Digitale Formate entwickeln - Mark Heywinkel - E-Book

Digitale Formate entwickeln E-Book

Mark Heywinkel

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Beschreibung

So erhält eine Idee ein klares Format Ihre Redaktion möchte einen Podcast, Newsletter oder Social-Media-Kanal starten - doch Sie wissen nicht, wie das Projekt angestoßen und langfristig umgesetzt werden kann. Dieses Buch hilft Ihnen dabei, digitale Produkte zu entwickeln. Praxisnah erklärt Mark Heywinkel die Grundlagen der Formatentwicklung. Er zeigt, in welchen Phasen Redaktionen ihr Publikum analysieren, Produktideen erdenken, Prototypen bauen und geordnet Formate erstellen können. Ein Buch für alle in Zeitungs-, TV- und Radioredaktionen, die ihre Marke im Digitalen erfolgreich positionieren möchten.

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Mark Heywinkel

Digitale Formate entwickeln

Wie Redaktionen neue Ideen umsetzen

UVK Verlag · München

Mark Heywinkel ist Leiter Formatentwicklung bei ZEIT ONLINE in Berlin. Er verantwortet unter anderem die Weiterentwicklung von Social-Media-Kanälen sowie die Umsetzung neuer Newsletter und Videoprojekte. Zuvor war er stellvertretender Redaktionsleiter und Head of Development des Onlinemagazins ze.tt, bei dem er unter anderem für die Entwicklung der App und den Relaunch der Website zuständig war.

Umschlagabbildung: © Obradovic – iStock

Icon im Innenteil: © veronawinner – iStock

Autorenfoto: © Lean Krenz

 

DOI: https://doi.org/10.24053/9783739882222

 

© UVK Verlag 2023— ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KGDischingerweg 5 • D-72070 Tübingen

 

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetztes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor:innen oder Herausgeber:innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor:innen oder Herausgeber:innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich.

 

Internet: www.narr.deeMail: [email protected]

 

ISBN 978-3-7398-3222-7 (Print)

ISBN 978-3-7398-0619-8 (ePub)

Inhalt

VorwortCheck-​inAlle sprechen über das Gleiche anders.Das Format ist das Regelwerk eines Produkts.Formatentwicklung unterstützt die Redaktion bei der Umsetzung neuer Ideen.Nicht jeder Impuls bedarf Ihrer Aufmerksamkeit.Das Regelwerk ist das Herz Ihrer Arbeit.Jede Entwicklung ist für Formatentwickler:innen eine Projektarbeit.Formatentwickler:innen organisieren interdisziplinäre Teams.Eine Entwicklung darf auch scheitern.RechercheLernen Sie Ihr Thema kennen.Toben Sie sich mit Plattformen und Services aus.Behalten Sie den Medienbetrieb im Blick.Lernen Sie Ihr Publikum aus der Ferne kennen.Treten Sie näher heran.Eine Persona kann die Komplexität Ihrer Zielgruppe reduzieren.► Daniela Jaschob über Nutzer:innenforschung: „Die Frage ist immer, was du herausfinden willst“Prüfen Sie, was die anderen machen.Sagen Sie der Konkurrenz Hallo.MandatierungJede Formatentwicklung kann erst mit einem Mandat der Chefredaktion beginnen.Je klarer der Rahmen ist, desto besser lässt sich ein Produkt entwickeln.Sprechen Sie über das Team, das Equipment, das Budget und den Zeitplan für die Formatentwicklung.Sprechen Sie kurz über sich.Klären Sie, wer wichtige Stakeholder:innen sind.Sprechen Sie über Leistungskennzahlen.Recherchieren Sie weiter oder schreiben Sie ein Protokoll.► Angela Kea über das Stakeholder:innenmanagement: „Es geht hier ganz stark um einen Beziehungsaufbau“Vernetzen Sie sich und benennen Sie Ihr Team.Entscheiden Sie, mit welchen Werkzeugen Ihr Team zusammenarbeiten soll.IdeenfindungBereiten Sie sich auf Ihre Rolle als Projekt- und Teamleitung vor.Was lange währt, wird nicht immer gut.► Sebastian Klein über Meetings: „Für mich ist die Moderation die entscheidende Rolle“Der Kick-​off setzt den Ton für die weitere Entwicklung.Jedes Teammitglied ist kreativ.Lassen Sie beim ersten Workshop Ideen sprudeln – im vorgegebenen Rahmen.Basteln, beschreiben und benennen Sie Ihre Lieblinge.► Vanessa Wormer über die Auswahl von Ideen: „Wir helfen Projektteams dabei, sich nicht so sehr in ihre Ideen zu verlieben“Die Chefredaktion muss Ja sagen.Blicken Sie gemeinsam mit dem Team zurück.KonzeptionDas Formatkonzept ist ein Factsheet für Stakeholder:innen.► Johannes Nichelmann über Konzepte: „Ein Thema allein ist noch keine Sendung, ist noch kein Podcast“Der Formatkatalog ist die Geheimrezeptur Ihres Produkts.Der Formatkatalog muss konsistent sein.Fügen Sie nach Bedarf Templates und Tutorials bei.Betrachten Sie das Produkt aus der Sicht Ihres Publikums.► Lennart Schneider über Communityaufbau: „Der Nutzer soll selbst entscheiden, ob, wann und wie er sich einbringen möchte“Setzen Sie ein Reporting auf.FormattestVerstehen alle im Team den Formatkatalog?Können wir das, was wir uns vorgenommen haben, wirklich mit der nötigen Genauigkeit umsetzen?Was passiert, wenn ein Puzzleteil fehlt?Welche äußeren Umstände können unsere Produktion beeinflussen?► Ann-​Kathrin Hipp über Spontanität: „Am wichtigsten ist, sich darauf vorzubereiten, dass man eben nicht auf alles vorbereitet sein kann“Halten Sie die Chefredaktion auf dem Laufenden.Start und EvaluationBetreiben Sie Seeding.Hinterfragen Sie weiterhin alles.Prüfen Sie die Leistungskennzahlen und passen Sie den Formatkatalog an.Behalten Sie das Wohlbefinden des Teams im Auge.► Johannes Middelbeck über die Evaluation: „Jetzt geht die Entwicklungsarbeit erst richtig los“Check-​outLernen Sie, sich überflüssig zu fühlen.Sichten Sie alle Dokumente.Veranstalten Sie ein Debriefing.SachregisterFormate

Vorwort

Sie haben eine Idee: Um junge Zielgruppen an Ihre Tageszeitung heranzuführen, wollen Sie einen Instagram-​Auftritt starten. Redakteur:innen klappern für den Kanal Klubs und Bars ab und stellen deren Besitzer:innen in Reel-​Porträts vor. Oder Sie planen einen monatlichen Podcast, in dem Sie den Nutzer:innen Ihres Online-​Magazins Einblick in die Recherche ausgewählter Beiträge geben. Titel: „Behind the Screens“. Oder Sie wollen jeden Donnerstagabend den „Betthupferl“-Newsletter verschicken. Mit Artikelempfehlungen wollen Sie gegen Feierabend die Lust auf ein Abo wecken.

Solche oder ähnliche Ideen für ein digitales Produkt reifen schon seit geraumer Zeit in Ihnen. Womöglich haben Sie bereits einen Logoentwurf in Ihr Notizbuch gekritzelt, eine Jingle-​Melodie dudelt Ihnen im Ohr oder Sie wissen ganz genau, wie die schmissigen Betreffzeilen der ersten zehn Newsletter lauten können. Doch den ersten Schritt zu gehen bereitet Ihnen Kopfzerbrechen. Wie beim Artikelschreiben sitzen Sie vor einem weißen Blatt und fragen sich: Wie um Himmels willen anfangen? Wie gelangt die Idee für ein neues digitales Produkt wie einen Newsletter, einen Podcast, eine Videoserie oder einen Social-​Media-​Kanal ins Leben? Und zwar nachhaltig, so, dass dabei nicht unnötig Ressourcen verbrannt werden, das beteiligte Team nicht im Stress untergeht oder das Projekt auf halber Strecke stecken bleibt?

In Ihrer Redaktion gibt es darauf bisweilen keine geordneten Antworten. Weder existiert ein Prozess, in dem neue Ideen strukturiert ins Leben verholfen werden, noch gibt es eine designierte Person, die sich darüber Gedanken macht.

Sie müssen sich also selbst Gedanken machen. Dieser Ratgeber unterstützt Sie bei der Arbeit an digitalen Produkten, indem er Ihnen die Grundlagen der Formatentwicklung in Redaktionen vermittelt. Am Ende der Lektüre sollen Sie sich so gut auf die Rolle als Formatentwickler:in vorbereitet fühlen, dass Sie sich voller Elan in die Umsetzung Ihrer Ideen sowie der Ihrer Kolleg:innen stürzen können.

Empfehlungen zur Entwicklung von redaktionellen Produkten in einem Praxisbuch zu bündeln, ist gar nicht so leicht. Zum einen sind Podcasts, Newsletter und Social-​Media-​Kanäle grundsätzlich verschiedene Medienerzeugnisse mit untererschiedlichen Anforderungen an deren Produktion. Zum anderen sind Redaktionen strukturell divers ausgestaltet und personell divers besetzt. Entsprechend unterschiedlich kann sich die Rolle von Formatentwickler:innen gestalten.

Das geht schon beim Jobtitel los. Mitarbeitende, die sich in Medienunternehmen mit der Entwicklung neuer redaktioneller Produkte beschäftigen, führen nicht zwangsläufig den Titel Formatentwickler:in. Je nach Unternehmen kann diese Disziplin sowohl organisatorisch verschieden verortet als auch fachlich unterschiedlich ausgeprägt sein. Formatentwickler:innen sind nicht nur in der Redaktion, sondern unter anderem auch in Innovations-, F&E- (Forschung und Entwicklung), in Audience-​Development-​Teams oder im Produktmanagement anzutreffen. In großen Organisationen können sie als Sparringspartner:innen durch die Ressorts tingeln, Ideenfindungsprozesse begleiten und eher strategisch bei der Umsetzung von Neuem unterstützen. In kleinen Teams können Formatentwickler:innen wiederum viel stärker operativ im Einsatz sein: Sie konzipieren Formate im Alleingang, begleiten ein Produkt vom flüchtig hingekritzelten Memo bis zur Markteinführung durch den gesamten Entstehungsprozess und sind auch danach langfristig für die Umsetzung mindestens mitverantwortlich.

Die eine weithin praktizierte Art von Formatentwicklung gibt es also nicht. Doch egal, in welchem Kontext man sich bewegt und wie der Jobtitel lautet – im Kern bedeutet Formatentwickler:in zu sein, die Bedürfnisse des Publikums zu analysieren, redaktionelle Produkte auf dem Papier durchzuspielen, Prototypen in einer Formattestphase zu erstellen und schließlich eine Umsetzung in der Redaktion zu gewährleisten.

Dieser Job unterscheidet sich erheblich von der Tätigkeit, der Sie bisher als Redakteur:in nachgehen. Formatentwickler:innen können zwar idealerweise auf ein journalistisches Handwerkszeug zurückgreifen. Zusätzlich ist bei jeder Entwicklung eines digitalen Produkts plattformspezifisches Fachwissen notwendig. Außerdem erfordert die Arbeit an neuen Produkten ein hohes Maß an Organisationsfähigkeiten, um ein Projekt und damit auch ein interdisziplinäres Team zu steuern.

Sie können es erahnen: Die redaktionelle Entwicklung digitaler Produkte ist anspruchsvoll. Und der Job ist nicht nur von Medienhaus zu Medienhaus, sondern auch mit jeder neuen Entwicklung immer ein bisschen anders. Je größer und aufwändiger ein Projekt wird, desto unerlässlicher ist es, im Team mit mehreren Formatentwickler:innen daran zu arbeiten. Doch auch als Einzelperson und mit überschaubarem Budget können Sie bereits seriös Formatentwicklung betreiben.

Dieses Buch soll Sie vorrangig dazu befähigen, in kleinen bis mittelgroßen Redaktionen Formate für digitale Produkte auszuarbeiten, deren Entwicklung Sie allein anleiten.

Im Check-​in verständigen wir uns auf grundlegendes Vokabular der Formatentwicklung und definieren Ihre Rolle klarer aus. Anschließend arbeiten wir uns in diesem Ratgeber durch sechs typische Phasen redaktioneller Formatentwicklung: die Recherche, die Mandatierung, die Ideenfindung, die Konzeption, den Test und schließlich die Markteinführung und Evaluation Ihres Produkts. Zu ausgewählten Themen kommen immer wieder Expert:innen zu Wort, um die hier abgebildete Perspektive auf Formatentwicklung zu erweitern. Und am Ende, auch das spielt eine elementare Rolle in diesem Job, werden wir uns damit beschäftigen, wie man sich von einem Produkt löst, nachdem man ihm ins Leben verholfen hat. Oder auch, wenn seine Entwicklung gescheitert sein sollte.

Uns wird vor allem die Entwicklung von Social-​Media-​Kanälen, Podcasts, Newsletter und Videoserien interessieren. In diesen Bereichen dürften zu Beginn der 2020er-​Jahre die größten Begehrlichkeiten von Redaktionen liegen. Selbstverständlich lassen sich die hier formulierten Grundlagen auch auf andere digitale Produkte übertragen.

Es sei noch einmal betont: Dieses Buch enthält keinen Masterplan für eine zuverlässig erfolgreiche Entwicklung von digitalen Produkten und es preist auch keine einzelnen Methoden als Allheilmittel an. Dieses Buch bedient sich an Ideen wie Design Thinking, Business Model Canvas, Lean-​Startup, Nutzer:innenzentrierung, Sprints, Scrum und diverser Frameworks, um etwas in der Praxis Verwendbares für Redaktionen kleiner bis mittlerer Größe daraus abzuleiten. Es verkauft keine geschlossene Methode, sondern liefert Ihnen Inspiration für Ihre eigene Art der Formatentwicklung.

Ob ein detailliert formatiertes Medienprodukt einschlägt, hat auch immer mit dem richtigen Timing, Glück und mit dem entscheidendsten Faktor: den Menschen, die an diesem Produkt arbeiten, zu tun. Je nach Menschenschlag und Hauskultur können manche Empfehlungen in diesem Buch grandios zünden, aber auch eklatant danebenliegen. Idealerweise verfahren Sie nach dem gleichen Modell, nach dem auch dieses Buch entstanden ist: Leiten Sie aus den Erkenntnissen Ihrer Lektüre und Erfahrungen eigene Wege der Formatentwicklung ab. Erdenken Sie Methoden und Prozesse, die Ihnen passen. Etablieren Sie beim nächsten Projekt andere. Probieren Sie aus, fallen Sie hin, stehen Sie auf. Los geht’s.

Check-​in

Was bisher geschah | Ihre Redaktion hat sich bislang entweder noch gar nicht an neue digitale Produkte herangewagt, oder, wenn dies schon geschehen ist, dann wurden sie handgeklöppelt-​chaotisch aufgegleist. Die Beteiligten waren gestresst, schlimmstenfalls gefrustet.

Was nun geschieht | Sie wollen eine neue Produktidee sortiert umsetzen. Möglichst schmerzfrei, möglichst effizient. Dafür klären wir im ersten Kapitel Grundsätzliches zur Formatentwicklung. Am Ende des Check-​ins haben Sie eine Vorstellung davon, was ein Format ist, was Formatentwicklung imstande ist zu leisten und welche Rolle Sie als Formatentwickler:in in diesem Prozess spielen.

Alle sprechen über das Gleiche anders.

Im Redaktionsalltag wird zwar wie selbstverständlich über Formate gesprochen, allerdings häufig nicht ganz trennscharf. Wohl am häufigsten wird das FormatFormat als Synonym für redaktionelle Produkte („Morning Briefing“-Newsletter vom Handelsblatt, „Das Thema“-Podcast der Süddeutschen Zeitung etc.) verwendet. Dann wiederum hält es als Synonym für PlattformenPlattform (Instagram, Clubhouse etc.) her. Gelegentlich werden auch Format und journalistische Darstellungsform (Nachricht, Reportage, Kolumne etc.) gleichgesetzt. Manchmal geht auch alles durcheinander.

Die Definitionen variieren von Unternehmen zu Unternehmen, von Ressort zu Ressort und von Person zu Person. In den noch folgenden Interviews mit Expert:innen werden Sie ebenfalls auf unterschiedliche Verwendungen stoßen.

Solange keine Missverständnisse entstehen und die Mitarbeitenden Meetings ohne Knoten im Kopf verlassen, ist die vielfache Verwendung dieser Begriffe natürlich kein Problem. Um eine Verknotung bei der Lektüre per se auszuschließen, wollen wir die für dieses Praxisbuch essenziellen Begriffe Format, Produkt, Plattform und Service rasch durchdeklinieren.

Das Format ist das Regelwerk eines Produkts.

Für den Format-​Begriff bietet es sich an, am theoretischen Wissen aus der TV-​Branche anzuknüpfen. Denn das Feld der Formatentwicklung ist bislang vor allem von Expert:innen aus dem Fernsehen beackert worden.

Nach Lutz Köhler kann ein Format kurz und knapp als „Schablone verstanden werden, die als Vorlage für die Erstellung der einzelnen Ausgaben dient“.1 Ausführlicher definiert Kerstin Fröhlich, Formate seien „publizistische Konzepte für Fernsehsendungen (oder andere Medienprodukte) und umfassen aufeinander abgestimmte inhaltliche und formale Gestaltungsmerkmale und -prinzipien, die in serieller Produktion oder internationaler Adaption invariant bleiben und so den Rahmen für einzelne, inhaltlich abweichende Ausgaben bilden“.2 Auf diesem Definitionsfundament wollen wir hier bauen:

Ein FormatFormat ist das Regelwerk, das von einer Redaktion bei der Produktion einzelner Beiträge eingehalten werden muss, um aus einer Serie von Inhalten ein wiedererkennbares Gesamtprodukt zu erzeugen.

Wir verwenden im Folgenden also eine Definition, die vom gängigsten Gebrauch des Begriffs abweicht. Ein PodcastPodcast beispielsweise wird in diesem Praxisbuch nicht als Format verstanden. Stattdessen bezeichnen wir ihn als redaktionelles Produkt. Das Format ist die Bauanleitung, mit deren Hilfe einzelne Beiträge hergestellt werden. Die Beiträge, oft auch als Inhalte oder gelegentlich als Content PieceContent Pieces bezeichnet, ergeben in ihrer Gesamtheit ein redaktionelles Produkt.

Ein ProduktProdukt ist ein von der Redaktion erdachtes und somit vornehmlich inhaltlich getriebenes journalistisches Erzeugnis. Es hebt sich von anderen Produkten durch die im Format festgelegten Merkmale ab.

Format und Produkt begrifflich und somit gedanklich voneinander zu trennen, bringt einen Vorteil: Sie sind nicht aneinander gefesselt. Hat sich ein Format als sinnvoll erwiesen, lässt es sich auf weitere Produkte übertragen. Im Fernsehen ist das gängige Praxis. „Pop Idol“, „The Bachelor“ und „Who Wants to Be a Millionaire?“ liegen Formate zugrunde, die so gelungen sind, dass sie für Produkte in unterschiedlichen Ländern adaptiert wurden. Das ist auch in kleinerem Maßstab anwendbar. Wenn das Format eines Newsletters zu Liebe und Beziehungen funktioniert, also der Newsletter von einem Team regelmäßig produziert werden kann und die Leser:innenschaft zufrieden ist, kann das Format, die Bauanleitung, womöglich auch auf Newsletter zu anderen Themen übertragen werden.

In diesem Praxisbuch interessieren uns vor allem solche Produkte, die seriell angelegt sind. Social-​Media-​Kanäle, Podcasts, Newsletter und Videoserien bestehen nicht nur aus wenigen Beiträgen, die gemeinsam eine abgeschlossene Handlung erzählen, sondern ihre Formate sehen vor, dass diese Produkte eine lange Lebenszeit haben. Sie bestehen aus in regelmäßigem Rhythmus erscheinenden Einzelbeiträgen. Sie sind Serien ohne terminiertes Ende.

Ein digitales Produkt ist immer an eine Plattform gebunden, auf der es veröffentlicht wird. Eine Videoserie kann auf YouTube, TikTok oder auch auf der Website eines Medienangebots erscheinen. Live-​Interviews können bei Clubhouse oder Twitter Spaces präsentiert werden. Ein Newsletter landet bei Clients wie Google Mail, Outlook oder GMX.

Eine PlattformPlattform ist ein vom eigenen oder fremden Unternehmen geschaffener digitaler Ausspielweg für Beiträge. Jede Plattform bringt ihre eigenen technischen und auch inhaltlichen Gesetzmäßigkeiten mit, denen Formate unterworfen sind.

Häufig werden digitale Produkte auch auf mehr als einer Plattform gleichzeitig veröffentlicht. Ein Podcast beispielsweise erscheint in der Regel sowohl auf der Website eines Mediums als auch auf Audio-​Streaming-​Plattformen. Außerdem kann er auf Social-​Media-​Plattformen auszugsweise beworben werden, zum Beispiel in Form von sogenannten Audiograms – als minimalistische Videos verpackte Ausschnitte.

Nicht selten kommt bei der Distribution von digitalen Produkten ein Service zum Einsatz.

Mithilfe eines ServicesService können Redaktionen die Veröffentlichung von Inhalten über eine oder mehrere Plattformen hinweg steuern.

So nutzen einige Redaktionen zur Veröffentlichung von Podcasts die Hosting-​Dienste PodigeePodigee oder AcastsAcasts als Services. Dort können MP3-Dateien hochgeladen und in geläufige Plattformen wie SpotifySpotify, Apple PodcastsApple Podcasts und DeezerDeezer eingespeist werden. Zum Versand von Newslettern nutzen Medienhäuser E-​Mail-​Marketing-​Services wie SendinblueSendinblue oder MailchimpMailchimp, über deren Server Mails verschickt werden. Services wie SocialFlowSocialFlow und LaterLater wiederum helfen Social-​Media-​Teams, Posts über mehrere Plattformen hinweg zu planen.

Abb. 1:

Übersicht Plattform – Service – Produkt – Format

Formatentwicklung unterstützt die Redaktion bei der Umsetzung neuer Ideen.

Redakteur:innen stehen im Digitalen zig Möglichkeiten zur Verfügung, ihre Geschichten zu erzählen. Kriminalberichterstattung lässt sich als Podcast verpacken wie bei der Crime-​Audioserie „Spurensuche“ vom SternSpurensuche, Podcast, Stern.1 Die Folgen der Coronapandemie auf die Theaterszene kann man in einer Videoserie veranschaulichen wie bei „Spielplanänderung“ von der FAZ.2 Oder man gibt wie radioeins mit der Instanovelradioeins, Instagram-​Account, radioeins über Alexander von Humboldt auf Social-​Media-​Plattformen Einblick ins Leben historischer Personen.3

Solche Produktionen sind beeindruckend. Doch ihre Umsetzung zu stemmen, ist meist ein enormer Kraftakt. Redaktionen müssen sich zunächst neues Know-​how aneignen, neue Teams zusammenführen und Workflows schaffen. Das kostet Zeit und Ressourcen. Nicht selten soll das Tagesgeschäft von diesen Neuschöpfungen nicht beeinträchtigt werden. Diese Arbeit muss also von bereits eingespannten Redakteur:innen zusätzlich zu den täglichen Routinen erledigt werden. Das kann für alle Beteiligten einen enormen Druck bedeuten. Es ist also kein Wunder, wenn Projekte versanden oder Redaktionen sich gar nicht erst an ihre Umsetzung heranwagen.

Die FormatentwicklungFormatentwicklung unterstützt Redaktionen bei der Herausforderung, neue digitale Produkte planvoll umzusetzen. Formatentwickler:innen erarbeiten und steuern den Prozess, in dem aus einem Impuls für eine Serie von journalistischen Inhalten ein marktreifes Produkt geformt wird. Ebenfalls kann es die Aufgabe der Formatentwicklung sein, ein bereits am Markt etabliertes Produkt in einem strukturierten Prozess weiterzuentwickeln.

Formatentwicklung ist keine neue Disziplin. Im sogenannten „Golden Age of Radio“, das in den 1920er-​Jahren begann, fingen Radiosender unter anderem an, Nachrichtensendungen sowie Quiz- und Talentshows zu entwickeln. Diesen Produkten lag ein Schema zugrunde, nach dem jede Ausgabe aufgebaut sein musste.

Diese Konzepte wurden später ins Fernsehen übertragen, in Deutschland trieb ab den 1980er-Jahren insbesondere das Privatfernsehen die Entwicklung neuer formatierter Sendungen voran.4 Eine Vielzahl von Formatentwickler:innen für digitale Produkte ist heute wiederum auch beim öffentlich-​rechtlichen Rundfunk zu finden – insbesondere im Umfeld von funk, dem Content-Netzwerk von ARD und ZDF.

Dass der Rundfunk formatierte Sendungen etablierte, hat vor allem ökonomische Gründe. Ein vierundzwanzigstündiges Programm zu füllen, funktioniert nur unter enormen Aufwand, wenn man jeden Tag etwas komplett Neues zeigen möchte. Die Konzeption und anschließend serielle (Re-)Produktion eines Schemas gestaltet sich als deutlich kostengünstiger. Die Teams sind eingespielt und können gegebenenfalls mehrere Beiträge an einem Tag erstellen. Insbesondere in einer hohen Konkurrenzsituation können formatierte Produktionen ein Wettbewerbsvorteil sein: Wer Gefallen an einer Folge gefunden hat, guckt vermutlich auch die nächste. Formatierte Serien erhöhen die Publikumsbindung. Außerdem lassen sie sich besser vermarkten als Einzelproduktionen. Sowohl beim Publikum als auch bei Werbekunden, Journalist:innen und anderen Multiplikatoren.5

Hergeleitet aus dem Fernsehen bietet sich Formatentwicklung bei seriellen Produkten an, die in interdisziplinären Teams hergestellt werden. Damit wird sie für Podcasts, Newsletter, Videoserien oder Social-​Media-​Kanäle relevant; denn diese Produkte bestehen aus Serien von Einzelbeiträgen und erfordern die Zusammenarbeit von Menschen aus unterschiedlichen Bereichen einer Redaktion.

Um strukturiert Formatentwicklung zu betreiben, empfiehlt es sich, sie in Phasen zu staffeln. Wir wollen in diesem Praxisbuch von sechs Phasen ausgehen.

In der RecherchephaseRecherchephase sammeln Sie das nötige Basiswissen, um später gemeinsam mit Ihrem Team konkrete Ideen für das zu entwickelnde Produkt zu generieren.

In der MandatierungsphaseMandatierungsphase diskutieren Sie mit Ihren Vorgesetzten einen Impuls und schärfen die Rahmenbedingungen für die Formatentwicklung. Außerdem berufen Sie das Team, mit dem Sie die Entwicklung bestreiten wollen, und organisieren die Zusammenarbeit.

In der IdeenfindungsphaseIdeenfindungsphase lernen Sie gemeinsam mit Ihrem Team Ihre Nutzer:innen kennen, erdenken Produktideen, entwickeln Prototypen und evaluieren sie.

In der KonzeptionsphaseKonzeptionsphase entsteht das Regelwerk für die Produktidee, das Format. Sie konkretisieren das Konzept und leiten daraus ein detailliertes Regelwerk samt Workflows und Templates her.

Schließlich prüfen Sie das Format Ihres digitalen Produkts im FormattestFormattest auf Schwächen und justieren nach.

Am vorläufigen Ende der Entwicklung begleiten Sie den Start des redaktionellen Produkts und prüfen in einer EvaluationEvaluation nach zuvor festgelegter Laufzeit dessen Performance.

Diese Phasen, darauf werden wir immer mal wieder zu sprechen kommen, müssen einander nicht dogmatisch abfolgen. In der Praxis werden sie sich teilweise überschneiden, in anderer Reihenfolge stattfinden oder sich gelegentlich auch wiederholen.

Auch als routinierte:r Formatentwickler:in werden Sie den Verlauf einer Entwicklung nicht vollständig planen können. Es werden sich immer Überraschungen ereignen, die Ihre Pläne durchkreuzen. Etwa weil ein wichtiges Teammitglied krankheitsbedingt ausfällt oder weil die Maßnahmen gegen das Coronavirus Ihnen den Dreh von Videobeiträgen im Studio in der Redaktion untersagen. Jede Formatentwicklung ist anders. Sie unterscheidet sich von Produkt zu Produkt und von Team zu Team.

Nicht jeder Impuls bedarf Ihrer Aufmerksamkeit.

Impulse für eine Formatentwicklung können aus unterschiedlicher Richtung kommen.

Ihre Chefredaktion oder Unternehmensführung kann eine Lücke im Portfolio entdecken („Warum verschicken wir eigentlich noch keinen Newsletter?“; „Wir wollen junge Zielgruppen erreichen – was könnten wir auf TikTok machen?“) und gibt Ihnen den Auftrag, ein entsprechendes Produkt zu entwickeln.

Oder das Audience-​Development-​Team beobachtet ein Verhaltensmuster („Auf Facebook verlieren wir viele Follower:innen, auf Instagram gewinnen wir viele“), leitet daraus eine Hypothese ab („Unsere User:innen wandern von Facebook zu Instagram ab“), prüft sie – und im Falle der Validierung entwickeln Sie ein neues Instagram-​Angebot, das auf die Bedürfnisse Ihres Publikums angepasst ist.

Auch Freelancer:innen können von außen einen Impuls an Ihre Redaktion herantragen („Ich würde gerne eine wöchentliche Clubhouse-​Talkshow für euch moderieren – habt ihr daran Interesse?“).

In kleinen bis mittelgroßen Redaktionen dürfte die Formatentwicklung allerdings so beginnen: Sie oder ein:e Redakteur:in liefern einen Impuls, indem Sie eine inhaltliche Idee formulieren.

Im Laufe einer morgendlichen Konferenz landen Sie beim Thema Fachkräftemangel im Handwerk. Tischlereien, Glasereien und Malereien in Ihrer Region finden keine Auszubildenden mehr, der Nachwuchs will die familiär betriebenen Unternehmen nicht weiterführen, neue Geschäftsführer:innen wollen sich auch nicht finden lassen. Viele Betriebe müssen aufgeben. Über diese Entwicklung und ihre Folgen wollen Sie berichten. „Wäre das nicht auch was für eine Videoserie auf YouTube?“, wirft jemand in den Raum. „Mehrere Handwerksbetriebe bei der schwierigen Suche nach dem Nachwuchs zu begleiten, das könnte doch auch visuell ganz spannend sein.“ Und nun gibt es Sie, den:die Formatentwickler:in, und dieser Impuls landet auf Ihrer To-​do-​Liste. „Dem könntest du ja mal nachgehen.“

Wenn Sie der:die einzige Formatentwickler:in in Ihrer Redaktion sind, sollten Sie jeden Impuls einer strengen Prüfung unterziehen. Sonst ist Ihre Liste mit Dingen, denen Sie ja mal nachgehen könnten, schon am Ende einer durchschnittlichen Redaktionswoche voll. Prüfen Sie im ersten Schritt, ob sich diese drei Fragen mit Ja beantworten lassen:

Lässt das Oberthema eine serielle Berichterstattung zu?

Passt die Plattform zum Inhalt?

Gibt es eine für uns relevante Zielgruppe, die sich für das Oberthema auf der Plattform interessieren könnte?

Wenn nur ein vages Oberthema wie „Arbeitskräftemangel im Handwerk“ im Raum steht, ist das inhaltlich kein hinreichender Impuls, mit dem Sie weiterarbeiten können. Dieses Thema lässt sich in jede Richtung denken. Mit der Konkretisierung „Mehrere regionale Handwerksbetriebe bei der schwierigen Suche nach Nachwuchs begleiten“ hingegen lässt sich etwas anfangen. Je nachdem, wie groß Ihre Region ist, lassen sich gewiss mehrere Protagonist:innen finden, die eine serielle Berichterstattung möglich machen.

Widmen wir uns nun der Plattform: Die Behauptung, die Nachwuchssuche könne „visuell ganz spannend sein“, sollten Sie kritisch hinterfragen. Ist es spannend, eine Tischlerin im Video zu sehen, die im Internet Azubistellen ausschreibt und Vorstellungsgespräche führt? Womöglich nicht. Aber ein Podcast wäre vielleicht interessant, in dem in jeder Episode ein:e andere Handwerker:in von der Suche erzählt.

Schließlich gilt zu hinterfragen, ob ein Podcast mit Handwerker:innen-​Interviews ein Produkt sein könnte, das zu einer für Ihre Medienmarke relevanten Zielgruppe passt. Wenn Sie für eine regionale Tageszeitung arbeiten, könnte man sagen: Sowohl Auszubildende als auch Handwerker:innen der Region lesen uns; für diese Zielgruppen könnten wir überlegen, einen Podcast zu produzieren. Oder im Gegenteil kommen Sie vielleicht zu dem Ergebnis: Weder Azubis noch Handwerker:innen lesen uns bisher – und mit einem Podcast könnten wir diese Zielgruppe für uns gewinnen.

Ergibt bei genauerer Überlegung der Impuls aus der Redaktionskonferenz Sinn? Prüfen Sie auch Folgendes: Dass Sie der:die einzige Formatentwickler:in in Ihrer Redaktion sind, muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass Sie sich mit sämtlichen neuen Ideen beschäftigen müssen. Nehmen Sie sich nur solcher potenzieller Produkte an, die in die bestehenden Arbeitsabläufe nicht integriert werden können. Kontrollieren Sie daher in einem zweiten Schritt, ob diese Aussagen auf den Impuls zutreffen:

 

Um das Produkt umzusetzen,

muss ein interdisziplinäres Team gebildet und dessen Organisation entwickelt werden,

müssen vom Team neue Fähigkeiten erlernt werden,

muss eine neue technische Infrastruktur geschaffen werden.

Übung | Ist dieser Impuls für Sie relevant?

Das Wirtschaftsressort einer Tageszeitung möchte eine Finanzkolumne starten. In jedem Text soll ein:e andere Finanzexpert:in Anlagetipps geben. Als Plattform haben die Redakteur:innen die Website erkoren, sie wollen die Tipps als Artikel aufbereiten. Die Klickzahlen unterstützen diesen Impuls: In der Vergangenheit sind schon vereinzelte Finanztippartikel bei Ihrem Publikum überdurchschnittlich gut angekommen. Das Wirtschaftsressort bittet Sie, sich der Entwicklung der Finanzkolumne zu kümmern. Nehmen Sie sich diesem Auftrag an?

Auswertung |