Doc Felix – Feel good - Felix M. Berndt - E-Book

Doc Felix – Feel good E-Book

Felix M. Berndt

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  • Herausgeber: dtv
  • Kategorie: Fachliteratur
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2023
Beschreibung

Gesund werden und gesund bleiben Doc Felix behandelt seine Patientinnen und Patienten, bevor sie krank werden – auf YouTube, Instagram, TikTok und in seinem erfolgreichen Podcast DocTalk. Hier holen sich seine Fans Ernährungstipps, lernen, wie sie Rückenschmerzen vorbeugen können, was es mit Migräne oder Ohrenschmalz auf sich hat und vor allem: dass Ärztinnen und Ärzte eigentlich immer zu spät kommen. Nämlich dann, wenn wir längst krank sind. Wir müssen uns also vorher um Gesundheit und Fitness kümmern. Aber ist das nicht aufwendig? Ständig Sport machen und Grünzeug essen? Nein, nicht mit Doc Felix. Er zeigt, wie Gesundheit geht, und das ohne den täglichen Kampf – denn gesund leben heißt glücklich leben.

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Seitenzahl: 282

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Cover for EPUB

Sprechstunde mit Doc Felix

Wie kann ich mich zwischen all meinen Verpflichtungen gesünder ernähren?

Wie schaffe ich es, Freude am Sport zu entwickeln? Wie komme ich mit mehr Energie durch den Alltag? Was kann ich tun, um mich in meinem Körper wohler zu fühlen? Wie kann ich mein Immunsystem stärken? Und wie gesund ist eigentlich Sex?

Auf diese und viele weitere Fragen hat Doc Felix eine Antwort. Er ist überzeugt:

Wir sollten nicht erst handeln und unsere Lebensweise umstellen, wenn es eigentlich schon zu spät ist und wir bereits krank sind oder uns unwohl fühlen, sondern schon jetzt! Dafür ist es wichtig zu wissen, wie unser Körper funktioniert und wie wir uns bestmöglich um ihn kümmern können.

Aber ist so ein gesundes Leben nicht aufwendig? Und auch ein bisschen uncool? Im Gegenteil! Doc Felix zeigt, wie Gesundheit geht, und das ohne den täglichen Kampf – denn gesund leben heißt glücklich leben.

FELIX M. BERNDTMIT KIRA BRÜCK

Gesund, entspannt und glücklich – ich zeig dir, wie es geht

Mit Illustrationen von Lorena Addotto

VORWORT: WANNA FEEL GOOD?

Hey, liebe Leserin und lieber Leser,

ich freue mich wie verrückt, dass du dir mein Buch besorgt hast und wir gleich gemeinsam auf eine Reise gehen werden. Auf eine Reise, auf der du mehr darüber erfahren wirst, wie dein Körper funktioniert – und wie großartig es sein kann, gesund zu leben.

Aber erst einmal ein großes Dankeschön an dich. Dadurch, dass du mein Buch in den Händen hältst, schenkst du mir und meiner Kompetenz Vertrauen. Das weiß ich sehr zu schätzen.

Du fragst dich vielleicht, warum ich dieses Buch geschrieben habe. Die Erklärung ist ziemlich simpel: Ich wünsche mir, dass wir alle viel weniger Zeit im Wartezimmer beim Arzt verbringen müssen. Ich fände es am schönsten, wenn wir uns höchstens noch für Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen bei Ärzten blicken lassen müssten. Das würde im Übrigen auch unser Gesundheitssystem sehr entlasten. Ich weiß natürlich, dieses Ideal werden wir nie ganz erreichen, dafür gibt es zu viele Krankheiten, auf die wir keinen Einfluss haben. Aber wir können ihm so nahekommen, wie es geht, wenn wir unseren Körper und unsere Psyche im Rahmen unserer Möglichkeiten so gut behandeln, dass sie gar nicht erst krank werden. Und zwar JETZT und nicht erst in ein paar Jahrzehnten.

Viele Menschen denken immer, sie müssten heute auf etwas verzichten, damit sie es später gut haben: Genauso wie sie heute Abgaben für die Rente zahlen, die sie dann später genießen wollen, ernten sie die Früchte von Sport und gesunder Ernährung erst im hohen Alter. Ich sehe das anders: Das Leben ist unmittelbar besser, wenn du dich gesund ernährst und Sport treibst! Das Essen wird dir noch heute besser schmecken, wenn du jetzt damit beginnst, dich gesund zu ernähren. Mir geht es um die Gegenwart. Um ein besseres Leben, jetzt gleich. Ich möchte, dass es dir HEUTE gut geht.

Der Grund dafür, warum ich nicht als Arzt im Krankenhaus oder in einer Praxis arbeite, ist nicht etwa das fehlende Interesse an der Heilung oder an den Patienten. Vielmehr möchte ich mit meiner Arbeit einen proaktiven statt reaktiven Beitrag leisten. Diesem Wunsch kann ich mit der Vermittlung medizinischer Inhalte in den sozialen Medien besonders wirksam nachkommen. Ich möchte dort so viele Menschen wie möglich erreichen und dazu motivieren, gesund zu leben – und dadurch glücklicher zu werden. Das geht meiner Meinung nach nur über einen bewussten und gesunden Lifestyle. Das Beste ist: Es ist überhaupt nicht kompliziert oder langweilig, ein gesundes Leben zu führen. Ganz im Gegenteil. Es macht verdammt viel Spaß.

Dass du diese Zeilen liest, zeigt mir, dass du dich für deinen Körper interessierst. Du kannst mir glauben: Nichts könnte mich glücklicher machen als das! Ich bin nämlich fest davon überzeugt, dass es uns leichter fällt, gesünder und glücklicher zu leben, wenn wir verstehen, wie unser Körper und unsere Psyche ticken. In diesem Buch findest du die passenden Tipps und Tricks dafür. Obendrein wirst du mit hoher Wahrscheinlichkeit so auch länger leben.

Gehen wir also zusammen auf eine Reise durch deinen Körper. Ich versuche, ein guter Tourguide zu sein und zu erklären, was in dir vor sich geht, wenn du beispielsweise

isst,

schläfst,

Sport treibst,

Stress hast,

mit jemandem schläfst

oder energielos bist.

Was bringt dir dieses Wissen? Ganz schön viel. Denn du hast dir bestimmt auch schon mal Fragen gestellt wie:

Weshalb bin ich nach dem Mittagessen immer müde?

Warum fühle ich mich glücklich nach einer Umarmung?

Wieso spannen sich meine Muskeln an, wenn ich mich gestresst fühle?

Mit der Lektüre meines Buches wirst du ein völlig neues Gefühl für deinen Körper entwickeln und wissen, wieso er in manchen Situationen so reagiert, wie er reagiert. Dieses Wissen wird es dir leichter machen, Verständnis für dich und deinen Körper aufzubringen. Und es wird dir eine ganz neue Liebe zu dir selbst ermöglichen.

Gleichzeitig will ich dir dabei helfen herauszufinden, wie dein Körper am liebsten von dir behandelt werden möchte, damit er bestmöglich funktionieren und gesund bleiben kann. Er ist nämlich nicht weniger als ein atemberaubendes Wunderwerk, das dich Sekunde für Sekunde am Leben hält.

Dabei werde ich auch immer wieder etwas von meiner ganz persönlichen Reise zum gesunden Leben erzählen. Das musste ich mir nämlich auch erst erarbeiten. Als Kind habe ich Sport zum Beispiel gehasst, und später im Studium war ich immer total gestresst. Ich werde dir auch verraten, was ich an dieser Episode meines Lebens am meisten bereue.

Kapitel für Kapitel werden wir uns anschauen, wie du mehr Gesundheit in deinen Alltag integrieren kannst. Auf den letzten Seiten habe ich dir dann zum Abschluss eine Liste zusammengestellt, auf der eine Vielzahl von gesundheitsfördernden Verhaltensweisen aufgeführt sind. Wenn du einen Guide für ein gesundes Leben brauchst, gibt dir diese Liste ein paar Ideen, womit du anfangen kannst.

So, los geht’s. Ab heute heißt es nur noch FEEL GOOD!

Genieß dein Leben, liebe deinen Körper und pass auf dich auf.

Denn gesund ist dein Leben viel geiler.

Dein

Felix

LASS DICH NICHT STRESSEN

Mein Medizinstudium war für mich der größte Stress meines Lebens. Jede einzelne Prüfung, immer wieder. Ich dachte, wenn ich die nicht gleich beim ersten Mal bestehe, bin ich am Ende. Dabei hätte ich jeweils drei Versuche gehabt – aber ich habe mich eben sehr unter Druck gesetzt und mir damit das Leben selbst schwer gemacht. Im Nachhinein finde ich das richtig schlimm.

Jetzt kannst du mich zu Recht fragen, warum ich mir den ganzen Stress überhaupt angetan habe. Warum habe ich mich nicht für einen einfacheren Bildungsweg entschieden? Ein Studium in Sport- und Ernährungswissenschaften oder eine Ausbildung in diesem Bereich hätten mein Interesse sicherlich in großen Teilen abgedeckt. Aber mich hat eben auch der medizinische Hintergrund sehr gereizt, und um ganz ehrlich zu sein: Ich wollte mich selbst herausfordern, mir eine besonders schwere Aufgabe stellen. Ich wollte mir und den Menschen in meiner Umgebung einfach beweisen, dass ich es kann, auch wenn sie nicht an mich geglaubt haben. Sprüche wie »Du schaffst das eh nicht!« haben mich nur noch mehr angespornt. (Mein Appell an dich: Lass dir so etwas niemals von anderen Leuten einreden!)

Warum war mir das so wichtig? Heute weiß ich, dass mein Selbstwert ganz stark an meine Leistung geknüpft war. Ich erhoffte mir, dass meine Mitmenschen mit Anerkennung, Stolz und Respekt auf meinen Fleiß reagieren und mir damit zeigen würden, wie wertvoll ich bin. Je höher die Hürde, je größer die Anstrengung, desto mehr Anerkennung und Wertschätzung. Kommt dir das bekannt vor?

Rückblickend betrachtet verstehe ich meine Entscheidungen von damals besser, und auch, wie ich zu dem wurde, der ich heute bin. Ich hatte damals einfach einen sehr hohen Anspruch an mich selbst – genau genommen habe ich den auch immer noch. Doch ich versuche, meine Ambitionen heute nicht in den destruktiven Stress ausarten zu lassen, den ich in meinem Studium verspürt habe. An meinen Erfahrungen, die ich auf diesem Weg gesammelt habe, möchte ich dich gern teilhaben lassen, damit du davon profitieren kannst.

Dabei sollst du wissen: Ich verteufle den Stress gar nicht per se. Für einige kurze Momente kann er sogar wirklich sinnvoll sein, weil wir durch ihn wacher und konzentrierter sind, pünktlicher zu Terminen erscheinen, mehr Leistung abrufen können. Aber wenn die Erholungspausen über einen langen Zeitraum fehlen, dann kann uns der Stress krank machen. Ich verspreche dir, dass du nach diesem Kapitel nicht nur verstehst, was Stress mit dir macht – sondern auch, was du dagegen tun kannst.

WAS GENAU IST EIGENTLICH STRESS?

Fangen wir an. Wie entsteht Stress überhaupt in unserem Körper?

Das ist eigentlich ziemlich simpel: Stress macht sich immer dann breit, wenn du das Gefühl hast, etwas nicht zu schaffen, also einer Aufgabe nicht gewachsen zu sein. Diese Überforderungen kann man auch als Reize bezeichnen, die dich aus dem inneren Gleichgewicht bringen und von dir fordern, dich anzupassen. Dann spürst du: Meine Fähigkeit, diese neuen Einflüsse zu bewältigen, könnte an ihre Grenzen kommen. Diese Reize nennt man auch Stressoren.

Solche Stressoren können physikalische Faktoren wie Kälte, Hitze und Lärm sein. Sie können aber auch körperliche Ursachen haben wie Schmerzen, Krankheit, Hunger, Durst, Infektionen, Schlafentzug und Abhängigkeit. Psychosoziale Faktoren wie Einsamkeit, Konkurrenz, Rollenkonflikte, Über- oder Unterforderung, zwischenmenschliche Konflikte und Verluste können ebenfalls dazugezählt werden. Dann gibt es natürlich noch Alltägliches wie Zeitdruck bei der Arbeit, finanzielle Sorgen und familiäre Verpflichtungen (kennt jeder! Meine Regel: Eine Familienfeier darf nicht länger als eine Mahlzeit andauern, sonst stresst sie mich zu sehr).

Schauen wir uns diesen Prozess genauer an: Das Stressmodell des US-amerikanischen Psychologen Richard Lazarus (1922–2002) veranschaulicht es sehr gut: Lazarus’ Theorie nach entsteht Stress durch ein Missverhältnis von äußeren Anforderungen und unseren eigenen Ressourcen. Was bedeutet das?

Wenn ein potenzielles Stressereignis passiert, dann ist das grundsätzlich erst einmal neutral. Punkt. Unser Gehirn ordnet jetzt blitzschnell ein, um was für eine Situation es sich handelt. Erst mit unserer Bewertung entscheiden wir dann, was dieser Stressor konkret für uns bedeutet: Ist er überhaupt relevant für uns, ist er gefährlich, oder ist er vielleicht sogar positiv? Das ist die primäre Bewertung. Wird der Stressor als gefährlich und/oder relevant eingestuft, stellt sich in der anschließenden sekundären Bewertung die Frage nach den verfügbaren Ressourcen: Habe ich genug davon, um mit dem Stressor umzugehen? Wenn nicht, ist das Ergebnis – du ahnst es – Stress.

Als Beispiel können wir uns hier noch mal meine Prüfungen aus dem Studium angucken, die mein Gehirn als extrem gefährlich eingestuft hat. Denn wenn ich dreimal durchgefallen wäre, hätte ich in Deutschland nie wieder Medizin studieren dürfen. Und natürlich bin ich davon ausgegangen, jedes Mal durchzufallen. Gleichzeitig waren die Prüfungen aber für mich sehr relevant, schließlich wollte ich ja Arzt werden. Und anscheinend haben meine Ressourcen damals nicht ausgereicht, um mit diesem Stressor umzugehen. Letztendlich musste ich zwar keine einzige Prüfung wiederholen (mit einer kleinen Ausnahme), aber trotzdem war das Studium aufgrund solcher Gedankengänge der pure Stress.

Stress entsteht also erst einmal in unserer Psyche. Aber wir merken ihn auch ganz konkret im Körper. Und das hat auch seinen Sinn und Zweck: Früher bekamen Menschen Stress, weil der Säbelzahntiger vor ihnen stand. Blitzschnell mussten sie eine Entscheidung treffen: fight or flight? Also Kampf oder Flucht. In einem solchen Moment schießt die Adrenalinproduktion unseres Körpers nach oben: Wir sind von jetzt auf gleich hellwach und reaktionsschnell. Die Muskeln werden stärker durchblutet, das Herz klopft schneller.

Für diese Reaktion ist unser Gehirn verantwortlich, in dem auf verschiedenen Ebenen (neuronal, endokrin und vegetativ) eine ganze Menge passiert. Es entsteht ein komplexes Zusammenspiel verschiedener aktiver Bereiche, in die ich dir einen kurzen Einblick gewähren möchte. Eine Rolle spielt etwa unser Neokortex. Der ist nämlich für das bewusste Wahrnehmen und unsere kognitiven Prozesse wichtig. Hier meldet sich dann auch der präfrontale Kortex, zum Beispiel bei Antizipationen: Gehe ich schon vorher davon aus, dass ich die Klausur schaffen kann, oder nicht? Dann gibt es noch unser limbisches System mit dem Thalamus (der sensorische Reize verarbeitet), der Amygdala (sie ist für die Entstehung von Emotionen wichtig, also auch von Angst oder Wut) und dem Hypothalamus (er regelt unsere autonomen Funktionen). Außerdem haben wir noch den blauen Kern (Locus coeruleus), der im Hirnstamm sitzt. Hier produzieren die Nervenzellen bei Stress den Neurotransmitter Noradrenalin, der dann unseren Sympathikus beeinflusst – und dieser ist wiederum bei der Betrachtung von Stress besonders wichtig.

Wir haben unterschiedliche Nervensysteme – schauen wir nun einmal etwas genauer auf das autonome Nervensystem und innerhalb dessen auf den Sympathikus. Er steuert wichtige Funktionen unseres Körpers, ohne dass wir Einfluss darauf haben. Das passiert in besonderem Maße, wenn wir gestresst sind: Denn bei gefühlter oder tatsächlicher Belastung signalisiert er der Nebenniere, dass Katecholamine ausgeschüttet werden sollen. Diese kennst du wahrscheinlich eher unter den Begriffen Adrenalin, Dopamin und Noradrenalin. Adrenalin und Noradrenalin werden ausgeschüttet, wenn wir uns in einer der erwähnten Fight-or-flight-Situationen befinden, wenn man also unmittelbar Energie braucht.

Evolutionär ergibt es auch absolut Sinn, schnell für einen Moment ganz viel Aufmerksamkeit, Kraft und Energie zu bekommen. Ist die Situation dann überstanden, sinkt der Adrenalinspiegel im Blut, und wir können wieder entspannen. Puh! Jetzt ist es aber so, dass wir inzwischen nicht mehr mit dem Säbelzahntiger kämpfen, sondern mit etwas – so fühlt es sich zumindest an – fast genauso Gefährlichem: der PowerPoint-Präsentation (oder eben einer Prüfung).

Ich bin selbst überrascht, dass mein Körper damals im Medizinstudium exakt so reagiert hat wie die Körper unserer Vorfahren vor Jahrtausenden, deren Leben tatsächlich bedroht war, wenn ein wildes Tier angriff oder ein gefährliches Naturereignis eintrat. Und ich mache ja nur Kreuze auf ein Blatt Papier. Aber so ist das eben in uns verankert: Körperlich gesehen ist Stress immer Stress, selbst wenn die Gefahr objektiv nicht lebensbedrohlich ist. In uns spielt sich zuverlässig das gleiche Muster ab – da sind wir noch ganz Steinzeitmensch.

Wenn wir uns das Szenario mit dem Säbelzahntiger vergegenwärtigen, dann wird aber auch klar, dass Stress grundsätzlich etwas Gutes ist, für das wir unserem Körper dankbar sein können. Er möchte schließlich, dass wir überleben. Schwierig wird es nur, wenn der Stress in unserem Alltag überhandnimmt, wenn wir gar nicht mehr zur Ruhe kommen. Diesem Zustand und seinen gesundheitlichen Folgen möchte ich nun mehr Aufmerksamkeit widmen, weil er uns alle heutzutage in erhöhtem Maße betrifft.

WIE WIRKT DAUERHAFTER STRESS SICH AUS?

Dass dauerhafter Stress krank macht, ist ja bekannt. Nicht umsonst gibt es die sogenannten Managerkrankheiten wie den Herzinfarkt und Bluthochdruck. Die bekommen – Überraschung! – Menschen, die zu viel arbeiten, zu wenige Pausen einlegen, sich zu wenig bewegen, zu wenig schlafen und zu ungesund essen. Heute leiden aber nicht nur Manager und Führungskräfte an diesen Krankheiten, sondern die breite Bevölkerung, da der Stress für alle kontinuierlich zunimmt. Laut einer Studie einer deutschen Krankenkasse fühlen sich 64 Prozent der Befragten mindestens manchmal gestresst, 26 Prozent sogar häufig.1 Die aktuellen Zahlen der Krankenkassen zeigen zudem auch, dass die Krankschreibungen und die Anzahl der Krankheitstage aufgrund von Burnout-Diagnosen in die Höhe schnellen.2 Im Folgenden zeige ich dir beispielhaft, welche Krankheitsbilder sehr häufig durch chronischen Stress ausgelöst werden können.

Auch wenn er in einer Säbelzahntiger-Situation total sinnvoll ist, belastet ein erhöhter Herzschlag auf Dauer nicht nur das Herz als solches, sondern er überfordert auch die Blutgefäße, sodass Herz-Kreislauf-Erkrankungen entstehen können.

Außerdem steigt die Gerinnung des Blutes, wenn dein Körper im Stressmodus ist. Auch das war für unsere Steinzeit-Vorfahren hilfreich: Wenn der Säbelzahntiger ihnen eine Fleischwunde verpasst hatte, konnte diese durch die erhöhte Gerinnung schneller heilen, und die Gefahr zu verbluten war geringer. Wenn diese Gerinnung aber innerhalb der Gefäße stattfindet, verstopfen diese, was zu Schlaganfällen oder Herzinfarkten führen kann.

Und noch etwas passiert in Stresssituationen in unserem Blut: Es wird vermehrt Blutzucker ausgeschüttet, um die entsprechenden Organe und die Muskulatur mit Energie zu versorgen. Das erklärt auch, warum eine Krankheit wie Diabetes mit Stress assoziiert wird.3 Ob Stress sogar dazu beitragen kann, an Diabetes Typ 2 zu erkranken, nehmen mittlerweile einige Studien in den Blick. Eine davon hat beispielsweise 5337 Berufstätige im Durchschnitt knapp 13 Jahre beobachtet und festgestellt, dass die Probanden mit einer hohen beruflichen Belastung ein um 45 Prozent höheres Risiko hatten, an Diabetes zu erkranken, als diejenigen, die beruflich weniger gestresst waren.4

Stress hat aber nicht nur Einfluss auf unser Blut, sondern auch auf unseren Muskeltonus. Wir Menschen haben willkürliche Muskulatur wie etwa in unseren Armen und Beinen. Und wir haben unwillkürliche Muskulatur wie in den Gefäßen. Die willkürliche Muskulatur können wir direkt kontrollieren, die andere nicht beziehungsweise nur indirekt.

Ich gebe dir hier zwei Beispiele, die du mit Sicherheit schon erlebt hast! Lass uns dazu ein kleines Experiment wagen:

Denk jetzt mal an deinen Expartner oder deine Expartnerin.

Oder denk einfach an irgendetwas, was dich gerade sehr aufregt (Politik, nervige Arbeitskollegen, ›Star Wars‹-Fortsetzungen).

Achte jetzt bewusst auf deinen Körper – was nimmst du wahr?

Merkst du, wie sich deine Muskulatur unmittelbar anspannt?

Das Interessante ist, dass du gar nicht wütend oder gestresst und dabei muskulär entspannt sein kannst. Dasselbe gilt übrigens für Angst. Es gibt also immer eine Verbindung von deiner Psyche zu deinem Körper. Die beiden stehen im ständigen Austausch miteinander.

Aber kommen wir nun zur unwillkürlichen Muskulatur, die wir zwar nicht sehen, aber gerade bei Aufregung (in einer akuten Fight-or-flight-Situation) sehr deutlich spüren. Es geht um unseren Verdauungstrakt und unser Harnsystem. Insbesondere Männer sollten das kennen: Sie gehen zum Pissoir, auf einmal kommt der Chef rein und stellt sich direkt daneben. Auweia, jetzt können sie nicht mehr pinkeln. Dafür verantwortlich ist ein kleiner Ringmuskel, der hier dicht macht, weil man sich in einer Stresssituation um alles Mögliche kümmern soll, aber eben nicht ums Pinkeln. Es ergibt ja auch Sinn, bei gefährlichen Situationen das Blut in den Beinen zu haben und nicht etwa im Penis. Die Beine braucht man zum Kämpfen oder Weglaufen, den Penis eher nicht. So können wir uns auch erklären, warum es für einen Mann manchmal schwierig ist, unter Druck im Bett gut zu performen. Weil unser Instinkt denkt, dass da der große Tiger gleich angreift – obwohl es nur eine schöne Frau ist. Oder ein schöner Mann.

GUT ZU WISSEN

Hier sind einige Symptome, mit denen dein Körper dir zeigt, dass du über einen längeren Zeitraum hinweg gestresst bist:

Abgeschlagenheitdauernde Müdigkeit, auch nach einem eigentlich erholsamen UrlaubGereiztheitKonzentrationsproblemeSchlafproblemeMuskelverspannungenKopfschmerzenMagen-Darm-Probleme

Wenn dein Körper akut »Hilfe!« ruft, hast du möglicherweise diese Symptome:

HerzrasenKreislaufkollapsWahrnehmungsstörungen

Die Liste ist nicht vollständig, aber sie gibt einen ersten Überblick darüber, in welche Richtung es geht. Du kannst sie für dich anpassen: Wenn du also öfter das Gefühl hast, gestresst zu sein, achte mal genau auf deinen Körper. Denn der kann dir in den meisten Fällen ziemlich exakt sagen, wie es dir wirklich geht. Eigentlich sollte es aber gar nicht erst dazu kommen, dass du dich so fühlst.

OKAY, DAS IST ALSO STRESS – UND WAS JETZT?

Du siehst also, dass Stress zwar eine psychische Ursache hat und individuell bewertet wird, aber auch einen großen Einfluss auf den Körper nimmt. Das Gute daran ist: Diesen Effekt können wir umdrehen und für uns nutzen.

Es gibt eine interessante Studie, die zeigt, dass auch unser Körper Einfluss auf mentalen Stress haben kann.5 Man hat drei Gruppen dabei beobachtet, wie sie jeweils auf eine initiierte psychosoziale Stresssituation reagierten (der sogenannte Trier Soziale Stresstest). Bei den Gruppen handelte es sich um Hochleistungssportler, Amateursportler und Untrainierte. Sie alle mussten eine fünfminütige Rechenaufgabe lösen, anschließend wurde ein Vorstellungsgespräch simuliert, und sie mussten zu guter Letzt vor Publikum sprechen. Bei den drei Aufgaben wurden die Probanden sogar gefilmt. Um die Stressreaktion festzustellen, hat man sich die Ergebnisse eines Angst-Fragebogens und verschiedene physiologische Merkmale angeschaut wie die Herzfrequenzwerte und den Cortisolgehalt im Speichel.

Hier ein kleiner Exkurs: Cortisol ist ein weiteres Stresshormon. Während Adrenalin nach der akuten Gefahr wieder verschwindet, bleibt Cortisol länger im Körper. Denn es ist dafür da, uns für einen langen Zeitraum wachsam sein zu lassen, damit wir im Alarmzustand bleiben. Damit Cortisol ausgeschüttet wird, meldet der Hypothalamus der Hypophyse (der Hirnanhangdrüse) den Stress. Die wiederum sorgt dafür, dass das Hormon in der Nebenniere freigesetzt wird. Es gelangt dann ins Blut und von da in den Speichel. (Das ist jetzt natürlich etwas reduziert dargestellt.)

Wie hat sich nun der Cortisolspiegel bei den drei Gruppen der Studie voneinander unterschieden? Es kam heraus, dass die Hochleistungssportler signifikant niedrigere Angstreaktionen sowie Cortisol- und Herzfrequenzwerte hatten als die beiden anderen Gruppen. Das ist doch ein beeindruckendes Ergebnis, oder? Es zeigt, dass sich das, was der Körper durch Sport »lernt«, auf andere, mit Stress assoziierte Bereiche, wie etwa das Halten einer Rede vor Publikum, übertragen lässt. So einen Effekt sehen wir nur ganz selten in der Medizin. Wir können nämlich sonst immer nur in der konkreten Tätigkeit, die wir gerade lernen, besser werden. Dein Gehirn kann das Erlernte meist nur sehr schwer übertragen. Ich kann zum Beispiel nicht eine Stunde laufen gehen und dann erwarten, dass ich beim Bankdrücken stärker bin. Ich kann beim Bankdrücken nur stärker werden, indem ich Bankdrücken-Übungen mache.

Und deshalb finde ich das Ergebnis dieser Studie so spannend, weil es eben zeigt: Wenn du sehr sportlich bist, reagierst du weniger stark auf Stress – egal in welcher Situation!

Offenbar kann man dem Körper also eine niedrigere Anpassungsreaktion auf Stress »beibringen«. Welche genauen Prozesse dahinterstecken – physiologischer und psychologischer Natur –, ist noch nicht ganz klar. Aber man kann sich den Effekt ja trotzdem zunutze machen. Das kann sogar bei Menschen mit Angststörungen helfen, die innerhalb ihrer Therapie immer wieder mit ihren Ängsten konfrontiert werden. Mit Sport können sie sich, unter anderem, quasi fit gegenüber diesen Stresssituationen machen. Darauf weisen auch verschiedene Studien hin.6 Selbstverständlich ersetzt das aber nicht eine psychotherapeutische Behandlung.

Zusammengefasst weiß man also, dass das Stresshormon Cortisol durch Bewegung (schneller) abgebaut wird und dass körperliche Betätigung einen positiven Einfluss auf die mentale Fähigkeit hat, mit Stress umzugehen. Du kannst also mit Sport effektiv Stress reduzieren und diesem auch vorbeugen!

Was kannst du jetzt konkret im Alltag tun, um den Cortisolspiegel und damit auch dein Stresslevel zu senken? Zunächst einmal bringt es schon etwas, sich während der Arbeit zu bewegen. Zum Beispiel könntest du in der Mittagspause spazieren gehen. Vielleicht gibt es aber auch die Möglichkeit, an einem Meeting teilzunehmen, in dem du nur zuhörst, damit du währenddessen eine Runde drehen kannst. Ich telefoniere sehr oft und gehe währenddessen durch den Wald. Es wäre wirklich toll, wenn Firmen ihren Mitarbeitenden solche Audiocalls ermöglichen würden, damit die Leute weniger sitzen müssen. Und damit meine ich nicht ständig, sondern vielleicht eine halbe Stunde am Tag. Klar muss man für die meisten Calls am Rechner sein, aber vielleicht gibt es ja wenigstens diesen einen Termin am Tag, bei dem es reicht, wenn du zuhörst und währenddessen nicht auf einen Bildschirm schaust.

Abgesehen von Bewegung helfen dir aber auch andere Tricks bei der Stressreduktion. Basteln und Malen beispielsweise können das Stresslevel senken – das ist sogar nachgewiesen.7 Da können wir wirklich viel von Kindern lernen, die aus einem natürlichen Impuls heraus zu Stift und Papier greifen.

Aber der schönste Rat lautet: Lachen! Es reduziert das Cortisol in deinem Körper ebenfalls. Dazu habe ich zwei Theorien: Zum einen wird beim Lachen das Kuschel- und Bindungshormon Oxytocin ausgeschüttet (neben ein paar anderen Glückshormonen). Das ist ein Antagonist, also ein Gegenspieler, von Cortisol und verringert somit dessen Konzentration im Blut. Zum anderen entspannst du beim Lachen deine Muskeln – und spannst sie wieder an. Dieser Wechsel aus Anspannung und Entspannung der Muskulatur ist eine anerkannte Entspannungsmethode. Du kennst sie vermutlich unter dem Begriff Progressive Muskelentspannung. Und dem Immunsystem tut das auch gut. Lachen ist also wirklich die beste Medizin.

Versteh mich nicht falsch: Es ist völlig okay und auch nicht bedenklich, hin und wieder vom Job, deiner Beziehung oder dem Leben als solchem gestresst zu sein. Entscheidend ist, den Stress in Form von Cortisol wieder loszuwerden und bewusst von der An- in die Entspannung zu finden. Und das geht eben nicht mit einem Glas Rotwein auf dem Sofa, sondern mit Spazierengehen, Sport, einfach jeglicher Form der Bewegung – und dazu zählt übrigens auch Sex.

WIE VERHINDERE ICH, DASS STRESS ÜBERHAUPT ERST ENTSTEHT?

Jetzt hast du verstanden, was Stress ist, wie er auf deinen Körper wirkt und wie wir mithilfe von beispielsweise mehr Bewegung auf ihn einwirken können. Damit Stress aber gar nicht erst entsteht, ist es essenziell, sich über das eigene Stressempfinden bewusst zu werden und den Umgang damit gegebenenfalls zu verändern.

Eingangs habe ich ja schon vom Stressmodell des Psychologen Richard Lazarus erzählt. Es geht dabei darum, dass wir nicht nur den Stressor bewerten, sondern auch unsere eigenen Ressourcen. Also: Kann ich die Prüfung schaffen? Habe ich mich ausreichend vorbereitet? Bei mir war es im Studium so, dass ich immer sehr viel gelernt habe, trotzdem aber permanent das Gefühl hatte, es würde nicht reichen. Vielleicht kennst du das: Obwohl du alles gibst, denkst du, dass du dein Ziel trotzdem nicht erreichst. Ironischerweise habe ich dann fast jede Prüfung beim ersten Mal bestanden. Aber ich hatte dabei immer die Angst, ich könnte durchfallen. Dass das Studium durch diese Denkweise eine so schwere Zeit für mich wurde, ist eines der Dinge, die ich in meinem Leben am meisten bereue.

Aber kommen wir zurück zu Lazarus: Seine Theorie besagt ja, dass Stress bei einem Missverhältnis zwischen den äußeren Anforderungen und den eigenen Ressourcen entsteht. Aus meiner Sicht ist aber eines wichtig zu ergänzen: Es sind oft gar nicht die äußeren Anforderungen, um die es geht. Es sind unsere eigenen Anforderungen, die wir an uns selbst haben. ICH möchte beim ersten Mal diese Prüfung bestehen. Die Prüfung will ja nicht bestanden werden, der ist das völlig egal.

Ob wir also gestresst sind, hängt im Wesentlichen davon ab, ob wir uns den Stress »machen«. Ich möchte zeigen, dass es ganz häufig unser eigenes Anspruchsdenken und nicht ein äußerer Faktor ist, der uns den Stress bereitet. Ich bin da selbst das schlechteste Beispiel, weil ich, wie gesagt, einen unglaublichen Anspruch an mich selbst habe. Den kann ich oft gar nicht erfüllen. Und das ist auch etwas, an dem ich arbeiten muss. Vielleicht kennst du das auch. Du möchtest alles im Leben bestmöglich machen: ein großartiger Mitarbeiter, ein toller Sohn, eine tolle Tochter, eine mega Ehefrau oder Mutter, ein mega Ehemann oder Vater sein. Und das ist ja auch völlig okay. Alles möglichst gut machen zu wollen ist erst mal nichts Negatives. Mir ist es auch wichtig, meine Bestleistung im Leben zu zeigen, und dann kann man eben nicht erwarten, dass alles immer entspannt läuft. Sei dir dabei aber trotzdem bewusst: Es ist auch völlig okay, mal Dinge nicht gut zu machen! Oder sogar bestimmte Dinge gar nicht zu machen!

Dass diese Gedanken nicht widersprüchlich sind, zeigt dir folgende kleine Metapher: Stell dir Stress und Entspannung wie eine Wippe vor. Auf der Stressseite sind deine Ansprüche an dein Leben und dich selber. Auf der Entspannungsseite sind alle Dinge, zu denen du Nein sagst, die du NICHT machen musst. Jetzt ist es total normal, dass die Wippe sich mal hebt und mal senkt. Durch diese Abwechslung macht das Wippen doch erst richtig Spaß! Hauptsache, sie bleibt nicht auf einer Seite liegen.

Wie können wir nun unseren Umgang mit stressigen Situationen dann verändern? Der Schlüssel ist die Bewertung. In einer groß angelegten Studie wurden die Auswirkung und die Bewertung von Stress auf die Mortalität der Probanden untersucht.8 Menschen, die sowohl angaben, viel Stress im Alltag zu haben, als auch, an dessen Einfluss auf die Gesundheit zu glauben, hatten ein um 43 Prozent höheres Risiko für einen verfrühten Tod! Gleichzeitig waren diese Probanden auch deutlich anfälliger für psychischen Stress – ein wahrer Teufelskreis also.

Ist es nicht unglaublich, dass wir allein mit der Bewertung von Stress körperliche Krankheiten fördern oder verhindern können? Theoretisch musst du dein Leben also nicht grundlegend ändern und auf einmal Hochleistungssport treiben. Dein erster Hebel in Sachen Stress ist deine Bewertung der jeweiligen Situation. Bei den meisten Zusammenhängen in der Medizin klappt das leider nicht. Wenn du rauchst und sagst: »Ich bewerte, dass das gesund für mich ist«, dann funktioniert das nicht. Warum das bei Stress aber geht? Weil es sich hier eben um eine subjektive Wahrnehmung handelt.

Ein erster Schritt könnte für dich jetzt so aussehen: Du schraubst die Anforderungen, die du an dich selbst hast, herunter. Das ist schwer! Ich weiß, wovon ich rede, denn mir fällt das ja auch alles andere als leicht. Beispielsweise möchte ich das bestmögliche Buch schreiben, um dir dabei zu helfen, gesund zu leben. Und dafür gebe ich alles, aber ich arbeite hart daran, meine eigenen Anforderungen an mich herunterzuschrauben. Und das solltest du auch machen. Du kannst dir etwa vornehmen: Okay, ich will es perfekt machen. Aber dafür muss ich es vielleicht nicht superschnell erledigen.

Im zweiten Schritt kannst du dich fragen: Was ist das Schlimmste, was passieren kann? Ist das wirklich katastrophal schlimm? Und falls ja: Ist es wirklich eine realistische Folge meiner Handlung? Wir neigen nämlich oft dazu, uns den Worst Case auszumalen, der aber sehr wahrscheinlich niemals eintreten wird. Trotzdem stresst uns der Gedanke so, als wäre er bereits passiert. Ein kleines Beispiel: Es steht ein wichtiges Meeting an und du kommst zu spät. Da du den Anspruch an dich selbst hast, immer pünktlich zu sein, gerätst du in Stress. Doch was passiert wirklich? Höchstwahrscheinlich kannst du dein Zuspätkommen mit einer einfachen Entschuldigung schnell wettmachen. Außerdem wird dein Chef höchstwahrscheinlich nicht schlecht von dir denken, nur weil du einmal zu spät bist. Wahrscheinlich werden alle Beteiligten den Vorfall nach wenigen Minuten vergessen haben. Dass du aufgrund dessen gefeuert wirst (die ausgemalte Katastrophe!), ist keine realistische Folge, also brauchst du sie auch nicht zu durchdenken.

Natürlich gibt es schwerwiegende Situationen, natürlich verlieren Menschen ihren Job. Dann darf man auch gestresst sein! Es geht mir eher darum, dass du dir ein Mindset zulegst, das es dir erlaubt, die Folgen deines Handelns realistisch und wohlwollend einzuschätzen. Wenn du durch eine Prüfung fällst, kannst du sie in der Regel wiederholen. Wenn du zu spät kommst, kannst du dich, wie gesagt, dafür entschuldigen. Nicht selten bietet sich auch die Möglichkeit, aus einer anfangs schlechten Situation etwas Gutes entstehen zu lassen. Man sagt ja nicht umsonst, dass etwas Altes sterben muss, damit etwas Neues entstehen kann. So kann auch nach einer harten Trennung aus einer Beziehung anschließend eine bessere kommen.

Und dann gibt es noch einen weiteren Hebel, um Stress zu bewältigen: unsere eigenen Ressourcen (siehe Lazarus). Wenn du akut Stress hast, stell dir diese zwei Fragen:

1. Warst du schon mal in einer ähnlichen Situation?

Häufig war es bei mir so, dass ich dachte, diese Prüfung, dieser Familiengeburtstag, dieses Date, dieser akute Stress sind so schlimm, so etwas Schlimmes habe ich in meinem Leben noch nicht erlebt. Aber ehrlicherweise glaube ich im Nachhinein durchaus, dass ich schon einmal in solchen Situationen war. In der dritten Klasse hatte ich nämlich genauso viel Angst vor Klassenarbeiten wie vor meinem Staatsexamen viele Jahre später.

Wir haben häufig den Eindruck, dass wir noch niemals so eine harte Trennung durchgemacht, so schlimmen Liebeskummer gehabt haben. Aber wenn wir uns bewusst erinnern, erkennen wir, dass diese Erfahrungswerte meist doch schon in uns sind. Wir sind über zerbrochene Lieben hinweggekommen, haben Prüfungen bestanden, eine Rede gehalten. Wir haben schon vieles überwunden und geschafft, darauf können wir stolz sein.

Wenn du dir diese Frage stellst, bringst du dein Hirn dazu, den akuten, angeblich noch nie da gewesenen Stressor mit den Situationen zu vergleichen, in denen du etwas Ähnliches schon einmal bewältigt hast. Das nimmt dieser Situation den Schrecken und beweist dir, dass du sie meistern wirst.

2. Was hat dir damals geholfen?

Als du das letzte Mal in einer vergleichbaren Lage warst, hat es dir da beispielsweise gutgetan, Sport zu treiben oder dich mit Freunden zu treffen? Hat es geholfen, Netflix zu gucken oder Fastfood zu essen? Punktuell kannst du genau diese Sachen machen, die dir helfen. Es geht in erster Linie darum, die stressige kurze Zeit zu überwinden.

Was ich hier unbedingt betonen möchte: Wir alle durchleben belastende Zeiten – und manchmal gehören die eben auch dazu. So etwas wie Klausurenstress oder die Abschlussphase eines Projektes: Eine Woche Hochleistung kann sich auch mal gut anfühlen. Und viele von uns brauchen ein bisschen Stress, um gut performen zu können. Häufig ist es ja genau die Deadline, die uns antreibt. Und in diesen Phasen ist es dann auch okay, Fastfood zu essen und andere Sachen wie Sport zurückzuschrauben. Ich würde da aber immer mit einer Frist arbeiten. Sag dir: »Diese heftige Zeit dauert noch zwei Wochen – und dann geht’s wieder gesund weiter.« Sonst hast du die ganze Zeit ein schlechtes Gewissen. Und das wird dich wiederum daran hindern, dich auf dein Ziel zu konzentrieren. Und auch die Hochleistungsphase braucht unbedingt ein klares Ende, das ist ganz wichtig. Denn wenn der Stress zu lange dauert, kann das unserer Gesundheit, wie gesagt, schaden.

WARUM WIR UNS MANCHMAL SOGAR STRESSEN WOLLEN

Wenn du einmal verinnerlicht hast, dass du es selbst in der Hand hast, nicht gestresst zu sein, dann kann das dein ganzes Leben verändern. Bei Stress kommt es auf deine eigene Bewertung an. Lässt du dich stressen oder bleibst du bewusst gelassen, atmest tief durch und gehst eines nach dem anderen an? Wichtig zu verstehen bei alledem ist: Du bist kein besserer, erfolgreicherer Mensch, wenn du gestresst bist. Du kannst nicht die Regeln der Gesellschaft verändern. Du hast beispielsweise nicht unbedingt in der Hand, wie Dienstpläne gemacht werden. Aber du kannst entscheiden, wie sehr du dem Stress in deinem Leben Raum gibst.

Hätte mir das früher jemand gesagt, hätte ich mich total angegriffen gefühlt. Weil ich in meinen Augen ja wirklich viel Stress hatte. Ich habe mich im Studium extrem angestrengt – und das hat leider nur zu (meiner Meinung nach) mittelmäßigen Ergebnissen geführt. Aber ich war eben besessen davon, das durchzuziehen, weil ich dachte: »Felix, du musst etwas richtig Krasses im Leben machen! Am besten ein Studium, das so richtig schwer ist, wofür man von der Gesellschaft viel Anerkennung bekommt.« Heute weiß ich, dass das ganz viel mit meinem Selbstwert zu tun hatte. Ich wollte eben wer sein. Und ich wollte den Stress auch haben!