Dirty Diana: Das Erwachen - Jen Besser - E-Book

Dirty Diana: Das Erwachen E-Book

Jen Besser

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Beschreibung

«Es macht mir nichts aus, über Sex zu reden. Es ist der Mangel an Sex, über den ich nicht sprechen kann.» Diana ist Ehefrau und Mutter. Diana ist noch viel mehr. Künstlerin, Geliebte, Freundin. Doch all das fühlt sich weit weg an. Ihren Mann Oliver liebt sie, genauso wie das Leben, das sie sich aufgebaut haben. Doch etwas ist zwischen ihnen verloren gegangen: Intimität, Sinnlichkeit, Begierde. Seit Monaten schon haben sie nicht mehr miteinander geschlafen. Als sie auf einem Trödelmarkt eine Fotografie entdeckt, erwacht etwas in ihr. Mit dem Künstler, Jasper, verband sie einst pure Leidenschaft. Sie erinnert sich an die Tapes, die sie im Rahmen eines Kunstprojekts aufnahm und auf denen Frauen von ihren erotischen Fantasien erzählen. Diana beschließt, das Projekt fortzuführen, um den geheimen Wünschen und Sehnsüchten von Frauen eine Stimme zu geben. Und vielleicht kann sie so auch die verschüttete Erotik zwischen sich und Oliver wiedererwecken?  Sexy & smart – diese Trilogie ist ein Ereignis! Ein mutiger, unzensierter Blick auf weibliches Begehren und Erotik in Langzeitbeziehungen. Basierend auf einem erfolgreichen Podcast, Verfilmung mit Demi Moore in der Hauptrolle geplant.  

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Seitenzahl: 383

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Jen Besser • Shana Feste

Dirty Diana

Das Erwachen

Roman

 

 

Aus dem Englischen von Sabine Längsfeld

 

Über dieses Buch

«Es macht mir nichts aus, über Sex zu reden. Es ist der Mangel an Sex, über den ich nicht sprechen kann.»

 

Diana ist Ehefrau und Mutter. Diana ist noch viel mehr. Künstlerin, Geliebte, Freundin. Doch all das fühlt sich sehr weit weg an. Ihren Mann Oliver liebt sie, genauso wie das Leben, das sie sich zusammen aufgebaut haben. Doch etwas ist zwischen ihnen verloren gegangen: Intimität, Sinnlichkeit, Begierde. Seit Monaten schon haben sie nicht mehr miteinander geschlafen. Als sie auf einem Trödelmarkt eine Fotografie entdeckt, weckt das Erinnerungen in ihr. Mit dem Künstler, Jasper, verband sie einst pure Leidenschaft. Etwas erwacht in ihr.

Sie erinnert sich an die Tapes, die sie im Rahmen eines Kunstprojekts aufnahm und auf denen Frauen von ihren erotischen Fantasien erzählen. Diana beschließt, das Projekt fortzuführen, um den geheimen Wünschen und Sehnsüchten von Frauen eine Stimme zu geben. Und vielleicht kann sie so auch die verschüttete Erotik zwischen sich und Oliver wiedererwecken? Doch auch Oliver hat Geheimnisse vor ihr. Ist es zu spät, ihre Ehe zu retten?

 

Sexy & smart – dieses Buch ist ein Ereignis! Ein mutiger, unzensierter Blick auf weibliches Begehren und Erotik in Langzeitbeziehungen. Basierend auf einem erfolgreichen Podcast, produziert von Demi Moore.

Vita

Jen Besser arbeitet als Lektorin und Verlagsleiterin in der Buchbranche. Shana Feste ist mehrfach ausgezeichnete Regisseurin und Drehbuchautorin.

Die beiden Frauen sind seit ihrer Kindheit miteinander befreundet. Schon früh wunderten sie sich, dass es in den Frauenzeitschriften immer nur darum ging, wie man ihm den perfekten Orgasmus beschert. Wo blieb die Lust der Frauen? Daraus entstand die Idee zur Geschichte von Dirty Diana, zunächst als Podcast mit Demi Moore in der Hauptrolle veröffentlicht, der es auf Platz 1 der Apple Charts schaffte und als Podcast des Jahres nominiert war. Auch wenn sie mittlerweile Tausende von Kilometern voneinander entfernt leben, sprechen die beiden Freundinnen täglich miteinander. Dies ist ihr Debütroman.

 

Sabine Längsfeld übersetzt bereits in zweiter Generation Literatur verschiedenster Genres aus dem Englischen in ihre Muttersprache. Zu den von ihr übertragenen Autor:innen zählen Anna McPartlin, Sara Gruen, Glennon Doyle, Malala Yousafzai, Roddy Doyle und Simon Beckett.

Impressum

Die englische Originalausgabe erschien 2024 unter dem Titel «Dirty Diana» bei Dial Press, New York.

 

Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, November 2024

Copyright © 2024 by Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg

«Dirty Diana» Copyright © 2024 by Jen Besser and Shana Feste

Redaktion Susann Rehlein

Das Zitat von Elizabeth Bishop auf Seite 155 stammt aus: Gedichte. Zweisprachig. Herausgegeben, übersetzt und mit einem Nachwort von Steffen Popp, Carl Hanser Verlag, München 2018.

Covergestaltung FAVORITBUERO, München, nach dem Original von Penguin Random House LLC, US

Coverabbildung Illustration: Rocío Montoya

Design: Donna Cheng

ISBN 978-3-644-01133-5

 

Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation

Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp

 

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www.rowohlt.de

Für Brian und Ben

The armored cars of dreams, contrived to let us do so many a dangerous thing.

ELIZABETH BISHOP, «Sleeping Standing Up»

Prolog

Draußen vor dem Zelt herrscht tiefe Nacht, schwarz und sternenklar. Drinnen bin ich, schließe die Augen und versuche zu schlafen. Aber der Boden unter meinem Rücken ist eiskalt und hart. Ich spanne den Kiefer an, um nicht mit den Zähnen zu klappern.

In deinem Schlafsack ist es garantiert warm.

Ich drehe mich auf die Seite, um dich anzusehen. Es ist Neumond, nur die Sterne spenden Licht. Sie tauchen dich in sanftes Silber – deine Haut wirkt weich, außer da, wo Stoppeln von drei Tagen Wüste sind. Du hast die Augen geschlossen und das Gesicht nach oben gerichtet, hin zu dem Moskitonetz im Zelthimmel, und auf deinen vollen, sinnlichen Lippen liegt ein entspanntes Lächeln. Du frierst bestimmt nicht, deine Arme stecken nicht im Schlafsack, sondern ruhen neben dir. Dein nackter, muskulöser Brustkorb hebt und senkt sich regelmäßig.

Wir hatten seit Stunden keinen Sex, und mir kommt es vor wie Jahre.

Ich dachte, ich wäre auf die heißen Tage und die kalten Nächte in der Wüste vorbereitet – zumindest hatte ich zugehört und genickt, als du mich vorwarntest. Jetzt weiß ich, dass das was anderes ist, als vorbereitet zu sein. Ich hatte das Wetter auf die gleiche Weise unterschätzt, wie wir beide heute die schroffen Berge unterschätzt haben, die uns umgeben. «Sieht gar nicht so steil aus», haben wir gesagt. «Komm, wir wandern zum Gipfel.» Du bist vorangekraxelt, als würde die Hitze dir nichts ausmachen, und wäre ich nicht bei dir gewesen, wärst du noch viel schneller vorangekommen.

Kurz vor dem Gipfel passierten wir einen Höhleneingang. Ich überlegte laut, was da wohl drin hausen mochte. «Vielleicht ein Luchs», sagtest du achselzuckend. Also zuckte ich ebenfalls die Achseln, sagte «Cool!» und sah zu, dass ich da wegkam.

Ich krieche noch tiefer in meinen Schlafsack und wünsche mir eine zusätzliche Schicht Kleidung. In deinem Schlafsack ist es garantiert anders. Ich stelle mir vor, wie ich zu dir reinkrabble. Doch ich weiß nicht, ob du geweckt werden willst. Unsere Beziehung ist so frisch, dass jede Entscheidung Gewicht hat – dich nachts zu wecken, könntest du als Anzeichen dafür nehmen, dass ich kein Gespür für Grenzen habe, wo doch gelegentlicher Abstand wichtig ist, um die Intensität der körperlichen Nähe zwischen uns auszubalancieren. Diese Anfangsphase ist alles gleichzeitig: berauschend, heikel und extrem verunsichernd.

Seit drei Tagen herrscht knisternde Spannung zwischen uns, wir lassen uns beide von der kleinsten Kleinigkeit anstacheln – ein langsamer Zug am Joint, ein von meiner Schulter gleitender BH-Träger. Wir sehen beide ständig von der Arbeit auf und erwischen uns gegenseitig beim Schauen.

Ich ziehe die Hände in die langen Ärmel meines Shirts, um sie zu wärmen, und schaue durch das Netzdach zu den Sternen hoch. Ich denke an den steilen, steinigen Weg zum Gipfel, an den Höhleneingang. Und an den Luchs.

Meine Wollmütze fällt mir ein, die ich aus Nachlässigkeit am Lagerfeuer habe liegen lassen. Plötzlich ist die Mütze die Lösung gegen meine Schlaflosigkeit. Sie wird mich wärmen. Ich muss meine Mütze holen.

Leise, leise, um dich nicht zu wecken, schlüpfe ich aus dem Schlafsack, öffne den Reißverschluss und schleiche mich hinaus in die Nacht.

Die Luft ist schneidend kalt. Irgendwo in der Nähe schreit eine Eule. Ich höre ihren wachsamen Ruf, als ich nach der Wollmütze greife, die neben den glimmenden Überresten des Feuers liegt. Die Bäume am Rand unseres Lagerplatzes schimmern bläulich. Irgendein Echsentier huscht direkt vor meinen Füßen entlang. Ich schrecke so heftig zusammen, dass ich über mich selbst lachen muss.

Ich hole tief Luft, strecke die Hände aus und lasse mich von den letzten rot glimmenden Glutresten beruhigen und wärmen. Als meine Schultern sich wieder entspannen, atme ich die Stille ein.

«Diana!» Beim Klang deiner Stimme schrecke ich zusammen. Du packst mich an den Schultern und ziehst mich neben dich. Der Strahl deiner Taschenlampe leuchtet in die Bäume, tanzt zitternd übers Laub und landet auf zwei Augen – glänzend und hell und direkt auf uns gerichtet. «Geh wieder ins Zelt.»

Ich keuche erschrocken auf und gehe mit zitternden Knien langsam rückwärts. Das Tier beobachtet uns.

Von innen leuchten wir durch das Zeltfenster nach draußen, bis der lange, katzenhafte Körper davonschleicht, zurück in Richtung der Berge.

«Meinst du, das Tier kommt noch mal wieder?»

«Alles gut», sagst du, aber dein Herz pocht genauso heftig wie meins. Wir mustern einander – unsere Augen groß und erschrocken, unsere Körper starr. Mein Lachen durchbricht die Anspannung, dann lachst auch du los.

«Ich hätte mir fast in die Hose gemacht», sagst du.

«Ich auch.»

Das Zelt ist winzig, trotzdem sind wir plötzlich viel zu weit voneinander entfernt. Dein Blick gleitet von meinen Augen auf meinen Mund. Ich betrachte deine Kehle, die kräftigen Muskeln deiner Arme, dein Gesicht.

Als unsere Lippen aufeinandertreffen, merke ich, dass ich zittere. Dein warmer Mund schmeckt salzig, wir küssen uns, bis wir beide in der Hitze glühen, die von meinem Körper ausgeht. Ich ziehe das Shirt aus. Du lehnst dich zurück, damit du die Rundungen meiner Brüste betrachten kannst, weich und willig im schwachen Licht.

Du öffnest den Reißverschluss deines Schlafsacks und breitest ihn zur Decke aus. Wir legen uns nebeneinander auf den Rücken, beide von der Taille aufwärts nackt. Nur unsere Hände berühren sich ganz zart. Wir versuchen, die Ekstase des Augenblicks zu bremsen.

«Ich will morgen nicht zurück in die Stadt», sage ich. Wenn wir zurückfahren, denke ich, gehen wir uns verloren.

Ich schaue in den Nachthimmel, aber du bist interessanter. Als ich mich zu dir drehe, um dich anzusehen, hast du dich mir schon zugewandt. Wir liegen beide auf der Seite, und du ziehst mich an dich. Deine Haut ist warm, als hättest du bis eben in der Sonne gelegen.

Ich ziehe dir die Hose über die Hüften und streife mit meinem nackten Bauch an deinem Penis entlang, spüre, wie er hart wird.

Ich nehme ihn in die Hand, und du stöhnst auf. «Wo bin ich?», fragst du.

Ich lächle und verstärke den Druck.

«Und was machen wir?»

Ich lache. «Mit unserem Leben oder jetzt gerade?»

Du küsst mich, beißt zart in meine Unterlippe. «Beides.»

«Wir campen.» Dann füge ich hinzu: «Wir sind hier draußen und haben Sex. Jede Menge.»

«Mhm, stimmt», murmelst du und küsst mich weiter.

«Und vielleicht verstecken wir uns vor der Welt.» Ich schlinge ein Bein um dich, dann den ganzen Körper. «Aber vielleicht sucht uns auch niemand.» Vielleicht gibt es niemanden außer der Eule, die draußen über uns wacht.

Deine Hände wandern über meinen Rücken und gleiten in meine Hose. «Die muss weg», sagst du.

Ich hebe lächelnd das Becken an, damit du sie mir ausziehen kannst. «Und das hier definitiv auch», sagst du, und wir schieben mein Höschen hinunter. Dann sind wir beide nackt.

«Frierst du noch?»

Zur Antwort öffne ich die Beine, ganz leicht nur, und reibe den wärmsten und weichsten Teil von mir an deiner Erektion.

Du legst lustvoll den Kopf in den Nacken und packst mich an den Hüften. «Ich find’s gut, mich mit dir vor der Welt zu verstecken.»

«Ich auch.» Ich küsse die Bartstoppeln auf deiner Wange. Du ziehst mich fest an dich, und dein kehliges Stöhnen erfüllt das Zelt. Wir verlieben uns gerade ineinander, denke ich, spreche es aber nicht aus.

Ich umschlinge mit meinen Beinen deine Oberschenkel und gleite mit meiner Vulva an deinem Penis entlang. Ich muss dich in mir haben. Ich rutsche noch ein Stückchen hoch und schiebe das Becken vor, nehme deine Eichel in mich auf. «Warte.» Du hältst mich an den Hüften zurück. «Ich will dich anfassen.»

Du nimmst etwas Gewicht von mir, deine Unterarme stemmen sich neben uns auf die Decke. Ich spreize die Beine noch weiter. Aber du schüttelst den Kopf. «Beweg dich nicht.» Du hebst meine Handgelenke über meinen Kopf und hältst sie da fest. Eine Hitzewelle rollt durch mich hindurch, und ich zappele unter dir, will endlich deine Erektion in mir haben. Wieder schüttelst du den Kopf. «Nicht bewegen», raunst du.

Du lässt meine Handgelenke los, streichelst meine Seiten entlang nach unten. Ich lasse die Hände über meinem Kopf und schließe die Augen. Seltsam entrückt schweben wir gemeinsam in fiebriger Dunkelheit, und das Einzige, worauf ich mich noch fokussiere, sind deine Anweisungen, die mich in die Untiefen unserer Lust führen.

Du küsst die kleine Kuhle unter meiner Kehle, nimmst meine Brüste in die Hände und küsst meine Nippel. Sie sind hart zwischen deinen Lippen. Du lässt zwei Finger in mich hineingleiten, und ich weiß, dass du spürst, wie bereit ich bin. Ich kann nicht anders und packe dein Handgelenk, halte es an meiner Öffnung fest. «Bitte», flüstere ich. «Ich will dich ficken.» Aber du reagierst gar nicht, bewegst ungerührt deine Finger in unerträglich langsamen Kreisen.

«Ich will dich in mir», flehe ich.

«Vertrau mir.»

Die Gier in deiner Stimme lässt mich schier überfließen. Noch nie hat es so lange gedauert, noch nie hat jemand versucht, mit der Geografie meines Körpers so vertraut zu werden wie du.

Je stärker das Fließen und Tosen in mir wird, desto größer wird der Drang, mich unter dir wegzuschlängeln. Ich bekämpfe das Bedürfnis, deine Hand wegzuziehen, und in mir erwacht etwas Neues zum Leben, ein winziges Molekül vorerst nur. Wird es sich wieder auflösen oder wachsen?, frage ich mich.

Es flutscht mir weg, und ich nutze den Moment, um zu Atem zu kommen.

«Bleib da», flüsterst du mir ins Ohr.

Ich wölbe den Rücken und presse mich an dich. Deine kratzigen Bartstoppeln hinterlassen ein brennendes Stechen auf meiner Wange. Das Molekül taucht wieder auf und vervielfacht sich. Ohne irgendwelches Zutun von mir öffnet sich mein Mund, und ich fange an zu keuchen.

«Vertrau mir», raunst du. «Du bist so nah dran.»

Mein Becken bewegt sich im Einklang mit deiner Hand, bedrängt dich, den Druck zu verstärken, länger in mir zu bleiben, nicht aufzuhören, bis ich unter dir zerschmelze.

«Du bist so nah dran», wiederholst du, als würdest du meinen Körper besser kennen als ich.

Ich bewege mich unter dir, bis ich kurz davor bin, in tausend Stücke zu zerspringen. «Ich komme!» Es laut auszusprechen, gibt meinem Körper die Erlaubnis. Ich lasse den Kopf zurückfallen. Schreie meine Lust hinaus in den Wüstenhimmel.

Du lächelst, küsst mich gierig, und ich weiß, dass wir noch nicht fertig sind.

Mein Körper bebt. «Was war das?», frage ich dich.

Du lächelst nur, und zwischen zwei Küssen fragst du: «Darf ich dich ficken?»

Mein Körper gehört dir. Du kannst damit machen, was du willst. Ich nicke, lege mich auf dem warmen Schlafsack bereit und spreize die Beine für dich. Meine Oberschenkel zittern immer noch. Du dringst schnell in mich ein, und ich spanne mich um dich herum an, mache mich eng, wie um dich anzuflehen, für immer bei mir zu bleiben. Verlass mich nicht.

Du nimmst meine Hände, unsere Finger verschränken sich, ich spüre den harten Boden unter uns.

«Gott, du fühlst dich so gut an», flüsterst du.

Ich schiebe mich auf dich, meine Beine um deine Hüften geschlungen. Du setzt dich zusammen mit mir auf. Deine Hände liegen auf meinem unteren Rücken. Du nimmst meine rechte Brust in den Mund, beißt mir in den Nippel und saugst wie zur Entschuldigung daran. Ich schwinge das Becken vor und zurück, und du drängst dich tiefer in mich hinein. Wir bewegen uns im Gleichtakt, schneller und schneller.

Ich lehne mich zurück und spüre plötzlich ein seltsames Kitzeln am Hals. Ich wische mit der Hand darüber, setze mich auf und konzentriere mich ganz auf uns, auf unsere zwei Körper, auf deine Haut an meiner, auf die Gefühle, die damit verbunden sind, dich zu ficken.

Jetzt kitzelt mich etwas im Gesicht. Ich fege es mit den Fingerspitzen weg, presse mich an dich, aber der Druck ist verschwunden. Ich spüre den Boden unter mir – dabei bin ich doch aufrecht, oben bei dir. Ich sollte dich spüren, nicht den Boden. Dann ist der seltsame, widerliche Windhauch wieder da und reißt mich von dir weg.

Ich schaue dich an, aber du wendest dich ab. Ich sehe dein Gesicht nicht mehr.

Ich kneife die Augen zu und zwinge mich zurück in meinen Körper, in die wogenden Wellen der Lust. Ich will verzweifelt die Hitze zurückhaben, die eben noch zwischen uns war.

Doch plötzlich bin ich woanders.

Ich reiße die Augen auf und starre direkt in das Gesicht meines schlafenden Ehemanns. Da ist kein Zelt, kein Sternenhimmel. Ich liege zu Hause in meinem Bett, in sauberer gestreifter Bettwäsche, auf meinem Gesicht der warme, schale Atem meines Mannes. Beim Ausatmen macht er ein kleines Geräusch, wie eine winzige Fahrradpumpe, mit der man versucht, einen riesengroßen Rettungsring aufzupumpen.

Ich lasse das Gesicht ins Kissen sinken, versuche, mich in meinen Traum zurückzuzwingen, zurück in das Zelt, zurück in die kalte, sternenklare Nacht.

Es hat keinen Zweck. Ich bin wach.

Dallas, Texas —

Jetzt

Kapitel 1

Bei uns zu Hause gibt es ein Zimmer, das wir so gut wie nie betreten. Es ist das dritte Schlafzimmer, klein und quadratisch, und das einzige Zimmer im Haus, in dem nach wie vor Auslegware liegt – dicker, cremeweißer Flor, noch von den Vorbesitzern.

Oliver und ich sind reingegangen, um Geschenkpapier für die kleine Plastikmeerjungfrau zu suchen, die er und unsere Tochter Emmy ihrer besten Freundin zum Geburtstag gekauft haben. «Die hätten das doch im Laden für dich eingepackt», sage ich. Ich kann nicht anders. «Umsonst.»

Er mustert den vollgestopften Schrank. «Wir mussten dringend da raus, ehe Emmy wieder was klaut.»

«Oliver!» Ich lache. «Das war einmal und ist fast ein Jahr her.» Mit fünf hat unsere Tochter im Supermarkt an der Kasse ein Päckchen Juicy Fruit geklaut und tat anschließend im Auto ganz unschuldig, während sie versuchte, eine Kaugummiblase zu machen.

«Sie ist kleptomanisch veranlagt, Diana. Eine eiskalte Diebin.» Oliver verlässt grinsend das Zimmer und überlässt es mir, nach dem Geschenkpapier zu suchen.

Am Anfang hatten Oliver und ich davon geträumt, aus diesem Raum eine gemeinsame Werkstatt zu machen. Er ist zwar zu eng für eine richtige Werkbank, aber nachmittags herrscht wunderbares Licht, und der Platz hätte gereicht, um den Zeichentisch reinzustellen, den er schon immer wollte, und ich hätte meine Staffelei und meine Farben hier unterbringen können.

 

Als wir uns kennenlernten, war ich sechsundzwanzig und lebte mit sieben anderen in einem runtergekommenen Haus in Dallas. Wir hielten uns für eine Künstlerkommune und nannten unsere WGdie Kooperative, aber eigentlich wurde hauptsächlich gefeiert und nie geputzt. Irgendwann hängte ich einen Haushaltsplan in die Küche, mit einer Spalte, in die sich alle im Haus freiwillig eintragen konnten, und dachte, das würde unser Problem lösen. Doch statt ihrer Initialen schrieben meine Mitbewohnerinnen und Mitbewohner neben Kloputzen Matthew McConaughey und neben Küchendienst der Geist von Sir Alec Guinness.

Als inmitten der größten Sommerhitze jemand rohes Fleisch in den kaputten Mülleimer warf und wir plötzlich Maden in der Küche hatten, fing ich an, meine Lebensmittel in meinem Zimmer aufzubewahren. Manchmal vertrieb ich mir den Nachmittag damit, zum Spaß das Haus und meine Mitbewohner zu zeichnen, ein bisschen übertrieben und ein bisschen grotesk. Irgendwann schickte ich meinem Freund Barry in Santa Fe einen Satz Bilder und einen weiteren meiner besten Freundin Alicia, die nach New York an die Filmhochschule gegangen war. Ich signierte die Zeichnungen mit Dirty Diana, weil die grellen Bildgeschichten über die Abenteuer in meiner Schmuddel-Kooperative Barry entsetzten und Alicia zum Lachen brachten. Beide reagierten mit langen, liebevollen Briefen, und einmal schickte Alicia mir ein Päckchen mit einer auf einen Küchenschwamm geklebten Nachricht – Zweimal blinzeln, wenn ich Hilfe schicken soll.

Dann eines Abends zog ich mir eine Lebensmittelvergiftung zu, wahrscheinlich von dem Fraß in meinem Kellnerinnenjob, und verkroch mich im Erdgeschoss-Bad der Kooperative. In der WG stieg gerade eine Party, und während ich auf dem kalten Fliesenboden lag, mir die langen, dunkelblonden Haare im schweißnassen Gesicht klebten und ich nur noch beten konnte, dass die Kotzerei endlich aufhörte, stiegen die Partygäste ungerührt über mich hinweg, um zu pinkeln. Ich lag zusammengekrümmt neben der Wanne und entdeckte auf die Weise, dass irgendwer die Ränder mit Edding beschmiert hatte. Jemand hatte einen ziemlich gelungenen Bart Simpson mit Skateboard gezeichnet, und jemand anders hatte einen Zweizeiler gedichtet: Hier sitz ich, den Arsch weit offen / kann nicht kacken und bin immer noch rotzebesoffen. Mir zerriss es vor Kopfweh fast den Schädel, und seltsamerweise dachte ich trotzdem: Netter Reim, aber das Versmaß ist daneben. Am nächsten Tag fing ich an, mir was Eigenes zu suchen.

Ich schaute mir fünf Einzimmerwohnungen an, alle waren zugig und rochen schlimm, bis ich zum letzten Angebot auf meiner Liste kam, ein Apartment in einem gedrungenen, grauen Gebäude in einer ruhigen Seitenstraße, mit einer Reihe heiterer, rosa Rosenbüsche vor dem Eingang.

Auf den Stufen vor dem Haus saß ein Typ und schlug nach Mücken. «Ms Reece?» Er faltete die Zeitung, in der er gelesen hatte, zu einem ordentlichen Quadrat zusammen, stand auf und schob es sich in die Hosentasche. Er war irgendwie altbacken gekleidet, trug karierte Kakis und ein mintfarbenes Hemd, aber im Näherkommen stellte ich fest, dass er ungefähr in meinem Alter sein musste. Er hatte dichte, braune Haare, breite Schultern und blaugrüne Augen, die aussahen, wie ich mir einen See im Mittelwesten im Hochsommer vorstelle – keine unruhigen Wellen, nur warmes, glitzerndes Wasser.

Ich entschuldigte mich für mein Zuspätkommen. «Ich hab den falschen Bus erwischt. Zwei Mal, um ehrlich zu sein. Ich bin aus dem falschen Bus ausgestiegen, um den richtigen zu nehmen, und bin wieder im falschen gelandet.» Aufmerksam musterte ich dieses Gesicht mit den freundlichen Augen und stellte mir automatisch vor, wie ich ihn zeichnen würde: Die vollkommen gerade Nase nach unten gerichtet, würde er unter gerunzelten Augenbrauen nach oben schauen, mit einer Sprechblase über dem Kopf: O Gott, wer hat die denn geschickt?

Aber in Wirklichkeit lag auf seinem Gesicht keinerlei Urteil. Ich schob mir die Fransen aus der Stirn und wünschte, ich hätte mir die Haare gewaschen, anstatt sie im Nacken zu einem schludrigen Knoten zusammenzubinden. «Und im dritten Bus war die Klimaanlage kaputt, und obwohl ich endlich im richtigen saß, fühlte es sich an …» Dann kam’s: ein winziges, aber unübersehbares Stirnrunzeln. «Es war der richtige Bus», fasste ich eilig zusammen. «Aber es fühlte sich trotzdem an wie der falsche.»

Er wartete kurz, als wollte er mir Gelegenheit geben, etwas Vernünftiges zu sagen. «Ich bin Oliver Wood. Sind Sie hier, um sich die 4B anzuschauen?»

«Ja, richtig. Ich bin Diana.»

Wir gaben uns die Hand, und ich folgte ihm zum Lift, in dem es so eng war, dass meine Schulter sanft seinen Bizeps berührte und ich sein leichtes, frisches Aftershave roch. Sobald die Tür zuglitt, beugte er sich vor und drückte drei Mal auf den Knopf für den vierten Stock. Nichts passierte. Wir warteten schweigend, dann probierte er es wieder. Immer noch nichts. Er wirkte komplett ratlos, also sprang ich ein paar Mal in die Luft, und der Lift erwachte zum Leben.

«Danke.» Er räusperte sich. «Leben Sie schon lange in Dallas?»

«Nein, eigentlich nicht. Ungefähr ein Jahr.»

«Studieren Sie?»

«Nein. Ich zeichne.» Weil es im Lift stickig und zu still war, fügte ich hinzu: «Ich habe gerade ein Buch veröffentlicht.»

«Wirklich?» Er sah aus, als würde er sich aufrichtig für mich freuen. «Das muss ich mir kaufen.»

«Ist nicht ganz so leicht zu finden. Es ist bei einem winzigen lokalen Verlag erschienen.»

«Ach so.» Seine Enttäuschung überraschte mich.

«Ich könnte Ihnen ja ein Exemplar schicken.»

Das Buch war überhaupt der Grund, dass ich in Texas gelandet war, nachdem eine Lektorin von meiner Arbeit so angetan gewesen war, dass sie mir sogar einen Platz zum Wohnen in der Kooperative besorgt hatte. Ich stellte mir vor, was passieren würde, wenn ich jetzt hier, in diesem winzigen Aufzug, mein Buch aus der Tasche holen würde und mir zusammen mit diesem höflichen Fremden meine Bilder anschaute, Gemälde von Frauen in verschiedenen Stadien sexuellen Verlangens, eingerahmt von den Gesprächen, die ich mit ihnen über ihre Sehnsüchte geführt hatte.

«Meine Tante malt auch», unterbrach Oliver meine Gedanken.

«Wie schön.»

«Hauptsächlich Porträts. Von ihren Hunden.» Er senkte die Stimme, als könnte die Tante jeden Moment auftauchen. «Die Bilder sind ein bisschen beängstigend. Aber wenn ich es mir recht überlege, sind die Hunde auch ziemlich beängstigend. Kann sein, dass sie doch mehr Talent hat, als ich dachte.»

«Kann sein.» Ich lächelte und konnte spüren, wie sich neben mir seine Schultern entspannten.

Oliver ging voraus zur Wohnungstür, zog einen riesigen Schlüsselbund aus seiner Umhängetasche und probierte einen nach dem anderen aus. Er bekam rote Ohren. Irgendwann war ein Klicken zu hören, und er stöhnte auf. «Sicherheitsstufe eins, oder was? Hier kommt nicht mal der Vermieter rein.»

Es gab nicht viel zu sehen. Ein quadratischer Raum mit zwei kleinen Fenstern, von denen eins auf den Parkplatz und eins auf die Rosen rausging. Eine schmale Küchenzeile mit kleinem Kühlschrank, Elektroherd und Spüle. Oliver warf einen Blick auf sein Formular und sagte: «Alle Geräte neu!» Dann öffnete er den Kühlschrank und entdeckte eine halb volle Flasche Ketchup, ein Glas Mayonnaise und ein Coors Light. «Und was für nette Gratisgaben.»

Ich lachte, und er wirkte erleichtert. «Ich würde Sie ja gerne herumführen, aber im Grunde reicht es, wenn Sie sich einmal um die eigene Achse drehen», sagte er. «Ich meine, das muss nicht unbedingt schlecht sein. Man hat weniger zu putzen, oder?»

Ich musste an die Edding-Dichtkunst und den versifften Badezimmerboden in der Kooperative denken. «Es gefällt mir.»

«Die Kosten für Wasser und Müllabfuhr sind inbegriffen. Ist ein Bad mit Wanne das Richtige für Sie?»

«Ja.»

«Gut. Mag ich auch.» Schwungvoll öffnete er die Tür gegenüber von uns und wurde blass. Das Bad war so klein, dass kaum ein Klo reinpasste, von einer Badewanne ganz zu schweigen. «Ich bin echt schlecht in so was.»

«Das ist ehrlich gesagt die netteste Wohnung, die ich heute zu sehen bekommen habe», beeilte ich mich zu sagen.

«Ja. Aber Sie haben eine Wanne verdient.» Die Intimität dieses Moments brachte uns beide aus dem Konzept. Oliver wurde rot.

«Die Küche ist definitiv die schönste, die ich heute gesehen habe.»

«Kochen Sie?»

«Nein.» Weil ich den Eindruck hatte, dass wir beide nicht wollten, dass die Besichtigung schon zu Ende war, machte ich den Kühlschrank auf und holte das Bier raus. «Ich mag die Gratisgaben.»

Oliver lächelte wieder, nahm mir die Flasche ab und öffnete sie mit einem der vielen Schlüssel an seinem Ring. Das Bier war kalt und köstlich, und ich bot ihm einen Schluck an. «Ich würde Ihnen ja gern ein Glas geben, aber …» Ich deutete auf die leere Küchenzeile. «Wir könnten uns auf meine imaginäre Couch setzen?»

Er sah mich an und wägte meine Einladung ab, und währenddessen stellte ich mir vor, wie über unseren Köpfen der Manga-mäßige Soundeffekt für beredte Stille erschien. Oliver schwenkte die Bierflasche in der Hand. Dann zeigte er zu der Wand rüber, wo eine Couch stehen könnte. «Ich hätte ja nicht gedacht, dass du dich für kirschrotes Leder entscheidest, aber sieht gut aus.»

Ich lachte. «Passt zu den Makramee-Untersetzern, die du für mich gebastelt hast.»

Wir hockten uns auf den Boden und ließen die Flasche hin und her gehen. Unter dem Fenster, das nach Westen rausging, verschwand der letzte Rest orangefarbenes Sonnenlicht, aber keiner von uns stand auf, um das Licht anzumachen, und im Zimmer wurde es dämmrig.

Ich streichelte mit den Fingern über die Auslegware. «Man sieht, dass die frisch gereinigt ist. Danke.»

Er sah mich ernst an. «Ich muss dir was sagen. Ich bin nicht der Makler. Das Haus gehört meinen Eltern. Connie, die Frau, die normalerweise die Wohnungsbesichtigungen macht, musste ihr Kind abholen, also bin ich eingesprungen.»

Ich war froh, dass wir beide was zu gestehen hatten. «Ich muss dir auch was sagen. Ich kann mir die Wohnung eigentlich nicht leisten. Ich hab genug für die erste Monatsmiete und die Kaution. Aber eine Miete im Voraus, so viel hab ich nicht.» Ich lehnte den Kopf gegen die Wand. «Und meine Kreditwürdigkeit ist grauenhaft.»

Während ich redete, huschte sein Blick zwischen meinen Augen und meinem Mund hin und her. «Hast du einen Job? Ich meine, außer Malen?»

«Ich bin Kellnerin. Bei Momo’s.»

«In diesem Dreißigerjahre-Gangster-Schuppen? Der Laden, wo die Kellnerinnen ‹Vergisses› sagen müssen, sobald man sich für irgendwas bedankt?»

«Erwischt.» Ich hob beide Hände. «Bist du schon mal da gewesen?»

Er schüttelte den Kopf. «Hab’s nur im Fernsehen gesehen. Der Besitzer ist ein Sexualstraftäter?»

«Mhm.» Ich dachte darüber nach. «Klingt logisch.»

«Tja.» Oliver senkte den Blick. «Das heißt, ab jetzt werde ich meine Freizeit damit verbringen, dir einen neuen Job zu suchen.»

«Danke sehr.»

Er beugte sich zu mir und versetzte mir mit der Schulter einen sanften Stoß. «Vergisses.»

 

Als wir acht Jahre später in unserer alten Nachbarschaft in Dallas in dieses Haus zogen, war ich schon mit Emmy schwanger. Wir verbrachten die ersten Monate damit, uns auf das Baby vorzubereiten, suchten Wandfarben aus und zerbrachen uns über IKEA-Anleitungen für ihre Kinderzimmermöbel den Kopf. Oliver, der in der Lage war, wunderschöne Holzmöbel zu schreinern, verwirrten die Aufbauanleitungen ebenso wie mich. «Da kann doch was nicht stimmen», sagte er und drehte das Blatt in den Händen. «Da fehlt doch was.»

Dann kam Emmy, und mit ihr kamen schlaflose Nächte und Anfälle niederschmetternder Ängstlichkeit, eingeklemmt zwischen Momenten reiner Freude und himmelhohen Wäschebergen.

Inzwischen ist Emmy sechs, und dieses Zimmer ist vollgestopft mit Plastikkisten voller Kinderspielzeug, für das sie inzwischen zu groß ist, Anziehsachen, die ihr zu klein geworden sind, und einer riesigen Sammlung Madame-Alexander-Puppen, von denen Emmy Albträume bekommt, was Oliver sich seiner Mutter aber nicht zu sagen traut. Wir schwören einander immer und immer wieder, dass wir die Kisten nächstesWochenende wirklich endlich wegfahren werden. Wenn wir abends fix und fertig ins Bett fallen, und einer von uns hat Durst, ist aber zu faul, noch mal aufzustehen, sagen wir: «Wenn du mir ein Glas Wasser holst, bringe ich morgen die Kisten weg. Versprochen.»

Was in den Kisten allerdings nicht zu finden ist, ist auch nur ein einziger Bogen Geschenkpapier. Ich kämpfe mich zwischen zwei Türmen mit Plastikboxen hindurch, um an den Schrank hinten an der Wand ranzukommen, schalte die Deckenbeleuchtung an und schaue hinein, stoße auf zusätzliche Bettdecken, ein zusammengeknautschtes Gästebett zum Aufblasen und einen alten Angelkasten voller Pinsel. An der Rückwand lehnen ein Bild, das Lupinen zeigt, und eine Strandszene, beide von mir vor Jahren im Zuge eines Abendkurses gemalt.

Ich dringe noch tiefer in die Innereien des Schranks vor. Hinter der Angelkiste entdecke ich einen ramponierten roten Schuhkarton. Ich hatte völlig vergessen, dass ich den noch habe. Er ist mit Klebeband umwickelt. Ich krame ein bisschen herum, finde einen Spachtel und schlitze es auf. In dem Karton liegt ein alter Minikassettenrekorder und daneben zwei Reihen mit Minikassetten. Jede Kassette ist mit einem Vornamen beschriftet. Jess, Claudia, Brynn, Theresa und so weiter. Mir fährt ein Schauer über den Nacken, als ich mit dem Zeigefinger drüberfahre. Unter der Schuhschachtel entdecke ich eine alte Zeichenmappe mit Skizzen, alles Porträts der Frauen auf den Bändern, aus denen eigentlich irgendwann ein zweites Buch hatte entstehen sollen. Die Skizzen sind hastig hingeworfen, mit dickem Kohlestift – das Profil einer Frau, die zum Fenster rausschaut, eine andere, die zurückgelehnt auf einem Stuhl sitzt, die Hand locker im Nacken.

Als ich nach Dallas kam, nahm mich die Lektorin, mit der ich an meinem ersten Buch gearbeitet hatte, abends oft mit zum Poolbillard, um zu spielen und sich zu betrinken. Dann pries sie mir mit schweren Augenlidern mein eigenes Buch an, als hätte ich noch nie was davon gehört. «Die perfekte Verbindung von Journalismus und Kunst», schwärmte sie dann, und ich nickte eifrig, weil ich nicht wusste, was ich sagen sollte.

Ein paar Wochen nachdem das Buch erschienen war, zog die Frau nach Michigan, und damit war unsere Zusammenarbeit beendet. Ihr Assistent, ein junger Typ mit leiser Stimme, übernahm ihre Stelle, aber er war schüchtern und unsicher und wollte sich nie mit mir treffen. Ich schickte ihm Entwürfe für ein zweites Buch, woraufhin er meinte, die Bilder wären zwar schön, aber zu weich. «Versuch, den Kern zu finden. Ihn richtig freizulegen, weißt du, was ich meine?» An dem Tag, als Oliver mir die Wohnung zeigte, hatte ich bereits mehrere Monate lang nach diesem Kern gegraben.

Jetzt hole ich den Schuhkarton aus dem Schrank und setze mich zwischen zwei riesigen Plastikkisten auf den Fußboden. Der Platz reicht, um die Beine auszustrecken, und ist gleichzeitig eng genug, um mich geschützt und verborgen zu fühlen. Ich fahre mit dem Zeigefinger über die Kassetten, all die Gespräche, die ich schließlich weggeräumt und mit denen ich mich nie wieder beschäftigt habe.

Ich nehme eine Kassette, die mit Jess beschriftet ist, aus der Hülle und lege sie in den Rekorder. Ich drücke auf Play, und schon erklingt ihre Stimme.

Er war groß. Und ich meine, darauf beruhte sein Selbstbewusstsein. Das war alles. Dass er groß war. Ist das zu glauben? Frauen müssen sich ständig irgendwie geißeln, um sich wenigstens ein bisschen gut zu fühlen, und der? Alles, was der brauchte, war eine gewisse Körpergröße und breite Schultern, und wir Mädels alle so: «Ja, klar, klar würd ich mit dem in die Kiste steigen.»

Aber weißt du, wenn ich ganz ehrlich bin, ich dachte nicht wirklich, dass ich’s tun würde. Sex mit dem Barkeeper, also echt. Ich hatte noch nie einen One-Night-Stand. Aber na ja, ich war frisch getrennt – okay, frisch sitzen gelassen –, servierte Cocktails in einer seltsamen Stadt und gab mich nassforsch. In der Bar fiel es mir leicht, selbstbewusst zu sein, weil es dort immer gesteckt voll war und alle ständig verzweifelt was zu trinken bestellen wollten. Obwohl wir also die Gäste bedienten, hatten wir gleichzeitig voll die Macht. Man konnte einen miesen Gast einfach den ganzen Abend ignorieren, und die anderen Mädels brachte man dazu, ihn ebenfalls links liegen zu lassen. Jedenfalls flirtete dieser Barkeeper mit jeder einzelnen Kellnerin, die dort arbeitete. Er hätte mit jeder von uns Sex haben können, sogar mit der Geschäftsführerin, und die war in festen Händen. Während ich Tablett für Tablett schleppte, dachte ich den ganzen Abend, ja, ich will mit jemandem ins Bett, den ich nicht kenne, mit jemandem, dessen Körper eine absolute Überraschung ist und bei dem ich weder weiß, wie es sich anfühlen wird, wenn er mich anfasst, noch, was als Nächstes passiert.

Wenn ich ihm meine Bestellungen brachte, schrieb ich Wodka Lemon. Scotch auf Eis. Lass uns abhauen auf den Block.

So ging es den ganzen Abend zwischen uns hin und her. Und meine Nachrichten wurden jedes Mal herausfordernder. Martini Twist. Wie ist deine Wohnung? Zeigst du sie mir?

Oder zwei Stella. Margarita auf Eis. Sex on the Beach. Lauter albernes Zeug, verstehst du? Aber wir hatten unseren Spaß.

Und dann war es plötzlich zwei Uhr morgens, die Schicht war vorbei und die Musik zu Ende. Die grellen Deckenlampen gingen an, und ich war mir sicher, dass damit die Flirterei vorbei war. Doch beim Putzen spürte ich seine Blicke auf mir. Seine blauen Augen funkelten mich weiter an, auch im Neonlicht. Als ich mit der Trinkgeldabrechnung fertig war, spürte ich plötzlich seine Hand auf meinem Rücken. Die Berührung ging mir durch und durch, und da war mir klar, dass es wirklich passieren würde.

Ich drehte mich zu ihm um, er nahm meine Hand und zog mich raus auf die Straße. Es regnete, aber wir erwischten ein Taxi. Vielleicht sollte es tatsächlich so sein. Wir stolperten quasi auf die Rückbank, und meine Hände waren in der Dunkelheit sofort an seiner Hose und seine an meiner Bluse … ich erinnere mich zwar nicht mehr an seinen Namen – echt nicht –, aber an seine Hände auf meinen Brüsten erinnere ich mich noch. Sie waren kalt, doch es fühlte sich trotzdem gut an, als würde mein ganzer Körper davon erwachen. Ich hätte mich am liebsten auf der Stelle nackt ausgezogen, um mich ihm zu zeigen. Damit er mich überall anfassen konnte. Damit ich sehen konnte, wie er mich fand. Ich wollte, dass er mich überall berührt …

«Diana?» Draußen auf dem Flur ruft Oliver nach mir, und ich schrecke hoch. Hektisch drücke ich auf die Stopp-Taste und schiebe mir den Minirekorder in die Hosentasche. Schnell mache ich den Schuhkarton wieder zu und vergrabe ihn ganz unten in einer Kiste Babysachen.

Oliver taucht im Türrahmen auf. «Hast du Geschenkpapier gefunden?»

«Nein.» Ich schüttle den Kopf. «Ich bringe von unterwegs was mit.»

Er reicht mir einen Thermobecher Kaffee und legt mir den Arm um die Hüfte.

«Danke.»

«Gerne.»

Er schnuppert an meinem Hals. «Du riechst gut.»

Ich spüre, wie in mir alles dichtmacht, anstatt zu entspannen.

Er zieht mich näher an sich und schaut zur Kinderzimmertür. «Emmy schläft immer noch tief und fest.»

Ich scanne Stück für Stück meinen Körper und flehe das richtige Gefühl herbei – aber das Verlangen, seine Zuneigung zu erwidern, scheint sich eben gerade außer Reichweite zu verstecken. Lächelnd mache ich mich los.

«Was?», fragt er.

«Was meinst du?»

«Du schaust so komisch. Du glotzt mich regelrecht an.»

«Stimmt doch gar nicht.» Aber es stimmt. Ich glotze das Nasenhaar an, das sich aus seinem linken Nasenloch rauskringelt. Konzentrier dich nicht auf das Haar. Konzentrier dich auf seine wundervollen Augen. Den Kaffeebecher, die Hände, den Dampf.

Oliver wischt sich übers Kinn, als hätte er womöglich Essensreste im Gesicht.

«Du hast da … ein Haar.» Ich deute auf sein Nasenloch. «Da.»

«Scheiße!» Er lacht. «Ich werde wie mein Vater. Ich versuch’s mit dem Trimmer, den du mir geschenkt hast. Versprochen.» Er fasst sich mit einem Finger an die Nase und versucht, das Haar zurückzuschieben.«Besser?»

Draußen hupt es dreimal kurz. Das ist L’Wren.

«Ich wünschte, ich müsste nicht los.» Mit einem Kuss auf die Wange wende ich mich von ihm ab.

Er lässt den Blick über die vielen Kisten schweifen.

«Nächstes Wochenende?», frage ich lächelnd.

«Okay.»

Kapitel 2

Ich weiß wirklich nicht, was armseliger ist, ein Siebenundfünfzigjähriger, der so tut, als wäre er Mitte zwanzig, oder ein Vierundzwanzigjähriger, der immer noch zu Hause wohnt.» L’Wren seufzt und schert auf den Highway ein. Gleichzeitig Reden und Fahren ist nicht ihre Stärke. Ich klammere mich an den beigen Ledersitz.

«Das ist meine Familie, aber die kommen mir alle vor wie Mitbewohner», sagt sie. «Halston genauso. Mein kleines Mädchen ist sechs und führt sich auf wie eine Sechzehnjährige. Sie bittet mich ständig, Harry Styles, oben ohne zu googeln.»

«L’Wren! Hör endlich auf, ich darf nicht lachen!», ruft Jenna von der Rückbank. «Ich versau mir meine Filler!» Sie drückt sich die Handflächen gegen die Wangen.

L’Wren beäugt Jenna im Rückspiegel. Die beiden sind seit der Highschool befreundet, und unsere Töchter sind alle im selben Alter. «Wer sagt denn, dass man nach ’ner Botox-Spritze nicht lachen darf?»

«Das ist kein Botox. Das ist Filler. Die Dermatologin hat gesagt, kein Sport und keine starken Grimassen in den nächsten vierundzwanzig Stunden, weil es sonst verrutschen kann.»

«Himmel! Wo bist du denn gewesen? Im Drive-Through bei Walmart auf dem Parkplatz?»

«Stopp! Aufhören! Sofort.» Jenna prustet durch geschlossene Lippen. «Bei Dr. Laredo. Sie hat Raleigh die Lippen gemacht, die dir so gefallen.»

Raleighs Name bringt uns zum Verstummen. Nur das Surren der Klimaanlage ist zu hören, während wir über den Highway preschen. Wir sind auf dem Weg zu unserer alljährlichen Einkaufstour auf einem riesigen Antiquitätenmarkt südlich von Dallas. Zum ersten Mal waren wir vor fünf Jahren gemeinsam in Roundtop, nachdem wir uns beim Samstagvormittags-Babyturnen kennengelernt hatten. L’Wren überraschte Jenna und mich mit einem Babysitter und schlug vor, den Kurs sausen zu lassen und stattdessen einen kleinen Ausflug zu unternehmen.

Jenna räuspert sich. Sie streckt ihren blonden Lockenkopf zwischen uns nach vorn. «Das mit deinen Mitbewohnern könnte wesentlich schlimmer sein. Wenigstens hast du mit Liam deinen hauseigenen Babysitter, oder? Der ist dir sicher ’ne Riesenstütze.» Liam ist L’Wrens dauerbekiffter Stiefsohn und zählt eher als freundliche Präsenz denn als Hilfe. «Und wenigstens hat dein Ehemann noch seine Haare auf dem Kopf.»

«Ach, wie niedlich! Glaubst du das wirklich?», fragt L’Wren. «Muss ich dich an letzten Sommer erinnern? Stichwort Hair Plugs?»

Ich unterdrücke ein Lachen.

«Diana, du musst dich nicht fürs Lachen schämen.» L’Wren wendet sich mir zu und lässt dabei die Straße völlig aus den Augen. «Stimmt. Er kann nichts dafür, dass er seine Haare verliert. Aber niemand hat ihn gezwungen, deshalb nur noch mit Baskenmütze rumzulaufen.»

«Oooh!», macht Jenna, die ab und zu ein bisschen auf dem Schlauch steht. «Ich dachte, er macht so was wie ’ne französische Midlife-Crisis durch.»

«Was zum Teufel ist denn bitte eine französische Midlife-Crisis?», fragt L’Wren.

Letzten Sommer trug L’Wrens Mann Kevin unablässig irgendeine Kopfbedeckung. Oliver und ich hatten mit eigenen Augen gesehen, wie Kev auf seiner Poolparty zum Memorial Day mit Jagdkappe unter der Außendusche stand.

«Aber es hat funktioniert», sagt L’Wren zärtlich. «Ach ja, der Ärmste. Ich weiß noch, wie er ständig die vielen kleinen Pflaster auf den vielen kleinen Follikeln wechseln musste.»

Ich klappe die Sonnenblende runter und betrachte mein Gesicht in der Morgensonne, mustere prüfend die Haut unterhalb der Kieferpartie, ein Bereich, dem ich noch nie besonders viel Aufmerksamkeit geschenkt habe. Unter meinen braunen Augen sind Schatten, aber meine Haare sehen phänomenal aus und umschmeicheln in langen, glänzenden Wellen mein Gesicht. Ich ziehe mit den Daumen die Wangen bis zu den Ohren straff und stelle mir vor, eine weichere Version von mir zu zeichnen, mit glatter Stirn und zwei frisch aufgeblasenen Apfelbäckchen. Ich ziehe die Nase kraus, grinse mein albernes Spiegelbild an und lasse schnell die Hände sinken. Aber nicht schnell genug. Jenna hat mich gesehen. Ich tue so, als würde ich den Lippenstift kontrollieren, und betupfe mir mit dem Zeigefinger den Mund.

«Und jetzt hoffen und beten wir, dass Liam sich endlich die Haare schneiden lässt», sagt L’Wren.

Ich klappe den Spiegel zu. «Wen interessiert denn, wie lang Liams Haare sind?»

«Ich glaube, seine Frisur ist der Grund, weshalb er gefeuert wurde.»

«Wer wurde gefeuert?», will Jenna wissen.

«Liam», sagt L’Wren. «Ehrlich, ich wusste nicht, dass man aus einem Praktikum überhaupt rausgeschmissen werden kann. Muss man nicht irgendwas verdienen, um gefeuert zu werden?»

Ich weiß zufällig, dass Liam nicht gefeuert wurde. Er ist einfach nicht mehr hingegangen. Aber ich sage nichts. Ich rutsche auf dem Ledersitz hin und her und merke plötzlich, dass der Minirekorder immer noch in meiner Hosentasche steckt. Unauffällig ziehe ich das Gerät heraus und lasse es in meiner Handtasche verschwinden, während L’Wren weiter vor sich hin mault.

«Ich dachte: Super, ist eine Werbeagentur, sehr gut, vielleicht macht ihm das ja Spaß. Aber er war dort todunglücklich. Na ja, Herrgott, wir haben alle unsere Jobs irgendwann mal gehasst, oder? Haben wir sie deshalb verloren? Nein.»

Als Liam vor einem Jahr bei ihnen einzog, reagierte L’Wren für eine Frau, die die Angewohnheit hat, Streuner zu sammeln – Katzen, Kaninchen, Eidechsen –, erstaunlich irritiert. Doch dann entwickelte sie schnell eine tiefe Zuneigung zu ihm. Sie wird nicht aus ihm schlau, aber sie ist offensichtlich fest entschlossen, das Rätsel Liam zu lösen.

Sie seufzt laut. «Ich will ja, dass er Künstler wird, falls er das möchte. Aber wenn schon Künstler, dann bitte einer mit Ambitionen. Wisst ihr, was ich meine?»

Plötzlich werden wir von einem roten Maserati geschnitten, und L’Wren drückt auf die Hupe, ohne den Fuß vom Gas zu nehmen. «Vielleicht rasiere ich ihm einfach den Schädel, während er schläft …»

Die Landschaft zieht an uns vorbei. Sanfte, von Lupinen durchzogene, weich wogende Sonnenblumenfelder. Das Gespräch meiner Freundinnen tritt in den Hintergrund. Ich bin in Gedanken bei den alten Leinwänden, die ich vorhin im Schrank gefunden habe. Die armseligen Lupinen, die ich versucht hatte zu malen, sahen aus, als hätte jemand darauf herumgekaut. Ich denke an die Schuhschachtel voller Kassetten und die Skizzen, die ich gefunden habe. Ich weiß nicht, ob ich diese Bilder jemals irgendwem gezeigt habe. Wahrscheinlich kennt nicht mal Alicia sie. Eine Zeitlang hatten Barry und sie mich bei jedem Telefonat gefragt, was das neue Buch mache. Aber irgendwann war es selbst bei den beiden in Vergessenheit geraten.

Wie durch Gedankenübertragung klingelt in dem Augenblick mein Telefon, und Alicia ruft an. Ich drücke sie weg und schicke ihr eine kurze Nachricht.

Ruf dich heute Abend an!

Ich frage mich, ob ich ihr dann eine der Kassetten vorspielen soll. Oder ich schicke ihr spaßeshalber einfach eine zu, als Überraschung.

«Und wie ist das bei dir, Diana?», will L’Wren wissen.

«Wie bitte?»

«Wie oft ihr Sex habt, Oliver und du. Meine Mutter hat angerufen, um mir von einem Interview mit Madonna zu erzählen, das sie gelesen hat. Madonna sagt, der Schlüssel zu einer gesunden Ehe sei drei Mal wöchentlich Sex.»

«Mit dem Ehemann?», frage ich.

«Diana!», ruft Jenna gespielt empört.

«Nein … Ich meine, ist Madonna überhaupt so was wie verheiratet?»

«Lenk nicht ab», sagt L’Wren. «Also. Wie oft?»

«Hm.» Ich denke nach. Bei der Erinnerung an das letzte Mal, als Oliver und ich Sex hatten, läuft es mir heiß den Rücken runter. Ein Abend zu zweit. Es war ungewöhnlich warm gewesen, wir waren bei Delmonico’s, hatten an einem Tisch im Freien gesessen und schnell bereut, dass wir bei der Hitze versuchten, Pasta zu essen. Wir schoben die Nudeln auf dem Teller hin und her, tranken zu viel Weißwein und hantierten ungeschickt mit den Scheinen, als es an der Zeit war, die Babysitterin zu bezahlen. Oben im Schlafzimmer schälten wir uns aus unseren Klamotten und hatten schnellen, verschwitzten Sex. Obwohl Oliver sich in mir angefühlt hatte wie sonst auch, hatte ich das Bedürfnis, es hinter mich zu bringen. «Ich will, dass du kommst», flüsterte ich ihm ins Ohr. «Sofort?», fragte er. «Einfach so?» – «Ja, einfach so.»

«Jenna …?» L’Wren tippt meinen Oberschenkel an und nickt mit dem Kinn in Richtung Jenna. «Bitte sag Diana, wie oft ihr es macht, Charlie und du.»

Jenna zählt die Tage an einer Hand ab und lässt die fliederfarbenen Ränder ihrer French Nails aufblitzen. «Viermal die Woche, außer jemand ist krank. Montags, mittwochs und freitags Sex und samstags ein Handjob, weil ich fix und alle bin.»

«Wow!», sage ich. «Vier Mal.»

«Du weißt aber schon, dass dicke Eier kein Thema mehr sind, Jenna? Kein Mann in seinen Fünfzigern muss so oft abspritzen», sagt L’Wren.

«Also erstens ist Charlie vierzig. Außerdem ist es wie Sport. Da hast du auch nicht immer Bock drauf, aber du machst es trotzdem und bist hinterher froh darüber. Und Charlie ist viel erträglicher, wenn er Sex hatte. Es ist wie einen Welpen müde spielen.»

«Ha!» L’Wren lacht. «Netter Vergleich.»