Digital lehren - Thomas Hanstein - E-Book

Digital lehren E-Book

Thomas Hanstein

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Beschreibung

Die Corona-Krise hat gezeigt, dass Lehrerinnen und Lehrer auf die Herausforderungen der virtuellen Lehre noch unvorbereitet sind. In Digital lehren bieten die Autoren mit ihren langjährigen Erfahrungen in der Schul- und Hochschuldidaktik ihre Erkenntnisse für das hybride Klassenzimmer von morgen an. Das Buch richtet sich an Lehrende und Fachdidaktiker, die Teile ihres Unterrichts digital anbieten möchten oder müssen und diesen didaktisch reflektieren wollen. Der Schwerpunkt des Buches geht der Frage nach: Welche Methoden aus analogen Lehr- und Lernprozessen sind brauch- und adaptierbar für den virtuellen Fernunterricht? 64 erprobte Methoden mit anschaulichen Illustrationen machen das Buch zu einem praxisnahen Fundus für die Unterrichtsvorbereitung.

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Seitenzahl: 350

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Thomas Hanstein Andreas Ken Lanig

Digital lehren

Thomas Hanstein | Andreas Ken Lanig

Digital lehren

Das Homeschooling-Methodenbuch

Tectum Verlag

Das vorliegende Buch beschränkt sich aus Gründen der besseren Lesbarkeit auf die männliche Form. An den entsprechenden Stellen sind selbstverständlich alle Geschlechter gemeint.

 

 

 

 

Thomas Hanstein | Andreas Ken Lanig

Digital lehren

Das Homeschooling-Methodenbuch

 

© Tectum – ein Verlag in der Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2020

ePub 978-3-8288-7565-4

(Dieser Titel ist zugleich als gedrucktes Werk unter der ISBN 978-3-8288-4522-0 im Tectum Verlag erschienen.)

 

Umschlaggestaltung: Sylvia M. Ebner

Illustrationen im Innenteil:

Christoph Kreuzer: Abb. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 13, 15, 18

Andreas Lanig: Abb. 11, 12, 14, 16, 17, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 37, 38, 39, 40, 41, 42, 43, 44, 45, 46, 47, 48, 49, 50, 51, 53, 54, 55, 56, 57, 58, 59, 60, 61, 62, 63, 64, 65, 66, 67, 68, 69, 70, 71, 72, 73, 74, 75, 76, 77, 78, 80, 81, 82, 83, 84, 85

Tab. 1: Thomas Hanstein

Tab. 2: Thomas Hanstein/Andreas Lanig

Korrektorat: Angelika Zink

 

 

 

Alle Rechte vorbehalten

 

Besuchen Sie uns im Internetwww.tectum-verlag.de

 

 

Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek

 

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikationin der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografischeAngaben sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhalt

Vorwort: Endlich raus aus dem „digitalen Steinzeitalter“!

Einleitung: Eine Krise in der digitalen Steinzeit wirft Fragen auf

Wer „wir“ sind

Was die Ambivalenz des Neuartigen in sich trägt

Welche epistemischen Hindernisse wir sehen

Kommt es „auf uns Lehrende an“?

Oder kommt es auf den Unterricht an?

Und: Was ist eigentlich „guter“ Unterricht?

Kapitel 1: Methodik oder Didaktik?

Die Kunst zu lehren

5 W – was in eine Hand geht

Sozialformen, Methoden und Tools

Kapitel 2: Angemessenheit statt „Methodenzauber“

Was ist der „Sache Kern“?

Was spricht Lernende authentisch an?

Wie das Thema zugänglich aufbereiten?

Was erzeugt persönliche Gewissheit?

Welche Lernformen unterstützen dies?

Von der Handlung her denken

Lernen als handelndes Lernen

Fehler sind erlaubt – und notwendig

Kapitel 3: Weg vom mechanistischen Denken

Selbstständigkeit will verstanden sein

Selbstorganisation fraktal umsetzen

Kompetenzorientierung – systematisiert und zugewandt

Lernerfolge durch Empathie

Strukturierung nach dem Sandwichprinzip

Nichtlineares Lernen mit dem Advance Organizer

Kompetenzaufbau auf der Makro- und Mikroebene

Exkurs: Ist digitale Schul- und Hochschulbildung mehr als eine fantastische Erzählung?

Die Digitalisierung entlarvt Glaubenssätze

Faktoren der virtuellen Kompetenzentwicklung

Kompetenzentwicklung bedarf der Reflexion und Transflexion

Fächerübergreifende Hypothesen und Erkenntnisse

Phasen der Implementierung

Kapitel 4: Das virtuelle Klassenzimmer – oder: Wie die Gruppe virtuell ins Laufen kommt

Prinzip 1: Am Anfang ist das Wort

Prinzip 2: Der virtuelle Raum will gefüllt werden

Prinzip 3: In den Input investieren

Prinzip 4: Auf Gestik und Mimik achten

Prinzip 5: Virtueller Unterricht ist multidimensional

Prinzip 6: Murphy, Pausen und zeitige Wechsel

Prinzip 7: Virtuelle Lehre kommt durch das ‚Wie‘ zum ‚Was‘

Prinzip 8: Der Lehrende prägt die Atmosphäre

Prinzip 9: Stuhlkreis 4.0

Prinzip 10: Die Gruppe konstruiert Bedeutsamkeit

Didaktische Medientechnologien: Status Quo 2020 – Vision 2030

Kapitel 5: Rezepte, Techniken und Methoden für das ditigale Lehren

Unterricht visualisiert antizipieren

Der „hybride“ Lernraum – die Mischung macht’s

Methodisch-didaktische Desiderate und Bedarfe im virtuellen Unterrichtsraum

Interpretation: Klarer Auftrag an uns virtuell Lehrende und Coachende

Zielanalyse des stimmigen Wie: Die didaktischen Leitkategorien Wer, Was, Wo und Wozu methodisch sichern

Das methodische Differenzial: Der Positionierungsraum der Lernabsichten

Eine Auswahl von 64 Methoden für das digitale Lehren

Übersicht der Methoden

Methode 1: Asynchrone Videokonferenz

Methode 2: ABC-Analyse

Methode 3: Audioquiz

Methode 4: Augengymnastik

Methode 5: Bildkartenarbeit

Methode 6: Brainstorming

Methode 7: Crossword

Methode 8: Brainwriting Pool

Methode 9: Designer Yoga

Methode 10: Dokumentenkamera – „good old Tafelbild“

Methode 11: Dropbox Feedback

Methode 12: Eben noch in der Pause …

Methode 13: Einstimmungsfilm

Methode 14: Expertengruppe

Methode 15: Fünf-Finger-Feedback

Methode 16: Flipped Classroom

Methode 17: Geoquiz

Methode 18: Gruppenarbeit und Gruppenpuzzle

Methode 19: Haustiere, Jogginghosen und Mitbewohner

Methode 20: Hybrides Lerncamp

Methode 21: Imaginationsübung

Methode 22: Input-Technik

Methode 23: Kamerafahrten

Methode 24: Key Question

Methode 25: Klassenzimmer-Deko

Methode 26: Körperreise

Methode 27: Lerngang

Methode 28: Lernzirkel

Methode 29: Lexikonmethode

Methode 30: Mind-Map

Methode 31: Mini-Sprints

Methode 32: Online Ringvorlesung

Methode 33: Online Wandzeitung

Methode 34: Partnerinterview

Methode 35: Placemat

Methode 36: Progressive Entspannungspausen

Methode 37: Pro- und Contra-Debatte

Methode 38: Projekte virtuell

Methode 39: Rotationsfeedback

Methode 40: Redekette

Methode 41: Quizspiel

Methode 42: Schachspiel

Methode 43: Schule aus!

Methode 44: Screensharing-Softwarekorrektur

Methode 45: Sechs Hüte

Methode 46: Skalierung

Methode 47: Skizzen- und Lerntagebuch

Methode 48: Speed Geeking

Methode 49: Speed Talking

Methode 50: Sprechende Gegenstände

Methode 51: Spinnennetz

Methode 52: Stummer Applaus

Methode 53: Think Pair Share

Methode 54: Umfragen per Smartphone

Methode 55: Virtuell lernen durch virtuell lehren

Methode 56: Virtuelle Dusche

Methode 57: Virtueller Kongress

Methode 58: Virtuelle Landkarte

Methode 59: Visualisieren

Methode 60: Walt Disney Methode

Methode 61: Webcam Laola, Zettelwirtschaft

Methode 62: Willkommens-Bingo

Methode 63: World Café

Methode 64: Zielscheibe

Wie Formate verschwimmen – ein Schlusswort

Hybride Zukunft

Individualisierung und Evaluierung – auch virtuell!

64 – Symbol eines Wandels

Anhang 1: Umfrage unter Lehrenden

Anhang 2: Umfrage unter Lernenden

Anhang 3: Literaturverzeichnis

Vorwort: Endlich raus aus dem „digitalen Steinzeitalter“!

Als sich Mitte März 2020 abzeichnete, dass der Lehrbetrieb an Schulen und Hochschulen durch das Auftreten des Corona-Virus und die dadurch zu erwartenden Kontaktbeschränkungen spätestens ab Ostern 2020 erheblich beeinträchtigt werden würde, musste man schlimme Auswirkungen auf das deutsche Bildungssystem befürchten: und zwar auf die Hochschulen, laut Brembs und Welpe (vgl. Brembs/Welpe, 2019) im „digitalen Steinzeitalter“ befindlich und im Versuch, durch Anschaffung immer neuer Technologien die Lehre irgendwie „digitaler“ zu machen, und nicht weniger intensiv auf die Schulen mit Lehrkräften, die weder eine digital adäquate Ausbildung genossen hatten noch auf die gebotenen technischen Infrastrukturen zurückgreifen konnten – das konnte nicht gut gehen. Die Quittung hatten wir ja schon vorher erhalten: Platz 27 unter den 27 EU-Nationen im Survey „Digital Readiness for Lifelong Learning“ von 2019 mit dem vernichtenden Urteil: „German Schools and Educators are not ready to prepare students with the necessary digital skills and competencies“ (EU-Survey, 2019). Was sollte man da außer technisch-basierter Notlösungen auch erwarten?

Und genauso kam es! In den Hochschulen stand sofort die lange totgeglaubte Prämisse „Technology drives Didactics“ und nicht die in den Jahren zuvor immer wieder gebetsmühlenartig propagierte Didaktikzentriertheit im Vordergrund, und die Schulen versuchten mit der oft nicht einmal für Notlösungen ausreichenden Technik irgendwie den Lehrbetrieb zu retten. Web-Konferenzen zur Inhaltsvermittlung, PDF-Dokumente in ungeahnten Mengen als digitale Aufgabenblätter und E-Mail-Verkehr wie nie zuvor – alles Beispiel einer Emergency Remote Teaching Lösung, die zwar bisweilen funktioniert hat, mehr aber auch nicht. Als Planungsgrundlage für die Zukunft sollten diese mehr oder weniger improvisierten Lösungen, die schon vor vielen Jahren als nicht zukunftsfähige – damals sprach man noch von E-Learning – Varianten abgelehnt wurden.

Es muss etwas geschehen, und zwar schnell! Mit den folgenden Forderungen lässt sich ein Arbeitsplan, dessen Details freilich nicht in einem einzigen Buch dargelegt werden können, realisieren, der aber eine Grundlage für die so dringend notwendige Entwicklung sein kann.

Daher leistet das Buch einen wertvollen lehrpraktischen Beitrag, um den folgenden sieben Forderungen eine „bottom up“-Grundlage zu verschaffen:

• Forderung 1: Alle Schul- und Hochschulfächer müssen auf den inhaltlichen Prüfstand gestellt werden, um diejenigen Wissensmengen, die heute immer noch frontal in Präsenzunterricht vermittelt werden, als kuratierte offene Bildungsmaterialien auf niederschwellige Weise digital bereitzustellen. Dadurch wird es Lehrkräften auf allen Ebenen möglich, mit Flipped/Inverted Classroom-Szenarien ihre eigene Präsenzlehre zu entlasten und mehr Zeit für das Üben und Vertiefen von Inhalten zu gewinnen. Gleichzeitig gewinnen die Lerner Zeit und Flexibilität, sich den Stoff anzueignen. Hierzu bietet Ihnen dieses Buch niederschwellige und aus der Praxis kommende Handlungskonzepte.

• Forderung 2: Die Lehramtsausbildung an den Universitäten und Pädagogischen Hochschulen muss endlich reagieren und das Thema Digitalisierung in Theorie und Praxis in die fachspezifische und erziehungswissenschaftliche Ausbildung integrieren. Seit der Jahrtausendwende gibt es zahlreiche Konzepte und Handreichungen, z. T. mit konkreten Handlungsempfehlungen (vgl. beispielhaft http://icum-tud.de/ziele/empfehlungen.pdf; 2006 umgesetzt im Fach Englisch an der Philipps-Universität Marburg; Zugriff: 10.07.2020), doch bis heute haben nur wenige Hochschulen entsprechend reagiert. Hier muss dringend etwas geschehen, damit vernichtende Qualitätsurteile wie die im EU-Survey von 2019 der Vergangenheit angehören. Durch ihre eigenen Erfahrungen in der Begleitung und Auswertung der ersten rein virtuellen Studiengänge bieten die Autoren Hanstein und Lanig – stichwortartig und als kollegiale Empfehlung – neuartige Konzepte und Handreichungen hierzu.

• Forderung 3: Da es noch Jahre dauern wird, bis medial/digital „auf der Höhe“ befindliche Absolventen die Hochschulen verlassen, müssen sofort Fortbildungsmöglichkeiten für das jetzige Lehrpersonal an Schulen geschaffen werden. Und um wirklich auch die gesamte Zielgruppe flexibel bedienen zu können, sollten dazu konsequent Online-Fortbildungsportale nach dem Vorbild des ehemaligen VZL entwickelt werden, die eine ständige Weiterbildung ermöglichen (vgl. http://sts-gym-marburg.bildung.hessen.de/kooperation/vzl.html; https://youtu.be/WGf7N6DPqo8; Zugriff: 10.07.2020). Wie das fehlende Erfahrungsbild nicht nur durch die wenigen Lehrenden, die selbst in virtuellen Kontexten ihre Bildungssozialisation durchlaufen haben, aussehen kann, zeigen die anschaulichen Schilderungen der Autoren aus der Ebene virtueller Studiengänge.

• Forderung 4: Die Corona-Krise hat gezeigt: Es besteht ein dringender Handlungsbedarf in Sachen Digitalisierung an deutschen Schulen. Bisher wurde Digitalisierung hauptsächlich in der Anschaffung von Hardware (wenn überhaupt) verstanden. Das entspricht nicht dem, was Bund und Länder einst im „Digitalpakt Schule“ vereinbart hatten. Bis heute gibt es auch in den reicheren Bundesländern Regionen, in denen schlichtweg nicht die entsprechenden Kabel in der Erde liegen. Diesen Umständen muss die Politik schleunigst Rechnung tragen.

• Forderung 5: Digitalisierung, Künstliche Intelligenz und Robotik müssen Grundthemen der schulischen Bildung werden (Stichwort „Maker-Space“). Auch wenn es heute möglicherweise noch futuristisch klingt, werden Maker-Space-Konzepte zu einem wichtigen Eckpfeiler der digitalen Grundbildung. Algorithmisches Denken, Problemlösungsstrategien und eine allgemeine Medienkompetenz lassen sich durch das „Machen“ zielführender umsetzen, als das bisher durch klassische Lehr- und Lernsettings möglich ist. Hierin haben besonders die beruflichen Schüler eine große Erfahrung – daran kann praktisch gut angesetzt werden!

• Forderung 6: Die technischen Infrastrukturen, über deren Funktionsfähigkeit sich unsere Hochschulen nicht beklagen können, müssen endlich auch in den Schulen geschaffen werden. Ob dazu auch die Anschaffung von Tablet-Computern gehört, ist aus meiner Sicht fraglich. In der Berufswelt spielen Tablets kaum eine Rolle und im Alltag nutzen fast alle die eigenen Smartphones. Möglicherweise ist hier eine Mischung aus einem BYOD-Konzept und der Anschaffung zusätzlicher mobiler Endgeräte zur Schaffung von Chancengleichheit ein vernünftiger Ansatz. Zu dieser Debatte können virtuelle Lerngemeinschaften in diesem Buch einen wichtigen Beitrag leisten: Denn dezentrale Lernprozesse profitieren vom BYOD-Konzept.

• Forderung 7: Die „Schule von morgen“ braucht hybride Konzepte! Der Erfolg der Schulen und Hochschulen in den nächsten Jahren wird an ihren pädagogischen Konzepten und nicht – wie heute vielfach angenommen – am technischen Know-how gemessen werden. Denn ein schlechter analoger Unterricht wird auch durch das beste technische Know-how nicht besser – was sich auf Lehrkräfte übertragen lässt. Die Autoren liefern hier einen originellen Ansatz, indem sie das auf virtuell-hybride Brauchbarkeit untersuchen, was sich im Präsenzunterricht methodisch-didaktisch bewährt hat. So wird auch verhaltenen Lehrkräften die Angst vor der Digitalität genommen.

Dazu ist aber vor allem eine umfangreiche Medienkompetenz aller Lehrkräfte nötig, die über die „Medienbedienkompetenz“ unserer Schüler und Studenten hinausgeht und das von Björn Brembs propagierte „digitale Steinzeitalter“ hinter sich lässt.

In diese Lücke passt sich das Buch von Thomas Hanstein und Andreas Lanig stimmig ein. Zwar kann die hier durch viele wertvolle Praxistipps unterstützte virtuelle Präsenzlehre nicht das Ziel zukünftiger Lehr- und Lernformate sein. Doch wenn sie benötigt wird – und das wird sie, solange insbesondere die Forderungen 1, 3 und 4 nicht flächendeckend umgesetzt sind und wir mit Beeinträchtigungen der Präsenzlehre zu kämpfen haben –, stehen durch die Autoren zahlreiche methodisch-didaktische Hilfestellungen für das Gelingen dieser Formate des Übergangs bereit, die in Zukunft immer mehr zu gangbaren hybriden Alternativen werden können. Denn virtuelle Präsenzphasen und die im Buch dargelegten Unterstützungsmethoden werden in jedem Fall fester Bestandteil moderner Lehr- und Lernszenarien sein. In meiner eigenen Lehre sind sie es schon lange und ich bin besonders für die „64 Online-Methoden“ sehr dankbar!

Ich wünsche dem Buch eine hohe Akzeptanz und eine experimentierfreudige Leserschaft.

Marburg, im Juli 2020

Prof. Dr. Jürgen Handke

Uni Marburg & 3M-Solutions

RoboPraX – Robotikum

Einleitung: Eine Krise in der digitalen Steinzeit wirft Fragen auf

„Wir erleben das Ende der Universität, wie wir sie kannten“, titelte die „Welt“ im Mai 2020 (https://www.welt.de/debatte/kommentare/article208219581/Hochschulen-Wir-erleben-das-Ende-der-Universitaet-wie-wir-sie-kannten.html; Zugriff: 01.06.2020). Zu dieser Zeit war der (erste) Shutdown bereits beendet. Viele Schulen hatten die Versorgung der Prüfungsklassen bereits hinter sich und planten das Prinzip „flipped classrooms“ für die Zeit nach Pfingsten. Wie das neue Schuljahr aussehen würde, wusste da noch niemand. Nur, dass es anders sein würde. Bereits vor über vier Jahrzehnten schrieb der Wissenschaftsphilosoph Thomas Kuhn: „Krisen sind eine notwendige Voraussetzung für das Auftauchen neuer Theorien“ (Kuhn, 1976, S. 91) – und wir ergänzen – sowie Praktiken!

Die Digitalisierung der Bildungssysteme hat im Jahr 2020 einen krisenhaft ausgelösten Schritt getan. Gleichzeitig sind die paradigmatischen Linien bereits seit Jahrzehnten erkennbar. Der Corona-Impuls stammt aus einer externen Ebene, die mit der eigentlichen mediendidaktischen Diskussion um das E-Learning nicht direkt in Verbindung steht. Es wurde lediglich deutlich, dass die Digitalisierung bei der Überwindung der Raum- und Zeitschranke behilflich ist. Doch dieser Gedanke ist nicht neu, er ist bereits seit fast drei Jahrzehnten in der Diskussion.

Das Novum in dieser Krise bestand darin, dass der elementare Vorteil über die fehlenden Potenziale der digitalen Bildung nicht mehr argumentierbar war. Gleichzeitig haben auch 2020 „Medien per se keine didaktischen Potenziale“ (Euler, 2004, S. 225). Dies festzuhalten scheint uns auch nach Jahrzehnten der pädagogischen Diskurse wichtig. Insofern ist aktuell nach dem methodisch-didaktischen Kern in der digitalisierten Bildung zu fragen.

Wer „wir“ sind

Dieses Buch schreiben wir aus der Perspektive von Lehrern, die viele Jahre – haupt- und nebenberuflich, in der eigenen Lehre sowie im Aufbau hybrider Formate und in der Begleitung virtuell Lehrender – Erfahrungen in der virtuellen Hochschullehre und im virtuellen Coaching sammeln durften. Ausgehend von dieser Arbeit stellen wir zeitgeistige Phänomene bei Schülern und Studierenden fest. Unsere Motivation ist es, die Vorerfahrung an virtueller Lehre einer in diesem Bereich deutschlandweit führenden Fernhochschule – der staatlich anerkannten DIPLOMA – für den schulischen Bereich in der gegenwärtigen Situation als Basis anzubieten. Damit haben wir Ausgangspunkte für eine tiefer gehende methodisch-didaktische Betrachtung.

In diesem Sinne startet die Diskussion um die Digitalisierung der Bildung an einem Punkt in der Vergangenheit, an der die Zeit- und Raumschranke ein stichhaltiges Argument war. Um das Jahr 2010 herum wurde nämlich deutlich, dass eine im Wesen andersartige Lehr- und Lernkultur möglich werden kann. Zu dieser Zeit transformierten sich Fernhochschulen, die bislang über den postalischen Versand von Lehrmaterialien arbeiteten, zu virtuellen Hochschulen. Dieser Prozess ist für uns wichtig, da die geforderte personale und soziale Kompetenzentwicklung neue didaktische Formate erforderte, und damit wiederum eine virtuell adäquate methodische Kompetenz. Im Zentrum der Entwicklung neuer Formate stand der digital vermittelte Austausch zwischen Lehrenden und Lernenden.

Im Diskurs sind daher zwei Punkte besonders interessant. Erneut bewahrheitet sich eine ganz naheliegende These: Lernvorgänge sind nicht zwingend an die Gleichzeitigkeit einer schulischen Institution gebunden. Soweit scheint dies trivial. Doch der zweite Punkt ist diskursanalytisch interessanter: Im Frühjahr 2020 ist eine „Anomalie“ aufgetreten, die eine Reaktion in der Diskursbildung herausfordert (vgl. Kuhn, 1976, S. 90–94). Diese Anomalie bestand darin, dass die Präsenz- und Kontrollkultur bildungstheoretisch, vor allem aber empirisch in Frage gestellt wurde. Dieses Phänomen unterlag einem nicht planbaren, relativ schnellen Prozess, der so in wesentlichen Aspekten weder steuerbar war noch bis dato hinreichend reflektiert worden ist.

Diese Anomalie war ferner dadurch gekennzeichnet, dass die Narration des traditionellen Präsenzunterrichts in eine kaum mehr zu restaurierende Debatte gestellt wurde. Die kollektiven, aus der industriellen Gesellschaft stammenden Ideen der Bildungssysteme rieben sich – und reiben sich seither – mit den individuellen Potenzialen digitaler Schul- und Hochschulbildung. – Anmerkung: An dieser Stelle soll und darf nicht unter den Tisch fallen, dass diese individualisierten Potenziale auf dem Rücken der Millionen von Eltern und vorwiegend Müttern ausgetragen wurden, die das Konzept „Homeschooling“ nolens volens zu verwirklichen hatten.

Was die Ambivalenz des Neuartigen in sich trägt

Insofern stehen wir seit Frühjahr 2020 an einem historischen Ereignis, das eine Ambivalenz des Neuartigen in sich trägt. An vergleichbaren Punkten der Menschheitsgeschichte wie auch der individuellen Entwicklung eröffnet sich die Option einer „revolutionären Anpassung“ (Peterson, 2009, S. 62). Das Adjektiv „revolutionär“ soll hier nicht als bildungspolitischer „Kampfbegriff“ missverstanden werden. Diese Bezeichnung fußt auf der Beobachtung, dass die Kompetenzerfahrung der nun zur digitalen Vermittlung gezwungenen Kollegien an einem Punkt der E-Learning-Debatte anschließt, die bereits 1990 mit der intendierten Überwindung von Raum und Zeit durch digitale Bildungsmedien startete. Dieser Hinweis lässt die angedeutete Ambivalenz bereits zeitlich sehr konkret werden: Wir müssen also von einer zeitlichen Verschiebung – um nicht zu sagen Verzögerung – von mindestens 30 Jahren ausgehen! Was eine solche Zeitspanne im digitalen Zeitalter bedeutet, dürften nicht nur medial affine Kollegen erahnen. Eine Videokonferenz-Software in einer stellenweise schon guten Infrastruktur an Schulen und Hochschulen technisch bedienen zu können, ist lediglich die Grundlage eines Diskurses über Möglichkeiten und Grenzen einer Anpassung der Bildungssysteme. Allerdings waren die technischen Fragen bis zum Ende des Schuljahres 2019/20 bzw. des Sommersemesters 2020 die meisten Anliegen aus Kollegien. Insofern bezeichnet das Adjektiv „revolutionär“ den Anschluss einer seit Jahrzehnten in Bewegung befindlichen Diskussion über die Paradigmen von Bildung schlechthin. Dass diese Debatte damit ziemlich genau eine Lehrer-Generation alt ist, ist kein Zufall: Denn die tief liegenden Glaubenssätze über das Wesen über die Entstehung und Weitergabe von Wissen bilden den Kern der aufgebrochenen Debatte. Bereits sieben Wochen nach den Schulschließungen durch die Corona-Ausgangseinschränkungen lag eine erste deutschlandweite empirische Studie – quantitativ anhand von 2000 Fragebögen erhoben – zum „Homeschooling“ vor. Kollegen an der Universität Konstanz-Landau wiesen zum ersten Mal nach, was Kinder, Eltern, Lehrer und Schulleiter ebenso befürchtet hatten: Dass die Eltern-Kind-Beziehung durch die Struktur des „Homeschooling“ in Mitleidenschaft gezogen wurde und – wen mag es wundern – die hinzugekommene Organisations- und Unterstützungsarbeit vor allem ein Job der Mütter war (vgl. https://www.uni-koblenz-landau.de/de/landau/fb5/aktuelles/befragunghomeschooling; Zugriff: 01.05.2020).

Die Änderung des Raumes und die Auswirkungen der (zumeist unreflektierten) Bedingung, dass das bislang Ausgelagerte – das institutionelle Lehren und Lernen – in den privaten Raum gleichsam hineingetragen wird, sind wichtige Komponenten des virtuellen Lernens. Allerdings sind – bzw. wären: im Hinblick auf den erfolgten „Sprung ins kalte Wasser“ durch das angeordnete „Homeschooling“ – Fragen der Selbststrukturierung, der Präsenz und Verfügbarkeit im Vorfeld zu klären, weil sie Dynamiken entfalten, die beim angelaufenen Betrieb schwer aufzuhalten sind. Diese Verlagerungen, die unausweichlich, aber in ihrer Auswirkung bei guter Vorbereitung (!) durchaus steuerbar sind, müssen im Vorfeld bewusst gemacht werden. In der Corona-Krise jedoch wurden flächendeckend Lehrende wie Lernende mitsamt ihren Eltern in ein „Lernexperiment“ hineingeworfen. Lehrer wie Schüler hatten über drei Monate hinweg zu improvisieren. Zentral war dabei – das wurde in allen Gesprächen deutlich – der „Stoff“ und nicht die Lehrer-Schüler-Beziehung. Lehrer, die es strukturell gewohnt sind, vor wichtigen Veränderungen eine Fortbildung zu erhalten, waren auf sich allein gestellt. Sie suchten nach Plattformen und Diensten, mit denen sie besten Wissens und Gewissens ihrer Arbeit weiterhin nachgehen konnten – und auch urheber- und datenschutzrechtliche Regeln wurden dabei oft nicht mehr beachtet. Sich „durchzukämpfen“ war angesagt, in diesem angeordneten „Corona-Kampf-Modus“.

Welche epistemischen Hindernisse wir sehen

Die Bildungstheorie hat auf diese epistemischen Hemmnisse in der Verbreitung von E-Learning – angesichts einer mittlerweile guten bis sehr guten Infrastruktur – schon 2007 hingewiesen (vgl. Gruber, 2007, S. 123–132). Dieser Wirkungszusammenhang ist so unstrittig, dass er bereits in der Lehrerausbildung als „Selbst- und Fremdbild der Lehrperson“ zum festen Bestandteil geworden ist. Insofern macht unser Buch kein “neues Fass“ auf, sondern weist auf diese Debatte aus aktuellen Anlässen hin: Die aktuell verantwortlichen Entscheider und Praktiker haben nämlich – und das ist eine entscheidende Prämisse! – kein eigenes Erfahrungsbild des Lernens und Lehrens in digitalen Medien. Damit ist die eigene Bildungsbiografie samt deren Reflexion das Gravitationszentrum des eigenen Lehrhandelns – auf das wir wie mit physikalischer Gesetzmäßigkeit zurückgeworfen werden. Daher mögen die Kollegien die zulässige Kritik geduldig ertragen, dass durch die Schließung der physischen Institution das gleichmäßige Distribuieren von Aufgabenblättern und deren umständliche Kontrolle als (so etwas wie) „Unterricht“ verstanden worden ist. So manches Kollegium ist in dem sicher berechtigten Höhenflug der Kompetenzerfahrung 2020 aus mediendidaktischer Sicht an der Jahrtausendwende angekommen – andere setzen nun zu diesem Quantensprung, heraus aus der „digitalen Steinzeit“, an.

Was mit ein wenig zeitlichem Abstand zwischen Zynismus und Fatalismus schwingt, ist ein simpler Zusammenhang: Die derzeit in der Digitalisierung gefragten und herausgeforderten Lehrenden können sich auf nichts berufen, was ihnen eine existenzielle Sicherheit ihrer Lehrendenrolle vermitteln könnte. Nicht die eigene Biografie und natürlich auch nicht die mitunter Jahrzehnte zurückliegende Lehrerausbildung. Doch was noch so gute Fortbildungsangebote nicht vermocht hätten, lag als Potenzial in der Corona-Krise, ganz im Sinne von Max Frisch’s Bonmot: „Eine Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.“ Jeder gute Lehrer ist auch ein gutes Stück weit kreativ. Seine Kreativität mündet in gelungener Improvisation, die stimmig auf eine bestimmte Klasse oder einen Kurs adaptiert wird. Die Schulschließungen und eine fehlende – für Behörden notwendige – Vorlaufzeit haben an diesen Basisqualitäten (ohne es zu wollen) wieder angesetzt und ganz neue, zum Teil ungeahnte Potenziale zum Vorschein gebracht. Kollegen, die sich jahrelang vor Whiteboard und Laptop gedrückt hatten, mussten ihre bewährte Komfortzone verlassen und über ihren eigenen (virtuellen) Schatten springen – in aller Regel mit Erfolg. Nach dem schrittweisen „Zurück“ aus dem Shutdown sehnte sich hier und da so mancher auch zurück in sein „altes“, analoges Klassenzimmer. Doch der „Rubikon“ ist überschritten, ein komplettes „Zurück“ in die „guten alten“ Zeiten wäre für die Bildungslandschaft fatal.

Was also ist das Angebot dieses Buches? Mit dem Verweis auf eine seit circa 10 Jahren bestehende Empirie in virtuellen Lehr- und Lernsettings einer Fernhochschule soll ein reflektierter und methodisch-didaktischer Beitrag zur bildungstheoretischen und aktuellen lehrpraktischen Debatte geleistet werden. Basis für die Beantwortung dieser Fragen sind Expertengespräche, welche die Bildungsbiografie von Lehrenden mit den Erfahrungen kontrastieren, die in den letzten 10 Jahren der virtuellen Lehre zu beobachten waren. Damit repräsentieren diese Rückmeldungen die didaktischen Erkenntnisse der ersten Kohorten virtueller Studiengänge überhaupt, was mit einem Exkurs zum Designfernstudium näher dargestellt wird. Eine zweite Basis bieten erste Umfragen unter Lehrenden und Lernenden, unmittelbar nach dem Shutdown und der Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts. Diese liefern bereits wichtige erste Erkenntnisse und sollen in den nächsten Monaten (mehr war bis zur Drucklegung nicht möglich) noch qualitativ untersucht werden. Über die Synthese dieser Datenquellen war es möglich, ein vielschichtiges Bild dieses – für alle Schulen und viele Hochschulen in Deutschland – neuen Phänomens als Praxisleitfaden zu entwickeln.

Eine dritte Perspektive auf das Thema ergab sich durch die Reflexion von Methoden, die sich durch das virtuelle Coaching in den letzten Jahren erfolgreich etabliert haben und die für einen als Coaching verstandenen Unterricht einen methodisch-didaktischen Gewinn darstellen.

Nach einem knappen theoretischen Teil zur grundsätzlichen Frage nach gutem Unterricht versteht sich der eigentliche Hauptteil des Buches als methodischer Praxisleitfaden. Entlang von Prinzipien, die aus dem Coaching und der Schulung von virtuell Lehrenden entstanden sind, wird über tatsächlich erlebte Lehr-Lern-Situationen verdeutlicht, wo die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Präsenz- und virtuellem Unterricht liegen. Dies soll aus der alltäglichen Sicht von Lehrenden deutlich werden, sodass die gemeinsame Reflexion auf die personale und die methodische Kompetenz lehrpraktisch nachvollziehbar wird. Um beide zu stärken, und damit den klassischen Schwerpunkt des Unterrichts – die Beziehungsdidaktik – werden im praktischen Schwerpunkt 64 Methoden vorgestellt (wobei sich die Zahl im Laufe der Lektüre, spätestens am Ende des Buches erschließen wird). Zwar ist mit dem Frühjahr 2020 eine Vielzahl an Einzelhinweisen und Sammlungen zu Apps und digitalen Tools für virtuelle Lehre und Fernunterricht entstanden. Wir knüpfen bewusst nicht daran an. Dass ist keine Wertung über dieses große Engagement und die kreativen Suchbewegungen. Doch wir gehen in unserem Unterricht und unserer Lehre nach dem Credo vor: Was sich im analogen Raum bewährt hat, muss als erstes für den virtuellen Unterricht auf Brauchbarkeit überprüft – und dann adaptiert und so zu sagen in die Digitalisierung hinüber „gerettet“ werden. Auch, dass wir in diesem Buch sparsam mit Hinweisen auf entsprechende Apps und digitale Tools sind, bedeutet keine Ablehnung gegenüber diesen Instrumenten. Viele davon nutzen wir selbst. Doch ist erstens nicht absehbar, wie lange die einzelnen Angebote auf dem Markt sind, wie sie sich entwickeln und – auch – in welche Abhängigkeit sie Schüler und Lehrende bringen werden. Und gilt zweitens – in der prinzipiell hohen Komplexität der virtuellen Lehre – ein Grundsatz aus dem Analogen umso mehr: Weniger ist mehr.

Kommt es „auf uns Lehrende an“?

Diese Aussage ist bekanntermaßen aus dem zentralen Ergebnis der Bildungsstudie des australischen Bildungsforschers John Hattie (vgl. Hattie/Zierer, 2018) entlehnt. Seine kurze, aber prägnante Botschaft lautete: „Know thy impact!“ Daher möchten wir an erster Stelle den Lehrpersonen einen zentralen Gedanken widmen: Den Berufsstand des Lehrers treibt ein gewisser Idealismus an. Was Hattie – nicht neu, aber wieder – betont hat, ist die Frage nach der Wirksamkeit des methodisch-didaktischen Handelns. Und an dieser setzen auch wir an. Denn Lehrende haben nicht den Auftrag, Stoff zu vermitteln, sondern einen Bildungsauftrag, im vollumfänglichen Sinne dieses Wortes. Auch unsere Haltungen und Formate sind geprägt von der Vorstellung, über gute Ideen Menschen auf gelingende Wege zu leiten und durch eine ganzheitliche Bildung die Welt „etwas besser zu machen“.

Sind damit die Bildungseinrichtungen und Lehrenden so digital wie nie? Und sind das die besten Voraussetzungen für die Umsetzung des Humboldtschen Bildungsideals? Sind wir Zeugen der historischen Ablösung der Industriegesellschaft mit einer noch im Entstehen begriffen digitalisierten Wissensgesellschaft? So ideal ist es leider nicht. Sonst bräuchte es auch dieses Buch nicht. Denn in der idealistischen Sichtweise der Lehrenden steckt ein wesentliches Problem: Wir reproduzieren über unser eigenes Lehrhandeln unsere individuelle Vorstellung darüber, wie Wissen entsteht und dieses Wissen in Bildungseinrichtungen weitergegeben wird. Dabei haben wir naturgemäß keine andere Möglichkeit, als auf unsere eigene Bildungssozialisation zurückzugreifen. Diese Ausgangssituation an sich trifft keine Schuld – gerade, weil Lehrende aus einer tiefen persönlichen Überzeugung heraus handeln, ist dies gut und richtig. Allerdings ist beispielhaft die eigene Lerngeschichte sehr wirkmächtig für die Motivation zum Lehrberuf wie für die Art und Weise des Lehrens in praxi. Dies wird in Coachings von angehenden Lehrenden immer wieder deutlich. In der Regel gibt es da eine oder einen, der als Vorbild fungiert (hat). Die b&w-Redakteurin Maria Jeggle hat dazu festgestellt: „Erstaunlich ist, wie präsent die eigene Schulzeit bleibt, selbst nach 30, 40 Jahren (…) Lehrkräfte, die ermutigen, die Begeisterung auslösen oder im schlechten Fall verletzen, bleiben ein Leben lang im Gedächtnis“ (Jeggle, 2019, S. 18).

Dieser Wirkungszusammenhang aus Sozialisation, Modelllernen, Kopieren, Abgrenzen und Idealismus … ist also keineswegs neu. Aber er prägt sich in den aktuellen Jahren im Kontext der Digitalisierung stärker aus. Einer der Autoren blickt selbstkritisch zurück:

„Als leidenschaftlicher Junglehrer einer berufsbildenden Schule hatte ich im Typografieunterricht die beliebte Gewohnheit, die Tische aus der industriellen und militärischen Anordnung in kleine Arbeitsgruppen zu stellen. Ich liebte es, mit einem Stapel weißem Papier und Bleistift durch die Gruppen zu ziehen und in direktem Kontakt das jeweilige Projekt der Schülerinnen und Schüler zu besprechen. Das entsprach nicht zuletzt meiner eigenen Erfahrung in den Ateliers der Kunsthochschule. In dieser Situation kam ein Kollege auf mich zu. Er trug mir sein Projekt an, für eine Fernhochschule einen Studiengang im gestalterischen Bereich zu entwickeln. Und ich reagierte reflexhaft mit Skepsis. Aus purer Kollegialität sagte ich meine Mitarbeit beim Studienmaterial zu, obwohl ich vom Scheitern überzeugt war. Ich dachte dabei an Fernkurse, die auf der Rückseite von Fernsehprogrammheften beworben werden und eben nicht an akademische Bildung. Als das Studienprogramm Jahre später anlief und ich als Lehrender meine Vorlesungen gab, geschah etwas Erstaunliches: Ich sah, welche Talente von einem staatlichen und bis zu diesem Zeitpunkt auch privaten Bildungssystem ausgeschlossen waren. Und wie dankbar, konstruktiv und mit welchem Niveau die Studierenden diese Angebote annahmen. So wurde ich vom Saulus zum Paulus und vom argwöhnischen Kritiker zum leidenschaftlichen Verfechter von Fernunterricht. Denn didaktisch stand ein gänzlich neues Feld offen: Es wurde klar, dass die Frage, wie ästhetische Bildung und sozialer Lernraum in einem digital strukturierten Feld entwickelt und optimiert werden kann, zur zentralen Frage für mich als Lehrer und später als Forscher werden würde.“

Zur eigentlichen Problembeschreibung gibt es eine Vielzahl von externen und internen Hemmnissen, die eine Entwicklung und Verbreitung von digitalen Anwendungen in Lehre und Unterricht bremsen. Dabei möchten wir ganz selbstkritisch einige interne Faktoren benennen: Als leidenschaftliche Lehrer begegneten auch wir dem augenscheinlich fehlenden sozialen Lernen und dem offensichtlich abwesenden Sozialraum mit Vorurteilen, Sorge und auch schlichtweg fehlenden Erfahrungen. Aber auch externen Aussagen von Schulleitungen, den Kultusministerien sowie öffentlicher Einrichtungen war in der Corona-Krise zu entnehmen, dass diese nur vage formulierte Modeerscheinung aufgrund ihrer Intransparenz in den Kollegien finanziell wie ideell nur unzureichend unterstützt wurde. So versandeten viele gut gemeinte – sicher ebenso idealistische – Versuche in politischen Sonntagsreden, auf pädagogischen Tagen oder in Schubladen der Hochschuldidaktik.

Mit allein diesen externen und internen Barrieren lässt sich aber die nur schleppende Durchsetzung von blended Learning und E-Learning nicht erklären. Denn die oben beispielhaft aufgeführten landläufigen Gründe würden daraus hinauslaufen, dass der idealtypische, „durchschnittliche deutsche Lehrer“ diesem Phänomen schlichtweg inkompetent gegenübersteht. Doch das ist nicht der Fall. Gleichzeitig wird dieser Umstand mit dafür verantwortlich sein, wenn der Berufsstand des Lehrers in der – noch ausstehenden – Reflexion der Corona-Krisenbewältigung nicht so gut abschneiden wird. Nahezu alles, was die Lehreraus- und -fortbildung ausmacht, wurde in der Krise auf Eis gelegt. Und die Lehrer hatten sich mit dem zu behelfen, was auch grundständig zu ihrer Kompetenz gehört: einem guten Schuss Improvisation. Dieser Umgang soll hier nicht kritisiert werden, doch weiß auch jeder, dass nichts länger anhält als Provisorien. Insofern besteht die große Herausforderung „nach Corona“ darin, aus den vielen – mehr oder weniger – provisorischen Notfall-Lösungen Konzepte zu entwickeln, die tragfähig und nachhaltig sind. Dann wäre die Krise eine Chance für das digital steinzeitliche deutsche Schul- und in den meisten Fällen Hochschulsystem. In diesem Sinne gehen wir davon aus, dass sich deutschen Schulen fortan vor allem an ihren neuen, in der Krise begonnenen Konzepten messen lassen müssen.

Bei allen Aufbrüchen gilt aber: In der Improvisation konnte nicht auf ein Erfahrungsbild zurückgegriffen werden. Diese Situation war für Lehrende gänzlich neu. Wir sehen also, dass im Rückgriff auf die eigene Bildungssozialisation die eigentliche Problematik liegt, die in der Hochschuldidaktik bereits breit und tief untersucht wurde. So kommt eine Studie mit dem Titel „Über die Rolle des epistemischer Überzeugungen für die Gestaltung von eLearning – eine empirische Studie bei Hochschullehrenden“ (vgl. Gruber, 2007) zu diesem zentralen Ergebnis: Durch die Beschäftigung mit E-Learning kommt es kaum zu Veränderungen der epistemischen Überzeugungen – die Befragten aus den Fächern der Wirtschaftsinformatik und der Pädagogik auf professoraler Ebene wie des Mittelbaus machten deutlich, dass die subjektiven Auffassungen von Veränderungen ihrer eigenen Rolle als Lehrpersonen, der Auffassung über die Natur von Wissen und über die Rolle der Lernenden kaum verändert wurden.

Dieser Befund ist die eigentliche Begründung, warum die Settings von E-Learning genau diese drei Ebenen verändern: Die Rolle der Lehrenden, die Rolle der Lernenden sowie der Vorgang des Kompetenzaufbaus selbst kommt in den Rahmenbedingungen von E-Learning massiv in Bewegung – wird aber gleichzeitig zu wenig bis gar nicht angemessen reflektiert. Da diese Bewegung der epistemischen Auffassungen für Lehrende grundsätzlich problematisch ist, begründet dies eine bislang geringe Verbreitung von E-Learning. Dies mag verwundern, da die technologische Entwicklung sowie die Infrastruktur zunehmend optimiert wurden – und werden. Allerdings sind Veränderungen in den ästhetischen Auffassungen nachgewiesen träge. Damit wurde das Potenzial von E-Learning auf den genannten drei Ebenen bisher mittelfristig weitestgehend nicht ausgeschöpft.

Damit kommen wir zu einer grundlegenden These unserer Lernforschung: dass eben diese Vorstellungen über das Entstehen und die Weitergabe von Wissen (und Kompetenz) in den Bildungseinrichtungen der zentrale Punkt ist, über den nachzudenken ist! „Know thy impact“ – Wisse, was du als Lehrer bewirken kannst! Übertragen auf die (zumindest) ersten Wochen des „Homeschoolings“ – der vielfach verwendete Begriff wird vorliegend in Anführungsstrichen gesetzt, weil dies mit Unterricht wenig zu tun hatte – bedeutet das: Bewirkt wurde eine Flut an Arbeitsblättern, überforderte Schüler und vor allem Eltern – das heißt in aller Regel Mütter. Das, was guten Unterricht erwiesenermaßen ausmacht – v. a. durch Individualisierung, Interaktion, Feedback, Wiederholung und Lernspiralen … – trat hinter die „Versorgung mit Stoff“ zurück. So tief und fest sitzen sie also, die sozialisierten Muster der eigenen Lerngeschichte.

Der Schulpädagoge Hilbert Meyer spricht von der „persönlichen Theorie guten Unterrichts“ (Meyer, 2007, S. 82). Diesen Ansatz fordern wir auch für die virtuelle Lehr- und Lernwelt ein. Er ist Gegenstand dessen, was unter dem Begriff „teacher beliefs“ (vgl. Elmer/Pauli/Reusser, 2011) pädagogisch erforscht wird. Wichtig zu betonen – und hier auf den Bereich des virtuellen Lehrens und Lernens zu übertragen – ist, was Meyer so selbstverständlich konstatiert: „Persönliche Theorien steuern die Wahrnehmung des Unterrichts und auch die im Prozess getroffenen Entscheidungen viel stärker als Theoretiker-Theorien“ (Meyer, 2013).

Im Personal und Business Coaching ist die „Wunderfrage“ ein übliches Tool, um Visionen zu entwerfen – und um von diesen her Ziele und Maßnahmen zu entwickeln. Darin spielen vor unserer Fragestellung die Lehrenden eine Pionierfunktion, die derzeit – nicht nur in Zeiten von Corona, sondern – in den in Nischen arbeitenden virtuellen Studiengängen eine weitere Bildungssozialisation erhalten (haben). In diesen „Nischen“ tummeln sich viele gute und in ihrer beruflichen Tätigkeit sehr bewährte akademische Fach- und Führungskräfte. Insofern ist dieses Format, die Hochschullehre durch hoch qualifizierte nebenberufliche Dozenten zu ergänzen, in aller Regel eine Bereicherung für die Hochschullandschaft. Insbesondere praktische Studienrichtungen profitieren davon. Gleichwohl ist der Unterschied zwischen Dozent und Lehrer zu reflektieren – wobei auf das „Dozieren“ im Gegensatz zum Unterrichten im folgenden Kapitel eigens eingegangen wird. Ein Lehrausbilder, der für den Direkteinstieg von Diplom-Ingenieuren in den gewerblichen Schuldienst verantwortlich war, fasst diese Problematik pointiert so zusammen:

„Der mag zwar ein hervorragender Fachmann sein, aber ein Lehrer wird er nicht. Der Mann hat seit fünfzehn Jahren eine Abteilung geleitet und ist über 40. Wer so viel Erfolg hatte, der muss in dem Alter bereits beratungsresistent sein.“

Hier mögen vielleicht Vorurteile mitschwingen, aber die Erfahrung des – älteren – Kollegen weist eindringlich darauf hin, dass es im Unterricht nicht vorrangig um das „Trichtern“ von „Stoff“ gehen kann. Folglich wird die Bedeutung des Lehrenden nur dann weiter zu eruieren und in die Aus- und Weiterbildung zu integrieren sein, wenn die im virtuellen Kontext vorherrschenden – oder vielmehr unbewusst vorhandenen, aber das ist unwesentlich, denn sie beeinflussen in jedem Fall – „teacher beliefs“ thematisiert werden. Und zwar im Hinblick auf das eigene Selbstbild und Rollenverständnis sowie hinsichtlich der Wirksamkeit auf Lernende.

Erkenntnisreich ist eine Beschäftigung mit einer Generation von Lehrenden, die ihre fachliche Bildung aus virtuellen Kontexten haben. Konsequenterweise haben sie als Kollegen in Fernhochschulen nicht im Ansatz die Krisenerfahrungen, ein Lehrsystem neu denken zu müssen. Aber als im doppelten Sinn Autodidaktiker setzen sie Paradigmen um, die für uns „alte“ Lehrergeneration inspirierend sein können. Eine Vertreterin aus dieser Generation von Lehrenden, die ihre Bildungssozialisation in virtuellen Lernräumen erhalten haben, äußerte sich so:

„Das war mir nicht bewusst, dass ich jetzt die erste Generation bin, die es vom virtuellen Student zum virtuellen Dozent geschafft hat (…) Zum einen natürlich kann ich mich mit den Studenten sehr gut identifizieren, wenn sie Sorgen und Ängste haben. Oder Fragen. Ich weiß, wie wichtig es ist, dass man klare Ansagen macht (…) Manche meiner Dozenten haben sich immer sehr nebulös gehalten. Da hat so der Kontakt gefehlt. Und darum finde ich es eben wichtig, dass man klare Ansagen macht, gerade was Organisation angeht (…) Als Dozent muss man seinen Plan verfolgen und (…) expliziter Vorgaben machen, was eben gerade Zeitplanung angeht, wenn man bestimmte Übungen oder Frage-Sessions macht. Man muss mehr auf die Zeit achten (…) Wenn die eigentlich real Studierenden in einer virtuellen Vorlesung sind, dann sind die Studenten sehr viel proaktiver. So kenne ich es aus meiner Zeit als Studentin. Also wenn ich so eine Szene vor Augen habe, man sitzt da und dann ist man so in seinem Tunnel und man sieht den Dozenten. Dann stellt der Dozent eine Frage. Es sind immer die gleichen Studenten, die mit dem Dozenten interagieren. Es gibt viele, die diese Anonymität nutzen und unter dem Deckmantel der anderen so mitschwimmen. Die interagieren kaum (…) Virtuell sind die Studenten proaktiver und ergreifen von sich aus Initiative, zeigen und laden was hoch und so (…) Barrieren gab es eigentlich nicht. Und wenn dann konnte ich sie eben aus der Welt schaffen, in dem ich klare Ansagen machte, es gut organisierte und die Studenten so abholte.“

Hier wird exemplarisch deutlich, wie sehr der subjektive Blick des Lernenden Eingang findet in die eigene Unterrichtsgestaltung. Einmal mehr bewahrheitet sich hier die Notwendigkeit einer Empathie in der Unterrichtsvorbereitung: Denn durch den „Tunnel“ in die virtuelle „Blase“ der Studierenden zu gelangen ist ein bestechendes Bild für eine handlungsleitende Unterrichtsmetapher:

„Wie gesagt, also ich finde halt, wir leben alle in unserer kleinen Blase. Ja, wir leben alle unser eigenes kleines Leben, von dem die anderen außerhalb von der Uni nichts mitbekommen (…) Ich sehe meine Kommilitonen und die sehen mich ja nur auf dem Bildschirm (…) ansonsten sind diese Menschen in meinem Leben nicht vorhanden (…) ich bin mir ziemlich sicher, dass keiner von meinen Kommilitonen auch nur einen Gedanken daran verschwendet, was ich den ganzen Tag mache. Genauso wie es mich andersrum, ehrlich gesagt herzlich wenig interessiert“ (Lanig, 2019, Anhangband 3, S. 75).

Wahrnehmungen wie diese haben uns für die Metapher der eigenen „Blase“ sensibilisiert – dazu später mehr.

Oder kommt es auf den Unterricht an?

So wird es leicht nachvollziehbar, weshalb Hilbert Meyer dem Hattie-Diktum die Perspektive des Unterrichts gegenüberstellt (Meyer, 2013). Was auf den ersten Blick als Widerspruch wirken kann, ist als Ergänzung zu verstehen. Mit Hattie betont Meyer die pädagogische Wirksamkeit, die der Lehrende hat bzw. haben kann und die es immer wieder zu reflektieren gilt: Wie wirke „ich“, meine Sprache, meine Arbeitsaufträge, meine Präsenz im Raum … wie wirkt letztlich meine Persönlichkeit als Lehrender? Denn wenn ich das Lernen als Lehrer zu organisieren, zu strukturieren und zu steuern habe, muss ich um diese Wirkungen wissen, um all dies auch adressatengerecht umsetzen zu können. Dass aber Unterricht mehr ist als die beste Organisation, Struktur und Steuerung, wird wiederum – und nicht zuletzt – am „Corona-Homeschooling“ deutlich. Denn all das haben die allermeisten Lehrer bestmöglich versucht umzusetzen. Doch es blieben große Unzufriedenheiten, nicht nur bei den Elternhäusern, sondern auch bei den Pädagogen selbst. Ein Kollege, der seine ersten Jahre an der Schule gut hinter sich gebracht hatte und aufgrund seines Alters auch sehr affin für digitale Plattformen war, sagte im Coaching:

„Ich freue mich so darauf, wenn ich meine Schüler mal wieder in echt sehe. Das, was nebenbei läuft, worüber wir spontan lachen, was dem Unterricht auch Menschlichkeit und Lebensqualität gibt, das fehlt mir alles im Digitalen. Nein, es macht mir gerade und zum ersten Mal im Leben keinen Spaß mehr Lehrer zu sein. Ich lehre ja auch gerade nicht, ich fertige Materialien an, als wenn ich Autor eines Schulbuchverlages wäre …“

Dieser Hinweis soll nicht bedeuten, dass all das, was der junge Pädagoge vermisst hat, im virtuellen Raum nicht möglich wäre. Die langjährige Erfahrung unserer virtuellen Schulungen und des kollegialen virtuellen Coachings sieht eindeutig anders aus. Aber es braucht einige Jahre der Entwicklung, bis sich ein vergleichbarer Zustand – auf beiden „Seiten“ – einstellt. Und dieser beginnt immer mit der Reflexion. Insofern wären Rückmeldungen wie diese für die Bildungssysteme von entscheidender Bedeutung. Denn nur, wenn der Lehrende seine Wirksamkeit durch eine implementierte – und auch gewollte – Feedbackkultur immer wieder neu „einholt“, kann er diese blinden Flecken seiner eigenen Wahrnehmung ausgleichen und die Qualität seines Unterrichts optimieren. Kollegen, wie dem hier beispielhaft angeführten, ist dieser Umstand offenbar intuitiv bewusst. Entscheidend für die Weiterentwicklung schul- und hochschulischer Strukturen wird es aber sein, ob und inwiefern diese Erfahrungen auch vom jeweiligen System eingeholt wurden – und zwar zeitnah und nicht zum ersten Mal im Herbst 2020 – und werden. Denn wie Lehrende brauchen auch diese ein breites und differenziertes Feedback. Nie war es so flächendeckend vorhanden wie jetzt – insofern besteht in der Corona-Krise für die Weiterentwicklung von Lehren und Lernen eine riesige Chance.

Neben der anhaltenden Reflexion der Persönlichkeit und Wirksamkeit des Lehrenden sowie der „teacher beliefs“ muss bei dieser doppelten Herangehensweise deshalb die erste Frage sein:

Und: Was ist eigentlich „guter“ Unterricht?

Denn, nur wenn hierüber weitestgehende Einigkeit besteht, ist es möglich, den Blick auf die Frage nach einem guten Fernunterricht und einer guten virtuellen Lehre zu richten. Anders gefragt: Wodurch wird und wann ist Unterricht „gut“?

Um nochmals bei Hattie anzusetzen, können die Glaubwürdigkeit des Lehrenden, seine im Lernprozess gegebenen Rückmeldungen an die Lerngruppe, die Anregung zur Diskussion im Unterricht, eine verständliche und klare Sprache des Lehrenden sowie – wie oben bereits angedeutet – regelmäßiges Feedback von Seiten der Lernenden als die fünf wichtigsten so genannten inferenten Faktoren betrachtet werden (vgl. Hattie, 2012, S. 251–254). Hilbert Meyer hat diese Erkenntnisse in seiner Hattie-Analyse durch die ältere Lehrerbildungs-Metaanalyse von Seidel & Shavelson (vgl. Seidel/Shavelson) bestätigt. Und fordert daraus für einen guten Unterricht: Er ist durch ein angemessenes Lerngerüst – scaffold leitet er aus der englischsprachigen Unterrichtsforschung ab – gekennzeichnet. Dieses „Geländer“ garantiere sowohl den individualisierenden wie den kooperativen Unterricht, freilich in einer gelungenen Mischung: „Wichtiger als der leidige Streit über die Frage, ob offener Unterricht besser als der herkömmliche lehrerzentrierte Unterricht ist, ist die Frage, welche Lerngerüste in allen Grundformen aufgebaut werden“ (Meyer, 2013, S. 9).

Abb. 1: Scaffolding durch ein Lerngerüst

Mit diesem Hinweis wird auch klar, dass es nicht das eine verbindliche Rezept für den guten Unterricht geben kann. Doch es bestehen bewährte Ansätze, die auf die virtuelle Lernwelt zu übertragen lohnenswert sind. Denn sie formulieren Prämissen, die unabhängig von Alter und Schulart sowie ebenso von Unterrichts- und Studienfach gelten. Ein weitestgehend geteiltes pädagogisches Axiom ist das Verständnis von Unterricht als Bildungsgeschehen. Wird dieser Auftrag vom Lehrenden verinnerlicht, so wird bereits dieser Begriff fragwürdig, da sich das „Lehren von etwas“ bereits auf die Prozesshaftigkeit des „Lernens von“ verschiebt. Insofern ist es konsequent, wenn die Erziehung zur Selbstständigkeit als eines der nächsten Ziele abgeleitet wird. Wolfgang Klippert hat diesen Ansatz zu den Visualisierungen „Lernspirale“ und „Haus des Lernens“ ausgebaut (vgl. Klippert, 2001). Beide sind aufgrund ihrer Bildsprache anschaulich und eingängig: Mit Hilfe der Lernspirale