Die Zukunft ist nicht binär - Lydia Meyer - E-Book

Die Zukunft ist nicht binär E-Book

Lydia Meyer

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Beschreibung

Es gibt nur zwei Geschlechter? Von wegen! Menschen sind mehr als entweder oder. Dennoch sind unsere Sprache, unsere Medien, unser Alltag von der Annahme geprägt, es gebe nur zwei Geschlechter, die einander binär gegenüberstehen. Werbung, Spielzeug, Kleidung und Geschichten, Er- und Beziehungsmodelle, sogar Algorithmen und die Wissenschaften – unsere gesamte Kultur ist davon durchzogen. Im Alltag begegnet uns die Zweigeschlechterordnung überall: im Sport, beim Klamottenkaufen, auf öffentlichen Toiletten und beim Bürgeramt, beim Dating und auf Social Media. Doch das Zweigeschlechtersystem ist nicht nur unvollständig, es schließt auch aus. Für viele Menschen passt es nicht. Es fühlt sich falsch an. Das Wissen darum und die mediale Aufmerksamkeit nehmen zu. Doch mit steigender Sichtbarkeit werden auch trans- und queerfeindliche Stimmen lauter und versuchen mit aller Kraft, die binäre Geschlechterordnung zu verteidigen. Dabei steckt in der Überwindung des starren binären Systems emanzipatorisches Potenzial für alle Menschen. Was wären wir ohne Zweigeschlechterordnung? Können wir sie überwinden? Was hätten wir davon?  Lydia Meyer entwirft eine Welt, in der die alten Grenzen obsolet geworden sind, und schöpft dabei aus eigenen Erfahrungen als Person, für die die binäre Ordnung nicht funktioniert. Ein Buch für alle, die es wagen wollen, alte Normen und Zwänge hinter sich zu lassen.

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Seitenzahl: 207

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Lydia Meyer

Die Zukunft ist nicht binär

 

 

 

Über dieses Buch

Es gibt nur zwei Geschlechter? Von wegen!

 

Menschen sind mehr als entweder oder. Dennoch sind unsere Sprache, unsere Medien, unser Alltag von der Annahme geprägt, es gebe nur zwei Geschlechter, die einander binär gegenüberstehen. Werbung, Spielzeug, Kleidung und Geschichten, Er- und Beziehungsmodelle, sogar Algorithmen und die Wissenschaften – unsere gesamte Kultur ist davon durchzogen. Im Alltag begegnet uns die Zweigeschlechterordnung überall: im Sport, beim Klamottenkaufen, auf öffentlichen Toiletten und beim Bürgeramt, beim Dating und auf Social Media. Doch das Zweigeschlechtersystem ist nicht nur unvollständig, es schließt auch aus. Für viele Menschen passt es nicht. Es fühlt sich falsch an. Das Wissen darum und die mediale Aufmerksamkeit nehmen zu. Doch mit steigender Sichtbarkeit werden auch trans- und queerfeindliche Stimmen lauter und versuchen mit aller Kraft, die binäre Geschlechterordnung zu verteidigen. Dabei steckt in der Überwindung des starren binären Systems emanzipatorisches Potenzial für alle Menschen.

 

Was wären wir ohne Zweigeschlechterordnung? Können wir sie überwinden? Was hätten wir davon? Lydia Meyer entwirft eine Welt, in der die alten Grenzen obsolet geworden sind, und schöpft dabei aus eigenen Erfahrungen als Person, für die die binäre Ordnung nicht funktioniert. Ein Buch für alle, die es wagen wollen, alte Normen und Zwänge hinter sich zu lassen.

Vita

Lydia Meyer lebt als Autor*in, Redakteur*in und Konzepter*in in Berlin und setzt sich in unterschiedlichen Formaten und Medien mit Sex, Gender, gesellschaftlichen Normen und deren Verwobensein auseinander. Vorher studierte Lydia Meyer Kulturwissenschaften und Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation in Leipzig und Berlin, arbeitete u.a. für Zeit Online und die Kooperative Berlin und entwickelte dort die YouTube-Serie «Auf Klo» sowie das queerfeministische Format «Softie» in Kooperation mit dem Missy Magazine für funk. 2020 erschien «Sex und so. Ein Aufklärungsbuch für alle» im Ullstein Verlag.

Impressum

Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, Mai 2023

Copyright © 2023 by Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg

Redaktion Marie Krutmann

Songzitat auf Seite 5: Arca: «Nonbinary», KiCk i, XL Recordings 2020

Covergestaltung zero-media.net, München

Coverabbildung FinePic®, München

ISBN 978-3-644-01505-0

 

Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation

Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp

 

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www.rowohlt.de

Inhaltsübersicht

Triggerwarnung

Warum dieses Buch?

EiNS Mehr als Genitalien: Was ist Geschlecht?

ZWEi Biologismus: Stumpf ist Trumpf

DREi Geschlechtergerechtigkeit: Mind the Gaps!

ViER Trend und Minderheit zugleich: Über statistische Leerstellen und Desinformationen

FüNF Argumente, die keine sind: Das Märchen vom Kinderschutz

SEChS «It’s Raining Them! Hallelujah!» Popkultur und Repräsentation

SiEBEN Repräsentation ist nicht genug

AChT Es war einmal die «Cancel Culture»

NEUN Raus aus dem Sprachkorsett

ZEhN Mehrgeschlechterordnungen sind nichts Neues

ELf «Entweder & oder»: Die Zukunft ist nicht binär!

Glossar

Danksagung

Ausgewählte Literatur

Quellenverzeichnis

What a treat

It is to be

Nonbinary

ma chérie

tee hee hee

Arca

Hinweis zum Inhalt:

In diesem Buch reproduziere ich trans- und queerfeindliche Erzählungen und Gewalt, besonders in den Kapiteln 2, 3, 4, 5, 7 und 8.

Warum dieses Buch?

Seit ich denken kann, habe ich ein Problem mit der Zweigeschlechterordnung – und viel zu lange habe ich nicht das starre binäre System, sondern mich selbst für das Problem gehalten. Heute weiß ich: Ich bin nicht-binär und damit nicht allein, doch in den meisten Zusammenhängen bleibt die binäre Geschlechterordnung so wirkmächtig wie unhinterfragt. Weil ich fest davon überzeugt bin, dass eine Welt ohne starre binäre Geschlechtereinteilung für uns alle ein Gewinn wäre, wollte ich eigentlich ein utopisches Buch über Geschlechtergerechtigkeit schreiben. Eigentlich. Denn es ist gar nicht so leicht, ein utopisches Buch zu schreiben, während in der Realität über alle nur denkbaren Kanäle transfeindliche Ressentiments verbreitet werden.

Damit die Zukunft nicht-binär sein kann – oder besser: damit sie nicht zwangsläufig binär sein muss –, muss sich in der Gegenwart ziemlich viel ändern. Deswegen geht es in diesem Buch nicht in erster Linie um die Zukunft, sondern vielmehr um unsere vermeintlich progressive Gegenwart. Die nämlich sieht für queere Menschen – allen voran für trans Personen – nicht besonders rosig aus: Nie war die Anzahl der weltweit gezählten Morde an trans Personen so hoch wie im Jahr 2021.[1][*] Weltweit nehmen queer- und transfeindlich motivierte Gewalttaten zu,[2] und auch in Deutschland stieg die queer- und transfeindlich motivierte Hasskriminalität in den letzten Jahren stark an.[3]

Trans- und queerfeindliche Gewalt passiert nicht aus dem Nichts. Jede Desinformation, jedes Gerücht, jede Verschwörungsideologie, die transfeindliche Menschen über trans Personen ins Internet oder in eine Zeitung schreiben, hinterlässt Spuren – und entlädt sich in ganz realer physischer und verbaler Gewalt. Es ist bizarr, wie Menschen online über trans und nicht-binäre Personen hetzen, wie sie Stimmung gegen das geplante Selbstbestimmungsgesetz machen und wie konservative und rechte Publizist*innen und Medienhäuser Falschinformationen über trans Menschen verbreiten. Und es ist beängstigend, wie weit sich die Grenzen des Sagbaren innerhalb der letzten Jahre verschoben haben. Rechtsextreme, christliche Fundamentalist*innen, Anti-Feminist*innen, transexkludierende Feminist*innen (TERFs) und Konservative weltweit haben einen gemeinsamen Feind: trans und nicht-binäre Menschen.

Es ist nicht leicht, optimistisch zu bleiben, während Menschen in einer von Krisen geprägten Gegenwart ihren Rassismus, ihre antisemitischen Verschwörungsideologien, ihre Trans- und Queerfeindlichkeit, ihren Hass und ihre Unwahrheiten über alle, die sie selbst zu «den anderen» machen, immer hemmungsloser aussprechen, ihren Hass in Hetzkampagnen, körperlichen Übergriffen, Drohungen, Doxxing[*] und Stalking entladen, während rechte Medienhäuser und Publizist*innen daran mitarbeiten, dass trans- und queerfeindliche Narrative sich in den Köpfen festsetzen, Desinformationen, Gerüchte und Verschwörungsideologien über trans Personen, geplante Gesetzesänderungen und angebliche «Transgender-Trends» verbreiten.[4]

Transfeindlichkeit tötet. Und sie beginnt nicht erst mit der Androhung von Gewalt. Sie beginnt mit den Berührungsängsten. Mit dem Wegschauen, wenn es um trans- und queerfeindliche Gewalt geht. Mit diskriminierenden Gesetzen, ausschließenden Infrastrukturen, einer unvollständigen Sprache und der Weigerung, sie der Realität anzupassen. Es gibt mittlerweile offiziell zwar eine Dritte Option und Diskussionen über gendersensible Sprache, es gibt Aufklärung über geschlechtliche Vielfalt und queere Repräsentation in den Medien, es gibt Queer, Trans und Gender Studies, und auch in Deutschland soll bald ein Gesetz verabschiedet werden, das eine Personenstandsänderung für trans und nicht-binäre Menschen erleichtern soll. Sobald aber eine Person sagt, sie sei trans, inter und/oder[*] nicht-binär, sind Menschen oft verunsichert oder erschrocken darüber, dass wir tatsächlich existieren und dann auch noch so unterschiedlich aussehen. Obwohl sich viele – abstrakt oder theoretisch – darauf einigen können, dass Geschlecht ein Spektrum ist, geht ein Großteil trotzdem davon aus, dass es eigentlich nur Männer und Frauen gibt. Und das ist gar nicht verwunderlich, denn wir sind permanent und von Geburt an von Zweigeschlechtlichkeit umgeben und werden nicht gerade häufig dazu ermuntert, die normative binäre Ordnung infrage zu stellen.

Gerade in krisenhaften Zeiten ist es wichtig, die Visionen und Utopien nicht zu vergessen, die uns daran erinnern, dass es auch anders gehen könnte. Das Ziel einer wirklich gleichberechtigten Gesellschaft im Auge zu behalten, die ohne Stereotype und Klischees auskommt, einer Welt, in der Menschen Menschen sein dürfen und nicht in erster Linie Männer oder Frauen sein müssen. Um in die Nähe einer solchen Welt zu kommen, müssten wir die starre binäre Ordnung ins Wanken bringen – und das ist gar nicht so einfach. Wir haben sie schließlich internalisiert, sie durchzieht unsere Sprache, unser Denken, den öffentlichen Raum – und sie sichert Machtverhältnisse: In einer Welt, in der mächtige cis Männer andere mächtige cis Männer schützen, ist Veränderung nicht von heute auf morgen möglich. Außerdem finden viele Menschen das binäre System eigentlich ganz gemütlich und sehen keinen Grund, es zu hinterfragen oder gar abzuschaffen. Sie bemerken es nicht einmal.

Dabei kann das Hinterfragen des tief verankerten binären Denkens für alle Menschen ein Gewinn sein. Oder um es mit den Worten der Autor*innen Meg-John Barker (they/them) und Alex Iantaffi (they/them) zu sagen:

Inviting you to consider life from a non-binary perspective is about shifting our frame work away from a rigid either/or perspective, towards both/and possibilities, which embrace paradox and uncertainty.[5]

Frei übersetzt: Uns zu erlauben, das Leben aus einer nicht-binären Perspektive zu betrachten, bedeutet, unsere Wahrnehmung zu verschieben – von einer rigiden Entweder-oder-Perspektive hin zu Und-auch-Möglichkeiten, die Widersprüche und Unsicherheiten zulassen.

Wie wäre es, wenn wir «nicht-binär» nicht ausschließlich als Geschlecht oder Teil einer Identität, sondern auch als Perspektive verstünden, die Zwischenräume feiert und Gleichzeitigkeiten zulässt? Als Möglichkeit, sich im Dazwischen einrichten zu können. Als Basis für Lebendigkeit.

Noch ein kleiner Hinweis, bevor es richtig losgeht

Ich schreibe dieses Buch aus der Perspektive einer nicht-binären, weißen[*] Person mit deutscher Staatsbürgerschaft, die im Westdeutschland der 1990er- und 2000er-Jahre aufgewachsen ist, einen geisteswissenschaftlichen Hintergrund hat und in Berlin lebt. Ich werde meist weiblich gelesen. Das ist für mich oft anstrengend und gleichzeitig ein Privileg, weil ich Diskriminierung und Hass nicht so stark ausgesetzt bin wie inter, nicht-binäre und andere queere Personen, die das binäre System und cisnormative Sehgewohnheiten stärker auf die Probe stellen und/oder von Mehrfachdiskriminierung betroffen sind. Meine Perspektive ist weder verallgemeinerbar noch auf andere nicht-binäre Menschen übertragbar. Es ist eine Perspektive von vielen.

Ich habe für dieses Buch viel recherchiert und versuche, möglichst viele Fakten, Statistiken und anschauliche Beispiele zu liefern, erhebe dabei aber weder einen Anspruch auf Vollständigkeit noch auf Neutralität. Ich schreibe das so deutlich, weil meine eigene kulturelle Prägung, Sozialisation und meine Privilegien bei allem, was ich tue, mitschwingen. Es ist schwer bis unmöglich, eine absolut neutrale Perspektive einzunehmen – umso wichtiger ist es, offenzulegen, aus welcher Perspektive gedacht und geschrieben wird. Das gilt übrigens für alle Menschen: Auch ein weißer cis Mann blickt nicht neutral auf die Welt, es wird nur ständig davon ausgegangen, dass er das tut, weil die weiße cisgeschlechtliche Perspektive immer noch als Norm gilt, während andere Perspektiven als Aktivismus oder gar Ideologie abgetan werden. Oft verbirgt sich hinter vermeintlicher «Neutralität» oder «Objektivität» nichts anderes als die herrschende, unhinterfragte, schwer greifbare Norm. Das heißt wiederum nicht, dass alles beliebig ist oder persönliche Meinungen der alles bestimmende Maßstab sind. Es heißt auch nicht, dass Normen per se schlecht sind. Im Gegenteil: Ohne Normen würde unser Zusammenleben nicht funktionieren. Doch manche Normen schließen aus und festigen Machtverhältnisse – und es ist hilfreich, dafür sensibel zu sein, wer aus welcher Position, mit welcher Prägung und mit welchen Privilegien spricht, um diese Normen infrage stellen zu können. Und genau darum geht es in diesem Buch.

Wer sich mit der Zweigeschlechterordnung auseinandersetzt, beschäftigt sich zwangsläufig auch mit Sprache. Leider ist die deutsche Sprache ziemlich sperrig und zwingt uns ständig dazu, uns und andere zweigeschlechtlich zu verorten. Zu einer gendersensiblen Sprache gehört auch das Nutzen der richtigen Personalpronomen. Bei vielen Personen, die ich in diesem Buch zitiere oder erwähne, konnte ich die korrekten Pronomen recherchieren oder erfragen. Wenn das der Fall ist, stehen sie bei der ersten Erwähnung in Klammern hinter dem Namen der jeweiligen Person. Konsequent wäre es, die Pronomen bei jeder erwähnten Person hinter den Namen zu schreiben. Bei einigen Menschen, die ich in diesem Buch erwähne, fehlen mir jedoch diese Informationen. Wenn es sich dabei um Personen des öffentlichen Lebens handelt, die in ihren Texten oder Vorträgen ein konservatives Verständnis von Geschlecht vermitteln, verzichte ich in diesen Fällen nicht gänzlich auf Personalpronomen, sondern schließe aus ihren Veröffentlichungen, dass sie sich an einem der Pole im binären System verorten. Bei Personen, bei denen ich mir nicht sicher war, habe ich auf Pronomen verzichtet.

Ich schreibe in diesem Buch über cis Frauen und cis Männer, trans Frauen und trans Männer. Wenn ich nur Männer schreibe, meine ich damit alle Männer. Schreibe ich Frauen, meine ich alle Frauen.

Damit sich niemand beim Lesen langweilen muss, gibt es auf den letzten Seiten dieses Buchs ein Glossar, in dem ich möglichst viele Begriffe erkläre, die beim Sprechen über Geschlecht wichtig sind und die ich in diesem Buch benutze – ohne Anspruch auf Vollständigkeit.