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Das erste Buch über Dithmarschen im Mittelalter aus der Feder eines amerikanischen Wissenschaftlers liegt jetzt in deutscher Übersetzung vor. Der Autor geht der interessanten Fragestellung nach, aus welchen Gründen die Dithmarscher jahrhundertelang der Fürstenherrschaft widerstehen konnten, während dies anderen bäuerlichen Gesellschaften nicht gelang.
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Seitenzahl: 360
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William Lawrence Urban studierte von 1957 bis 1964 Geschichte an der Universität von Texas Austin und von 1964 bis 1965 an der Universität in Hamburg. Von 1978 bis 2016 war er Professor am Monmouth College in Monmouth, Illinois. In seinem Vorwort beschreibt er, wie es zu diesem Buch gekommen ist.
Ein deutscher Freund des Autors dünnte 2020 seine Bibliothek aus und schickte sein Exemplar des Originals dieses bereits 1991 erschienenen Buches an die Gesellschaft für Friedrichstädter Stadtgeschichte. Dort konnte man damit naturgemäß nicht so recht etwas anfangen und übermittelte es dem Verein für Dithmarscher Landeskunde.
Nach Kenntnis des Vorstands handelt es um das einzige Buch über Dithmarschen aus der Feder eines amerikanischen Historikers, überdies verbunden mit der interessanten Fragestellung, aus welchen Gründen das dithmarscher Gemeinwesen seine Unabhängigkeit von Fürstenherrschaft über Jahrhunderte behaupten konnte, während ähnliche Versuche anderer bäuerlicher Gesellschaften scheiterten. In Deutschland dürfte das Buch allerdings nur wenigen Fachwissenschaftlern bekannt sein; so wies Prof. Dr. Reimer Hansen in seinem in der Zeitschrift Dithmarschen erschienenen Aufsatz „Dithmarschen 1500-1559 – Zankapfel und Unruheherd in Nordmitteleuropa“ (ZD 2001, S. 30 ff.) in einer Anmerkung auf Urbans Werk hin, auch Prof. Dr. Walther Lammers dürfte es bekannt gewesen sein.
Der Vorstand entschied sich dafür, das Buch nach einer Übertragung ins Deutsche einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen, anstatt es nur in das Vereinsarchiv einzustellen. Eine IT-affine Studentin scannte das Buch ein und stellte mittels einer durch Algorithmen gesteuerten Software eine Rohübersetzung her. Diese habe ich dann in einem ersten Schritt bei Beibehaltung des Duktus sprachlich bereinigt und geglättet, anschließend inhaltliche Ungereimtheiten zunächst mit Jürgen Christiansen, einem ausgewiesenen Kenner der dithmarscher Geschichte, diskutiert und mich alsdann darüber per Email mit dem Autor ausgetauscht.
Prof. Urban hat die seitengenaue Übertragung durchgesehen, einige Passagen leicht überarbeitet und sie in der vorliegenden Form genehmigt. Mit der Veröffentlichung der deutschen Übertragung des Buches ist keine Wertung verbunden; dies bleibt der Wissenschaft überlassen. Auf die nachstehende fachliche Einordnung von Alexander Eggert wird verwiesen.
Der amerikanischen Originalausgabe hat der Autor eine Reihe von Fotos beigegeben, die er im Rahmen seiner Recherchen in Dithmarschen aufgenommen hat. Auf die Wiedergabe wurde verzichtet, da die Vorlagen nicht mehr zur Verfügung stehen und sie im Übrigen keine entscheidende Erläuterung und Ergänzung des Textes darstellen.
Bei der Übertragung haben mich eine ganze Reihe von Personen unterstützt. Ganz besonders danken möchte ich Frau Tabea Christiansen für die Mühe bei der Herstellung der Rohübersetzung, Herrn Jürgen Christiansen für die vielen Abende fruchtbarer Diskussionen und das abschließende gemeinsame Korrekturlesen sowie Frau Katja Thode für die technische Hilfestellung, insbesondere bei der Übertragung der handschriftlichen Korrekturen in das Manuskript.
Dr. Henning Ibs
William L. Urban, emeritierter Professor für Geschichte und International Studies am Monmouth College/Illinois, beschäftigte sich in Forschung und Lehre schwerpunktmäßig mit den Kreuzzügen in Osteuropa und gilt in den USA als Experte für die europäische Kriegsgeschichte. Seine Veröffentlichungen zum Deutschen Orden (Teutonic Knights), den Baltischen Kreuzzügen (im Besonderen die Lithuanian Crusades) und dem Söldnerwesen im Mittelalter und der Frühen Neuzeit zählen im angloamerikanischen Raum zu den bekannten und gut rezipierten, weil Überblick gebenden Werken der jeweiligen Thematik.
Die von Urban bearbeiteten Themengebiete sind in der englischsprachigen Geschichtswissenschaft als »special interest«, vor dreißig bis vierzig Jahren vielleicht sogar als akademisch nahezu unbesetzt zu bezeichnen. Dies trifft auf „Dithmarschen. A Medieval Peasant Republic“ noch viel mehr zu.
Um einer US-amerikanischen Leserschaft diesen Teil der Geschichte des europäischen Mittelalters zugänglich zu machen, bevorzugt Urban einen populärwissenschaftlichen Stil. Der Terminus „populärwissenschaftlich“ ist dabei keineswegs pejorativ zu verstehen, denn Urban sagt von sich selbst: „Ich schreibe auch gerne für Nichtfachleute, das heißt, ich erzähle die Geschichte so gut wie möglich.“
Im vorliegenden Buch unternimmt Urban (für einen größeren Adressatenkreis als die Fachöffentlichkeit) einen geschichtlichen Abriss vom 8. Jahrhundert bis zur „Letzten Fehde“ 1559 und erzählt dabei – mit merklicher Begeisterung des Forschers für sein Feld – fast anekdotisch von den Kampfhandlungen und Beschreibungen der Dithmarscher und des Landes. Die eigentliche Fragestellung, warum es gerade den Dithmarschern über Jahrhunderte hinweg gelang, sich gegen eine Fürstenherrschaft zu verteidigen, tritt dabei etwas zurück, ist vielmehr Anlass für das Erzählen.
Das Ergebnis seiner Analyse, dass es im Vergleich zu anderen bäuerlichen Gemeinschaften bzw. Kulturregionen vor allem an der vorteilhaften geografischen und politischen Lage auszumachen ist, dürfte dem hiesigen Regionalhistoriker und vorgebildeten Leser des übersetzten Textes wohl kaum Erkenntnisgewinn bereiten. Hinzu kommt, dass nur wenige Fußnoten und Quellenangaben gemacht werden; auch eine Quellenkritik und Einordnung der verwendeten Sekundärliteratur in ihren zeitlichen und ideengeschichtlichen Entstehungskontext erfolgt nicht.
Dies hat jedoch seine Gründe: Urban verfolgt (die methodischen Herangehensweisen der Annales-Schule aufgreifend) unter Heranziehung der Struktur- und Mentalitätsgeschichte eine Annäherung an den Untersuchungsgegenstand, indem er den Einfluss von Klima und Landschaftsformen auf Mensch und Gesellschaft anstelle der „politischen Geschichte“ zu fassen sucht. Dies geschieht mit einem Fokus auf Fragen statt auf Quellen, um die Umweltfaktoren und die geschilderten historischen überindividuellen Problemlagen als Auslöser für die Handlungen „der Dithmarscher“ herauszuarbeiten – in Kauf nehmend, historische Komplexität deswegen nur verkürzt und vereinfachend darzustellen.
Doch wofür und für wen dann die Übertragung ins Deutsche? Das Verdienst der Transkription ist es zum einen, diesen „Blick von außen“ (der bisweilen an Wilhelm Volkmars „Geschichte des Landes Dithmarschen bis zum Untergange des Freistaates“ von 1851 erinnert) Geschichtsinteressierten zugänglich zu machen. Bei der Übersetzung wurden durch die Herausgeber zudem Unstimmigkeiten im Originaltext behoben, wie es bei Nichtmuttersprachlern, die sich fremdsprachiger Sekundärliteratur bedienen und teils aufgrund der sprachlichen Herausforderung oder der Schwierigkeit der Beschaffung auf Primärquellen verzichten müssen, vorkommen kann. Zum anderen führt die Transkription ein seit langem bestehendes Desiderat vor Augen: Die weitergehende wissenschaftliche Beschäftigung mit den Voraussetzungen und Gründen für die Bewahrung der politischen Unabhängigkeit und Eigenständigkeit Dithmarschens über eine so lange Dauer und der sozialen Konstruktion der Dithmarscher als Gemeinschaft mit einem kollektiven Selbstverständnis als autarke, respektive freie Menschen.
Alexander Eggert
Original: „I also like writing for non-specialists, which means telling the story as well as possible.“ (Quelle: http://www.crusaderstudies.org.uk/resources/historians/profiles/urban/index.html, abgerufen am 12/2022).
Der Freiheit gewidmet
Vorwort
Einleitung
Klima
Die Friesen
Die Sachsen
Teil 1: Die Macht der Geschlechter
Kapitel 1: Dithmarschens Wurzeln
Der Ursprung der Geschlechter
Merkmale der Geschlechter
Nordseeküste
Deichbau
Dithmarscher Geschlechter
Die Geschlechter und die Freiheit
Kapitel 2: Die frühen Jahre
750-1147
Nachwirkungen des Wendenkreuzzuges
Die Grafen von Stade
Dänische Vorherrschaft
Kapitel 3: Der Freistaat
Ehrgeizige Adlige, arrogante Prälaten
Lokale Verwaltung durch Vögte
Geschlechter gegen Vögte
Vertreibung des ministerialen Adels
Lokale Regierung
Verteidigung der Grenze
Zusammenfassung
Kapitel 4: Die Unabhängigkeitskriege
Holstein
Gerhard der Große
Graf Nikolaus
Graf Gerhard VI.
Zusammenfassung
Teil 2: Andere bäuerliche und städtische Staaten
Kapitel 5: Staaten innerhalb des Reiches
Ständische Verwaltung
Das hanseatische Bündnis
Kempten
Die Schweiz
Kapitel 6: Die Nordseestaaten
Die frühe Geschichte
Die Friesen
Von Hadeln bis ins Alte Land
Stedingen
Die Elbmarschen
Eiderstedt
Zusammenfassung
Teil 3: Die Republik
Kapitel 7: Republikanische Institutionen
Fehden unter den Geschlechtern
Entstehung einer Zentralmacht
Lokale Regierung
Die dithmarscher Gesellschaft im 15. Jahrhundert
Kapitel 8: Die Fehde mit Dänemark
König Christian
Der Hadeln-Krieg
Kapitel 9: Die Schlacht bei Hemmingstedt
Kapitel 10: Die Reformation
Dithmarscher Kirchenprobleme
Die Reformation
Staatliche Reformen
Kapitel 11: Die letzte Fehde
Kapitel 12: Retrospektive
Endnoten
Stichwortverzeichnis
Dieses Buch wurde prinzipiell für die breite Öffentlichkeit geschrieben. Für Mediävisten und Historiker der Reformationszeit mag es interessant sein, weil es die einzige Übersicht über die Geschichte Dithmarschens in englischer Sprache ist. Abgesehen von den Fußnoten richtet sich der schmale Band jedoch nicht in erster Linie an ein wissenschaftliches Publikum.
Eine populäre Geschichte des Mittelalters zu schreiben, stellt die Autoren vor ein gewaltiges Problem. Im Gegensatz zur evolutionären, geordneten Entfaltung der antiken oder modernen Geschichte ist die mittelalterliche Ära chaotisch. Von den Blutfehden der Merowinger bis zum Rittertum, von den Feuerstellen der Awaren über die Klöster in Cluny oder Citeaux bis zu den soliden Bürgerhäusern der hanseatischen Kaufleute, vom Heiligen Bonifatius bis zu Johannes Hus, sie alle waren Teil des vielfältigen und bunten Wandteppichs des mittelalterlichen Lebens. Viele Autoren konzentrieren sich auf die Aspekte der jeweiligen Epoche, die am weitesten verbreitet sind und die den größten Einfluss auf die moderne Geschichte als Schlüssel zum Verständnis dieser Welt hatten.
Dies ist der Ansatz der „westlichen Zivilisation“ - man hält sich an die zentralen Themen (in der Regel dem Entstehen von Institutionen und die Handlungen großer Monarchen) und widersteht entschieden der Versuchung, in die lokale Geschichte oder spezielle Studien abzuschweifen. Ihre leichte Verständlichkeit ist der Vorzug dieser Methode, ihr Nachteil, dass sie in die Irre führt. Die Vereinfachung der Komplexität des mittelalterlichen Lebens impliziert, dass der Stereotyp die allgemeingültige Praxis war, während der Stereotyp in Wirklichkeit eine Mischung aus gängigen Praktiken ist, die an vielen verschiedenen Orten befolgt wurden, aber vielleicht nie irgendwo in reiner Form zusammen existierten.
Wie funktioniert dieser Ansatz in der Praxis? Selbst Historiker haben es schwer genug, das Mittelalter zu verstehen. Um diese Welt für diejenigen verständlich zu machen, die mit der Epoche nicht vertraut sind, müssen sie eine komplexe Palette ländlicher Lebensformen auf einige wenige Grundformen herunterbrechen: Leibeigene, freie Bauern, Hirten, Vögte, Adlige, Priester, Mönche und so weiter. Damit diese in den verfügbaren Platz eines Lehrbuchs passen, reduzieren Mediävisten diese Gruppen oft auf eine noch einfachere Formel: Adlige, Bauern und Geistliche. Infolgedessen findet die überwiegende Mehrheit der Amerikaner das mittelalterliche Leben nicht nur langweilig, sondern glauben, dass es einheitlich, unveränderlich und rückständig war. Allerdings war es eher Vielfalt als Eintönigkeit, die diese Zeit auszeichnete.1 Europäer begreifen eine bestimmte Gemeinschaft als individuelles Wesen. Sie sind stolz auf die Besonderheiten der Geographie, der Kultur und der Persönlichkeit einer jeden Gemeinschaft. In der Tat ist jede Region einzigartig, aber einige Regionen sind interessanter als andere. Dieses Buch will versuchen, ein einzigartiges bäuerliches Gemeinwesen zu beschreiben und im Lichte ihrer Geschichte einige der Probleme zu untersuchen, mit denen alle bäuerlichen Gemeinwesen im gesamten mittelalterlichen Europa konfrontiert waren.
Dithmarschen war kein gewöhnliches Gemeinwesen. Seine Gesellschaft und ihre Regierungsform widersprachen fast jeder Verallgemeinerung, die in amerikanischen Lehrbüchern über das Mittelalter gemacht wird. In mancher Hinsicht war es sogar ein moderner Staat, besonders in der Bildung von Institutionen zum Deichbau, zur Selbstverteidigung und zur Selbstverwaltung. In anderer Hinsicht war es ziemlich rückständig. Zum Beispiel erlaubten die Dithmarscher bis ins 16. Jahrhundert hinein die Vererbung allein durch die männliche Linie, während die Franken und Burgunder diese Praxis schon tausend Jahre früher aufgegeben hatten.
Nicht jede mittelalterliche Gemeinschaft wich so stark vom normalen Entwicklungsmuster der westlichen Zivilisation ab wie die von Dithmarschen, doch viele wichen deutlich davon ab.
Für Historiker ist eine zu starke Vereinfachung heute weniger ein Problem als noch vor einer Generation, als sich die Schulbücher mehr auf die Politik als auf die Gesellschaft konzentrierten. (Die Annales-Schule hat die Sozialgeschichtsschreibung geprägt.) Trotzdem werden Dithmarschen und die anderen Bauerngemeinden an der Nordsee in den Schulbüchern selten erwähnt. Möglicherweise ist dies eine verdiente Auslassung, denn diese Siedlungen waren im Gesamtschema der europäischen Geschichte nicht besonders wichtig. Mit zwei bemerkenswerten Ausnahmen (die Schlachten von Bornhöved und Hemmingstedt) waren ihre Handlungen nur von lokaler Bedeutung. Selbst Zeitgenossen, die von Dithmarschen gehört hatten, wussten wenig darüber. Dennoch ist Dithmarschen für uns nicht uninteressant. Dort lernten freie Menschen, sich selbst zu regieren, als der Trend in Richtung Adelsherrschaft ging. Als andernorts Bauernmilizen im Kampf nahezu nutzlos waren, verteidigten sich die Dithmarscher erfolgreich. Dieser Umstand wirft Fragen auf: Warum konnte sich Dithmarschen politisch und gesellschaftlich so lange behaupten? Warum ging es als Freistaat schlussendlich unter? Stand das blinde Schicksal allen freien Gemeinschaften entgegen? Gab es für die mittelalterliche Gesellschaft nur eine Zukunft: die großen despotischen Monarchien, die am Ende doch triumphierten?
Der Ursprung dieses Buches
Dieses Buch hat seine Wurzeln im wahrsten Sinne des Wortes an der Universität Hamburg in den Jahren 1964-1965, als ich die pensionierte Lehrerin Maria Krüger kennenlernte. Sie war dithmarscher Abstammung und bewirtete meine Frau und mich oft zum Tee, mit Keksen und Geschichten aus ihrer Heimat. Auf ihre Anregung hin las ich später in der Bibliothek der Universität von Kansas einige Romane mit dithmarscher Bezügen. Von dort aus gelangte ich zu den Werken der seriösen Historiker und stellte fest, dass die Beschreibungen der Schriftsteller über Dithmarschen und seine Menschen keine Übertreibungen waren.
Ich hatte das Glück, die Länder nördlich der Elbe bereisen zu können. Nachdem ich dreimal Deutschland mit dem Fahrrad durchquert hatte, lebte ich fast ein Jahr lang in Hamburg und in der Nachbarstadt Ahrensburg. Das gab mir das notwendige Selbstbewusstsein, um einen sehr groben Entwurf dieses Manuskripts zu schreiben, bevor ich mich der Überarbeitung und Fertigstellung meiner Dissertation zuwandte, die 1975 als The Baltic Crusade erschien. Im gleichen Jahr erhielt ich ein Fulbright-Hayes-Forschungsstipendium für ergänzende Studien am Johann-Gottfried-Herder-Institut und der Philipps-Universität in Marburg/Lahn. Es ergab sich für mich die Gelegenheit, Dithmarschen in diesem Sommer zweimal und 1976 erneut zu besuchen. In den Jahren 1976/77 gewährte mir die University of Chicago ein Teilzeit-Fakultätsstipendium für Recherchen in ihrer Hauptbibliothek, der Regenstein Bibliothek, um mein Manuskript in Diskussion mit Prof. Karl Morrison weiterzuentwickeln. Im Herbst 1982 stellte mir das Monmouth College eine studentische Hilfskraft, Janet Fox, zur Verfügung, die das Manuskript zur Bearbeitung in den Computer tippte. Im Sommer und Herbst 1983 war ich dann mit Hilfe eines Stipendiums des Deutschen Akademischen Austauschdienstes und eines Sabbaticals des Monmouth College wieder in Marburg/Lahn. Damals war Professor Walther Lammers so freundlich, das Manuskript zu lesen und mit mir bei sich zu Hause zu besprechen. Seine Unterstützung und Freundschaft habe ich sehr zu schätzen gewusst. Im Januar 1988 begann ich mit Hilfe meiner Frau und einer neuen studentischen Schreibkraft, Kris Wang, einen zweijährigen Bearbeitungsprozess. Kaum ein Satz blieb unverändert. Nachdem ich schließlich von Daryl Carr und Marta Tucker in der Benutzung von PageMaker unterwiesen worden war, bereitete ich das Manuskript während meines Sabbaticals im Frühjahrssemester für die Veröffentlichung vor. Im Juni 1990 machten meine Frau und ich eine Autotour durch Dithmarschen, um Orte zu besuchen, die ich zuvor ausgelassen hatte. Im Herbst 1990 stellte das Monmouth College ein weiteres kleines Stipendium zur Verfügung, um die Kosten für die Vorbereitung des Manuskripts auf die Veröffentlichung zu decken, und Erik Midelfort (mit dem ich das dithmarscher Projekt in der Vergangenheit schon mehrmals besprochen hatte) antwortete auf meine Bitte um eine abschließende Lektüre mit mehreren hilfreichen Kommentaren zum Text.
Viele Menschen und unterschiedliche Institutionen haben zu diesem Werk beigetragen: die Universitäten in Hamburg, Marburg/Lahn und Chicago, das Monmouth College, Freunde, Verwandte, Akademiker und Studenten. Am hilfreichsten war meine Frau Jackie, deren sorgfältiges Lektorat im Frühjahr und Sommer 1990 die Fertigstellung des endgültigen Manuskripts ermöglichte. Ich wünschte, es wäre möglich, meine Dankbarkeit gegenüber all jenen Personen zu bekunden, die mir auf die eine oder andere Weise geholfen haben. Doch im Laufe der Jahre sind es so viele geworden, dass ich sie jetzt unmöglich alle nennen kann.
William Urban Monmouth College (Illinois)
Das Meer formte das Land, und das Land formte die Menschen. Diese Umformulierung eines einheimischen Sprichworts, Gott schuf das Meer, die Friesen schufen die Küste, ist eine treffende Zusammenfassung der Geschichte der Menschen, die vom 10. Jahrhundert bis heute an der Nordseeküste lebten. Das Sprichwort enthält zu Recht ein wenig von der etwas respektlosen Prahlerei eines Provinzlers, der mehr erreicht hat, als er von sich oder andere von ihm erwartet haben. Dennoch würde das Bild vom Dithmarscher als Hinterwäldler nicht jeden Dithmarscher stören. Sie sind stolz auf ihre einfachen Wurzeln und sehen nur selten eine Notwendigkeit, etwas zu ändern. Der einzige Tausch, den sie stets bereitwillig vollziehen, ist der von Reichtum gegen Armut, was sie über die Jahrhunderte hinweg wirkungsvoll getan haben, indem sie denen, die ihr hart verdientes Geld besteuern oder stehlen wollten, einen Schlag nach dem anderen versetzten.
Das Meer, dem sie sich gegenübersahen, war die Nordsee. Ihre Winterstürme haben den Menschen schon immer vor die Herausforderung gestellt, an der Küste zu überleben. Es ist ein Meer mit wechselnden Stimmungen - mal ruhig, angenehm und reich an Fisch und Handel - und dann wieder rachsüchtig und zerstörerisch. Die Küste besteht größtenteils aus Wattenland - salzig, abweisend und sich ständig verändernd unter der Peitsche von Sturm und Gezeiten. Das Land kann entweder fruchtbar oder unfruchtbar sein, abhängig von der Geschicklichkeit, dem Einfallsreichtum und der Kühnheit des Menschen, aber selbst in seinen besten Zeiten hat es nie eine große Bevölkerung von Menschen oder Tieren ernährt. Die Produkte des Küstenlandes - Rinder, Pferde und Menschen - waren schon immer eher für Qualität als für Quantität bekannt.
Das Klima hat sich für jeden Menschen, der an dieser Küste gelebt hat, als Freund und Feind zugleich erwiesen. Die Winter sind lang und trostlos. Regen und Nebel bedecken die tiefliegende Landschaft monatelang. Eine kalte Nässe durchdringt die dickste Decke. Die Wiesen können zeitweise schlammig werden. Die Winter sind oft eine Abfolge furchtbarer Stürme, die die Deiche brechen und die Arbeit von Jahrzehnten und Generationen zunichtemachen können und ihren Tribut von Mensch und Tier fordern. Doch Frühling und Sommer entschädigen dafür. Dann erblühen die Wiesen und Marschländereien in prächtiger Fülle, doch selbst dann ist die Gefahr von Unwettern allgegenwärtig. Die tieferliegenden Wiesen und Felder bieten den Gezeiten und Wellen des Meeres wenig Widerstand, und der polare Einfluss auf das Wetter ist stets zu spüren. Dennoch ist die Kombination aus Sonne, Sand, Meer und Frische so berauschend, dass die Stadtmenschen heutzutage in Scharen an die Nordseestrände strömen, um sich zu erholen. Die Menschen kommen in so großer Zahl, dass sie die Ruhe und Gelassenheit der Sommertage kurzfristig gründlich verändern. Die Sonnenanbeter, die auf ihre Bräune bedacht sind, ignorieren den Sommerregen, während die Bauern Heu und Futter machen und es in riesigen Scheunen sammeln, um für den nächsten Winter Futter für ihr Vieh zu haben. Die Sommertage sind lang in diesem Land, das fast so weit nördlich wie Labrador liegt. Man erhebt sich bei Tageslicht und geht auch bei Tageslicht wieder ins Bett. Man freut sich über jeden warmen Tag. Niemand vergisst, dass das Sonnenlicht im Winter nur wenige Stunden anhält und oft nur für wenige Minuten am Tag durch die Wolken bricht.
Der Wind ist allgegenwärtig und mächtig auf eine Weise, die nur Segler und Bewohner der großen Ebenen verstehen können. Es gibt keine großen Wälder, keine stillen Täler. Stattdessen gibt es ein Gefühl von unbegrenztem Raum und offenem Himmel, das den Einwohner und den Romantiker mit einer Intensität begeistert, die ebenso stark ist wie der Schauder von Angst und Ehrfurcht, den der allzu zivilisierte Fremde empfindet.
Das Leben an der Nordseeküste war einst mühsam. Die fruchtbaren Felder und blühenden Bauernhöfe, die man heute an der Nordseeküste sieht, täuschen über die Mühen hinweg, mit denen sie dem Meer abgerungen wurden. Die Geschichte des Kampfes ist sogar in die Folklore der Binnenländer eingegangen. Wer kennt sie nicht, die Geschichte des tapferen holländischen Jungen, der seinen Finger in eine kleine Schadstelle im Deich steckte und damit seine Gemeinde rettete? Die Gefahr war Teil des Lebens. Sie war der Preis, den jeder für die Ausbeutung von Feldern zahlte, die von der Natur dazu bestimmt waren, periodisch von Sturm und Überschwemmung bedeckt zu werden. Es ist kein Zufall, dass Goethe den Helden Faust seine letzten Lebensjahre mit der Leitung eines Rekultivierungsprojekts von beeindruckendem Ausmaß verbringen ließ. Eine solche Leistung, die technisches Geschick und die Liebe zu seinen Mitbürgern vereint, machte Faust wahrhaftig der Erlösung würdig, an der er verzweifelte.
Die Friesen
Der oben schon zitierte Wahlspruch der Friesen, Deus mare, Friso litora fecit, war keine leere Prahlerei. Dieses alte Volk war schon Tacitus und Plinius bekannt. Sie gehörten zu den wenigen Germanen, die nicht in die Fremde zogen, als das Römische Reich zerfiel. Sie blieben an der Nordsee, wo das Wasser und das Watt Schutz vor Angriffen boten. Dort verteidigten sie sich gegen Franken und Wikinger - nicht immer mit Erfolg, aber immer hartnäckig. Ansonsten gab es nichts besonders Bemerkenswertes an den Friesen, bis sie um das Jahr 1000 ihren Kampf an der Nordsee begannen. Entlang der Küste von Holland bis Dänemark begannen die Friesen über Generationen mit dem Bau von Deichen entlang der Flüsse und Bäche, um die Süßwassermarschen vor dem Hochwasser der Fluten zu schützen. Die ersten primitiven Versuche waren nicht immer von Erfolg gekrönt, aber das gelegentliche Scheitern spornte sie nur zu größeren Anstrengungen an. Schließlich beherrschten sie nicht nur die Technik, das Land vor Überschwemmungen der Wasserläufe zu schützen, sondern hatten auch gelernt, wie sie die Gezeiten davon abhalten konnten, Meerwasser in die Küstenmarschen zu spülen. Der nächste Schritt war, die Marschen mit Süßwasser zu fluten, um das Salz zu entfernen. Benachbarte Sachsen und Holländer kopierten die Methoden der Friesen und öffneten ihre Marschgebiete für die Besiedlung. Diese hart errungenen Fähigkeiten im Eindeichen und Trockenlegen machten Friesen, Sachsen und Holländer zu hochgeschätzten Kolonisten in den angrenzenden Ländern, und während des Mittelalters wanderten viele Tausende von ihnen an die Ostseeküste, um dort neue Gemeinschaften zu gründen. Schließlich verbreiteten sie ihre Bräuche und Dialekte über weit entfernte Gebiete, die früher von Slawen und Balten besiedelt wurden.1
Ihr Geschick als Seefahrer machte die Friesen und Holländer ebenfalls berühmt. Als Alfred der Große seine britische Marine gründete, hatte er keine Engländer mit ausreichenden Kenntnissen von der Seefahrt, um seine Schiffe zu bemannen. Er wandte sich an die Friesen jenseits des Kanals, um die Wikinger von seinen Küsten fernzuhalten, wie sie es bereits geschafft hatten, um ihr eigenes Land zu schützen. Später brachten die Friesen Flotten auf Kreuzzügen ins Heilige Land und ins Baltikum, um dort gegen die Heiden zu kämpfen. Ihre Rolle im Handel ging jedoch im Hochmittelalter zurück, nachdem die Hanse die dominierende militärische und wirtschaftliche Macht im Gebiet der Nord- und Ostsee wurde. Zu dieser Zeit beschränkten sich die Friesen auf die Landwirtschaft und den Fischfang.
Die Friesen sind auch heute noch ein eigenständiges Volk, das seine eigene Sprache, sein eigenes Brauchtum und seine eigene Lebensweise pflegt. Infolgedessen teilen sie viele der populären Stereotypen, die der Landbevölkerung überall anhaften. In den frühen 1970er Jahren, als die Amerikaner polnische Witze und die Polen ukrainische Witze rissen, erzählten die Deutschen Ostfriesenwitze. Jedes Beispiel dieser besonderen Art von Humor ist austauschbar: zum Beispiel: „Wie viele Friesen braucht man, um eine Kuh zu melken?“ Antwort: „Fünf; einer, um die Zitzen zu halten, und vier, um die Kuh hoch und runter zu heben.“ Als Reaktion auf diese Verunglimpfung kam es bei den Friesen und Sachsen zu einem Wiederaufleben von Stolz und Traditionsbewusstsein und zu einem neuen Vertrauen in ihre Bedeutung für die moderne Welt. Sie bemühten sich, ihre Wurzeln zu entdecken und einen echten Sinn in ihrer Lebensweise zu finden. Die aufgestellten Schilder Wir sprechen Platt spiegelten genau das wachsende Selbstbewusstsein in einer Gesellschaft wider, die sich seit langem der Massenproduktion, der Massenkommunikation und einer Wanderungsbewegung ausgesetzt sah - von Ost nach West am Ende des Zweiten Weltkriegs und seither in der Abwanderung junger Menschen vom Land in die Stadt.
Die Sachsen
Der Ursprung der Dithmarscher war nicht friesisch, sondern sächsisch. Sie sind stolz auf ihre eigenständige Identität unter den Niedersachsen und haben sich oft als besondere Rasse gesehen. Obwohl ihr Rassenbegriff heute von Wissenschaftlern nicht mehr ernst genommen wird, war er im 19. Jahrhundert eine weit verbreitete Lehre und wurde in den 1930er Jahren unter dem unarischsten Österreicher, Adolf Hitler, zur Staatspolitik. Viele glaubten, dass die Norddeutschen große, blonde, edle, übermütige, kriegerische Arier von unverdorbener nordischer Abstammung seien, ein Eindruck, der immer noch von vielen Besuchern mitgenommen wird. Dem oberflächlichsten Betrachter fällt die Gültigkeit der Bemerkung von Ricarda Huch auf: „In Niedersachsen gibt es auch heute noch große Männer mit hellblondem Haar und blauen Augen, die mit ihrem Seemannsblick selbstbewusst durch Raum und Körper schauen.“2 Huch war eine populäre Historikerin und hatte als solche einen guten Blick für Aspekte, die bei der alleinigen Bibliotheksrecherche übersehen werden konnten. In diesen nördlichen Küstenregionen fällt es leicht sich vorzustellen, in Skandinavien zu sein.
Rassistisches Gedankengut hat sich in Dithmarschen und Holstein festgesetzt. In der Tat nennen manche ihrer Nachbarn die Leute hier die alten Nazis. Es stimmt, dass im Norden einige Lehren Hitlers auf offene Ohren stießen, ohne bei den Hamburger Arbeitern ein durchschlagendes Echo zu finden.3 Wie sehr dieser Ruf auch heute noch verdient ist, darüber kann man streiten. Sicher ist aber, dass in Holstein konservative Gewohnheiten und ein offener Stolz auf Volk und Nation spürbar sind. Das gilt besonders in Dithmarschen. Selbst Personen, die nicht konservativ sind, bestätigen gelegentlich das Klischee. Die im Vorwort erwähnte Quäkerin hatte einen bequemen Job als Lehrerin in den Vereinigten Staaten, als Hitler an die Macht kam. Sie kehrte nach Hause in ihre Heimat Dithmarschen zurück, „weil jemand gegen ihn kämpfen musste“. Als ich diese wunderbare Person besser kennenlernte, erkannte ich, dass nicht alle ihre Prinzipien ihrer Religion entstammten. Sie lehrte mich viel über ihr Heimatland und ihre Landsleute. Nicht alles, was sie sagte, war für Dithmarscher schmeichelhaft, aber sie rühmte auch die Unvollkommenheiten ihres Volkes.
Vor Jahrhunderten bemerkte ein Chronist: „Diese Dithmarscher leben ohne Fürsten und Herrscher und tun, was sie wollen. ... Überdies sind die Dithmarscher starke Männer, kühn und geschickt, gewöhnlich groß, ohne viel Fleisch an ihnen, und immer bereit, ihr Land und ihre Freiheit Land zu bewahren.“4 Diese Aussage blieb nicht nur für Dithmarschen gültig, sondern für das gesamte Land an der Nordseeküste bis ins späte Mittelalter, ja bis zur Reformation, so dass die Geschichte dieses Küstenvolkes die Geschichte der Freiheit ist. Es ist eine Geschichte, die nicht nur in der Marsch zu finden ist, sondern auch auf Höhen und in den Wäldern. Eileen Powers sagt, dass dies die Geschichte des Grenzgängers ist, wie auch immer er aussehen mag:
Vom sozialen Standpunkt aus gesehen ist urbar gemachtes Land und Grenzland freies Land. Wenn die Freiheit in den Bergen wohnt, so gedeiht sie auch in Niederungen und Wald, denn kein Mensch wird sie zum Anbau bringen, es sei denn gegen einen Anreiz, und es gibt keine wirksameren Anreize als Freiheit und billiges Land. Die hosti, welche die Bretagne nach den Verwüstungen der Nordmänner zurückgewonnen haben, die Siedler auf der Jurahochfläche, die Flamen, die ihre eigenen Ebenen und die des kolonialen Ostens trockenlegten, die ungestümen Dithmarscher, die Hinterwäldler und die ungarischen Csikos an der Ostgrenze, die kastillianischen Behetrien, die das aus Mooren gewonnene Land besiedelten und das Recht hatten, ihren Herrn bis zu siebenmal an einem Tag zu wechseln, sie alle waren frei.5
Dass freie Menschen ihre Freiheit missbrauchen, ist keine neue Geschichte. Der Leser sollte erwarten, dass sich grobe und grausame Taten mit edlen und großzügigen vermischen. Die Geschichte der dithmarscher Bauernrepublik hat sowohl ihre widerwärtigen als auch ihre inspirierenden Momente. Die Geschichte von freien Menschen, die gegen Mensch und Natur um ihre Existenz kämpfen, ist nicht immer etwas für Zartbesaitete, aber sie ist nie langweilig.6
Der Ursprung der Geschlechter
Ein Geschlecht ist eine Gruppe von Menschen, die durch Abstammung von einem gemeinsamen Vorfahren oder durch gemeinsame Interessen verbunden sind. Sie ist größer als eine Familie, kleiner als ein Stamm, und in vielen Kulturen ist sie die grundlegende soziale Einheit.
Die germanischen Sippen, die in der römischen Literatur vor zweitausend Jahren beschrieben wurden, überlebten an der Nordseeküste länger als im Binnenland. Das lag zum Teil an dem tief verwurzelten Konservatismus der Bauerngemeinschaften, mehr noch aber an einem klaren Bewusstsein für die Rolle der Geschlechter bei der Eindeichung und Verteidigung des Küstenlandes gegen die Angriffe der Natur. Diese Geschlechter an der Nordsee überlebten nicht nur über einen viel längeren Zeitraum als anderswo, sondern sie spiegelten mittelalterliche wirtschaftliche, politische und religiöse Bedingungen wider, die zur Zeit Caesars und Tacitus' noch nicht vorhanden waren. Deshalb muss der Historiker darauf achten, dass er mittelalterliche Familienverbände nicht mit denen früherer Zeiten gleichsetzt, denn die Ähnlichkeit ist oft nur oberflächlich.1 Römische Familien waren wichtig für die Erweiterung des Familienbesitzes und die Festigung des politischen Einflusses. Sie arbeiteten mit Heiratsbündnissen, um die Ressourcen der verbündeten Familien zu bündeln, um Wahlen zu gewinnen und ihnen genehme Gesetze zu verabschieden. Sie versammelten sich nur zu zeremoniellen Anlässen, wie Beerdigungen und Hochzeiten.
Tacitus hob den Mut, die Keuschheit und die Ehrlichkeit der Germanen als Vorbild hervor, um die im zeitgenössischen Rom herrschende Korruption und Dekadenz zu verurteilen. Obwohl Tacitus eine Verbindung zwischen römischer Tugend und Verbundenheit zur Familie gespürt haben mag, erwähnte er römische Familien nur kurz andeutungsweise. Er hatte nicht die Absicht zu versuchen, eine auslaufende soziale Institution wiederzubeleben, die in seiner Zeit keine bedeutende Rolle mehr spielte. Ihm ging es um die Moral und sein Ziel war es, die zivilisierten Menschen dazu zu bringen, sich mindestens so gut zu benehmen wie die Barbaren. Unabhängig davon, welche Absicht Tacitus verfolgte, wurde er zur Hauptquelle unseres Wissens über das germanische Sippensystem, das zum gegenseitigen Schutz, zur Unterstützung von Angehörigen des Verbandes bei der Zahlung von Entschädigungen und zur Sicherung von Erbschaften existierte.
In der damaligen germanischen Gesellschaft gab es strenge Strafgesetze. Leider konnten diese in Ermangelung einer lokalen Zentralgewalt nur durch königliche oder private Gewaltandrohungen durchgesetzt werden. Die Männer waren in der Regel bewaffnet, auch bei den Trinkgelagen, die ein wichtiger Aspekt der Gastfreundschaft bei geschäftlichen Angelegenheiten und bei politischen Diskussionen waren. Diese Gelage waren von solcher Heftigkeit und Länge, dass sie selbst römische Orgien in den Schatten stellten. Es überrascht nicht, dass diese Trinkgelage oft in Streitereien und Blutvergießen endeten. Die Trunkenheit und das Glücksspiel, die Kämpfe und die Prahlerei, die Trägheit und die Gewinnsucht, die die germanischen Stammesangehörigen charakterisierten, waren Laster, die ihre Tugenden des Mutes, der Unverfrorenheit, des Stolzes und der Ehrlichkeit nicht nur ausglichen, sondern auch bestätigten. Unglücklicherweise verband sich die Willenskraft des einzelnen Kriegers mit der Schwäche der Regierung und schuf ein System, das reif für die Ausbeutung durch rücksichtslose Wortführer und Banden von Raufbolden war. Ein freier Mann, der nicht gedemütigt, verstümmelt oder getötet werden wollte, brauchte Freunde, die ihn in Situationen der Gewalt oder des Verbrechens bedingungslos unterstützten; er brauchte Verwandte, die sich um seine Familie kümmern würden, wenn er getötet oder verwundet würde. Die Familienverbände erfüllten solche Bedürfnisse. Die Androhung von Rache an Übeltätern durch die Gruppe war jedoch kaum effektiv, wenn die Gruppe Angst vor der Verwandtschaft des Verbrechers hatte. Die Erweiterung der Sippe auf eine Größe, die effektiv gegen die Verwandten des Verbrechers Vergeltung üben konnte, war ein wirksames Mittel, aber die Erfahrung zeigte bald, dass dieses Vertrauen auf kriegerische Fähigkeiten zu einer endlosen Reihe von Fehden führte, die vielen unschuldigen Opfer das Leben kosteten. Es war für alle besser, Stammesgerichte einzurichten, die über Streitigkeiten urteilen und Entschädigungen festlegen konnten. Die Tatsache, dass ein solches Rechtssystem zustande kam, sagt uns viel über diese Gesellschaft, vor allem aber über die Werte, die als am wichtigsten angesehen wurden. Offensichtlich wurden freie Männer als die würdigsten Mitglieder der Gesellschaft angesehen. Die Entschädigungen waren einerseits hoch genug, um die Verwandten des Opfers zu befriedigen und von vorsätzlichen Verbrechen abzuschrecken. Da kein Täter eine festgesetzte Entschädigung allein aus seinem Vermögen bezahlen konnte, hafteten auch seine Sippenangehörigen, mussten sich also daran beteiligen. So gab es andererseits ein Interesse der Verwandten, gewaltbereite Mitglieder ihrer Sippe von Straftaten abzuhalten. Diebe galten als ehrlos und wurden aus dem Schutzverband der Sippe ausgeschlossen, sie haftete insofern auch nicht mehr.
Die Funktion des Familienverbands in der frühen germanischen Gesellschaft beschränkte sich nicht nur auf die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung. Er diente auch dazu, Ehen und Erbschaften zu regeln. Manchmal traten Familienangehörige (und sogar ganze Familien) gemeinsam in das römische Heer ein. Für die Anführer bedeutete dies eine Chance auf Ruhm und Reichtum; für den einfachen Familienangehörigen bedeutete es eine Flucht aus Armut und Langeweile. Für die Römer waren sie eine neue Art von Soldaten, die nicht in der römischen Kultur und Zivilisation verwurzelt war. Ihre Meutereien und Rebellionen hatten eine höhere Bedeutung als die traditionellen persönlichen Ambitionen der römischen Feldherren oder Meinungsverschiedenheiten über Politik oder Beschwerden über Sold und besondere Ehren; diese Revolten der germanischen Soldaten spiegelten auch die Sippenwünsche nach Rache für echte oder eingebildete Schmähungen wider.2
Letztlich besetzten germanische Stämme die westliche Hälfte des Römischen Reiches und schufen eine neue Gesellschaft, halb römisch, halb germanisch. Römer halfen in der Folgezeit bei der Zusammenstellung jener Gesetzessammlungen, Briefe und Klosterchroniken, die Auskunft über die Veränderungen geben, die die germanischen Sippen in den folgenden Jahrhunderten durchliefen. Tatsächlich kann man die merowingische und karolingische Gesellschaft nicht verstehen, ohne mit dem Sippensystem vertraut zu sein. Die technologischen Veränderungen ermöglichten es jedoch einigen Männern, sich als echte Reiterei auszurüsten und vom Pferderücken aus zu kämpfen. Solche Krieger waren den traditionellen berittenen Infanteristen, die zum Schlachtfeld ritten und dann zu Fuß kämpften, so überlegen, dass sie diese Klasse in der königlichen Gunst verdrängten. Im Laufe der Zeit, als die Könige diesen Reitern Land schenkten und vom Rest des Volkes verlangten, die teuren Kettenhemden und Schlachtrösser zu bezahlen, entwickelte sich diese Gruppe von Männern zu Rittern - eine neue Klasse mit wichtigen politischen und sozialen Funktionen. In der Folge schwand die militärische und soziale Rolle der Familienverbände.
Obwohl die Sippen in der Feudalzeit ihre Bedeutung verloren, gerieten sie nicht in Vergessenheit. Sie überlebten in Volkserzählungen und epischer Dichtung. Später, während der Renaissance, studierten nördliche Gelehrte Tacitus genau, um die grundlegenden Tugenden der germanischen Heiden der in Rom herrschenden Korruption und Sünde gegenüberzustellen. Einige Gelehrte begannen, mündliche Informationen und Dokumente über mittelalterliche Sippen zu sammeln, von denen sie hofften, etwas über die klassische Welt zu erfahren. Auf diese Weise erhielten moderne Gelehrte viele Informationen über das bäuerliche Leben des Mittelalters und der Renaissance in Friesland, Dithmarschen und Eiderstedt. Es ist allerdings zu bedenken, dass diese Quellen die Sippen in ihrer Endphase, nicht an ihrem Anfang beschreiben. Daher können wir uns einem Verständnis dieser Sippen während des Mittelalters nur durch das indirekte und damit unbefriedigende Mittel der Auswertung von Sippenfunktionen in Krieg und Frieden bei allen germanischen Völkern zwischen 50 v. Chr. und 1000 nähern. Diese Methode unterliegt allerdings schwerwiegenden Einschränkungen: Wir müssen uns davor hüten, von unserem Verständnis der Praktiken an einem Ort auf die Praktiken an anderen Orten zu schließen. Es gibt zahlreiche Variationen in der Beilegung von Streitigkeiten, der Verteilung von Erbschaften und der Auswahl von Ehepartnern. Wir müssen uns insbesondere vergegenwärtigen, dass die besten schriftlichen Aufzeichnungen von südlichen Stämmen stammen, die vielfältigen Kontakt mit den Römern hatten, während die nördlichen germanischen Stämme mehr mit jenen Stämmen gemeinsam hatten, die nach Britannien auswanderten und das System des Gewohnheitsrechts etablierten, das im britischen Commonwealth und in den Vereinigten Staaten immer noch praktiziert wird. Es besteht die gefährliche Versuchung, in modernen Institutionen das Ergebnis früherer Praktiken zu sehen und unsere kulturelle Evolution rückwärts zu lesen, bis wir die angelsächsische Gesellschaft und Kultur beschreiben können. Solche Versuche, die Ursprünge der Praktiken der Geschlechter in der Renaissancezeit in Norddeutschland zu ermitteln, können zu grundlegenden Missverständnissen führen. Es ist besser, unsere nur rudimentäre Kenntnis einzuräumen, als sich kopfüber in Irrtümer zu stürzen. Dennoch gibt es einige Aussagen, die wir mit angemessener Sicherheit treffen können.
Merkmale der Geschlechter
Die allerersten Verbände waren ein Abbild der kleinsten natürlichen Einheit der Gesellschaft - der Familie. Der Patriarch der Familie und seine Nachkommen reisten gemeinsam in neue Länder und kämpften gemeinsam als militärische Einheit. Der Tod des Patriarchen verringerte in keiner Weise das Bedürfnis seiner Nachkommen nach gegenseitiger Unterstützung. Anstatt sich in neue patriarchalische Einheiten aufzulösen, wurde die ursprüngliche Familie zu einem Verband, der sich aus Sippen zusammensetzte, die die Nachkommen der Söhne und Enkel repräsentierten. Im Laufe der Zeit, selbst als die Erinnerung an die gemeinsamen Vorfahren verblasste und die Beziehung, die Tausende von Menschen miteinander verband, nicht mehr nachvollzogen werden konnte, praktizierten die Sippenmitglieder die weiterhin komplexen Regeln der Verwandtschaft wie Exogamie und Endogamie (ob man außerhalb oder innerhalb der Sippe verweilen musste). Obwohl die Regeln für das soziale Verhalten in den Einzelheiten von Stamm zu Stamm variierten, waren sie doch so einheitlich, dass man nach der Lektüre des Tacitus leicht zwischen germanischen Praktiken und den Sitten anderer Kulturen unterscheiden kann.
Die Römer waren mit den Germanen vertraut, lange bevor Tacitus über sie schrieb. Es gab germanische Invasionen in die römischen Gebiete kurz vor 100 v. Chr., während Caesars Eroberung Galliens (58-51 v. Chr.), während der Herrschaft von Augustus (30 v. Chr.-14) und während der Lebenszeit von Marcus Aurelius (160-180). Schließlich wurden die Römer nach 410 mit den germanischen Gewohnheiten recht vertraut, als sich mehrere Stämme dauerhaft in ihrem Reich niederließen und Afrika, Spanien und große Teile Galliens und Italiens beherrschten. Tacitus' Beschreibungen erschienen ungefähr in der Mitte dieser langen Geschichte, im Jahr 98.
Tacitus kannte natürlich nur die Germanen, die an den Grenzen des Römischen Reiches lebten, Germanen, deren Bräuche von bestimmten sozialen, wirtschaftlichen und militärischen Bedürfnissen diktiert wurden, die von den an den nördlichen Küsten lebenden Germanen geteilt werden konnten oder auch nicht. Außerdem veränderten sich die Sitten der Germanen in den Jahrhunderten zwischen der Zeit des Tacitus und dem Untergang des Römischen Reiches. Die südlichen Stämme nahmen an der Völkerwanderung teil, der Wanderung der germanischen Völker nach Russland, dann auf den Balkan und schließlich in das Römische Reich. Da ihre primitive Brandrodung den Boden erschöpfte, suchten diese Stämme nach neuen Feldern und Jagdgründen. Sie vertrieben oder unterwarfen die früheren Bewohner der Regionen, in die sie eindrangen; dann teilten sie das Land unter den freien Kriegern auf. Die Sippe war die wichtigste militärische und siedlungspolitische Einheit; sie war im Wesentlichen selbstverwaltet und unterstand nur der Autorität des Stammeskönigs, der oft als von göttlicher Abstammung angesehen wurde und damit über der Sippe stand. So sah das System der Familienverbände in der Praxis in der Zeit zwischen 400 und 600 aus.
Neben der Regelung von Eheschließungen, Erbschaften und religiösen Pflichten dienten die Sippen auch dem Schutz des Einzelnen. Dies war eine Folge davon, dass die frühen Germanen keinen Staat im modernen Sinne besaßen. Auch das Konzept des Königtums war noch nicht voll entwickelt. Da die schwächeren Stämme der Herrschaft der stärkeren unterworfen waren (zum Teil, weil die Bevölkerung so stark über weite Gebiete der Waldwildnis verstreut war), war die Stammeszugehörigkeit schwach. Die Sippe wurde zur Grundeinheit der Gesellschaft, wobei jede Sippe diejenige Strategie anwandte, die ihr und ihren Mitgliedern am ehesten zu überleben half. Einige Sippen überquerten die Stammesgrenzen, um sich an Feldzügen zu beteiligen und in weit entfernte Regionen zu wandern, ein Verhalten, das den Prozess der Stammesauflösung noch verstärkte. Selbst als große Könige sich erhoben, um über eine Vielzahl von Deutschen, Italienern und Galloromanen (die in Frankreich, Belgien und Teilen Deutschlands lebten) zu regieren, konnte sich die Sippe nicht darauf verlassen, dass ein ferner Monarch ihre Probleme zur Kenntnis nehmen würden. Die Könige verließen sich – wie wir gesehen haben – zunehmend auf berittene Krieger und teilten diesen zur Unterstützung einfache Soldaten zu, die den Fußtruppen so entzogen wurden. Infolgedessen verloren die Sippen, die einst als grundlegende militärische Einheit gedient hatten, nun diese Funktionen. Dieser Prozess dauerte jedoch mehrere Jahrhunderte. In der Zwischenzeit behielt die Sippe eine wichtige Rolle beim Schutz ihrer Mitglieder vor Übergriffen und Mord. Wie oben kurz beschrieben, bot die Sippe ein Mittel, um sich an Feinden zu rächen, die es wagten, eines seiner Mitglieder zu verletzen. Da die Stärke einer Sippe von ihrer Fähigkeit abhing, Feinde zu töten, musste sie der anderen Sippe zahlenmäßig gleich oder überlegen sein. Daher gab es einen Anreiz, Einzelpersonen und Gruppen, die nicht blutsverwandt waren, die Mitgliedschaft in dem so entstehenden Geschlecht anzubieten. Wenn ein Familienverband so mächtig wurde, dass er sich in der Lage fühlte, dem zuvor dominierenden Geschlecht die Stirn zu bieten, musste er in der Regel eine tödliche Fehde ausfechten, um sein Recht auf einen gleichberechtigten Status zu beweisen. In diesem Prozess ähnelt die Entwicklung der Fehde der des modernen Nationalstaates, und sie kam erst zu einem Ende, als alle Parteien erkannten, dass das System alle zu zerstören drohte.
Um die ausufernden Fehden in den Griff zu bekommen, führten die Könige die Verpflichtung zur Zahlung eines Wergeldes als Entschädigung für die Tötung eines wehrfähigen Mannes ein. Der Betrag musste vom Familienverband des Schuldigen zur Hälfte an die Sippe des Opfers und zur anderen Hälfte an die königlichen Richter gezahlt werden. Durch diese Zuwendung sollten die königlichen Richter zu dem gefährlichen Unterfangen ermutigt werden, sich mit ihrem Spruch in eine Sache einzumischen, die bislang als Privatangelegenheit betrachtet worden war. Dies wurde die Grundlage des auf dem Gewohnheitsrecht basierenden königlichen Strafprozesses.
Die Galloromanen hingegen blieben unter römischem Recht, es sei denn, dass sie in Rechtshändel mit Germanen verwickelt waren. Dann wurde germanisches Recht angewendet. Damit aber ging eine Diskriminierung der Galloromanen einher. Da sie keinem sie schützenden Familienverband angehörten, stellen sie für die königlichen Richter keine Bedrohung dar. Selbst bei strengster Unparteilichkeit der Richter wurde gegen den schuldigen Germanen nur die Hälfte des üblichen Wergeldes festgesetzt, den die Richter vereinnahmten, denn die zweite Hälfte für den Familienverband fiel wegen dessen Fehlen bei den Galloromanen weg. Faktisch bedeutete dies, dass das Leben eines Galloromanen nur die Hälfte des eines Germanen wert war. Als daraufhin die Galloromanen versuchten, in germanische Geschlechter aufgenommen zu werden oder eigene Familienverbände zu organisieren, war das Konzept des Fortbestehens einer römischen Gesellschaft innerhalb eines germanischen Königreichs bereits dem Untergang geweiht. Die römischen Adeligen und Freien verschwanden innerhalb weniger Generationen nach der germanischen Eroberung Galliens und Spaniens aus den rechtlichen Aufzeichnungen. Diese Entwicklung vollzog sich sogar in den Gebieten, in denen die Zahl der Germanen so gering war, dass sie sprachlich von den Galloromanen assimiliert wurden. Mit dem Verschwinden der Familienverbände verloren die Germanen ihre überlegene rechtliche Stellung, aber auch von der einstigen römischen Gesellschaft waren nur noch die Leibeigenen übrig, die Nachkommen der römischen Arbeiterklasse. Da jedermann ein Germane geworden war, gerieten römisches Recht und römische Traditionen in Vergessenheit.
Gelehrte der Renaissance haben versucht, die merowingischen Institutionen durch eine Lektüre von Tacitus zu verstehen, dadurch aber die Rolle der Sippen im frühen Mittelalter grundlegend missverstanden. Die mittelalterlichen germanischen Sippen waren keine uralten Gruppen von Blutsverwandten, sondern eine neue Einrichtung, die Einzelpersonen und Familien in einer Zeit vielfältiger Unsicherheit umfassenden Schutz bot, weil seinerzeit eine Schutz gewährende zentrale Staatsgewalt fehlte.
Nordseeküste
Die Sippen in Norddeutschland nahmen neue Formen an, als sie sich um das Jahr 1000 der Herausforderung der Eindeichung des Marschlandes stellten. Dies veränderte nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die sozialen Beziehungen entlang der Nordseeküste.
Die (West-) Friesen in Holland waren die ersten, die einfache Deiche gebaut hatten. Was die Friesen konnten, konnten auch die Sachsen. Im Jahr 1000 lebten die letzten unabhängigen Sachsen in den Niederungen nördlich der Elbe und verteidigten sich gegen Kaiser, Wikinger und Slawen gleichermaßen.3Sie waren wild und unabhängig und weigerten sich, sich den Institutionen und Ideen anzupassen, die in den Ländern um sie herum herrschten. Sie quälten den ersten zu ihnen gesandten Missionar, weil das soziale System von Adligen, die über Leibeigene herrschten, ihnen als eine wesentliche Grundlage des Christentums erschien. Sie betrachteten sich selbst als freie Menschen, sogar als Adlige, und hielten an einem einfachen System der Familienverbände fest, das ihnen persönliche Freiheit und den Besitz von Privatland garantierte. Was sie von ihren Nachbarn brauchten, nahmen sie sich: Werkzeuge und Techniken durch Anleihen, Vieh, Schiffe und Reichtum durch Gewalt.4
Die zwischen den Mündungen von Elbe und Eider lebenden Sachsen waren die Vorfahren der meisten Dithmarscher.5 Mit bemerkenswertem Mut und Zähigkeit entwickelten sie ihre innovative Gesellschaft auf der Grundlage des Kampfes mit dem Meer und dem Wunsch, das Marschland vor den schlimmsten Winter