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80 % unserer Entscheidungen treffen wir emotional - und begründen sie dann mit dem Verstand. Den Umgang mit Gefühlen und Emotionen lernen wir jedoch weder in der Schule noch im Berufsleben - und tappen deswegen immer wieder in die Drama-Falle. Die großen und kleinen Dramen des Lebens kosten uns viel Energie und Lebensfreude - und führen nur dazu, dass wir uns immer wieder im Kreis drehen. Einfach, klar und humorvoll zeigt dieses Buch den grundlegenden Mechanismus, aus dem die großen und kleinen Dramen des Lebens entstehen. Es zeigt wirksame Wege auf, aus der Drama-Falle zu entkommen und einen konstruktiven Umgang mit Gefühlen und Emotionen zu etablieren. Nach dem Lesen dieses Buches erkennst du Dramen sofort, kannst dich da heraus halten und umgehend in einen konstruktiven Dialog wechseln - egal ob in der Familie, im Beruf oder auf der großen Bühne des Weltgeschehens.
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Seitenzahl: 155
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Wenn mir jemand das Wissen, das ich dir in diesem Buch vermitteln werde, als junger Erwachsener mitgeteilt hätte, wäre mir so mancher, teils schmerzhafter Irrweg im Leben vollständig erspart geblieben. Deine Kraft für dein Leben konstruktiv nutzen zu können, anstatt sie in den Dramen des täglichen Daseins zu verschleissen, ist das Anliegen dieses Buches.
Vorwort
Einleitung
1. Wo die Reise hingeht
2. Dein Ziel
3. Die vier Ebenen
4. Die Psychodynamik des Dramas
5. Die vier Kerngefühle – Mehr nicht?
6. Wut
7. Traurigkeit
8. Angst
9. Freude
10. Gefühlsvermischungen
11. Gefühl oder Emotion?
12. Epilog
Danksagung
Der Autor
Gerold bat mich, das Vorwort zu diesem Buch zu schreiben. „Na, endlich mal ein Buch von dir!“, schrieb ich auf seine Anfrage zurück.
„Wie lang soll das Vorwort sein?“, fragte ich kurz darauf. „Vorzugsweise nicht länger als das Buch“ antwortete Gerold.
Prima, das ist schon einmal eine hilfreiche Eingrenzung. Wobei, wenn das Buch nur eine halbe Seite lang wird, was mache ich dann? Und wenn ich die Vorgabe komplett ausreize? Dann wird das Vorwort dramatisch lang.
235 Seiten Buch mit 234 Seiten Vorwort… wir würden wahrscheinlich einen Rekord aufstellen. Doch will ich mit dem Vorwort ins Guiness Buch? Kein Interesse. Aber die Länge des Vorworts ist ein gutes Beispiel für den enormen Spielraum an Optionen und Interpretationen, die das Drama oftmals erst möglich machen. Und das, obwohl die Vorgaben so klar erscheinen („… nicht länger als das Buch“). Willkommen in der Pseudo-Klarheitsfalle. Später von Gerold mehr darüber. Sehr viel mehr.
Aus meiner persönlichen und beruflichen Erfahrung kann ich die Dynamik von Interpretationen und die Wucht von Dramen sehr weitgehend beschreiben. Wie sie unsere Energie verzehren, die Intimität zerstören und des gegenseitigen Respekts berauben. Wie plötzlich ärgerliche Dinge geschehen, die wir niemals für möglich gehalten haben. Oder besser gesagt: Wie wir diese ärgerlichen und frustrierenden Dinge geschehen lassen, weil wir keine Energie mehr dafür haben, sie zu verhindern.
Mein geschätzter Freund und Autor dieses Buches kann diese Dinge ebenfalls großartig und tiefgründig beschreiben. Viel mehr noch: Gerold kann jeden einzelnen dramatischen Moment genauestens sezieren. Wie dieser Augenblick zum nächsten Level des Dramas führt und warum dieses Level noch längst nicht das Ende der Dramatik darstellen wird.
Du wirst das Drama also bestens kennenlernen. Jede Facette davon. Ohne es unbedingt selbst erleben zu müssen. Sei gespannt darauf, denn Gerold ist nicht nur ein sensationeller Analyst, sondern auch ein starker Erzähler.
Ohne vorwegzugreifen kann ich eines jetzt schon sagen (Gerold mag es mir verzeihen): Die umfassende Auseinandersetzung mit dem Phänomen des Dramas hat erhebliche Auswirkungen. Dazu gehören neben einer gewissen Leichtigkeit, Gelassenheit und Freude auch eine gute Portion Humor!
Ja, der Humor begleitet definitiv jeden von uns beiden sowohl individuell als auch in unserer Zusammenarbeit als Trainer für emotionale Souveränität. Und egal wie lange das Vorwort am Ende sein wird: Wenn du dich nach dem Lesen noch in der gleichen Jahreszeit befindest, sind wir gut dabei, würde ich sagen.
Bevor es gleich richtig losgeht mit Gerolds präzisen Abhandlungen, habe ich für dich noch zwei gute Nachrichten und eine schlechte Nachricht:
Die schlechte Nachricht ist: Das Drama begegnet dir überall und jederzeit. Praktisch in Nanosekunden in jedem Lebensbereich. Das Spiel findet bereits beim Drängeln in der Schlange statt, beim Autofahren und bei allem anderen, was nicht so klappt, wie du dir es wünschst. Das Drama kann aus unwichtigen, aber auch aus den wichtigsten Dingen deines Lebens bestehen. Dabei ist es völlig egal, ob du dich mit einer Person in einer Interaktion befindest oder einen Dialog im Kopf führst. Beides ist Drama und kostet sehr viel Energie. Denn dieses Spiel ernährt sich von nichts anderem als deiner Lebensenergie und frohlockt geradezu, wenn es ihm gelingt, dich in Konfliktsituationen sprachlos und ohnmächtig fühlen zu lassen.
Die gute Nachricht ist: Niederes Drama ist nicht das Leben. Diese Dynamik ist selbst gewählt. Du kannst jederzeit aus dem Zustand der Ohnmacht oder aus einer Konfliktsituation aussteigen und ein anderes Spiel wählen.
Die zweite gute Nachricht ist: Du hältst in deinen Händen eine neue Landkarte, um die neue Spielwelt zu erkunden. Dieses Buch liefert dir faszinierende, vielleicht bisher unbekannte Navigationsparameter in Form von Unterscheidungen.
Denn: Unterscheidungen schaffen Klarheit. Klarheit schafft Möglichkeiten.
Die ersten Anzeichen deiner Klarheit erkennst du, wenn du aufhörst, verwirrt zu sein. Warte nur ab, wie die Kapitel dieses Buches dir Klarheit über deine Gefühle bringen werden. Schon mit dieser einen Erkenntnis wirst du entdecken, wie dein Alltag mehr und mehr Raum bietet für Freude, Liebe und Kreativität.
Deine neuen Möglichkeiten repräsentieren die Menge an tatsächlich verfügbaren Alternativen, die du frei wählen kannst. Ein erweiterter Spielraum ermöglicht dir, in außergewöhnliche Beziehungen zu treten, zu handeln, Entscheidungen zu treffen, Fragen zu stellen, zu agieren, Aussagen zu treffen, Veränderungen vorzunehmen, Dinge neu(tral) zu betrachten und vieles mehr.
Ich wünsche dir eine spannende Entdeckungsreise durch eine neue Landkarte deiner Gefühle und das Öffnen von schlummernden Kraftressourcen, die schon lange darauf warten, von dir für dein dramafreies Leben erweckt zu werden.
Ok, 2,5 Seiten Vorwort. Das Buch wird also mindestens drei Seiten lang!
Ich gebe ab an Gerold.
Monika Mazur
Mitten in einem Kreis von ca. 20 Jugendlichen und jungen Erwachsenen saß ich, als diese Einsicht kam. 16 Jahre war ich jung und mir nicht mehr erinnerlich, wie ich in diesen Kurs gekommen war: Meine Stärken und Schwächen erkennen – und einen Schritt der Veränderung planen. Durchgeführt von einem Jungendpriester, der mit allen Wassern gewaschen war. Kein religiös verbrämter Schnickschnack, sondern mitten aus dem Leben. Mir wurde absolut klar, spürbar bis in den Körper hinein, wie immens wichtig es ist, zu fühlen. Bis dahin hatte ich es aus dem Kopf heraus konstruiert, vielleicht bis ins Rückenmark reichend, aber nicht bis ins Herz oder in den Bauch. Jetzt war es da. Es war direkt spürbar, im Bauch, in der Herzgegend. Es wurde weit und warm. Ich fühlte, was wirklich ist.
Der erste Band dieser vierteiligen Reihe befasst sich mit emotionaler Souveränität. Fast alle Menschen, die zu mir in die Beratung kommen oder von mir begutachtet wurden oder werden, haben eines im Sinn: Sie wollen sich besser fühlen. Vielen gelingt es nicht, einigen vorübergehend und nur wenigen überdauernd, in eine bessere emotionale Stimmung zu kommen. Woran liegt das?
Ganz einfach: Sie legen den Fokus auf besser im Sinne von Bequemlichkeit, von sich wohlfühlen, von Vermeidung des Unschönen. So funktioniert es aber nicht. Der Schwerpunkt muss erst einmal auf fühlen liegen, also sich besser fühlen. Erst dann ist es möglich, dass die Befindlichkeit wirklich angenehmer und in diesem Sinne besser wird.
Und genau das lernen wir in unserer Kultur nicht. Ich habe nicht einmal in meiner Facharztausbildung zum Psychotherapeuten gelernt, wie das mit dem Fühlen wirklich funktioniert und was es diesbezüglich braucht, um in eine überdauernde Befindlichkeitsverbesserung zu kommen. Ganz zu schweigen von dem ganz wesentlichen und glasklar zu fassenden Unterschied zwischen einem Gefühl und einer Emotion. In unserer Kultur ist das eine amorphe Masse, die immer wieder gleichgesetzt wird.
Dieses Buch bringt dir wirkmächtige professionelle Klarheit im Umgang mit deinen Gefühlen und Emotionen sowie mit denen anderer. Du wirst schon in Kürze in der Lage sein, aus der Nutzung deiner Gefühle mehr Energie herauszuholen, als du bisher in ihre Handhabung hineingesteckt hast. Du kommst aus einer negativen Energiebilanz in eine satte positive Fülle und Weite – und legst damit die Grundlage, dich wirklich besser zu fühlen.
Alles, was du in diesem Buch liest, ist aus der Praxis entstanden, nicht aus einer wissenschaftlichen Theorie oder aus einem gedanklichen Konstrukt. Die hier dargelegte Sichtweise und Erfahrung hat sich selbst im Umgang mit schwerst persönlichkeitsgestörten Straftätern, mit denen ich über viele Jahre sehr intensiv gearbeitet habe, mehr als bewährt.
Ich wünsche dir tiefe Erkenntnisse, wichtige Erfahrungen in den Übungen und den überdauernden Wechsel in einen hoch kompetenten Umgang mit deiner affektiven Ebene, respektive deinen Gefühlen und Emotionen.
„Ich möchte besser auf mich achten und lernen, mich durchzusetzen.“ war das Ticket der Kursteilnehmerin in einer meiner Ausbildungsgruppen. Das klang gut und war ihre Eintrittskarte in diese Ausbildung. Im Laufe des Kurses änderte es sich aber. Sie hatte anfangs große Schwierigkeiten, den Kurs zu finanzieren und wollte schon mehrfach absagen. Sie blieb dann aber mit meiner Unterstützung dran, weil sie erkannte, dass sich in diesem Problem ihr Kernthema verbarg. Sie hatte eine tief sitzende Überzeugung, dass sie es nicht verdient hat, so viel Geld für sich selbst auszugeben. Jetzt kam das eigentliche Ticket: Ich bin es wert! Am Ende des Kurses war sie es auch. Sie konnte es fühlen, dass sie noch viel mehr Wertschätzung für sich selbst aufbringen kann, als die Kursgebühr.
Bevor wir mit den Inhalten der einzelnen Gefühle, der Vermischungen, dem niederen Drama und anderen Themen dieses Buches beginnen, ist es wichtig, dass du deine Intention klärst.
Warum liest du dieses Buch?
Welches Ziel verfolgst du damit?
Welche Kompetenzen möchtest du zurückerlangen oder ausbauen?
Wozu soll das Ganze hier dienen?
Was ist dein Ticket, deine Fahrkarte?
Auf welchen ganz persönlichen Weg möchtest du dich machen?
Schau einmal genau hin und schreibe dir auf, warum du im Umgang mit Gefühlen eine höhere Kompetenz entwickeln möchtest.
Möchtest du zum Beispiel:
deine partnerschaftliche Situation verbessern?
im Berufsalltag zufriedener sein?
wiederkehrende emotionale Belastungen loswerden?
den Spielraum deiner Gefühlswelt erweitern?
mehr vom Leben haben?
dein Leben aktiver selbst gestalten?
dich persönlich weiter entwickeln?
mehr in ein Gefühl von Fülle und Weite kommen?
dich lieber auf Chancen konzentrieren, als Probleme zu wälzen?
deine Kreativität entfalten?
deine Themen im Leben besser und effektiver angehen?
…
Es hat einen Grund, warum du dieses Buch gerade jetzt in der Hand hältst. Jeder, wirklich jeder hat ein eigenes Ticket für diese Reise.
Nimm dir 10 - 20 Minuten Zeit und schreibe auf, worum es gerade in deinem Leben geht. Was ist es, was du ent-wickeln, ent-falten möchtest?
Schreibe dein Ticket klar und präzise auf, sodass eine Person, die dich nicht kennt, sofort weiß, was du meinst und keine Fragen mehr hat. Dann hast du es erfasst.
Je klarer deine Intention ist, desto höher ist der Nutzen aus diesem Buch. Wenn du zum Beispiel eine Weltreise machst, setzt du dir Ziele. Das heißt nicht, dass dieses Ziel in Stein gemeißelt ist. Es kann sich auf dem Weg ändern. Ein klares Ziel zu haben, hilft dir beim Start. Du weißt genau, in welche Richtung du losgehst und wie du dort hinkommst. Wenn du dann auf dem Weg bist, kannst du das Ziel wieder neu formulieren. Ich erlebe oft in meinen Kursen und Einzelbegleitungen, dass jemand eine klare Intention hat, den Kurs zu beginnen und ihn mit einer anderen wichtigen Facette seiner Persönlichkeit beendet, die es zu entwickeln gilt. Das ist kein Zeichen von Schwäche, sondern genau das Gegenteil. Es ist die Fähigkeit, sein Ziel im Sinne einer absichtslosen Strebsamkeit immer wieder loszulassen und neu zu formulieren.
Mit absichtsloser Strebsamkeit ist gemeint, dass du ständig weiter strebst, deinem Ziel entgegen. Du hast etwas im Auge, wo du hin möchtest, was dir wichtig ist. Diesem Ziel, diesem Aspekt deiner Persönlichkeit, der dir im Moment am wichtigsten ist, gilt das Streben, das kontinuierliche Ausrichten auf dieses Ziel. Absichtslos heißt, dieses Ziel, diesen Aspekt in dir, immer wieder loszulassen, um ihn neu zu überprüfen. Ist es noch das, was mir am wichtigsten ist? Oder hat sich etwas anderes gezeigt, das am Anfang noch nicht sichtbar war? Dann formuliere dein Ziel neu. Vielleicht ist es eine kleine Änderung, vielleicht geht es auch in eine ganz andere Richtung. Das zu tun, zeugt von persönlicher Reife, als dass es eine Disziplinlosigkeit darstellt.
Schreibe nun dein Ticket auf. Welches Ziel steht auf deiner Fahrkarte für diese Reise?
Mein Tipp dazu: Nutze nur wenige Schlagwörter und schreibe keine langen Romane. Dein Unterbewusstsein braucht eine klare Linie. Ein Ziel ist ein Punkt, keine Fläche. Oft reichen nur ein bis drei Wörter, die dein Ziel genau beschreiben. Letztlich muss es auch nur für dich klar und deutlich sein. Bleibe dabei locker und entspannt. Es ist wie beim Bogenschießen. Du brauchst eine klare Ausrichtung auf das Ziel. Verspannst du dich dabei, geht der Pfeil garantiert vorbei.
Frohes Zielen …
Männer-Initiierung in den Bergen. Im Sommer gehe ich oft mit wenigen Männern für eine Woche in die Berge. Es geht darum, sich den eigenen maskulinen Archetyp wieder anzueignen bzw. zurückzuholen. Jeden Tag gibt es eine Wanderung. An einer unübersichtlichen Stelle frage ich die Männer an einem Tag, wo wir eigentlich sind. Regelmäßig kommt betretenes Schweigen und Staunen. Keiner weiß so recht, wo er ist. Aber jeder geht mit. Die Richtung ist doch klar, das Ziel ist benannt. Trotzdem weiß niemand, wo wir sind. Die ersten zücken das Handy, um über eine Navigations-App zu schauen, wo sie sind. Nein, so geht das im Leben nicht. Es gibt kein Persönlichkeits-Google. Also geht das Rätselraten los, wie sie herausfinden können, wo sie sind. Ich lege Ihnen dazu eine Landkarte, einen Kompass und einen Kartenwinkelmesser sowie einen Bleistift auf einen Stein. Das Rätselraten geht weiter. Wie kommen wir dahinter, wo wir sind? Jedes Mal ist es für die Männer eine wichtige Erfahrung, mit ganz einfachen Mitteln sehr exakt den eigenen Standpunkt zu bestimmen. Große Erleichterung macht sich bemerkbar, wenn es geschafft ist. Der Weg, den wir danach gehen, hat eine andere Qualität, weil eine Orientierung da ist.
Nachdem du dein Ziel, dein Ticket formuliert hast, geht es zum nächsten Schritt.
Stell dir vor, du bist in den Bergen zum Wandern und auf dem Weg zu deiner persönlichen Schatztruhe, die irgendwo in den Bergen versteckt ist. Du hast alles dabei, was du brauchst: Kleidung, Nahrung, Wasser, Karte und Kompass.
Manchmal hast du eine weite Sicht und kannst erkennen, wo es lang geht. Manchmal zieht sich das Wetter zu und die Sichtweite geht auf wenige Meter zurück. Vielleicht hast du auch eine gute Sicht, weißt aber dennoch nicht genau, wo der Weg ist. So ist das beim Wandern manchmal.
Was du aber hast, ist das klare Ziel – deine Schatztruhe. Du weißt genau, wo du am Ende hin möchtest. Dieses Ziel ist auch auf deiner Karte zu sehen, die du dabei hast. Du hast inzwischen gelernt, mit einer Karte und einem Kompass umzugehen, um dich im Gelände zu orientieren. Aus der Vorbereitung weißt du, dass es noch ein Waldstück zu passieren gibt, du musst noch über einen Fluss, über zwei Berge, durch ein Dorf hindurch und kommst dann an dein Ziel. Von daher dürfte jetzt nichts mehr dazwischen kommen und es kann losgehen.
Jetzt hat die Sache aber einen Haken, an den viele nicht denken. Was brauchst du noch, um mit Karte und Kompass, quasi deiner inneren Ausrichtung für dein persönliches Ziel, richtig navigieren zu können? In den Kursen und Seminaren, die ich gebe, herrscht an dieser Stelle oft Unklarheit und Schweigen. Kaum jemand kommt darauf, was noch fehlt. Es ist doch alles dabei. Es soll doch endlich losgehen.
Die beste Karte, deine beste innere Ausrichtung nutzt dir nichts, wenn du nicht weißt, wo du stehst. Ohne klaren Startpunkt kannst du die Karte und den Kompass getrost wegschmeißen. Beides ist nutzlos.
Deshalb ist es so wichtig, dass du möglichst genau weißt, wo du im Hinblick auf dein persönliches Ziel, das du anstrebst, im Moment stehst. Wenn du dir zum Beispiel vornimmst, deine Fähigkeit zu fühlen und zu erweitern, ist es hilfreich, wenn du weißt, wie gut du es schon kannst.
Bekanntlich ist es oft so, dass wir selbst unsere eigene Situation anders einschätzen, als sie aus der Umgebung wahrgenommen wird. Die Wahrnehmung unserer Umgebung diesbezüglich ist sehr wichtig. Daher gibt es in der Gruppenpsychotherapie einen ganz wichtigen Leitsatz. Er lautet: Die Gruppe hat immer Recht.
Damit ist gemeint, dass ein immer wiederkehrendes Feedback, das du bekommst, einen Grund hat. Sagt es einer, kann es Zufall sein. Sagen es zwei, ist etwas daran. Sagen es drei, steckt ein System dahinter. Feedback und ehrliche Rückmeldung sind Gold wert auf deinem Weg.
Warum sehen mich viele Menschen in vergleichbarer Weise und ich mich anders? Das liegt an einem systematischen Denkfehler, zu dem wir Menschen neigen, den man Selbstüberschätzung nennt. Das ist ein ganz natürlicher Prozess, der nichts Pathologisches hat. Du siehst dich selbst immer aus einem anderen Blickwinkel als andere.
Nimm dein Ziel, das du formuliert hast, und suche dir drei bis fünf Personen, von denen du ein ehrliches Feedback hinsichtlich deines momentanen Standpunktes bekommst. Bitte diese Personen darum, dass sie dir eine ehrliche Rückmeldung darüber geben, wie sie dich diesen Aspekt betreffend erleben. Frage sie zum Beispiel: Wie erlebst du meine Fähigkeit zu fühlen? Mache deinem Gegenüber freundlich aber bestimmt klar, dass für dich eine ehrliche und klare Antwort viel wichtiger ist, als dass sie dir Honig ums Maul schmieren. Davon hast du nichts. Das führt dich vollkommen in die Irre. Und genau da willst du ja raus.
So ist es beim Wandern mit Karte und Kompass. Du brauchst für deine Standortbestimmung am besten zwei fixe Punkte, die du siehst und auf deiner Karte ganz klar ausmachen kannst. Wenn du diese Punkte hast, kannst du im Sinne der Triangulation deinen eigenen Standpunkt exakt bestimmen.
Du kommst dann auch durch den dicksten Nebel hindurch und gelangst sicher an dein Ziel. Hast du einen falschen Startpunkt, landest du überall, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht an dem Punkt, wo du hin möchtest. Das ist so gut wie unmöglich.
Das ist der Grund, warum viele gute Vorhaben im Bereich der Persönlichkeitsentwicklung nicht funktionieren und in Frustration enden. Weil alle mit voller Kraft auf das klare und präzise formulierte Ziel losrennen, aber überhaupt nicht geschaut haben, wo sie eigentlich gerade sind. Chaos und tiefe Enttäuschung sind vorprogrammiert.
Die Schwierigkeit bei der ganzen Sache ist, drei bis fünf Personen zu finden, die dich ein bisschen kennen und dir ein ehrliches Feedback geben.
Ich finde es immer wieder spannend, aber auch ein bisschen erschreckend, wie sehr wir in unserer Kultur gewohnt sind, keine ehrlichen Antworten zu geben, sondern sozial gewünschte. Frage jemanden, den du triffst, wie es ihm oder ihr geht. Du wirst in 99 % der Fälle hören: „Gut!“ Und zwar vollkommen unabhängig, wie es deinem Gegenüber wirklich geht. Das wird dein Gegenüber dir auch sagen, wenn das Leben gerade völlig aus dem Ruder läuft und jemand mit dem Rücken an der Wand steht. So ist unsere Kultur halt gestrickt.
Also finde jetzt diese mindestens drei, eher fünf Personen und frage sie zu ihrer Sicht deines persönlichen Aspektes, deines Tickets.