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Doktor Kleinermacher unternimmt mit den Geschwistern Dieter und Traute Ausflüge in jene Gebiete, die für Menschen sonst nicht zugänglich sind. Mittels seines Wunderwassers lassen sich die drei Abenteurer bis auf Fliegengröße verkleinern. Als winzige Zwerge beobachten sie Kleintiere, Spinnen, Insekten und Mikroorganismen, um alles über deren Entwicklung, Leben und Fortpflanzung zu erfahren. Dabei werden sie auch zu Zeugen der unter Tieren herrschenden Grausamkeiten.
In einem winzigen Lift fahren sie am Küchenschrank hinauf. Auf ebenso kleinen Rolltreppen wird die Speisekammer durchquert. In einem Mini-Segelflieger kreisen sie durch das Schlafzimmer, in einem Mini-Hubschrauber durch den Dachbodenraum. Überall treffen sie auf seltsamste Lebewesen und geraten in atemberaubende, gefahrvolle Situationen..
Facit: Die mit besonderer Anschaulichkeit und märchenhaft dargestellten Ereignisse sollen das Interesse jugendlicher Leser für Natur und Umwelt wecken.
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Veröffentlichungsjahr: 2017
Nach Herbert P a a t z
Doktor Kleinermachers Erlebnisse
zwischen Keller und Dach
Teil 2
der
»DOKTOR-KLEINERMACHER-TRILOGIE«
Überarbeitung und Neufassung
durch
Claus H. Stumpff
www.chsautor.de
Doktor Kleinermacher unternimmt mit den Geschwistern Dieter und Traute Ausflüge in jene Gebiete, die für Menschen sonst nicht zugänglich sind. Mittels seines Wunderwassers lassen sich die drei Abenteurer bis auf Fliegengröße verkleinern. Als winzige Zwerge beobachten sie Kleintiere, Spinnen, Insekten und Mikroorganismen, um alles über deren Entwicklung, Leben und Fortpflanzung zu erfahren. Dabei werden sie auch zu Zeugen der unter Tieren herrschenden Grausamkeiten.
In einem winzigen Lift fahren sie am Küchenschrank hinauf. Auf ebenso kleinen Rolltreppen wird die Speisekammer durchquert. In einem Mini-Segelflieger kreisen sie durch das Schlafzimmer, in einem Mini-Hubschrauber durch den Dachbodenraum. Überall treffen sie auf seltsamste Lebewesen und geraten in atemberaubende, gefahrvolle Situationen..
Facit: Die mit besonderer Anschaulichkeit und märchenhaft dargestellten Ereignisse sollen das Interesse jugendlicher Leser für Natur und Umwelt wecken.
Hinweis:
Die zahlreichen in der Originalversion von 1939 enthaltenen Illustrationen konnten in diesem E-Book (BookRix-Format EPub) leider nicht dargestellt werden. In allen Kindle-E-Books und Taschenbüchern sind sie allerdngs enthalten - siehe unter »Hinweise« am Schluss.
Tier-Olympiade in Afrika
Dieter träumte noch von seiner wunderschönen Geburtstagsfeier, als etwas ans Fenster seines Kinderzimmers pochte. Er sprang aus dem Bett, schlüpfte in seine Hausschuhe und öffnete das Fenster. »Wer ist da?«, rief er hinaus. Da! Ein dunkles Flugobjekt rauschte fast lautlos vorüber. Dieter wollte das Fenster schnell wieder schließen. Aber der seltsame Flieger war noch schneller, klemmte seinen riesigen Körper zwischen Fensterflügel und Fensterrahmen und sagte leise:
»He, Dieter, wir sind doch Freunde, lass das Fenster doch offen, wir – die Tiere – haben eine tolle Überraschung für dich.«
Da erst erkannte Dieter, dass es sich um einen gewaltigen Adler handelte.
»Wer bist du und was willst du von mir?«, fragte Dieter ängstlich.
»Du hast uns sehr viel Gutes getan, lieber Dieter, du bist unser bester Freund. Darum wollen wir dich, den Tierfreund, belohnen, wie noch niemand belohnt wurde. Mein König, seine Majestät der Löwe, hat mich beauftragt, dich zur Olympiade der Tiere einzuladen. Du hattest doch Geburtstag, wäre das nicht ein tolles, nachträgliches Geburtstagsgeschenk?«
»Wo soll denn diese Tier-Olympiade stattfinden?«
»In Afrika.«
»Was? In Afrika? Wie soll ich denn dorthin kommen? Ich habe doch weder einen Reisepass noch Geld, und meine Eltern würden das wohl kaum erlauben.«
»Doch, die wissen schon Bescheid! Wir sausen mit dir durch die Luft und alles geht ganz schnell. Reisepass und Geld brauchst du nicht. Und morgen früh liegst du wieder in deinem Bett.
»Aber...«
»Kein ›aber‹, Dieter, hast du bei Doktor Kleinermacher jemals ›aber‹ gesagt? Schnell, mach dich fertig.«
»Du willst den Doktor Kleinermacher kennen?«, bezweifelte Dieter.
»Na klar, der ist unser allerbester Freund. Er wird auch da sein, komm also mit!«
Nun konnte Dieter nicht mehr widersprechen. »Also warte auf mich, ich werde mich rasch anziehen und meinen Koffer packen.«
»Ach Unsinn, in Afrika ist es so warm, da frierst du bestimmt nicht, und da gibt es so viele Bananen, dass du nicht verhungerst, komm nur heraus.«
Dieter ließ sich nur zu gern überreden. Er kletterte im Schlafanzug auf das Fensterbrett, wo er zwei Adler erblickte, die eine seiner Körpergröße entsprechende Gondel mit sich führten. In die schwang er sich mutig hinein. Zwei weitere Adler flogen hinzu und spannten sich ebenfalls davor. Dann ging die Reise los, mitten durch eine laue, wolkenlose Sommernacht.
Kaum hatte Dieter seinen originellen Reiseplatz eingenommen, da sah er noch vier andere Adler – ebenfalls mit einer Gondel im Schlepp. Darin saß ein Männlein, das ihm andauernd zuwinkte. War das vielleicht Doktor Kleinermacher? Tatsächlich, der war es. Dieter winkte ihm zurück, aber eine Verständigung war auf diese Entfernung nicht möglich. Die Sausefahrt ging zu schnell, der Wind blies ihm alle Worte vom Mund weg. Da erkannte Dieter, dass der Doktor mit einem Arm immer hinter sich deutete. Dieter blickte dorthin, und was sah er? Noch vier weitere Adler mit einer Gondel. Und in der saß ein kleines Mädchen. War das nicht Traute? Ja, natürlich! »Trautchen!, Trautchen«!, rief er ihr zu und Traute winkte zurück, ohne die Stimme ihres Bruders gehört zu haben.
Wie schön, dass das Kleeblatt wieder beisammen ist. Kinder, jetzt geht es nach Afrika! Ohne Pass und ohne Koffer, im Schlafanzug oder Nachthemd und mit bloßen Füßen! Was nur werden die schwarzen Afrikaner zu dem Besuch sagen, und wie soll man sich bloß seiner Majestät dem Löwen, dem König der Tiere, vorstellen?
Der Mond schien, und alle Länder auf der Erde schienen sich unter ihnen hinweg zu drehen. Gar nicht kalt war es Dieter, der Fahrtwind blies durch seine Haare, die Adlerflügel peitschten durch die Luft, sodass Dieter fast einen lauten Jubelschrei ausgestoßen hätte.
Jetzt sah er unter sich einen riesigen Stiefel, der in das Mittelmeer hineinragte. Das ist doch Italien, genau wie im Atlas. Dieter stimmte aus lauter Übermut ein Matrosenlied an. »Ahoi! Ahoi!« Aber er konnte es selbst kaum hören, so sehr lärmten die auf- und abschwingenden Adlerflügel. Und dort unten liegt Sizilien! Ein Glück, dass Dieter in Erdkunde immer gut aufgepasst hatte, sonst hätte er das alles nicht erkannt.
Hurra, die Sonne guckt über den Rand der Erde, und jetzt wird es hell. Guten Morgen, liebe Sonne, hast du schon ausgeschlafen? Das ist aber nett von dir, dass du mir meine liebe Erde so vergoldest. Jetzt kann man doch alles viel besser sehen. Wenn das da hinten nicht Afrika ist, dann ... Aber gewiss doch, das ist Afrika. Da, die Wüste Sahara! Kinder, so viel Sand, wie viele Strandburgen könnte man dort bauen!
Allmählich wird die Flughöhe geringer, sodass Einzelheiten zu erkennen sind. Kamele bewegen sich durch den weitläufigen Sand, aber auch Autos sind zu erkennen, die modernen ›Wüstenschiffe‹. Mit den Kamelen wird es der Sahara bald so ergehen, wie einst den Pferdekutschen, die vom Auto abgelöst wurden. In der Wüste Sahara riecht es jetzt überall nach Benzin, und wo früher die Knochen verdursteter Kamele in der Sonne bleichten, rosten inzwischen leere Benzinkanister vor sich hin. Jetzt wird eine Oase sichtbar, Dattelpalmen stehen rund um eine Wasserstelle, aber immer weiter, immer weiter geht der Flug. Seine Majestät der Löwe wartet auf uns, die Olympiade der Tiere soll eröffnet werden.
Ganz allmählich geht die Wüste in eine Steppe über. Da zeigen sich schon vereinzelt Wälder und Büsche, jetzt fliegen die Adler langsamer, fangen an zu kreisen, und unter sich sieht Dieter einen großen weiten Platz in der Steppe, eingerahmt von einigen Bäumen, und auf dem Platz Tiere, Tiere, nichts als Tiere. Zur Begrüßung fangen die Tiere ein Gebrüll an, sie schreien, brüllen, fauchen, trompeten, dass dem Dieter fast das Trommelfell platzen will. Wir sind da! Hurra, Hurra! Wir sind in Afrika!
Die Adler näherten sich langsam dem Erdboden, und bald landete die Gondel mitten im hohen Gras. Dieter rieb sich seine Glieder, die er kaum noch bewegen konnte, und dann sah er sich erstaunt um. Krabbelten da nicht auch Traute und der Doktor Kleinermacher aus ihren Gondeln heraus? Traute in weißem Nachthemd und barfuß, der Doktor in seinem grün-weiß gestreiften Schlafanzug und mit braunen Puschen an den Füßen. Da musste Dieter laut lachen. Traute ging auf ihn zu und sagte:
»Schämst du dich denn nicht, Dieter, eine so große Reise zu machen und nur einen Schlafanzug anzuhaben? Ich würde mich schämen.«
»Und du, Traute, was hast du denn an? Und wie komisch sieht denn der Doktor aus?«
Jetzt schämten sich alle drei, und sie fühlten sich gar nicht wohl in ihrer Haut. Ein Glück nur, dass die Schwarzen hier im Lande auch nichts anderes als eine Art Nachthemd anhaben sollen. Ob der König der Tiere, der Löwe, uns so empfangen wird? Vielleicht wird er zornig und frisst uns auf.
Viele Tiere hatten sich ihnen genähert und betrachteten wissbegierig die soeben Angekommenen. Dabei brüllten und schrien sie wild durcheinander. Dieter hätte sich am liebsten wie ein Maulwurf in der Erde verkrochen, dann aber überkam ihn die Neugier und er sah sich den afrikanischen Boden näher an.
Das große Areal wurde von Polizisten abgesperrt. Es waren Orang-Utans und Gibbons, die mit ihren langen Armen Sperrketten bilden konnten. Man hatte diese Polizisten der Olympiade wegen aus Asien herbeigeholt. Und die Kassiererinnen stammten aus Australien. Es waren Känguruhs, die das eingenommene Geld in ihren Bauchbeutel steckten. Überall, wo ein Känguruh saß, stand neben diesem das Schild Eintritt oder Kasse. Ordnung muss sein. Auch unter Tieren.
Zur Unterhaltung und bis zum Beginn der eigentlichen Wettkämpfe führten Vögel alle möglichen Flugkunststücke vor. Paradiesvögel tanzten in der Luft, was prächtig anzusehen war. Als aber eine rosarote Wolke unzähliger Flamingos über den Platz flatterte, dann konnte Dieter nur noch »Aaaaaah!« ausrufen, wie bei einem Riesenfeuerwerk. Die tollsten Burschen im Kunstfliegen aber waren die Gaukler, eine Greifvogelart. Diese purzelten nur so in der Luft umher und führten atemberaubende Steil- und Sturzflüge vor. Doktor Kleinermacher, Dieter und Traute vergaßen dabei ihre Nachthemden und beobachteten hellauf begeistert deren akrobatischen Kunstflüge. Was diese Gaukler alles können! Fantastisch!
Während sie staunend den Vorführungen folgten, kam ein Vogel auf die drei zu. Es war der stelzbeinige Sekretär. Eine Feder saß so an seinem Kopf, als hätte er einen Schreibstift hinters Ohr geklemmt; daher auch der Name Sekretär.
»Darf ich bitten, meine Gäste aus dem Menschenreich. Seine Majestät der König, der Löwe, unser allergnädigster Herr und Gebieter, lässt bitten.«
»Sehr freundlich«, sagte der Doktor, und die drei folgten dem Sekretär. Die Affen-Polizisten machten dem Sekretär des Königs und seinem Gefolge ehrerbietig Platz.
So traten die drei vor den König.
Der Löwe saß auf einem erhöhten Sitz. Seine Augen blickten immer geradeaus, streng aber ungefährlich. Nur sein Schwanz bewegte sich manchmal, ansonsten wirkte der Löwe wie aus Stein gemeißelt, wie ein Standbild. Um ihn herum saßen die wohl mächtigsten Tiere der Erde. Der Elefant, der Tiger, das Nashorn, der Kaffernbüffel und der Alaskabär. Als Ratgeber und gleichzeitig als Hofnarr hockte der Schimpanse zu seinen Füßen. Es war ein wirklich königlicher Anblick.
Doktor Kleinermacher, Dieter und Traute verneigten sich vor dem Thron und der Doktor begann:
»Majestät, verzeiht mir, denn ich bin mit den Formen Eures Hofes nicht vertraut und möchte daher eine Anrede wählen, die Eurem königlichen Amt gerecht wird.«
Hier stockte der Doktor, denn er fühlte sich etwas unsicher. Da rief der Schimpanse: »Bravo, bravo!«, und alles freute sich, nur der König blickte ernst und würdevoll, aber nun doch etwas gütiger. Da bekam der Doktor wieder Mut und sprach weiter:
»Majestät, man sagt uns, Ihr hättet uns eingeladen. Diese Einladung durften und wollten wir nicht abschlagen, um Euch nicht zu kränken. Darum sind wir gekommen. Wir grüßen Euch, Majestät, und sagen Euch für die Einladung unseren herzlichsten Dank.«
Der König blickte noch immer ernst, als wären die Worte gar nicht an ihn gerichtet, dann aber sprach er mit tiefer, klarer Stimme:
»Ich heiße euch willkommen. ihr seid zur Olympiade der Tiere gekommen, fühlt euch daher als meine Gäste. Wir wollen euch zeigen, dass eure noch so anerkennenswerten Rekorde die Leistungen von uns Tieren noch nicht überboten haben. Seid willkommen, und wenn Ihr etwas wissen wollt, dann wendet Euch nur an meinen Schimpansen oder an meinen Sekretär. Euch soll es an nichts fehlen, weder an Schutz noch an Information.«
Die drei Menschenkinder dankten mit einer leichten Neigung des Kopfes, und der Schimpanse, der ihnen jetzt als persönlicher Diener zur Verfügung stand, führte sie an ihren vormaligen Platz zurück. Kaum hatten sie sich gesetzt, da flüsterte ihnen der Schimpanse zu:
»Achtung, die Spiele beginnen sofort. Zur Eröffnung wird unser König sein Gebrüll ertönen lassen. Ich sage euch das schon jetzt, damit ihr euch nicht erschreckt.«
Und dann brüllte der Löwe. Traute begann am ganzen Leib zu zittern, und auch Dieter wurde ziemlich blass. Stoßweise kamen die Töne aus dem weit aufgesperrten Rachen des Löwen. Es kam Dieter so vor, als würde der Löwe das schreckliche und doch so erhabene Gebrüll aus dem Innersten seines Leibes herauspressen, so stark bewegten sich seine Bauchmuskeln. Endlich beruhigte sich der König. Die Spiele waren nun eröffnet und die unzähligen Leistungssportler gingen auf ihre Plätze.
Tief beeindruckt fragte Dieter den Schimpansen, ob einzelne Tiere wohl auch Angst bekämen vor dem
Gebrüll des Löwen. Aber der Affe erklärte, das sei jetzt ausgeschlossen, da zur Olympiade Gottesfrieden herrsche. Kein Tier dürfe ein anderes töten, die Fleischfresser müssten das Rauben und Morden während der Olympiade unbedingt einstellen. Auch der Tiger dürfe nicht reißen und beißen, er müsse sich also – wie der Schimpanse lächelnd andeutete – einen besonderen Reißverschluss anlegen. Aber Pflanzen könne jedes Tier fressen, soviel es wolle. Darüber freuten sich dann auch der Hase, das Pferd und das Kamel. Wer Hunger verspüre, der müsse sich während der Olympiade halt wie ein Vegetarier ernähren.
Der Schimpanse erzählte weiter, dass sich der König, um mit gutem Beispiel voranzugehen, schon umgestellt habe. Er sei auf Rettich mit Salat und Backobst verfallen. Dann habe er den Fuchs zum Fressen eingeladen. Der hätte aber abgelehnt mit der heuchlerischen Erklärung, dass er schon zur Nacht gespeist habe. Und zwar neue Kartoffeln mit Karotten. Es hätte sehr gut geschmeckt, geradezu köstlich habe das Zeug gemundet. Dieser Heuchler! Dabei wühlte der Hunger in seinen Gedärmen, und er konnte sich kaum noch aufrecht halten. Obendrein hoppelte vor seiner Schnauze ein Hase herum. Aber der Fuchs durfte nicht zubeißen, nein, das durfte er nicht!
Als der König seine ungewohnte Speise kostete, verzog sich für einige Sekunden sein Gesicht. Aber er beherrschte sich, schob den Teller zur Seite und sagte nur stolz: »Danke für das Backobst!« Ja, ja, der Tierkönig hält sein Wort, und wenn ihm auch das Wasser im Munde zusammenläuft. Die hohen Tiere können vornehm tun und hungern, denn sie sind ja vollgefresssen, nur das niedere, immer hungrige Tiervolk müsse sich mit reiner Pflanzenkost begnügen. Man denke nur an die armen Spitzmäuse und Maulwürfe.
Mitten im Erzählen waren die Vorbereitungen für die Wettbewerbe beendet. Der 100-Meter-Lauf sollte starten. Am Zielband stand der Luchs, der machte besonders große Luchsaugen, sodass alles mit rechten Dingen zuging.
Am Start stand der Rabe. Der krächzte dreimal krah, krah, krah! Das sollte heißen: Achtung, fertig, los! Und dann machten sich alle auf zu dem kurzen Rennen.
Kinder, was da alles in die Entscheidung kommen wollte! Die Vor- und Zwischenläufe räumten mächtig auf unter den Bewerbern. Pferd, Strauß, Kamel und Hase fielen bald aus, es wurde mächtig gesiebt. Endlich kam es zur Entscheidung im Lauf zwischen einer Grants-Gazelle und einem Gepard.
Dieter wunderte sich. Der Gepard ist doch eine Katze, die sonst zu den Schleichern und Springern zählt! Was will die Katze unter den Läufern? Sie war zwar hochbeinig wie ein Hund, hatte auch einen kleinen Kopf, aber gefleckt war sie wie ein Leopard. Jetzt krächzte der Rabe wieder dreimal: krah, krah, und – nach einer kleinen Pause – krah! Die Tiere rannten los, wie aus der Pistole geschossen. Das war kein Rennen mehr, das war ein Fliegen. Wer liegt vorn? Der Gepard? Ja, der Gepard macht das Rennen! Klar lag er beim Luchs am Ziel vorn, dicht hinter ihm die Grants-Gazelle. Sogar der König war aufgeregt und schlug mit seiner Tatze immerzu auf seine Schenkel. Alle seine Würde war wie weggewischt, die olympische Begeisterung breitete sich aus, und er war jetzt ein gewöhnliches Tier. Wie sollte man auch königliche Würde bewahren? Bei einem derartigen Wettkampf?
Der Gepard gewann den Hundertmeterlauf und war der Sprinterkönig. Bei den mittleren und längeren Strecken aber war ihm die Grants-Gazelle überlegen.
Der Schimpanse hatte viel vom Gepard zu erzählen. Die Zeitnehmer stoppten hundert Meter in fünf Sekunden. War das nicht toll? Ja, da kommt ihr Menschen nicht mit. Wie steht bei euch der Weltrekord? Hundert Meter in langen 9,7 Sekunden, wirklich lächerlich. Auch der König blickte stolz und mitleidig auf die drei Menschenkinder. Dieter und Traute wussten nicht, ob sie sich ihrer Nachtbekleidung oder der 9,7 Sekunden wegen schämen sollten. Ihr Einwand, dass sich das Bild vielleicht ändern würde, wenn man von Menschen gezüchtete Tiere, wie den Windhund oder gar das englische Rennpferd zugelassen hätte, fand kaum Gehör, da alle anwesenden Tiere viel zu sehr vom Taumel der Begeisterung erfasst waren.
Der Schimpanse sprach nur noch vom Gepard und erzählte, dass sich in Indien die Menschen Geparde in der Wildnis einfangen, sie zähmen und zur Jagd abrichten, da sie jede Gazelle einholen.
Inzwischen war alles zum Langstreckenlauf vorbereitet. Wie lang ist bei euch Menschen die Marathonstrecke? Nur 42,195 km? Unter 100 km machen es wir Tiere nicht. Und wie viele Tiere zum Wettbewerb antraten! Der König hatte Meldefreiheit für alle Wildtiere verkündet. Da meldete sich alles, was rennen und krauchen konnte, Kamele, Giraffen, Elefanten, Antilopen, Pferde und Hunde. Selbst Wildschweine und Wanderratten traten zum Start an. Wenn das man gut geht? Aber der König hatte Meldefreiheit verkündet, und ein Königswort gilt unter Tieren.
Wieder dreimal krächzte der Rabe, dann machte sich das Feld auf die weite Reise. Bald war alles in Staub gehüllt, man sah kein Tier mehr, sondern nur noch eine riesige Wolke. Nur noch einmal kam ein Giraffenkopf zum Vorschein, bevor die Staubwolke am Horizont endgültig verschwand.
Nun begannen die Springerkämpfe. Die Weitspringer traten zuerst an. Dieter dachte, der Tiger oder der Löwe würden am weitesten springen. Sagt man doch, dass der Löwe mit einem Ochsen im Maul einen Zaun überspringen könne. Der Schimpanse aber lächelte nur und sagte:
»Das steht in euren dummen Menschenbüchern. Wenn der Löwe so gut springen könnte, dann müssten ja eure Gräben in den zoologischen Gärten viel breiter sein. Der König hat bei den Weitsprüngen gar nicht mitzureden, und auch bei den Hochsprüngen nicht. Seine Majestät weiß das und hält sich vornehm vom Kampf zurück. Menschen müssen schweigen, wenn sie Philosophen bleiben wollen, Löwen aber müssen stillsitzen, wenn ihre königliche Ehre nicht gefährdet werden soll.«
Der Affe hatte recht. Selbst Tiger, Leoparden und auch das Pferd kämen im Weitsprung nicht mehr mit. Das rote Riesenkänguruh schlug alle Konkurrenten. Die Strecke wurde abgemessen. Donnerwetter! Zehn Meter weit war das Riesenkänguruh gesprungen. Wie steht der Rekord bei den Menschen? Einige Zentimeter über acht Meter. Lächerlich, der Tierrekord lautet zehn Meter. Wieder konnte es der König trotz aller Würde nicht unterlassen, seine Schadenfreude zu zeigen. Dabei springt der Löwe noch nicht mal acht Meter!
Jetzt stand der Hochsprungwettbewerb auf dem Programm, zu denen sich auch der Floh gemeldet hatte. Damit bewies dieses Ungeziefer seinen Größenwahn. Seine Majestät musste herzhaft lachen und ermahnte den Floh, sich an den Gottesfrieden zu halten. Affen seien gute Kammerjäger. Wenn der Floh etwa Durst bekommen sollte, dann müsse er Pflanzensäfte saugen.