Diese Beine waren nicht meine - Heidi Schmid-Ackermann - E-Book

Diese Beine waren nicht meine E-Book

Heidi Schmid-Ackermann

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Beschreibung

Eine mutige Stimme gegen das Schweigen: Die wahre Geschichte einer Frau im Kampf gegen Lipödem. Als Heidi Schmid-Ackermann mit der Diagnose Lipödem konfrontiert wurde, begann für sie ein langer, schmerzhafter Weg voller Unsicherheit und Angst. Lipödem – eine Fettverteilungsstörung, unter der fast ausschließlich Frauen leiden – verursacht nicht nur körperliche Schmerzen, sondern auch Selbstzweifel, Schuldgefühle und Machtlosigkeit. Doch anstatt zu resignieren, nahm sie den Kampf auf: Fehlende Unterstützung, Unwissen und Unverständnis seitens der Ärzteschaft und Krankenkassen brachten sie 2012 dazu, die Erkrankung in der Schweiz in die Öffentlichkeit zu tragen und darüber aufzuklären. Diese mitreißende Autobiografie erzählt von ersten Symptomen und der Diagnose, der Gründung von Selbsthilfegruppen und Heidi Schmid-Ackermanns unermüdlichem Einsatz, das Bewusstsein für Lipödem in der Schweiz zu schärfen. Eine inspirierende Geschichte über Mut, Entschlossenheit und den unerschütterlichen Willen, das Schweigen zu brechen – um anderen Frauen Hoffnung zu geben.

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Dieses Buch widme ich meinen drei lieben Kolleginnen, die am 31. Mai 2014 bei der Gründung und anschliessend im Vorstand der Vereinigung Lipödem Schweiz mit dabei waren.

INHALT

VORWORT

KRANKHEITSBILD UND SYMPTOME DES LIPÖDEMS, STAND 2024

WIE ALLES BEGANN

OHNE EIGENINITIATIVE PASSIERT NICHTS

AUFBAU EINER LIPÖDEM-SELBSTHILFEGRUPPE

ZIELE DER LIPÖDEM-SELBSTHILFEGRUPPE RHEINTAL

ERSTE SELBSTHILFEGRUPPE FÜR LIPÖDEMBETROFFENE IN DER SCHWEIZ

MEIN TRAUM, MEINE LEIDENSCHAFT

AB SOFORT IM NETZ

NEUER JOB, NEUE CHANCE

BEDEUTUNG VON »GESUNDHEIT«

HÖRT MIR JEMAND ZU?

SHOPPINGTOUR

HORMONE

LIPÖDEMBERICHT IM OSTSCHWEIZER ANZEIGER

KRAFTPROJEKT LIPÖDEM

TREFFEN IN ST. GALLEN

NEUE ANLAUFSTELLE FÜR LIPÖDEMBETROFFENE IN ZÜRICH

EINE WEITERE ANLAUFSTELLE IN GRAUBÜNDEN

LIPÖDEM LAWINE

VORTRAG BEI DER SCHWEIZERISCHEN ADIPOSITAS-STIFTUNG SAPS

TREFFEN MIT HILDE

DIE ERSTEN TEILNEHMER DER SELBSTHILFEGRUPPE GRAUBÜNDEN

PRÄSENTATION IM UNTEREN RHEINTAL

EMOTIONALER ANRUF

ZWEI LIPOSUKTIONEN

FUNDAMENT SHG ZÜRICH

PRÄSENTATION BEI DEN PHYSIOTHERAPEUTEN IN ZÜRICH

LANGERSEHNTER BRIEF

NÄCHTLICHE PROBLEMBEWÄLTIGUNG

TREFFEN MIT DOC

UNBEWUSSTE ABRECHNUNG

INTERVIEW MIT BEOBACHTER AM 17. JULI 2013

HUNDSTAGE

ÜBERRASCHENDER ANDRANG

BERICHT IM W&O VOM 6. AUGUST 2013

AUFGEBEN … OHNE MICH

NEUE LIPÖDEM BROSCHÜRE VON DOC

VIERTE LIPÖDEM-SELBSTHILFEGRUPPE IST IN AUSSICHT

REAKTION VON DOC

FRAGEBOGEN DIPLOMARBEIT

ERSTES SELBSTHILFEGRUPPENTREFFEN IN GRAUBÜNDEN

ST. GALLEN, DIE VIERTE LIPÖDEM SHG IST IN SICHTWEITE

EINSPRUCH

EINE WOCHE OHNE KOMPRESSIONSVERSORGUNG

SAPS-TAGUNG IN ZÜRICH

ÄRZTLICH VERORDNETE STRAPSE

INTERVIEW MIT DER SÜDOSTSCHWEIZER ZEITUNG

ANTWORT VOM BAG

NEUE VERORDNUNG

TREFFEN IN ST. GALLEN MIT MELINA

OKTOBER, FÜNFTES SHG-TREFFEN IM RHEINTAL

ENDE OKTOBER, ZWEITES SHG-TREFFEN IN CHUR

LIPÖDEM-SELBSTHILFEGRUPPE IM FACEBOOK

LIPÖDEM VORTRAG VON DOC

ZWEITER LIPÖDEM-VORTRAG VON DOC

SECHSTES LIPÖDEM SHG-TREFFEN IM RHEINTAL

VEREINSSTATUTEN

WEIHNACHTSSTIMMUNG 2013

GESPRÄCH MIT LIPÖDEM SPEZIALIST DER ZURZACH CARE-REHAKLINIK

EIN STÜCK ZUCKER, UM MEIN MAUL ZU STOPFEN

BERICHT IN DER SCHWEIZER ILLUSTRIERTEN VOM 30. DEZEMBER 2013

BESPRECHUNGSTERMIN FÜR DIE VEREINSSTATUTEN

LIPÖDEM-FACHTAGUNG IN HANNOVER

REAKTIONEN AUF DEN BERICHT IN DER SCHWEIZER ILLUSTRIERTEN

DRITTER VORTRAG ÜBER DAS LIPÖDEM IN ZÜRICH

INTERVIEWS UND ERFAHRUNGSBERICHTE

MEINE FRAGEN AN DR. MED. NIKOLAUS LINDE (JANUAR 2014)

GESPRÄCH MIT DEM VERTRAUENSARZT

VORSTELLUNG DER LIPÖDEM SHG

DIE LIPÖDEM SHG ZÜRICH ÖFFNET IHRE TORE

ANTWORTEN AUF MEINE FRAGE

NATALIAS GESCHICHTE

TRÄNEN BEIM FRÜHSTÜCK

FRAGEN AN DEN LEITENDEN ARZT DER ANGIOLOGIE DER ZURZACH CARE-REHAKLINIK

TREFFEN DER CHURER- UND RHEINTALERGRUPPE IM FEBRUAR 2014

EIN HEKTISCHER TAG

EIN WEITERER SCHRITT

E-MAIL AN DIE SCHWEIZERISCHE GESELLSCHAFT DER VERTRAUENSÄRZTE

STELLUNGNAHME DES BUNDESAMTES FÜR GESUNDHEIT SCHWEIZ (BAG)

DIE GESCHICHTE VON ANDREA

FRAGEN AN DIE ÄRZTLICHE LEITUNG DER LYMPHAKADEMIE DEUTSCHLAND, HERRN DR. MED. C. SCHUCHHARDT.

HANNA’S GESCHICHTE

TRAKTANDEN FÜR DIE ANSTEHENDE VORSTANDSSITZUNG

FRAGEN AN DIE SELBSTHILFEORGANISATION LIPÖDEM HILFE E.V. DEUTSCHLAND

INTERVIEW MIT EINER PSYCHOLOGIN AUS CHUR

GESPRÄCH SGV

DEN GRUNDSTEIN LEGTEN WIR AN EINEM SONNTAG

GEPLATZTE SEIFENBLASE

STATEMENT VOM LANDESLEITER HERRN ALFRED KÖGL, DER ÖLL (ÖSTERREICHISCHE LYMPH-LIGA) IM VORARLBERG, MÄRZ 2014

FRAGEN AN DAS WITTLINGER THERAPIEZENTRUM IM TIROL (MAI 2014)

AUS LIPÖDEM SHG WIRD DIE VEREINIGUNG LIPÖDEM SCHWEIZ (VLS)

LIPÖDEM TAGUNG IN BAD ZURZACH, ENDE MÄRZ 2014

LEERLAUF

JASMINS MARATHON

FRAGEN AN ANGIOLOGIN FRAU DR. MED. D. REUTTER UNIVERSITÄTSSPITAL ZÜRICH USZ

GROSSER BERICHT ÜBER DAS LIPÖDEM

VORTRAG BEI PHYSIO GRAUBÜNDEN

10 JAHRE SPÄTER, FEBRUAR 2024

AUSWERTUNG DES FRAGEBOGENS, KURZFASSUNG MEINER DIPLOMARBEIT

MEINE GEDANKEN ZUM SCHLUSS

DANKE FÜR EURE / IHRE MITHILFE

ANHANG 1 – 3

LITERATURANGABEN

ADRESSEN

ERKLÄRUNG VON BEGRIFFEN UND ABKÜRZUNGEN

VORWORT

Im Herbst 2011 erhielt ich die Diagnose Lipödem. Eine Diagnose, die zu dieser Zeit kaum jemand in der Schweiz kannte. Nur sehr wenige Ärzte wussten, wie man diese Erkrankung therapiert. Im Internet fand ich verstörende Bilder von wulstigen, komplett deformierten Beinen, die mich zutiefst bestürzten. Erst vier Jahre zuvor wurde bei mir nach über dreizehn Jahren Leidensweg, eine seltene autoimmune Erkrankung diagnostiziert. Diese zwang mich 2007 dazu, mein Leben komplett neu zu organisieren. 2010 begann ich ein Studium für Ernährung-Psychologische Beratung am IKP in Zürich. Nun sollte mein Leben bereits wieder erschüttert werden? Meine angeborene mentale Stärke und meinen seit Jahren geschwächten Körper zu vereinen, wurde zu meiner Lernaufgabe. Eine normale Zukunft mit diesen zwei Diagnosen schien mir damals jedoch unmöglich zu sein. Mein Körper - eine ewige Baustelle. Gefangen in meinem Gefühlschaos aus Zukunfts- und Existenzängsten, Wut und einem Funken Hoffnung, versuchte ich die Balance in meinen Alltag zu halten. Nach einigen Monaten suhlen in den tiefsten Abgründen wuchs langsam eine leise Hoffnung in mir. Zögerlich formte sich daraus ein klares Ziel. Die Krankheit Lipödem musste öffentlich gemacht werden. Koste es, was es wolle. Mir schwebte vor, eine Selbsthilfegruppe und später einen Verein für Frauen mit Lipödem in der Schweiz aufzubauen. Die Idee war geboren, meine Ziele standen fest. Meine Opferrolle tauschte ich ein gegen Optimismus. Ich war gewillt, Verantwortung für mein Leben zu übernehmen und lösungsorientiert in die Zukunft zu schreiten. Zugegeben, hätte ich zu Beginn gewusst, wie viel mühsame Arbeit auf mich zukommen würde, dann wäre die Idee wohl schnell gestorben. Ich sah den Missstand, der im Gesundheitswesen zum Thema Lipödem herrschte. Doch den Fokus legte ich stets auf das zu erreichende Ziel. Einige Zeit später, als ich bereits inmitten der Aufklärungsarbeit steckte, wurde mir langsam bewusst, welches Ausmass dieses Projekt annehmen würde. Eine Mischung aus kindlicher Naivität und dem Glauben an das Gute im Menschen trieb mich dennoch immer weiter an. Auch der Glaube, dass jeder Mensch etwas bewegen kann, der einen kleinen Funken Hoffnung in sich trägt, spornte mich an. Damit sollte ich recht behalten.

Dieses Buch soll nicht nur vom Lipödem betroffenen Frauen und deren Angehörigen Mut machen, für ihre Rechte zu kämpfen. Es soll auch aufzeigen, dass die Krankheit mittlerweile gut therapierbar ist. Ich hoffe, dass durch eine breitflächige Aufklärungsarbeit in Zukunft die Allgemeinärzte das Lipödem erkennen und die Patientinnen an die richtigen Spezialisten weiterleiten. Eine weitere Hoffnung besteht darin, dass alle Gefässspezialisten in unserem Land die Krankheit diagnostizieren und den betroffenen Patientinnen eine adäquate Behandlung anbieten können. Zu Beginn versuchte man mir weis zu machen, dass es in der Schweiz keine Lipödem-Spezialisten gibt. Schnell durchschaute ich die Tatsache, dass es unter Kollegen dieser Berufsgattung nicht selten um Futterneid ging. Dass ausgerechnet wir Patientinnen darunter leiden mussten, wollte ich nicht wahrhaben. Im Gegenteil, es spornte mich an, gute Ärzte zu finden, um mit ihnen diesen Missstand im Gesundheitswesen anzugehen. Eine grosse Herausforderung, wie sich herausstellte. Dennoch habe ich diesen Schritt bis zum heutigen Zeitpunkt nie bereut. Ein weiteres Ziel dieses Buch-Projektes war, dass das Lipödem in den Leistungskatalog der Krankenkassen (KLV) aufgenommen wird. Der Startschuss für mein Aufklärungsprojekt fiel acht Monate nach meiner Diagnose, im Mai 2012. Im Verlauf der ersten zwei Jahre kamen mehrere Helferinnen und Helfer dazu. Zusammen würden wir diese Ziele erreichen. Daran hielt ich von Anfang an fest. Meine Erfahrungen von 2012 bis 2019, eine unbekannte Krankheit publik zu machen, habe ich in diesem Buch festgehalten. Es bietet einen emotionalen Einblick in die Welt verschiedener betroffener Frauen, einschliesslich mir selbst. Weiter wird der beschwerliche Weg, das Gesundheitswesen in die richtige Richtung zu lenken und auf die Missstände in der Öffentlichkeit hinzuweisen, aufgezeigt. Es handelt sich um eine wahre Geschichte, wobei ich während dieser Zeit so manches Mal glaubte, in einem früheren Jahrhundert zu leben. Einige Namen wurden aus Rücksicht auf die Personen geändert. Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen.

KRANKHEITSBILD UND SYMPTOME DES LIPÖDEMS, STAND 2024

Das Lipödem ist eine symmetrische Fettverteilungsstörung der unteren und oberen Extremitäten sowie dem Gesäss. Die Füsse, Hände, Kopf, Hals und der Rumpf sind typischerweise nicht betroffen. Das Lipödem ist immer schmerzhaft. Eine Adipositas löst kein Lipödem und gleichermassen löst ein Lipödem keine Adipositas aus. Häufige Gewichtsschwankungen oder eine Gewichtszunahme befeuern jedoch ein Lipödem. Die Krankheit betrifft fast ausschliesslich Frauen. Phasen hormoneller Veränderungen wie die Pubertät, Schwangerschaft und die Wechseljahre werden von den Patientinnen häufig als Zeitpunkt der ersten Symptome wahrgenommen. Die genauen Ursachen der Krankheit sind nach wie vor nicht erforscht. In vielen Fällen gibt es ähnliche Vorgeschichten von anderen Familienmitgliedern oder nahen Verwandten. Eine detailliertere Beschreibung des Krankheitsbildes kann nachgelesen werden. Der Link dazu befindet sich in den Literaturangaben am Ende des Buches.

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Phlebologie und Lymphologie e.V.: S2K-Lipödem, 5.0, 2024.

WIE ALLES BEGANN

Den Tag, an dem mein Leben eine abrupte Wendung nahm, werde ich nie vergessen. Es war der 6. März 2011. Kurze Zeit zuvor, so glaubte ich, hatte sich vieles in meinem Leben wieder zum Guten gewendet. Im Herbst 2010 musste ich nach 16 erfüllten Jahren mein Friseurgeschäft aufgeben. Die Diagnose, eine seltene, entzündliche, Autoimmun-Erkrankung. Zur selben Zeit begann ich ein Studium zur Ernährung-Psychologischen Beraterin am IKP in Zürich (Institut für Körperzentrierte Psychotherapie). So konnte ich später trotz meiner Erkrankung weiterhin einer herausfordernden Arbeit nachgehen. Arbeiten bedeutet für mich Leidenschaft für eine Sache oder ein Thema. Mich einsetzen für eine gute Sache, für den Menschen. An dem besagten 6. März war alles anders. Nach dem Aufstehen schmerzten meine Unterschenkel stark. Die kleinste Berührung wurde zur Qual. Ich dachte, dass mir ein Spaziergang Linderung verschaffen würde. Dem war leider nicht so. Es vergingen Tage und Wochen und die Schmerzen wurden immer unerträglicher. Die Beine und der Bauch waren mittlerweile stark angeschwollen. Meine Hosen platzten aus allen Nähten, obwohl mein Essverhalten seit Jahren in etwa das Gleiche war. Ich fühlte mich wie zweigeteilt. Die Beine und ich.

Inspiriert durch mein Studium ernährte ich mich noch ausgewogener. Beim nächsten Arztbesuch stand ich auf der Waage und traute meinen Augen kaum. Ich hatte innert fünf Wochen sechs Kilogramm an Gewicht zugelegt. Vielleicht sind es die Wechseljahre? Mit meinen dreiundvierzig Jahren war dies naheliegend. Jeden Tag ging ich trotz Schmerzen spazieren und ass immer weniger. Mein Arzt schaute sich meine Beine an und verschrieb mir Lymphdrainagen. Das nahm mir für ein paar Stunden den Spannungsschmerz. Danach war alles wieder beim Alten. Meine Physiotherapeutin riet mir, einen Gefässspezialisten aufzusuchen. Sie hatte eine Vermutung. Am 6. September 2011, exakt sechs Monate nach meinen ersten Symptomen, konnte ich endlich den Termin beim Spezialisten wahrnehmen. Nach genauen Untersuchungen der Lymph- und Blutgefässe war die Diagnose schnell gestellt. »Sie haben eindeutig ein Lipödem«, teilte mir der Arzt mit. Am liebsten hätte ich laut losgeheult. Genau diese Diagnose wollte ich nicht von ihm hören. Da ich mittlerweile auch schon einiges darüber gehört und gelesen hatte, machte mir diese Diagnose riesig Angst. Es war, als wollte man mir den Boden unter den Füssen wegziehen. Mich überkam eine extreme Wut auf meinen eigenen Körper und ich fragte mich, was das Ganze soll! Es vergingen drei nicht enden wollende Wochen, bis ich die erste für mich persönlich angefertigte, flachgestrickte Kompressionsstrumpfhose Klasse 2 anprobierte. Es benötigte griffige Gummihandschuhe, um diese monströsen Strumpfhosen anziehen zu können. Ich brach vor der Orthopädie-Fachfrau in Tränen aus. Um alles in dieser Welt, konnte ich mir nicht vorstellen, diese einengende, katastrophal aussehende Hose täglich unter den Alltagskleidern zu tragen. Es fühlte sich an wie ein Korsett. Die Farbe Beige, die man mir empfohlen hatte, erinnerte mich an meine Mutter, welche jedoch vierzig Jahre älter war als ich.

Doch bald wurde mir klar, ohne diese Kompressionsversorgung würde mein Körper, den ich mittlerweile nicht mehr als zu mir gehörig empfand, völlig entarten. Ich nenne das so, weil ich mich dieser Erkrankung gegenüber völlig machtlos fühlte. Im Internet las ich, dass kein Sport und keine Diät helfen. Die Fettvermehrung war krankhaft und konnte mit der Zeit, wie in meinem Fall, den Abfluss der Lymphflüssigkeit beeinträchtigen. Ich konnte nur noch ein- bis zweimal mal täglich sehr wenig Urin lösen, obwohl ich zwei bis drei Liter Flüssigkeit zu mir nahm. Durch die zusätzlichen Wassereinlagerungen im Unterhautfettgewebe der Beine und im Bauch wurde das Treppensteigen oder Bergaufwärtsgehen zur Qual. Mit den Kompressionen und der vorgängigen Lymphdrainage wurden die Symptome teilweise besser. Wann immer es mir möglich war, zog ich die Kompression am Nachmittag für ein bis zwei Stunden aus, um die Beine hochzulegen. Der Druck der Kompression war sehr stark, doch der Widerstand des Lipödems war noch stärker. Es fühlte sich an, als tobte ein unerbittlicher Kampf zwischen meinen Beinen und dem Strumpf. Diese Situation war sehr belastend. Ich erkundigte mich nach einem Arzt, der das krankhafte Fett anhand einer Liposuktion absaugt. Die Operation musste ich selbst bezahlen, weil die Krankenkasse der Meinung war, das Lipödem wäre ein ästhetisches Problem. Unglaublich! Der Eingriff fand im Frühling 2012 statt und verlief gut. Danach waren die Schmerzen in den Beinen sowie die Schwellungen fast vollständig weg. Damit das Ergebnis so blieb, empfahl man mir, die Kompression weiterhin tagsüber zu tragen. Im Sommer bei hohen Temperaturen war das sehr schwierig, den Rest des Jahres war es für mich nach einiger Zeit in Ordnung.

OHNE EIGENINITIATIVE PASSIERT NICHTS

Es braucht sehr viel Eigeninitiative, wenn man sich mit einer Diagnose befassen will, die kaum jemand kennt. Zwischenzeitlich hatte ich viel über die Erkrankung Lipödem recherchiert und fand einige Fachspezialisten. Die Hilfestellung vieler Ärzte war sehr dürftig und das wollte ich ändern. So entschied ich mich, eine Lipödem-Selbsthilfegruppe in meiner Wohnregion aufzubauen. Doch wie bewerkstelligt man das? Das Internet erwies sich mir als eine grosse Starthilfe. Ich hatte mir ein Ziel gesetzt und dieses Ziel wollte ich erreichen. In der Schweiz gab es noch keine Lipödem-Selbsthilfegruppe. Demnach sollte dies die Erste in unserem Land werden. In Deutschland gab es laut Google bereits mehrere. Unser Nachbarland ist um einiges grösser und hat dementsprechend auch mehr Betroffene.

AUFBAU EINER LIPÖDEM-SELBSTHILFEGRUPPE

Mitte Mai 2012 war es dann so weit. Ich hatte mich physisch noch nicht ganz von der Liposuktion an beiden Beinen erholt, dennoch spürte ich eine unerschöpfliche Kraft und Überzeugung in mir. Der richtige Zeitpunkt für den Start meines Projektes war gekommen. In Zusammenarbeit mit der Selbsthilfe Kontaktstelle des Kantons St. Gallen kreierten wir einen Flyer. Diese Flyer verteilte ich in meiner Umgebung an sämtliche Arzt- und Physiotherapiepraxen, in Orthopädie Geschäften, Apotheken, Drogerien und Fitnesscentern. Ich war erstaunt, wie interessiert die zuständigen Personen bezüglich der Krankheit waren. Gleichzeitig war ich schockiert darüber, wie wenig Ärzte die Krankheit Lipödem kannten. Aber genau dies war meine Motivation, mich für die Wahrnehmung der Erkrankung einzusetzen. Ich fühlte mich einmal mehr bestätigt in meiner Arbeit. Es tat mir gut, mich mit voller Kraft und Leidenschaft in dieses Projekt zu knien. Selbst gab ich mir zehn Jahre Zeit, bis die Krankheit in den Leistungskatalog der Krankenkassen aufgenommen werden würde. Ob meine Einschätzung realistisch war? Als positiv denkender Mensch schätzte ich das gesteckte Ziel als erreichbar ein. »Wo ein Wille, ist auch ein Weg.« Diese Zuversicht lehrte mich mein bisheriges Leben. Aber auch im Wissen darum, dass sich Ziele im Verlaufe der Zeit verändern können. Das Leben birgt immer wieder neue Überraschungen, die uns manchmal dazu zwingen, neue Wege zu gehen. Da heisst es, flexibel reagieren und sich neuen Situationen anpassen, ohne das Ziel aus den Augen zu verlieren. Durch meine Erkrankungen war ich immer wieder gezwungen, mich neuen Gegebenheiten anzupassen.

Als nächsten Schritt schrieb ich die Ärztevereine in der näheren Umgebung und eine Zeitung an. Zwischenzeitlich hatte sich durch einen Flyer eine langjährige vom Lipödem betroffene Frau bei mir gemeldet. Ich nenne sie in diesem Buch Sandra. Sie entschloss sich spontan, an diesem Projekt mitzuwirken. Gleichzeitig entdeckte ich, »Internet sei Dank«, dass es in der Schweiz eine Lipödem-Liga gab. Kurzerhand meldete ich mich via E-Mail beim Präsidenten der Liga und bekam prompt eine Antwort. Ich freute mich sehr, denn endlich kam etwas Bewegung in die Sache.

ZIELE DER LIPÖDEM-SELBSTHILFEGRUPPE RHEINTAL

Anlaufstelle für die Betroffenen

Ärzte, Physiotherapeuten und die Gesellschaft sensibilisieren

Anerkennung durch die Krankenkassen

Die Forschung anregen

Nach einem Treffen mit dem Präsidenten der Lipödem Liga Schweiz und einigen E-Mails war klar, dass einer Zusammenarbeit nichts im Wege stand. Anfang 2013 kamen auch die angefragte Zeitung und ein Ärzteverein auf uns zu. Schon im Februar konnten Sandra und ich zwei Präsentationen bei Q-Zirkel-Veranstaltungen der Allgemeinärzte in unserer nahen Umgebung durchführen. Auch zwei bekannte Pharmafirmen waren anwesend. Diese applaudierten uns heftig zu und riefen: »Super, weiter so«. Ebenfalls wurde ein ganzseitiger Bericht über das Krankheitsbild Lipödem und unsere ehrenamtliche Arbeit in einer lokalen Zeitung veröffentlicht. Das schlug, im positiven Sinne, ein wie eine Bombe. Es meldeten sich viele Betroffene. Mein Telefon und E-Mail-Account liefen heiss. Das war ein toller Start.

Ich war mittlerweile im fünften Semester meines Studiums als Ernährung-Psychologische Beraterin IKP. Es standen keine nennenswerten Prüfungen an, deshalb hatte ich mir vorgenommen, das Jahr 2013 zu meinem persönlichen Lipödem-Selbsthilfegruppen Jahr zu ernennen.

ERSTE SELBSTHILFEGRUPPE FÜR LIPÖDEMBETROFFENE IN DER SCHWEIZ

Ich war gespannt, was meine Lipödem Kollegin Sandra und ich alles erreichen würden. Die Zusammenarbeit mit ihr funktionierte so weit gut. Dies, obwohl wir beide sehr harte Köpfe hatten. Wir planten das zweite Treffen der SHG, der zu diesem Zeitpunkt sechs Teilnehmerinnen angehörten. Beim ersten Treffen im Januar waren wir noch zu dritt. Leider waren nicht alle, die mich kontaktierten, bereit, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen. Einige hatten resigniert. Zu viel Leid mussten sie bereits erfahren durch das Unverständnis der Mitmenschen und der Ärzte. Das Lipödem wird häufig mit Adipositas verwechselt oder gar als rein ästhetisches Problem abgetan. Das war für uns Betroffene besonders verletzend. Dadurch zogen sich viele aus ihrem sozialen Umfeld zurück und landeten nicht selten aufgrund der massiven psychischen Belastungen in einer Depression. Früher glaubte ich, dass ich wenig Neigung zu einer Depression hätte. Wie überheblich von mir. Im Herbst 2012 kratzte ich gerade noch rechtzeitig die Kurve. Damals begann ich mehr und mehr an meinem Leben zu zweifeln, obwohl ich glaubte, die Lipödem Erkrankung zu diesem Zeitpunkt »im Griff« zu haben. Mir wurde bewusst, dass meine Krankheiten mich beherrschten. Ich war lediglich imstande, gezielt mit Medikamenten und mit flachgestrickten Kompressionsstrumpfhosen dagegen anzukämpfen. Bereits mein halbes Leben kämpfte ich mit oder vielleicht auch gegen meinen Körper. Als Teenager kämpfte ich gegen ein paar überflüssige Kilos, bis ich an Bulimia nervosa erkrankte. Nach fünf belastenden Jahren begann ein dreijähriger Kampf, um mich aus dieser Sucht wieder zu befreien. Ich gewann ihn aus eigener Kraft! Fachliche Hilfe war zu dieser Zeit Mangelware. Diese intensive Lebenserfahrung stärkte mich und mein Selbstbewusstsein enorm.

MEIN TRAUM, MEINE LEIDENSCHAFT

Im zarten Alter von 26 Jahren erfüllte ich mir den Wunsch von einem eigenen Friseurgeschäft. Mir gefiel der Gedanke, meine eigene Chefin zu sein und Menschen mit einer schönen Frisur zu beglücken. Ein Traum wurde wahr! Ich hatte mittlerweile meinen Traummann geheiratet und mit ihm einen wundervollen Sohn geschenkt bekommen. Es war alles perfekt! Ich gehörte nicht zu den gestressten Müttern. Nein, ich war eher eine Mutter, die vieles ohne Mühe unter einen Hut brachte, obwohl mein Alltag häufig voll gespickt mit Terminen war. Doch das sollte nicht so bleiben, denn schon einige Jahre später fühlte ich mich häufig müde und angeschlagen. Immer wieder holten mich unerklärliche, grippeartige Symptome ein. Ebenfalls kamen hartnäckige Entzündungen an den Fusssohlen, der Hüfte und der kompletten Wirbelsäule dazu, die sich bis in meine Fingerspitzen auswirkten. Da die Ärzte ratlos waren, gaben sie mir schachtelweise Tabletten mit nach Hause. Ich wusste, irgendetwas stimmte mit meinem Körper nicht mehr. Ohne die Medikamente konnte ich an manchen Tagen kaum mehr arbeiten.

Mein Friseurgeschäft war zu einem florierenden Vierfrau-Betrieb herangewachsen. Im Geschäft liess ich mir nichts anmerken. Nur wer mich sehr gut kannte, bemerkte, wie es um mich stand. Ohne die Unterstützung meiner Familie hätte ich die Hausarbeit und die Arbeit im Geschäft nicht mehr geschafft. Aufgrund der bleiernen Müdigkeit hätte ich fast Tag und Nacht schlafen können. Die Tage, an denen ich bereits am Morgen den Abend herbeisehnte, häuften sich. Es gab auch Zeiten, da fühlte ich mich wie ein neuer Mensch. Voller Power und Energie. Diese Zeiten nutzte ich, um alles Liegengebliebene nachzuholen. Auch mein Drang, mich regelmässig weiterzubilden und zu reisen, lebte ich weiterhin aus. Die Einblicke in andere Welten und Kulturen belebten meinen Geist. Ich kam immer sehr zufrieden in die Schweiz zurück. Welch grosses Glück, in einem so grossartigen Land leben zu dürfen. Ein Land, in dem niemand hungern muss, ein Land mit einem »lückenlosen« Gesundheitswesen … Da wären wir wieder beim Thema Lipödem gelandet. Lückenloses Gesundheitswesen? Mir war mittlerweile klar geworden, weshalb die Ärzte nicht sonderlich interessiert waren an der Diagnose Lipödem. Die Gefässspezialisten waren ohne weiteres in der Lage, die Diagnose nach genauer Abklärung zu stellen. Therapieren können sie es jedoch selbst nicht. Eine konservative Behandlung mit regelmässiger Lymphdrainage und Bandagierung bedingt eine erfahrene Physiotherapeutin. Diese leitet die Patientin anschliessend in ein fachkundiges Orthopädie-Geschäft weiter, um eine Kompressionsversorgung auszumessen. Die Kosten für Lymphdrainage wurden von der Krankenkasse nur bezahlt, wenn auf der Verordnung aus einem Lipödem ein Lip-Lymphödem gemacht wurde, da die Krankheit Lipödem nicht im Leistungskatalog aufgeführt war. Das Gleiche galt für die Kompressionstherapie. Aber mal ehrlich, wer trägt schon freiwillig ein solches Monster von Kompressionstrumpfhose? Bestimmt niemand, der nicht an einem Lipödem oder einem Lymphödem erkrankt ist und die dadurch verursachten Schmerzen und Schwellungen ertragen muss. Von einem invasiven Eingriff (Liposuktion) ganz abgesehen. Die Krankenkassen hatten noch nicht eingesehen, dass sich eine Behandlung im frühen Krankheitsstadium positiv auf den Verlauf auswirken konnte. Sie sahen nur die aktuell anfallenden Kosten. Ein minimales Verständnis konnte ich deshalb gegenüber den Ärzten aufbringen. Einige von ihnen hätten bestimmt gerne den Betroffenen eine adäquate Behandlung empfohlen, wenn es einfacher gewesen wäre. Das Interesse an dieser Krankheit war folglich nicht sonderlich gross. Das war für uns ein weiterer Ansporn, die Ziele der Selbsthilfegruppe weiterzuverfolgen. Durch das Sensibilisieren der Bevölkerung würden die Ärzte in Zukunft häufiger mit der Diagnose Lipödem konfrontiert werden. Das hätte zur Folge, dass der Druck auf die Krankenkassen so gross werden würde, dass sie nicht mehr darum herumkommen würden, die Kosten zu übernehmen. Ein Versuch von mir mit meiner eigenen Krankenkasse scheiterte, als ich den Verantwortlichen eine Kostenaufstellung vorlegte. Die Aufstellung enthielt die zu erwartenden Kosten, wenn ich keine oder eine zu späte Behandlung erhalte. Im Vergleich dazu lieferte ich die Kosten für eine Lipödembehandlung im Anfangsstadium der Krankheit. Je nach Fall wird konservativ und/oder invasiv behandelt und die Kosten auf die zu erwartende Lebensdauer ausgerechnet. Zu meiner grossen Enttäuschung war meine Krankenkasse nicht bereit, meine Kostenaufstellung anzuschauen. Die Antwort war folgende: »Unsere anfallenden Kosten werden nicht durch präventive Behandlungen berechnet. Uns interessieren die effektiven Kosten, die jedes Jahr entstehen. Somit kämen in den nächsten Jahren sehr hohe Kosten auf uns zu.« Mit Zahlen und Fakten kam ich also nicht weiter, jedenfalls nicht direkt bei den Krankenkassen.

Vor kurzem hatte ich mich über ein Kontaktformular auf dessen Homepage ans BAG (Bundesamt für Gesundheit) gewendet. Ich bekam überraschenderweise eine Antwort. Der nette Herr wollte mir als Erstes den Vergleich von Adipositas mit einem Lipom erklären. Das liess ich nicht auf mir sitzen und erklärte ihm den Unterschied zwischen diesen drei Diagnosen. Postwendend schrieb er, dass ihm das Lipödem sehr wohl ein Begriff sei. Er wies mich schliesslich auf ein Meldeformular hin für neue Leistungsanträge. Geht doch! Eine neue Leistung anmelden, das hörte sich einfach an, war jedoch sehr kompliziert. Es wurde eine Liste von Anforderungen, Auflagen, Studien usw. verlangt. Es fielen wiederholt die Begriffe »Wirtschaftlichkeit, Wirksamkeit und Zweckmässigkeit«. Das hört sich logisch an. Im Übrigen wurde das Lipödem das erste Mal 1940 von zwei amerikanischen Ärzten Allen und Hines beschrieben. (Buch: Erkrankungen des Lymphgefässsystems, S. 380, 5. Auflage, ISBN 9783-934371-46-0) Erstaunlich, wie lange eine Krankheit nicht als Krankheit gesehen wird, wenn man sich nicht dagegen wehrt.

AB SOFORT IM NETZ

Februar 2013. Vor ein paar Tagen hatten Sandra, ihr Mann und ich unsere eigene Homepage fertiggestellt. Die informative und anschaulich gewordene Seite sollte Betroffenen eine erste Hilfestellung bieten. Näheres über das Krankheitsbild und dessen aktuelle Behandlungsmöglichkeiten konnten so jederzeit nachgelesen werden. Nebst unseren Selbsthilfegruppentreffen, die jeden 2. Monat stattfanden, wurden auch Aktivitäten und Zeitungsberichte, die immer zahlreicher wurden, veröffentlicht. Ende März 2013 durften wir uns im kleinen Nachbarland Liechtenstein als Selbsthilfegruppe an der Generalversammlung eines Physiotherapeuten-Verbandes vorstellen. Es waren 60 von insgesamt 90 Mitgliedern anwesend. Es folgte eine weitere Präsentation in einem nahegelegenen Spital. Wir schrieben viele Verbände von Ärzten und Physiotherapeuten sowie Zeitungen im Raum Ostschweiz an. Neu teilten Sandra und ich die Arbeit auf, damit wir effizienter arbeiten konnten. Meine Kollegin machte die Anschreibungen und ich war für die Betreuung der Betroffenen, deren Anrufe und für die Treffen zuständig.

Vor einiger Zeit erreichte mich ein Anruf von einer Betroffenen aus Grindelwald. Sie war durch ihre Tochter auf uns aufmerksam gemacht worden. Sie fand uns im Internet. Die Gespräche mit den Betroffenen gaben mir eine grosse Befriedigung. Die jahrelangen Leidensgeschichten waren sehr bewegend, aber auch schmerzhaft. Das Studium zur Ernährung-Psychologischen Beraterin half mir, genügend Distanz zu den schwierigen Themen zu wahren.

NEUER JOB, NEUE CHANCE

Ich liebte meine Arbeit als Friseurin. Als sich 2007 eine Autoimmunerkrankung mit einem massiven Schub meldete, war mir am Anfang nicht bewusst, was das für meine Zukunft bedeutete. Von einem Tag auf den anderen konnte ich nur noch halbtags arbeiten. Ich hoffte, dass sich die Situation wieder beruhigen würde und ich in Zukunft wieder mehr arbeiten könnte. Dem war leider nicht so. Ich musste mich mit meiner Krankheit auseinandersetzen und probierte verschiedene Behandlungsmethoden aus. Bedauerlicherweise anfangs ohne Erfolg. Im Universitätsspital Zürich untersuchte mich ein Arzt, der für dieses Krankheitsbild in der Forschung tätig war. Er meinte damals, dass vielleicht in einigen Jahren ein neues, wirksames Medikament auf den Markt kommen würde. Das sollte sich nicht bewahrheiten, deshalb probierte man es mit dem, was bereits vorhanden war. Alle sechs Monate wurden meine Medikamente neu eingestellt und ergänzt. Es war ein Cocktail aus Biologika, Immunsuppressiva und Methotrexat, um nur einige davon zu nennen. Doch die ersehnte positive Wirkung blieb aus. Im Gegenteil ich fühlte mich noch kränker als je zuvor. Nach weiteren eineinhalb Jahren entschied ich mich, aus dem Medikamenten-Hamsterrad auszusteigen. Ich erklärte meinem behandelnden Arzt, dass ich ab sofort selbst entscheide, welche Medikamente ich zu mir nehme, ergänzend mit alternativen Behandlungsmethoden. Er akzeptierte.

2010, drei Jahre nach der Diagnose, entschied ich mich schweren Herzens, mein Geschäft aufzugeben. Ich spürte, dass ich nicht mehr