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Protagonist dieses Jugendbuchs ist ein alter Naturforscher, dem es mittels eines von ihm entwickelten Wirkstoffs gelingt, sich und ein jugendliches Geschwisterpaar bis auf Fliegengröße oder noch kleiner schrumpfen zu lassen.
Als winzige Zwerge unternehmen die drei Ausflüge in Bienenkörbe und Ameisenhügel, zu Meerestieren oder Kleinstlebewesen in Wasserlachen und Erdreich. Jedesmal geraten sie in atemberaubende, gefahrvolle Situationen.
Die mit besonderer Anschaulichkeit und märchenhaft dargestellten Ereignisse in jene für Menschen nicht zugängliche Gebiete sollen das Interesse jugendlicher Leser für Natur und Umwelt wecken.
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Veröffentlichungsjahr: 2017
Nach Herbert P a a t z
Doktor Kleinermacher führt Dieter in die Welt
Teil 1
der
»DOKTOR-KLEINERMACHER-TRILOGIE«
Überarbeitung und Neufassung
durch
Claus H. Stumpff
www.chsautor.de
Protagonist dieses Jugendbuchs ist ein alter Naturforscher, dem es mittels eines von ihm entwickelten Wirkstoffs gelingt, sich und ein jugendliches Geschwisterpaar bis auf Fliegengröße oder noch kleiner schrumpfen zu lassen.
Als winzige Zwerge unternehmen die drei Ausflüge in Bienenkörbe und Ameisenhügel, zu Meerestieren oder Kleinstlebewesen in Wasserlachen und Erdreich. Jedesmal geraten sie in atemberaubende, gefahrvolle Situationen.
Die mit besonderer Anschaulichkeit und märchenhaft dargestellten Erlebnisse in diesen für Menschen nicht zugänglichen Gebieten sollen das Interesse jugendlicher Leser für Natur und Umwelt wecken.
Hinweis:
Die zahlreichen in der Originalversion von 1938 enthaltenen Illustrationen konnten in diesem E-Book (BookRix-Format EPub) leider nicht dargestellt werden. In allen Kindle-E-Books und Taschenbüchern sind sie allerdngs enthalten - siehe unter »Hinweise« am Schluss.
Dieters Träume
Traute und Dieter spielten im Garten Federball. Traute lachte immerzu, aber Dieter verhielt sich nachdenklich und still. Er reagierte prompt auf jeden Schlag, jedoch waren seine Gedanken ganz woanders.
»Was hast du nur, Dieter?«, fragte ihn seine eineinhalb Jahre jüngere Schwester Traute.
»Na ja, ich muss gerade daran denken, dass wir immer älter werden und frage mich, was wohl eines Tages aus uns wird.«
»Du bist aber komisch, Dieter! Wenn ich älter werde, kleide ich mich halt anders und trage dann nicht mehr so eine scheußliche Kinderfrisur. Dann lerne ich fleißig, vielleicht studiere ich sogar, und später heirate ich einen reichen Mann. Und was willst du später mal machen?«
»Ich möchte mal einen Beruf haben, der mich in die weite Welt führt, also auch nach Indien, Afrika und Amerika. In diesen Ländern könnte ich so manches Abenteuer erleben. Dort gibt es Wälder, wo Tiger herumschleichen, Riesenschlangen an Bäumen hängen und Affen von Ast zu Ast springen. Auch flitzen Gazellen über die Steppe, so schlank und herrlich anzusehen. Ein ganz bezauberndes Land muss Indien sein!«
»Wenn du wirklich mal dorthin reist, darf ich dich dann begleiten?«
»Na klar, Schwesterchen, du musst mich überall hin begleiten. Auch nach dem Südpol und nach Grönland. Über Grönland habe ich viel gelesen. Da drücken sich langsam die Gletscher ins Meer. Hundert Meter hoch sind die Eiswände oder noch höher. Dann plötzlich bricht ein Stück vom Gletscher ab, es ist noch gewaltiger als ein riesiges Haus. Langsam schwimmt der abgebrochene Eisberg nach Süden und schmilzt nach und nach. Traute, das alles werden wir dann zu sehen bekommen. Die Welt ist so wunderschön. Aber jetzt sind wir noch Kinder und haben nichts davon.«
»Au fein, Dieter, wenn wir erwachsen sind, dann begleite ich dich überall hin. Der Mama möchte ich jetzt schon verraten, dass wir beide mal eine Weltreise unternehmen.«
»Warum denn immer erst dann, wenn wir erwachsen sind? Auch wir Kinder sollten die Welt kennenlernen, und das will ich tun. Die Erwachsenen interessieren sich kaum noch für Abenteuer und Weltwunder. Aber wir Kinder müssen unseren Eltern zeigen, wozu wir fähig sind. Die würden aus dem Staunen nicht mehr rauskommen und große Augen machen.«
»Du hast recht, nur habe ich noch ziemliche Angst vor der Fremde und vor Abenteuern. Aber trotzdem sollte man mutig entschlossen immer das tun, was einem am Herzen liegt.«
»Wir dürfen niemandem verraten, was wir vorhaben, es muss ganz unter uns bleiben. Gib mir dein Wort, dass du schweigst.«
Traute reichte ihrem Bruder die rechte Hand, und die linke legte sie auf ihre Brust. Dabei sah sie Dieter in die Augen und versprach, von der geplanten Weltreise keinem Menschen etwas darüber zu sagen, auch Mama und Papa nicht. Jedoch zitterte sie ein wenig dabei. Dieter aber kannte keine Furcht, und voller Mut blickte er seiner Schwester in die Augen. Dann aber wurde er wieder nachdenklich.
»Wohin wollen wir zuerst reisen? Ich werde auf Papas Globus danach suchen. Zuerst möchte ich nach Indien fahren. Aber dafür brauchen wir Geld. Wenn wir erst dort sind, können wir alles mit Muscheln bezahlen, die wir am Strand entdecken. Vielleicht finden wir auch Gold und Edelsteine. In Europa müssen wir aber noch alles mit Geld bezahlen. Die Frage ist, wie kommen wir an Geld?«
Traute meinte, ob man nicht doch lieber zu Hause bleiben und warten solle, bis man erwachsen sei. Noch ein Kind zu sein, das sei doch auch nicht schlecht und das Federballspiel hätte ihnen doch immer Spaß gemacht. Aber davon wollte Dieter nichts wissen. Er meinte, Mädchen seien leider zimperlich und hätten keinen Mut. Ein Mann aber müsse lernen, sich durchzuboxen. Aber auch er wusste nicht, wann und wo die Reise beginnen sollte. Da meinte Traute, vielleicht wäre es doch besser, sich einem Erwachsenen anzuvertrauen, der schon mal in Indien war.
Dieter erwiderte: »Quatsch, ein Erwachsener verrät uns bestimmt. Wir müssen ganz allein klar kommen.«
Doch da fiel ihm plötzlich etwas ein: In einem kleinen Häuschen unweit ihres Elternhauses lebte der pensionierte Biologe und Naturforscher Dr. Max Klein. Der war ein Jugendfreund ihres inzwischen verstorbenen Großvaters. Sie hatten ihn schon einige Male zusammen mit ihrem Opa aufgesucht. Im Wohnzimmer des alten Mannes standen ausgestopfte Tiere herum und an den Wänden hingen Bilder von fernen Ländern. Auf seinem Schreibtisch befand sich ein Mikroskop und vor der Terrassentür stand ein Fernrohr. Von den anderen, überall aufgestellten Apparaten hätte Dieter zu gern gewusst, wozu sie dienten. Aber je unbekannter alles war, desto geheimnisvoller erschien es ihm.
Doktor Klein war ein älterer Mann mit einem weißen Vollbart. Er mochte Kinder, und immer kamen welche, die ihn besuchten. Keinem von ihnen hätte er jemals ein Leid zugefügt. Und was noch liebenswerter war, keines hatte er jemals bei Eltern oder Lehrern verpetzt. Wenn ihm etwas an einem Kind missfiel, dann ermahnte er es freundlich aber ernsthaft, und dann war alles wieder gut. Also nichts wie hin zum Doktor Klein, der konnte ihnen bestimmt helfen! Den Geschwistern war dieser Doktor also nicht mehr unbekannt. Trotzdem war ihnen nicht ganz wohl bei dem Gedanken, diesen Mann aufzusuchen, der wie ein Zauberer aussah.
Dieter fand gleich wieder das Haus. Als sie eintraten, war es im Flur so dunkel, dass Traute ihrem Bruder noch fester die Hand drückte. Auch im Treppenhaus wurde es nicht heller, und die Stufen knarrten bei jedem Schritt.
Dieter klingelte, und gleich darauf vernahmen sie schlurfende Schritte hinter der Tür. Doktor Klein schloss auf und blickte sie durch seine Brille freundlich an. Ein weißer Vollbart umrahmte sein ganzes Gesicht. Seine Haare waren nach hinten gekämmt und reichten bis auf den Kragen. Er lachte, als er die beiden erkannte und sagte:
»Na, das ist ja eine Überraschung. Ihr habt bestimmt was auf dem Herzen, das sehe ich euch gleich an. Aber kommt erst mal rein in meine gute Stube.«
Hier sah es genauso aus, wie Dieter es in Erinnerung hatte. Doktor Klein schien Hausrat aus aller Herren Ländern gesammelt zu haben. Bestimmt war er auch schon in Indien gewesen. Dann wiederholte der Doktor nochmals seine Frage, und Dieter sagte mutig:
»Lieber Herr Doktor, wir beide sind zwar noch jung, aber wollen eine Weltreise machen. In Indien möchten wir Tiger und Riesenschlangen beobachten, in Grönland Gletscher und Eisberge, in Afrika Löwen und Krokodile. Leider gibt es in Amerika keine echten Indianer und Büffel mehr. So wird es bald auch in Indien nur noch Intercitiy-Züge, Autos und U-Bahnen geben und rings um Grönland werden die Eisberge schmelzen. Noch lohnt sich für uns eine Weltreise. Traute und ich möchten alle Länder der Welt kennenlernen dort manches Abenteuer erleben. Ob du uns dazu verhelfen kannst?«
Der Doktor konnte sich ein heimliches Lächeln nicht verkneifen und nach Dieters Rede lachte er laut auf:
»Gut gesprochen, lieber Dieter, du bist ja ein richtiger Redner. Aber was liegt dir denn an Indien? Glaubst du wirklich, Indien wäre schöner als Deutschland?«
»Aber, Doktor Klein, wie können sie nur Deutschland mit Indien vergleichen? Ich dachte, sie wären ein weitgereister Mann!«
»Nur langsam, lieber Dieter, ich will euch mal etwas erzählen. Vor langer Zeit bekam ich Besuch von einem Griechen. Ich bat diesen Mann darum, mir von seiner Heimat zu berichten, von der Akropolis in Athen bis zu den Tempeln. Daraufhin meinte der Grieche, dass die Wälder und Berge in Deutschland viel schöner seien als die karge griechische Landschaft. Und unsere ICE-Züge fände er viel interessanter als die Akropolis und alle Tempel zusammen.«
Das konnte Dieter nicht begreifen, und Doktor Klein erzählte weiter:
»Wenn ich von einer Anhöhe aus in ein Tal hinabschaue, während die Sonne langsam am Horizont versinkt, wenn ich dabei das Rauschen einer Quelle höre, dann fühle ich mich so glücklich, dass ich keine Landschaft der Welt dagegen eintauschen möchte. Und dann sagst du, die Gazellen seien so schön. Ich habe fast alle Tiere der Erde gesehen, gewiss, die Gazellen sehen sehr anmutig aus, aber für die schönsten Tiere der Welt halte ich die Rehe in unseren Wäldern. Das sagt dir ein alter Weltreisender. Glaube mir, unsere Rehe haben so viel Anmut, so viel Grazie, dass mich ihr Anblick immer wieder entzückt.«
Darauf wusste Dieter nichts mehr zu sagen. So überzeugend waren die Erklärungen dieses weitgereisten, alten Mannes. Und auch Traute erkannte, dass es doch noch klügere Leute gab als ihren Bruder. Das hätte sie nie für möglich gehalten, sondern immer geglaubt, ihr Bruder wüsste viel mehr also mancher Erwachsene. Er dürfte es nur nicht zeigen, sonst würden die Erwachsenen neidisch. Aber was der Doktor sagte, klang wirklich überzeugend. Und der erklärte weiter:
»Nun meinst du, es gäbe in Deutschland keine Abenteuer. Die kannst du haben, mein kleiner Held. In Watte sollt ihr Jungen nicht gewickelt werden. Seht mal, ihr zwei Schlauen, hier ist ein kleiner Wassertropfen. In dem schwimmen so viele sonderbare Tiere in phantastischen Formen herum, wie sie kein Urwald Indiens aufzuweisen hat. Und die Tiere schwimmen nicht etwa friedlich durch das Wasser – ganz im Gegenteil, denn eines greift das andere an. In einem Wassertropfen gibt es Mord und Totschlag, Lebenskampf und bunte Schönheit.«
»Aber man kann das alles doch gar nicht sehen«, meinte Dieter.
Der Doktor lächelte: »Ja, das kann man nicht sehen, weil die Tiere und Pflanzen darin so winzig sind, sodass unser Auge sie nicht findet. Aber deshalb habe ich mir ein Mikroskop angeschafft. Ich werde jetzt einen Wassertropfen darunter legen, den könnt ihr dann durch das Okular betrachten.«
Der Doktor stellte das Mikroskop zur Durchsicht ein und winkte Dieter herbei. Zunächst konnte der Junge nichts mit dem sonderbaren Anblick anfangen, der sich ihm darbot, doch dann sah er alles immer deutlicher und genau so, wie der Doktor es geschildert hatte. Die vielfältigen Formen der Tiere und Pflanzen waren gar nicht zu beschreiben. Dieter war vor Begeisterung sprachlos. Dann durfte auch Traute durch das Okular schauen und sagte:
»Also, Dieter, schöner als in diesem Wassertropfen kann es in Indien wirklich nicht sein. Ich habe ja gar nicht geahnt, was alles darin herumschwimmt«, erklärte sie begeistert.
Auch Dieter war überrascht und seine Augen glänzten. Von seiner Idee, nach Indien zu reisen, war nichts mehr zu spüren. Dann wurde er plötzlich nachdenklich und sagte:
»Indien hast du mir gründlich ausgetrieben, Doktor Klein. Nun habe ich aber einen ganz anderen Wunsch, vielleicht kannst du ihn mir erfüllen? Ich möchte nämlich gern so klein sein wie diese Tiere im Wassertropfen, um dann darin alle diese wundersamen Lebewesen direkt zu beobachten. Kannst du das ermöglichen?«
Der Doktor machte ein ernstes Gesicht und sagte zunächst nichts. Da hatte er den beiden Indien ausgeredet und jetzt sehnt Dieter sich nach anderen Abenteuern, diesmal in einem Wassertropfen! Beide Kinder warteten gespannt auf seine Antwort, dann sagte er:
»Ich habe mich selbst schon mit diesem Gedanken beschäftigt«, sagte er. »So etwas ist zwar machbar, allerdings äußerst gefährlich und ich weiß nicht, ob das gut geht. Aber du bist ein kleiner Draufgänger und ich möchte dich nicht enttäuschen. Darum mache ich mit dir einen Versuch. Komm morgen wieder, und dann wollen wir beide in einen Wassertropfen steigen. Aber wenn du Angst davor haben solltest, dann bleibe lieber daheim. Traute darf natürlich auch mitkommen, wenn sie sich über die möglichen Gefahren im Klaren ist.«
Traute sah ihren Bruder kurz an und sagte vergnügt: »Natürlich komme ich mit!«
Die beiden verabschiedeten sich und gingen Hand in Hand nach Hause. Unterwegs wechselten sie kein Wort, denn sie ahnten, dass sie am nächsten Tag ein gefahrvolles Abenteuer erleben würden.
In einem Wassertropfen
Dieter und Traute wurden nachts von schrecklichen Träumen geplagt. Traute träumte, sie wäre bei Doktor Klein, der sie so winzig machen wollte, dass sie in einen Wassertropfen hineinpasste. Er legte sie auf einen Amboss und schlug mit einem Hammer so lange auf sie ein, bis sie immer weiter einschrumpfte. Traute schrie in ihrer Angst gellend auf. Dieter bekam davon nichts mit, denn beide hatten getrennte Kinderzimmer. Die Mutter kam herein, trat ans Bett und fragte besorgt:
»Was hast du denn, Trautchen?«
»Ach, der Doktor Klein schlägt mich immerzu mit einem Hammer. Ich soll kleiner werden als ein Wassertropfen.«
Plötzlich erinnerte sich Traute an das Versprechen, das sie Dieter gegeben hatte. Keinem Menschen sollte sie von dem Doktor erzählen, so hatte sie es versprochen. Dieter hatte sie dabei die Hand gegeben und die andere Hand auf die Brust gelegt. Nun hatte sie das Versprechen gebrochen. Sie schämte sich und sagte rasch: »Ach, einen Doktor Klein gibt es ja gar nicht. Das war gewiss nur ein böser Traum. «
Die Mutter lächelte und sagte: »Natürlich gibt es keinen Doktor Klein, du hast bloß schlimme Dinge geträumt. Schlaf nun wieder!.«
Auch Dieter träumte seltsames Zeug, und zwar von Abenteuern in einem Wassertropfen. Mit einem Schwert in der Hand schwamm er wie wild durch ein riesiges Meer. Wale, Haifische, Robben und Krokodile schwammen auf ihn zu. Die Tiere waren viel größer als er. Mit seinem Schwert hieb er tüchtig auf sie ein, und ein Ungeheuer nach dem anderen verblutete und sank tot zu Boden. Erst waren die Tiere voller Angriffslust, dann fürchteten sie sich vor seinem Schwert und flohen. Aber Dieter war immer hinter ihnen her, schlug mit seinem Schwert wild um sich und jubelte hell auf in lauter Siegesfreude. In einer Ecke jedoch sah er ein Krokodil schwimmen, das sich nicht um ihn kümmerte. Vor dem Krokodil sah er Doktor Klein Hand in Hand mit seiner Schwester schwimmen. Ängstlich versuchten die beiden, dem Ungeheuer zu entkommen, doch immer weiter näherte sich das Tier den beiden. Dieter vergaß alle anderen Ungetüme und wagte sich in wilder Kampfeslust immer näher an das Krokodil heran. Schon hob er sein Schwert um es zu erschlagen, da schlug auch schon das Krokodil mit dem Schwanz zu und traf ihn so heftig, dass Dieter aus dem Wassertropfen hinausgeschleudert wurde.
Dieter rieb sich verwundert die Augen, er war im Traum aus dem Bett gefallen, und das ganze Bettzeug lag am Boden. Der Kampf mit dem Ungeheuer hatte Spuren hinterlassen. Da es bereits hell wurde, zog er sich an, brachte sein Bett wieder in Ordnung, nahm schweigend und nachdenklich sein Frühstück ein. Danach ging er zum Spielen in den Garten.
Die Mutter sagte daraufhin zum Vater: »Der Dieter hat wieder irgendwas vor, er sieht so verändert aus.«
Aber der Vater erwiderte: »Alles nur Kindskram!« Und damit war für ihn die Sache erledigt.
Auch Traute beeilte sich mit dem Frühstück. Dieter wartete schon vor der Haustür auf sie und beide machten sich gleich auf den Weg zu Doktor Klein und dem Abenteuer im Wassertropfen.
»Hast du eigentlich Angst?«, fragte Traute.
»Angst?, wovor denn?«
»Ich habe auch keine Angst«, meinte sie, wobei ihre Stimme leicht zitterte.
Doktor Klein empfing sie wieder sehr freundlich und sagte:
»Ich hatte schon angenommen, ihr würdet es euch anders überlegen. Aber nun seid ihr tatsächlich gekommen. Ich habe unser Vorhaben nochmals überdacht, es dürfte gefahrlos und wie geplant vonstatten gehen. Jetzt will ich euch noch erklären, wie wir drei in so einen Wassertropfen hineinkommen. Aber wie gelingt das? Nach jahrelangen Versuchen ist es mir nämlich gelungen, ein Getränk herzustellen, das uns dies ermöglicht; ich bezeichne es als ›Wunderwasser‹. Wenn wir davon eine genau bemessene Menge zu uns nehmen, werden wir so klein wie all die Lebewesen im Wassertropfen. Die Verkleinerung hält aber nur kurze Zeit an, dann dehnt sich unser Körper wieder, wir recken uns aus dem Wassertropfen heraus, wachsen und wachsen, bis wir wieder unsere normale Größe erreicht haben. Möchtet ihr nun mit mir dieses Wunderwasser schlucken?«
Traute zitterte am ganzen Körper und sah Dieter fragend an. Aber der schaute tapfer dem Doktor ins Gesicht und sagte nur: »Ja, ich will!« Traute zögerte noch eine Weile, dann antwortete auch sie mit »Ja!«
Nun holte der Doktor die Wunderwasserflasche sowie drei kleine Plastik-Messbecher aus seinem Küchenschrank. Während er einen Becher gegen das Licht hielt sagte er:
»Seht ihr die Strichmarken am Becherrand? Die gehen von 1 bis 9. Je größer die Menge des getrunkenen Wunderwassers ist, desto kleiner wird man. Heute wollen wir uns so sehr verkleinern, dass wir in einen Wassertropfen einsteigen können. Dafür werde ich jetzt von dem Wunderwasser soviel in jeden Becher einfüllen, bis es die maximale Strichmarke 9 erreicht hat.«
Die Kinder beobachteten, wie der Doktor die Becher entsprechend auffüllte. Danach gab er einen Tropfen von dem Wasser, das aus einer kleinen Regenpfütze im Garten stammte, auf die Mitte der Tischplatte. Nun forderte er seine jungen Gäste auf, sich auf den Tisch zu stellen, und zwar direkt neben diesen Tropfen. Dann gesellte auch er sich zu ihnen und sagte:
»Wir müssen uns ganz dicht an diesem Wassertropfen verkleinern, sonst wäre es für Winzlinge – die wir danach sind – ein zu langer Weg zu ihm hin, wofür wir vielleicht einen ganzen Tag bräuchten. Während dieser Zeit wären wir längst wieder groß geworden. Aber nun trinkt bitte eure Becher ganz aus.«
Als Erster leerte der Doktor seinen Becher, dann schluckten auch Dieter und Traute die leicht salzig schmeckende Füssigkeit runter. Traute sagte: »Das schmeckt ja wie eingeschlafene Füße«, während es in ihren Gliedern seltsam kitzelte, sodass sie auflachen musste. Jetzt hatte sie keine Angst mehr. Auch Dieter verspürte jetzt ein Prickeln in seinem ganzen Körper. Als er den Doktor beobachtete, wie auch der plötzlich sein Gesicht zu einem lustigen Grinsen verzog, stimmte er in Trautes Gelächter ein.
Nun aber fing es an, immer unheimlicher zu werden. Keiner der drei hatte das Gefühl, dass er kleiner wurde, sondern dass alle Möbelstücke ringsum immer riesiger wurden. Alles vergrößerte sich so rasch, dass man die einzelnen Gegenstände nicht mehr als solche erkennen konnte. Auch die Tischplatte wurde immer riesiger, ihr Rand verschwand im Nichts. Dabei stellten die drei zu ihrem Erstaunen fest, dass die Tischplatte gar nicht so glatt war, wie sie ihnen vorher erschien. Jetzt war sie voller Risse und Unebenheiten. Letztere wuchsen nach und nach zu kleinen Hügeln an, und schließlich befanden sich die drei zwischen Bergen und Schluchten, wo früher die glatte Tischplatte gewesen war. Endlich fand das Kleinerwerden ein Ende, das Prickeln im Körper hörte auf, und der Doktor, Dieter und Traute fanden sich in einer Schlucht wieder, mitten auf der eigentlich ganz glatten Tischplatte.
Alles um sie herum erschien seltsam und reizvoll. Traute ließ sich auf einer Unebenheit nieder und schaute erstaunt das Gebirge in der Tischplatte an. Auch Dieter konnte sich von dem Anblick nicht losreißen, aber der Doktor hatte es eilig.
»Kinder, wir dürfen uns nicht zu lange beim Anblick dieses Gebirges aufhalten, denn es steht uns nur wenig Zeit zur Verfügung. Schon bald werden wir wieder wachsen und hätten die Hauptsache noch gar nicht gesehen. Wir wollen jetzt in den Wassertropfen hineingehen.«