Abhilfe schaffen könnte und welche geldpolitische Rolle die Einführung von digitalem Zentralbankgeld in diesem Zusammenhang spielen könnte, wird im zweiten Teil des Artikels skizziert.

Dr. Rolf Werner: Die Bedeutung der Blockchain-Technologie zur Überwindung von »Mittelsmann-Geschäftsmodellen« im Finanzsektor

»Banking is necessary, banks are not.« – wie wegweisend diese These ist, zeigt der erste erfolgreiche Anwendungsfall der Blockchain-Technologie: die Entwicklung von Bitcoin. Mit dieser Kryptowährung wurde plötzlich sicherer Zahlungsverkehr ohne die Zwischenschaltung von Intermediären direkt vom Sender zum Empfänger möglich. Für Banken kann dies die Disruption ihres Geschäftsmodells bedeuten. Vor diesem Hintergrund stellt Dr. Rolf Werner, vormalig Geschäftsführer von Fujitsu Deutschland GmbH, in seinem Beitrag verschiedene Anwendungsmöglichkeiten der Blockchain-Technologie im Finanzsektor vor und zeigt auf, wie Finanzdienstleister obsolet werden können, wenn sie die Chancen, die Blockchain beispielsweise zur Verbesserung der Banking-Services und -Prozesse bietet, nicht ergreifen.

Helge Michael und Michael F. Spitz: Die dezentrale Zukunft des Finanzsystems: Wie Blockchain die Finanzwelt verändert

Kennen Sie Napster? Die Musiktauschbörse, die Ende der 90er die Musikindustrie umformte? Sie ist der Grundstein für die zahlreichen Sharing- und Streaming-Dienste im Internet, über die wir heutzutage alle Arten digitalen Contents beziehen. Der Blockchain-Technologie wird nachgesagt, dass sie das Potenzial besitze, die Finanzindustrie fundamental zu verändern, in ähnlicher Weise, wie damals Napster die Musikindustrie revolutionierte. Viele Finanzinstitute arbeiten aus diesem Grund an eigenen Lösungen, um die Blockchain-Technologie für ihr Geschäft nutzbar zu machen. Helge Michael und Michael Spitz, beide tätig beim Main Incubator, einer Einheit, die zur Commerzbank gehört, umreißen in ihrem Artikel exemplarisch die Potenziale der Technologie in Bezug auf die drei wesentlichen Finanz-Geschäftsfelder: Kapitalmarktgeschäft, Zahlungsverkehr und Kreditgeschäft.

Dr. Thomas Schönfeld: Blockchain als disruptives Element − sind die Akteure in der Finanzindustrie bereit für die zu erwartenden Veränderungen?

Dass die Blockchain die Finanzindustrie verändern wird, sagt schon der Titel dieses Buches. Doch wie bereit sind die maßgeblichen Akteure am Finanzmarkt, die mit der Blockchain-Technologie einhergehenden Veränderungen anzunehmen? Wer sind potenzielle Gewinner? Aktuell nimmt die Zahl der Blockchain-(Pilot-) Projekte innerhalb der Finanzindustrie rasant zu. Doch viele wichtige regulatorische Randbedingungen sind noch nicht geklärt. Wo bringt die Blockchain einen echten Mehrwert, worauf sollte sich die Finanzindustrie fokussieren? Dr. Thomas Schönfeld, im Bereich Financial Services bei PwC tätig, beleuchtet in seinem Artikel, wer die potenziellen Gewinner und Verlierer sein könnten und welche Use Cases das höchste Potenzial auf eine Umsetzung haben. Am Ende wird sich die Technologie dort etablieren, wo sie den besten Nutzen für den Markt stiftet – und wo die Akteure als Erste den Nutzen erkennen und entsprechend handeln.

Karsten Treiber: Die Blockchain als zentrale Schnittstelle führt zur Verschmelzung unterschiedlicher Branchen

Wie lässt sich der gesamte Prozess einer Bestellung vom Einkauf der Rohstoffe über die Produktion bis zur Auslieferung der Ware an den Kunden transparent und für alle nachvollziehbar gestalten? Anhand dieses und weiterer Beispiele zeigt Karsten Treiber, Geschäftsführer der targens GmbH, die in Gänze zur Landesbank Baden-Württemberg gehört, auf, wie der Einsatz der Blockchain-Technologie zur Verschmelzung ganz unterschiedlicher Branchen führen kann. Blockchain bietet die große Chance, übergreifende Geschäftsbeziehungen und eine gemeinsame Standardisierung im Datenaustausch zu entwickeln – eine wirkliche End-to-End-Betrachtung von Prozessen wie z. B. Lieferketten wird Realität.

Moritz von Bonin und Matthias Felder: Mobilitätsökosystem der Zukunft

Das Buchen und Bezahlen einer Reise von Tür-zu-Tür mit den unterschiedlichsten Transportmitteln ist der Wunschtraum vieler Reisender, die sich bisher auf den verschiedenen Portalen zur Buchung ihres Hotels, Flugs und der Zugfahrt anmelden müssen. Dabei hat die digitale Revolution die Voraussetzungen hervorgerufen, die die Schaffung schlankerer, sicherer, nahtlos vernetzter und anonym individualisierter mobiler Ökosysteme erlauben. Für ein solches »Mobility as a Service«-Konzept ist die Einbindung und Optimierung existierender Funktionalitäten, Infrastrukturen und Zahlungsmethoden der bestehenden Transportindustrie in ein alle Anbieter übergreifendes System essenziell. Moritz von Bonin und Matthias Felder, beide im Blockchain-Team der Deutschen Bahn, zeigen in ihrem Beitrag, wie mit Einsatz der Blockchain-Technologie ein übergreifendes Identitätsmanagement, fälschungssichere Tickets und intermodaler Datenaustausch zum Aufbau einer alle Transportmittel umfassenden Reiseplattform entstehen kann.

Maximilian Lautenschläger: Initial Coin Offerings

Initial Coin Offerings (ICOs) – zu kaum einem Thema im Blockchain-Kontext hörte man im letzten Jahr so konträre Meinungen. In China verboten, in den Medien häufig als Abzocke und Betrugs verschrien und andererseits als die Möglichkeit angepriesen für Unternehmen und Investoren, Kapital zu sammeln bzw. hohe Rendite einzustreichen. Wie so häufig liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen. So gibt Maximilian Lautenschläger, Mitgründer von Iconic Holding, in seinem Kapitel einen holistischen Überblick zur Entwicklungsgeschichte und den Einsatzmöglichkeiten von ICOs und betrachtet sowohl die Risiken als auch die Chancen dieses sich stetig verändernden Fundraising-Phänomens.

Stephan Mögelin: Interoperabilität – Schlüsselfaktor für die Entfaltung des vollen Potenzials der Blockchain-Technologie

Die Blockchain-Technologie wird ihr volles Potenzial mit zunehmender Technologiekonvergenz entfalten. Diese These stellt Stephan Mögelin von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in seinem Beitrag auf. Doch warum ist Technologiekonvergenz für den Erfolg der Blockchain-Technologie so wichtig? Welche Anforderungen bestehen an die Interoperabilität? Welche Art der Vernetzung bietet sich zur Interaktion verschiedener IT-Systeme an? Am Beispiel des möglichen Blockchain-basierten Wertpapierhandels zeigt Mögelin auf, wie die digitale Erfassung von Werten, Rechten und Objekten, die in einem Blockchain-System gespeichert, gehandelt und übertragen werden können, ein nahezu uneingeschränktes Anwendungsfeld für zahlreiche Branchen und Industrien bietet. Auf diese Weise kann Blockchain-basierte Interoperabilität zum Multiplikator der digitalen Verknüpfung verschiedener Technologien, Plattformen und Systeme werden.

Dieses Buch hat das Ziel, die Blockchain-Technologie in verschiedenen Facetten zu beleuchten und deren faszinierendes Potenzial für den Finanzsektor und Unternehmen zahlreicher Branchen aufzuzeigen. In jedem Fall ist heute bereits bekannt, dass die Blockchain-Technologie zu einer beeindruckenden Schlüsseltechnologie heranwachsen wird, die alle Arten von Finanzprozessen – egal ob Wertpapier oder Euro, und zudem alle Arten von »Wertträgern«, von Arztrezept bis Fahrzeugschein – auf vollends digitale Beine stellen wird.

Der mitteleuropäische Raum ist hier bis dato sehr gut aufgestellt und verfügt über starke Initiativen von Großunternehmen wie auch eine beeindruckende Start-up-Szene. »Mitteleuropäisch« meint hier vor allem die Achse »Baltikum – Berlin – Zürich – Liechtenstein«. Es bleibt abzuwarten und zu hoffen, dass sich diese bis heute schon bemerkenswerte Achse auswächst zu einer großflächigen Ellipse, die Regionen wie Frankfurt oder München mit einschließt. Auch diese Regionen entwickeln sich hinsichtlich Blockchain-Kompetenz recht positiv. Vielleicht wird aus dieser Ellipse sogar ein großes Ei oder ein großer Kreis, der in eben gleicher Aktivität alle anderen europäischen Länder mit einschließt. Für Europa wäre dies wünschenswert. Das Fundament ist inzwischen gebaut und wir werden sehen, wie prächtig oder windschief das darauf gebaute »Technologie-Haus« wird. Vielleicht war Satoshi Nakamoto ja ein Europäer?!

Kapitel 1 – Everything a Marketplace: Wie die Blockchain neue Geschäftsmodelle eröffnet

– Sebastian Becker (Riddle & Code) –

Ein Blick zurück – der Vergleich zur Entwicklung des kommerziellen Internets

E-Mails, Online-Suche, digitale Medien, Online-Shops, Social Media, Online-Videos – wer sich den seit 20 Jahren andauernden wirtschaftlichen Siegeszug des kommerziellen Internets vor Augen führt, kann auf eine lange Entstehungsliste vieler sinnvoller, global weitverbreiteter Dienste blicken.

Vieles von dem, was später Unternehmen wie Netflix und Spotify zu Marktführern machte, war schon weit mehr als zehn Jahre vor ihrem Durchbruch in kommerziell nutzbaren Use Cases abzusehen. Amazon öffnete noch deutlich vor Ende des letzten Jahrtausends seine Pforten, und selbst Online-Streaming in voller HD-Bildschirmauflösung war bereits im Jahr 1999 technisch für private Breitbandanschlüsse verfügbar. Der Weg zu einem globalen Online-Video-Business war entsprechend klar vorgezeichnet und musste nur noch mit einem ausreichend attraktiven Inhalte-Angebot beschritten werden. Was zögerte den Durchbruch solcher Angebote dann aber noch einige Jahre hinaus?

Ein Hauptgrund waren die klassischen Probleme neuer technologischer Infrastrukturen, etwa die nur langsam steigende Performance der Internet-Anbindung (Bandbreiten-Ausbau), die zu Beginn noch unausgereiften, wenig benutzerfreundlichen Lösungen auf der Softwareseite (Streaming-Plattformen, Codec-Evolution, Rechtemanagement etc.) sowie fehlende Bausteine für die Geschäftsmodelle (Verfügbarkeit digitaler Rechte) oder das Endkunden-Angebot (zu teure Set-Top-Boxen, über die Videos in der Regel damals noch verbreitet wurden).

Aber insgesamt war es klar und logisch, dass sich etliche kommerzielle Dienstleistungen, die vorher im Wesentlichen entweder noch analog (Einzelhandel) oder medial vermittelt wurden (Entertainment wie Musik und Video, aber auch Shopping für bestimmte Zielgruppen sowie das Rubriken-Geschäft der Verlage mit Kleinanzeigen), peu à peu in die digitale Infrastruktur des World Wide Web verlagern würden. Eine solche Verlagerung war ebenso für Teile des Zahlungsverkehrs abzusehen.

Was jedoch mit Blick auf die ökonomische Bedeutung des Internets wirklich neu war, war das Potenzial dieser Verlagerung – die Effekte jener globalen Netzwerk-Ökonomie, deren Resultate heute als Oligopol führender Internet-Großkonzerne Gestalt angenommen haben. Weltweite Skalierbarkeit erlaubte es, die schon lange in Nischen vorhandenen Geschäftsmodelle von Car- oder Flat-Sharing in die Dimensionen von Uber oder Airbnb zu katapultieren. Und auch die Werbe-Modelle von Google und Facebook stießen wegen der globalen Attraktivität und Reichweite der zugrunde liegenden Service-Angebote bisher kaum an Grenzen. Die »Suche« ist wahrscheinlich noch das genuinste funktionale Internet-Geschäftsmodell, auch wenn sich analoge Vorläufer natürlich reichlich im Bibliothekswesen finden ließen. Aber als Funktion lässt sich Suche – im Gegensatz zu Social Networks – auch kaum obsolet machen. Während die Suchfunktion möglichst alle Bereiche des Internets erfasst und nur dadurch viele relevante Ergebnisse liefern kann, werden Social Networks durch hohe Nutzerzahlen interessanter, da mehr Kontaktverknüpfungen entstehen können. Doch der Mehrwert einer Vernetzung für den Einzelnen kann gegebenenfalls in Foren höher sein, in denen es um spezifische Themen geht – oder die auf einer dominanten Plattform entstehenden sozialen Zwänge führen dazu, dass User sich von diesen Plattformen abwenden. Daraus folgt dann aber kein Verlust an »Zugriff« auf das Internet, sondern lediglich ein Verlust digitaler Kontakte, die deswegen nicht zwangsweise auch gleich in der realen Welt verloren gehen. Somit liegt die Begründung für den Netzwerk-Effekt auch im strukturellen Aufbau des Internets – genau wie die strukturellen Eigenschaften der Blockchain-Technologie auch wieder zu neuen Anwendungen führen werden. So bereitet die Lösung des universellen Problems des »Findens« im Netz den Boden für viele Geschäftsmodelle. Freunde, Lebenspartner, Informationen, Mitfahrer, Kunden – das Internet ist eine »Finde-Maschine« und ein großer Marktplatz, dessen Chaos durch die erfolgreichsten Web-Companies jeweils in Teilbereichen gebändigt und im Extremfall zu die Gesellschaft und Lebenswelten umformenden Geschäftsmodellen kanalisiert wird.

Die positiven Faktoren, welche die Online-Wirtschaft zum Blühen brachten, lassen sich auf Aspekte wie Effizienz, globale Anbindung/Reichweite, Adressierbarkeit technisch identifizierbarer Zielgruppen, das Matchmaking zwischen Angebot und Nachfrage auf globaler Ebene sowie auf die inhärente Rückkanal-Fähigkeit des Netzes im Vergleich zu klassischen Medien und Übertragungswegen zurückführen. Vor allem diese globalen Marktplatz- und Matchmaking-Funktionen, Nachrichten in Echtzeit und eine sich laufend verbessernde Usability haben zum Durchbruch der Online-Ökonomie beigetragen. Allerdings zu einem hohen Preis: der Gefährdung der Privatsphäre. Eine globale Plattform für zielgruppengenaue Propaganda und Desinformation oder neue Verbreitungswege für Spam sind nur einige Beispiele hierfür. Letztendlich haben die Herausbildung eines zentralistischen Oligopols einer Handvoll Internet-Riesen und die ungerechte Verteilung der zugrunde liegenden Infrastruktur weltweit zu Veränderungen geführt – teilweise zu ganz anderen, als dies die Gründer dieser Unternehmen beabsichtigt hatten. Der Vergleich zur Büchse der Pandora liegt hier also durchaus nahe.

Der Vergleich zum Stand der Blockchain-Technologie heute

Auf dieser leistungsfähigen, doch brüchigen und unvollkommenen Grundlage baut die Welt der Blockchains auf. Analog zur Entwicklung des Internets in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre ist hier mit Leichtigkeit festzustellen, dass auch die Blockchain-Technologie und die darauf aufbauenden Anwendungen gerade jetzt in der Anfangsphase noch eine stark ausbaufähige Usability und Performance haben. Dies behindert derzeit noch ihren Durchbruch und vielerorts sogar die Prototypisierung vieler Blockchain-basierter Dienste und Geschäftsmodelle, die sich bereits deutlich am Erwartungshorizont der Wirtschaft abzeichnen. So heißt es etwa in Branchen, die mit hohen Daten-Transaktionsvolumina arbeiten müssen (bspw. in vielen Teilen der Finanzwirtschaft, bei der Echtzeit-Versteigerung von Werbeplätzen etc.), dass der noch zu geringe Datendurchsatz von Blockchains einen breiten Einsatz noch nicht absehbar macht. Allerdings bestreiten nur wenige Unternehmen, dass Blockchains für viele Arten von Settlements und »Roaming«-artigen Mehrparteienabrechnungen sehr gut geeignet wären und helfen würden, die Transparenz und Verlässlichkeit in diesen Bereichen zu erhöhen.

Die Benutzerfreundlichkeit, die viele Angebote im Netz heute auszeichnet, hat die Ansprüche der User und Entwickler steigen lassen. Es ist dringend notwendig, dass sich Blockchain-Anwendungen in diesem Bereich noch stark verbessern – und das trotz der komplizierteren Abläufe, die der Preis erhöhter Sicherheit sind, wie etwa die fehlende Möglichkeit, verlorene Passwörter/Keys einfach wieder neu anzulegen. Doch die Lösung dieser Usability-Probleme wird aus zwei Richtungen erfolgen: Sowohl das Design der Benutzeroberflächen wird optimiert werden, aber auch die Relevanz der Anwendungen für die angesprochenen Zielgruppen wird klarer werden. Es dürfte jedenfalls keine Frage sein, ob sich Blockchain-basierte Prozesse und Dienste in der realen Wirtschaft etablieren werden, sondern lediglich, wann und wo dies der Fall sein wird, nachdem die erste Anwendung der Technologie, der Launch einer Kryptowährung, den Finanzbereich revolutionieren könnte. Da die Vorteile einer neuen, sichereren und vielfach automatisierbaren Infrastruktur klar benennbar sind, ist es nur noch eine Frage der Zeit, ehe die technische Weiterentwicklung von Blockchains zur Realisierung praktischer Anwendungen führt: auf der Basis von Vertrauen, Transparenz, dem Schutz kritischer Daten und von Prozessen der Überprüfbarkeit von Bezahl-Vorgängen und Wert-Übertragungen ganz allgemein. Die Vorteile der Blockchain-Technologie werden beim Laden von Elektro-Fahrzeugen ebenso zum Tragen kommen wie bei Parkgebühren oder dem Handeln mit privat und gewerblich erzeugter Solarenergie.

Neben der Frage, ob sich Prozesse besser durch den Einsatz von Blockchains ausgestalten lassen oder ob klassische IT- und Datenbank-Technologien nicht für viele dieser Themen ausreichend sind, spielt auch noch die vielleicht relevanteste Anwendung auf Basis von Blockchains eine Rolle: die Einführung der sog. »Token Economy«.

Was verbirgt sich hinter diesem Begriff? Die Tokenisierung von Gütern, Kunstwerken oder auch Firmen wird es möglich machen, dass in Zukunft auch anteiliges Eigentum an Gegenständen oder an Unternehmungen erworben werden kann. Der Begriff Tokenisierung beschreibt den Vorgang der Abbildung eines materiellen oder immateriellen Guts durch einen Token, also eine digitale Wertmarke. Der Vergleich dazu ist ein Haus, das auf Basis eines Grundbucheintrags einen klar identifizierten Eigentümer hat. Diese offiziellen und staatlichen Register können in Zukunft auf fälschungssichere und transparente Blockchain-Einträge umgestellt werden. Wenn man dann eine (virtuelle) Teilung des registrierten Objektes oder der Firma – ähnlich einem Anteilsschein in der bisherigen Wirtschaftswelt – in Form eines Security Tokens digitalisiert, kann also z. B. auch ein Anteil an einem Kunstwerk von Picasso verbrieft ausgegeben werden. Ideal und umfassend gesichert ist dieser ganze notarielle Prozess dann, wenn auch der betreffende Gegenstand durch den Einsatz von Blockchain-Hardware als Original und Unikat gesichert werden kann – also durch Anbringung eines Krypto-Chips (spezielle Hochsicherheits-Hardware, die durch passende Software direkt mit – beliebigen – Blockchains verbunden werden kann, sodass zum Objekt gehörende Daten dort fälschungssicher abgelegt werden können – während der nicht klonbare Chip gleichzeitig die Original-Herkunft des Objekts sichert, vergleichbar mit einer Art Anker).

Funktional betrachtet bietet die Token Economy somit umfassende Möglichkeiten, um mehr Vertrauen und Transparenz in wirtschaftliche Prozesse zu bringen. Gleichzeitig wird der Teilbesitz an gewissen Gütern auch für weniger vermögende Menschen möglich. Diese Prozesse könnten dazu beitragen, genossenschaftliche Strukturen mit neuen Impulsen zu fördern, aber auch neue Anreize für unternehmerische Aktivitäten und deren Finanzierung zu setzen. Daneben sind vor allem aus finanzwirtschaftlicher Sicht die Auswirkungen auf die Beleihbarkeit von Produktionsmaschinen und anderen beweglichen Bilanzwerten nicht zu unterschätzen.

Zwar wird das Auf und Ab des Krypto-Währungsmarktes die Blockchain-Wirtschaft noch eine Weile beeinflussen und vermutlich auch ihren Ruf schädigen, doch Kryptowährungen sind eben nur eine Anwendung auf Basis der Blockchain-Technologie. Ob sich die Tokenisierung des Geldverkehrs und anderer physikalischer Assets durchsetzt, ist eher eine regulatorische Frage und weniger eine Antwort auf die Frage nach der Fähigkeit der zugrunde liegenden Technologie. Es würde schließlich auch niemand auf die Idee kommen, die Fortschritte in der Drucktechnik in den vergangenen Jahrhunderten, die uns unter anderem auch gedrucktes Papiergeld bescherten, für den Verfall von Währungen verantwortlich zu machen. Das Geldsystem beruht insgesamt auf einer Reihe von Garantien, aber eben im Kern auf dem Glauben, dass die Handlungen tragender Akteure (etwa jene kreditvergebender Banken) vernunftorientiert sind und durch verschiedene Steuermaßnahmen von staatlicher und regulatorischer Seite in die richtigen Bahnen gelenkt werden. Auch wenn viele Krisen zeigen, dass diese Hoffnung manchmal trügerisch ist. Denn diese Regulierung der Finanzmärkte ist »modischen« Veränderungen unterworfen, sie muss neue Akteure und Instrumente erfassen und kann die schlechten Seiten des menschlichen Charakters nicht völlig domestizieren. Deshalb wird kein Geldsystem jemals komplett krisensicher sein, da neben handfesten Regularien auch der Glaube an höhere Autoritäten mitschwingt, selbst wenn es sich dabei »nur« um eine Bank oder »den Markt« handelt. Und dieser Glaube kann enttäuscht werden. Entsprechend sind Blockchains als Technologie potenziell eher eine Lösung denn selbst ein Problem – da sie zur Schaffung von höherem Vertrauen, mehr Fälschungssicherheit und höherer Automatisierung, allerdings begrenzt durch klare Regeln, genutzt werden können.

Doch zurück zum Ausblick auf die neuen Horizonte im Blockchain-Zeitalter: Viele Vergleiche zwischen den frühen Tagen des (kommerziellen) Internets in den 90er-Jahren und der neuen Blockchain-basierten Wirtschaft, die sich um fehlende Massenmarkt-Anwendungen von Blockchain-Services sorgt, verfehlen jedenfalls das Thema. Dies gilt auch für Vorwürfe wie jene, die Prof. Nouriel Roubini von der Stern University in New York City im Oktober 2018 bei einer Senats-Ausschuss-Anhörung in der für ihn typischen Form vorbrachte: »…there is no killer app in crypto or blockchain even after a decade of developments and attempts. […] Pretty much no adoption of anything. So the comparison with early days of the Internet is nonsense, […] as the internet had massive adoption and many early killer apps or websites.«1

Wenn wir uns vor Augen führen, in welchem Entwicklungsstadium sich die Blockchain-Technologie befindet, dann kann die Antwort nur lauten: Wir sind immer noch ziemlich am Anfang. Dies mag zwar nicht direkt für jede Detail-Diskussion rund um kryptografische Verfahren gelten, die bereits seit Jahrzehnten andauern, aber mit Sicherheit für etliche Fragen der technischen Umsetzung und industriellen Anwendbarkeit. Dennoch wird bei solchen Polemiken à la Roubini die Zeit unterschätzt, die für die nachhaltige Entwicklung einer fundamentalen Technologie benötigt wird. Man vergisst auch das Ausmaß des vor uns liegenden Wandels. Während der Computer mehr als 60 Jahre gebraucht hat, um von Zimmer- auf Hosentaschengröße zu schrumpfen, wird er von nun an sicher keine 25 Jahre benötigen, um sich von Smartphonebausteinauf Stecknadelkopf-Größe zu miniaturisieren. Dies wird – infrastrukturell gedacht – zu einem Evolutionssprung führen, der vielleicht noch am ehesten mit der Kambrischen Explosion vergleichbar ist.

Das Internet der Dinge und die kommende Allgegenwart von Märkten

Bei der Diskussion um die Zukunft von Blockchain-Lösungen sollte es entsprechend nicht um eine ideologische Auseinandersetzung gehen, sondern um die Analyse von infrastrukturellen Möglichkeiten. Doch wie lassen sich diese umfassend beschreiben? Um sich hier einer Antwort anzunähern, müssen wir unseren Blick auf eine der fundamentalsten Anwendungen der Blockchain-Technologie richten: die Wallet-Funktion.

Was bedeutet das? Der oben skizzierte Infrastruktur-Sprung wird uns eine Umgebung bescheren, die sich – in mancher Hinsicht sogar wesentlich – von unserer Gegenwart unterscheidet. Da das Zusammenspiel verschiedener Faktoren – etwa Blockchain kombiniert mit künstlicher Intelligenz – in einigen Bereichen auch zu exponentiellen statt nur organischen Veränderungen führen wird, kommt es auch zu grundlegend falschen Einschätzungen über die mittelfristige Entwicklung der umfassend vernetzten Welt von morgen. Diese beruht auf:

einer Vervielfachung der vernetzten Geräte und Chips, vermutlich um einen Faktor von rund 1000 bis zum Jahr 2040,

der massenhaften Einführung autonom handelnder Maschinen (innerhalb der nächsten drei bis fünf Jahre), die direkt Entscheidungen treffen und auch Bezahlvorgänge ausführen – was viele Märkte der Zukunft deutlich vergrößern wird,

sicheren digitalen Identitäten für Maschinen und Objekte als Grundlage für autonom ablaufende Prozesse (man denke an automatisch verrechnete Park- oder Lade-Gebühren für Elektrofahrzeuge) – und dies wird am besten durch eine Kombination von Hardware-Sicherheit, Kryptografie und Blockchain-Dateneinträgen erreicht,

der grundlegenden Tatsache, dass Blockchain-Hardware-Plattformen automatisch – da als sichere Technologie zur Werte-Übertragung konzipiert – Wallet-Lösungen enthalten und damit jeden Gegenstand zum Akteur eines Marktplatzes machen können.

Gerade Letzteres ist für eine Expansion der Märkte die wichtigste Grundlage. Hieran wird auch klar, warum Blockchains mehr als nur eine neue Datenbank-Form sind: Vor unseren Augen entsteht eine polyvalente technologische Protokoll- und Plattform-Ebene, die das Vordringen und vor allem die Zusammenführung mehrerer Dimensionen ermöglicht, die für innovative und tragfähige Business-Modelle nötig sind. Die Blockchain-Technologie ist dafür nicht nur hinreichend, sondern in etlichen Bereichen auch strukturell höchst hilfreich, wenn nicht zukünftig sogar notwendig. Denn die Wallets, deren Consumer-Variante zumindest diejenigen unter uns kennen, die schon mit Kryptowährungen gehandelt haben, werden in Zukunft also mithilfe entsprechender Technologie-Bausteine in viele Maschinen, Fahrzeuge, Sensoren und Gegenstände eingebaut sein. Sie sind dann (über die eingebauten und entsprechend designten Krypto-Chips) mit Blockchains verknüpft. Deren Verbreitung wiederum vollzieht sich parallel zur umfassenden Vernetzung in Gestalt des Internets der Dinge über eine Vielzahl von Geräten hinweg. So werden dann zahlreiche Gegenstände des alltäglichen Lebens nicht nur vernetzt sein, sondern auch autonom handeln und sowohl Daten tauschen als auch Bezahlvorgänge direkt untereinander abwickeln können. Dies geschieht auf Basis einer fälschungssicheren digitalen Identität und so sichtbar und aktenkundig wie von den Prozesspartnern gewünscht oder wie eben es nötig ist. Man denke hier exemplarisch nur an die Sicherheit im Straßenverkehr, der sich schon in wenigen Jahren sowohl aus autonom fahrenden als auch von Menschen gesteuerten Autos zusammensetzt. Um beide Fahrweisen miteinander zu verbinden und besser zu steuern, müssen zahlreiche Fahrzeugdaten und Sensor-Meldungen den Verkehrs- und Umweltkontroll-Systemen übermittelt werden. Entsprechend ist die Absicherung dieser für unser leibliches Wohl verantwortlichen Geräte – und deren im Zweifelsfall lebenssichernde Datenübertragung – eine sehr wichtige und grundlegende Aufgabe. Keiner möchte sich schließlich ohne Not dem Risiko aussetzen, dass ein gehacktes Fahrzeug zu Unfällen mit Personenschäden führt. Aber dass solche Angriffe stattfinden werden, ist mit absoluter Sicherheit anzunehmen. Schließlich wurde in den letzten 20 Jahren beinahe jede vernetzte Infrastruktur angegriffen – und nur die originale Bitcoin-Blockchain hat bisher über fast ein Jahrzehnt jedem Angriff widerstanden. Dies ist auch der Grund, warum wir den Ausbau einer vernetzten Infrastruktur dieses Mal von Anfang an umfassend absichern sollten und nicht auf die Selbstregulierung eines derart anfälligen Systems wie des klassischen Internets durch private Vorsorge und privatwirtschaftlich organisierte, technische Schutzmaßnahmen hoffen dürfen.

Denn in Zukunft wird es um mehr gehen als »nur« Hacker-Angriffe auf unsere Computer und digitalen Identitäten. Entsprechend können Blockchains einen wesentlichen Beitrag liefern, um die öffentliche und private Sicherheit zu verbessern. Genauso können sie Transparenz, Sicherheit und Nachvollziehbarkeit für gesellschaftlich anerkannte Automatisierung und deutlich erhöhte Verkehrssicherheit in Bereichen wie Mobilität, Energie-Versorgung, Lieferketten, in der Finanzwirtschaft und im Notarwesen für alle Menschen optimieren.

Das Beispiel des autonomen Fahrens illustriert auch anschaulich das zukünftige Zusammenspiel von künstlicher Intelligenz (KI) und Blockchain. Während die KI für die optimale Analyse und Steuerung von Prozessen wie dem Verkehrsfluss sorgt, kann die Blockchain relevante Ereignisse und Daten, bei Wahrung von Privatsphäre, registrieren und transparent machen. Darüber hinaus kann sie über Coins oder Token auch den Anreiz für sinnvolleres Einzel- und Schwarmverhalten bieten und neue Business-Modelle eröffnen. Hier wird also nahezu zwangsläufig ein Marktplatz entstehen, bei dem manche Vorgänge vom Fahrer ausgelöst werden, andere aber direkt zwischen den beteiligten Maschinen und Fahrzeugen erledigt werden – etwa Parkvorgänge, Maut-Abrechnungen oder teilweise auch Ladevorgänge im Bereich Elektromobilität.

Selbstverständlich können und müssen mehrere derartige neue Märkte gesteuert und reguliert werden, und natürlich wird dies auch eine Vielzahl komplexer ethischer Diskussionen und schwieriger Entscheidungen erfordern. Smart Contracts und Agents sind hierfür die Mittel aus dem Arsenal der Blockchains. Damit wird eine Blockchain-basierte Synthese von markt- und planwirtschaftlichem2 Vorgehen greifbar, die vielleicht am ehesten den Idealen der Demokratie und der Vernunftbestimmung als Leitmotiv für freie Gesellschaften gerecht werden kann. Die bisher zwar höchst interessanten, aber noch nicht final ausgereizten Diskussionen um die besten Governance- und Konsensfindungs-Regeln, auf denen die meisten Blockchains aufbauen, werden weitere Impulse liefern, um hier zu passenden Lösungen für verschiedenste Anwendungsfälle zu gelangen. Auch aus der regulatorischen Ebene werden zusätzliche Impulse kommen.3