Dream - Christine Ferdinand - E-Book

Dream E-Book

Christine Ferdinand

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Beschreibung

Nachdem Lexa und Andrew vor eine Aufgabe gestellt wurden, welches ihr gemeinsames Leben von Grund auf verändern würde, wussten die beiden, dass sie dieses nur zusammen schaffen könnten. Es schien zu funktionieren, bis sich immer wieder tiefe Gräben auftaten. Begegnungen endeten im Gefühlschaos, zweifelhafte Entscheidungen wurden getroffen und ein ungewisses Schicksal stellt keine gute Zeit in Aussicht. Wird ihre Liebe das alles standhalten?

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 1

Dieser Traum begann anders als die der vorherigen Nächte. Die einzige Ähnlichkeit war das ich genau wusste das ich träumte. Es musste mir also gar nichts Angst machen. Egal was passieren würde, es war nicht real.

Ohne es zu bemerken, lief ich einen Weg entlang. Er führte in ein helles buntes und dazu wunderschönes Licht. Kurz bevor ich das Licht erreichte, sah ich was es war. Es war die Turnhalle unserer Schule.

Warum war hier alles so bunt geschmückt und beleuchtet wie auf einem Ball? Plötzlich trat Tylor aus der Tür und kam auf mich zu. Das erinnerte mich an die Nacht von unserem Schulball. Und tatsächlich, wie damals kam er auf mich zu, bedrängte mich und riss mir ohne Vorwarnung meine Kleider herunter. Er konnte tun und lassen was er wollte. Wenn ich schrie, kam kein Wort aus meinem Mund. Wenn ich treten oder um mich schlagen wollte, bewegte mein Körper sich nicht.

Dieser Traum war wirklich mein schlimmster Alptraum. Dies war nämlich die ausschlaggeben Nacht, wo Andrew und ich uns kennen lernten. Doch hier kam es nicht dazu - Andrew und ich würden uns nicht kennen lernen. Er würde mir nicht zu Hilfe kommen und Tylor von mir runter zerren. Ich stand das durch was auf mich gewartet hätte, wäre Andrew nie in mein Leben getreten.

Mein Körper wurde wach, doch in meinem Kopf spiegelten sich die Szenen aus dem Traum immer wieder. Ich versuchte mich zu befreien. Jemand hielt mich fest.

„Nein, lass mich. NEIN“, schluchzte ich.

Tränen liefen mir übers Gesicht. Meine Augen wollten nicht aufgehen.

Der feste Griff um meinen Körper löste sich. Ich rutschte so weit zurück wie möglich und weinte weiter.

„Lexa“, sprach Andrew mit seiner mir so sehr vertrauten Stimme.

Andrew? Der Traum war vorbei? Ich bin wieder wach und er war tatsächlich bei mir? Das schluchzten aus meiner Brust ließ nach. Mein Atem hingegen war noch sehr flach. Mit meinem Pulloverärmel wischte ich mir die Tränen aus den Augen. Mein Blick wurde klarer. Das erste was ich sah war tatsächlich Andrew. Er saß am Ende des Bettes, die Hände nach mir ausgestreckt. Ohne etwas zu sagen, stürzte ich mich in seine Arme. Wäre er nicht so stark gewesen, dann würden wir mit dem Schwung, den ich hatte, mit Sicherheit auf dem Boden landen. Doch er fing mich auf und hielt mich fest. Der Traum war vorbei.

„Es tut mir leid“, waren seine einzigen Worte.

Wir lösten unsere Umarmung. Wie ein ungezügeltes Verlangen nahm ich sein Gesicht in meine Hände und begann ihn zu küssen. Am liebsten würde ich ihn verinnerlichen, damit er nie wieder von mir gehen kann. Nach einigen Sekunden allerdings ging ich ein Stück zurück, um nach Luft zu schnappen. Meine Muskeln wurden schlaff, so dass ich dasaß wie ein nasser Sack.

„Ist alles ok? War es sehr schlimm?“, fragte er vorsichtig nach.

Natürlich wusste ich sofort, dass er den Traum meinte. Ich wollte es ihm nicht sagen. Er würde sich nur wieder Vorwürfe machen.

„Nein, also ich glaube nicht. Ich weiß es nicht mehr so genau“, sagte ich.

Ich war mir sicher, dass er mir nicht glaubte. Allein meine Gefühle würden es ihm verraten das ich log. Doch er ließ sich nichts anmerken und bohrte nicht weiter nach.

„Schlaf noch ein bisschen. In wenigen Stunden werden wir da sein“, beruhigte er mich.

Das ließ ich mir kein zweites Mal sagen und fiel rückwärts aufs Bett.

Andrew deckte mich zu und gab mir einen Kuss auf Haar.

„Bleibst du bitte bei mir“, flüsterte ich. Meine Augen waren bereits geschlossen. Jetzt wusste ich wie Andrew es meinte das mir noch mehr Kraft entzogen wurde. Ich war so schwach, dass ich keine Sekunde auf meinen Beinen hätte länger stehen können.

„Bist du dir Sicher?“, fragte er noch einmal nach. Mit weiterhin geschlossenen Augen hob ich den Arm und wollte nach ihm greifen.

Im selben Moment lag er bereits neben mir und nahm mich von hinten fest in den Arm. Seine Hand streichelte meinen linken Arm hinunter, bis an meine Hand. Dann spürte ich nur noch, wie mir mein Verlobungsring über den Ringfinger glitt und ich schlief erleichtert ein.

Diesmal erinnerte ich mich ebenfalls an den Traum. Allerdings war es ein schöner Traum. Andrew stand vor mir und wir küssten uns. Dann ging er ein Stück zurück und schüttelte mich leicht.

„Aufwachen mein Schatz“, sagte er. Seine Hand lag jetzt an meiner Wange und sein Gesicht zauberte dieses unbeschreiblich wunderschöne lächeln. Mein Herz raste, meine Hände wurden feucht und ich bekam rundum eine Gänsehaut. Dieser Mann konnte wirklich nicht nur menschlich sein. Solch reine Schönheit gab es nicht.

Mit geschlossenen Augen genoss ich das Gefühl, welches von seiner Hand durch meinen Körper fuhr. Als ich sie wieder öffnete, sah ich ebenfalls Andrew vor mir, doch wir waren im Bett auf dem Boot.

Auch wenn dies die Realität war, dem übernatürlich schönen Lächeln auf seinen Lippen tat es keinen Abbruch.

„Hi“, flüsterte ich durch meine lachenden Lippen.

„Hallo. Hast du gut geschlafen?“

„Mhhm, habe ich“, lächelte ich weiter.

„Wir sind jeden Moment da. Kannst du aufstehen?“, fragte Andrew.

Er streichelte meine Wange. Wie im Traum überfuhren mich diese wunderbaren Gefühle. Für einen kurzen Moment genoss ich es noch, doch dann wurde mir klar, dass es ernst wurde und wir keine Zeit mehr verlieren durften. Mit einer fließenden Bewegung setzte ich mich auf die Bettkante.

„Wie lange habe ich denn geschlafen das wir schon da sind?“, wollte ich wissen.

„Ich musste dich wach machen. Du hast jetzt nur ein paar Stunden geschlafen. Aber wenn du dich Bewegst, dann“, er setzte wieder ein Lächeln auf. Die Verzweiflung in seinen Augen ließ sich allerdings nicht abschalten.

„Du wirst dich einfach sehr müde fühlen. Schaffst du das?“

Ich nickte. Mein Körper richtete sich auf. Nach zwei Schritten in Richtung Tür, fingen meine Beine an zu zittern und mein Blick verschwamm. Schnell setzte ich mich wieder auf das Bett.

„Huch“, hauchte ich.

Andrew wollte mir gerade helfen. Das kam jedoch alles nur davon, weil ich noch müde war.

„Moment, das geht schon. Gebe mir nur eine Minute“, sagte ich.

Nachdem bestimmt mehrere Minuten vergangen waren, fühlte ich mich soweit sicher, um es erneut zu versuchen. Ich erreichte ohne Probleme die Tür und wir gingen ins Esszimmer.

„Siehst du alles wieder im Lot“, sagte ich zu Andrew und tippte mit dem Finger an meinen Kopf. Wir setzten uns Wortlos an den Tisch, welcher natürlich mit Essen gedeckt war.

„Wo ist Jenny?“, fragte ich und schaute mich um.

Normalerweise aß sie immer mit uns.

„Sie ist oben. Sie fährt uns das restliche Stück allein ans Ziel. So erwecken wir vorerst kein Aufsehen.“

Wir aßen nicht viel. Uns beiden war nicht danach zu mute.

„Hat es jetzt eigentlich funktioniert? Ich meine mit dir?“

Er nickte. Auch wenn es Einbildung war, aber ich dachte ein Schmunzeln bei Andrew gesehen zu haben. Dann wurde er wieder ernst.

„Du weißt doch noch was ich dir gesagt hatte, wie du dich verhalten sollst wenn wir da sind?“, fragte er, ohne mich anzusehen.

„Ja, ich soll dir nichts glauben“, entgegnete ich leise.

„Genau. Jenny und ich werden dort hineingehen, mit dir als unsere Geisel. Da Aron niemanden genau gesagt hat, nach wem gesucht wird, die Halbmenschen also nicht wissen das ich auch einer von den Gesuchten bin, können wir so unbemerkt bis zu Aron gelangen“, monoton sprach er diese Worte.

Es war ein Plan und in meinen Augen ein guter. Doch Andrew setzte alles in Zweifel was keine Hundert prozentige Sicherheit bot.

Wenige Minuten später stieß Jenny zu uns.

„Wir sind gleich da. Dann müssen wir noch ein bisschen laufen bis zum Königreich“, sagte sie.

Gemeinsam gingen wir an Deck. Andrew der seinen Arm um mich gelegt hielt, drückte ein letztes Mal sanft zu. Dann ließ er ihn sinken und nahm Abstand. Ich sah zunächst nichts auffälliges, doch Andrews und Jennys Haltung verrieten mir, dass wir bald da waren. Wie aus dem Nichts tauchte auf einmal vor uns eine große Insel auf. Sie war mit einem weißen Puderzucker Strand bestückt. Palmen und andere Bäume überragten sich gegenseitig. Wie in einem Reisebürokatalog verlieh die Morgensonne einen zusätzlichen besonderen Charme auf diese Insel.

Sollte an so einem schönen Ort tatsächlich das Böse herrschen?

Jenny legte das Boot fast genauso geschickt an wie Andrew sonst.

Wenn man von dieser Insel wegwollte, benötigte man ein Boot.

Wahrscheinlich war Andrew deswegen so geübt darin.

Mit wackeligen Beinen betrat ich die Insel. Diesmal zitterte ich aber nicht vor Müdigkeit, sondern vor Furcht. Vor allem vor das, was auf uns zukam. Wunderschöne Vogelgesänge traten mir ins Ohr. Es war ein mir komischerweise bekanntes Lied, über mehrere Oktaven und fast wie ein Kanon gesungen. Wenn dies nicht so ein schrecklicher Ort wäre, glich es fast dem Paradies.

Andrew und Jenny packten mich links und rechts am Oberarm. Für einen Augenblick war mir nicht klar, bis ich in Andrews Augen sah und wusste das das Spiel begann.

Kapitel 2

Wir liefen direkt und ohne einen bestimmten weg zu erkennen in den Wald. Umso mehr Bäume wir hinter und ließen, umso dunkler wurde es. Mir wurde schummerig und müde. Die Erschöpfung schlug wieder durch. Das wenige Adrenalin hielt mich einigermaßen wach. Meine Beine liefen schlurrend über den Boden. Da ich nicht sah, wo ich hintrat, stolperte ich mehrfach. Jenny und Andrew trugen mich den Rest schon fast durch den Wald. Plötzlich blieben wir stehen.

Adrenalin stieg in mir hoch. Ich wurde wieder wach. Was passierte nur?

„Sind wir schon“, wollte ich wissen.

„Ruhe“, fauchte Andrew mit einer so forschen Stimme in meine Richtung das ich zusammenzuckte. Obwohl er sich ein Knurren unterdrückte war sein Tonfall angsteinflößend.

„Du warst lange fort Jenny“, sagte wie aus dem nichts plötzlich ein Mann zu uns. Zunächst konnte ich nichts erkennen. Auf einmal sah ich ein paar Meter vor uns im dunklen Wald, zwei Personen stehen. Ein Mann und eine Frau. Beide waren Anhänger Arons, wie wohl jeder auf dieser Insel. Allerdings erkannte ich dies an den blauen Gewändern, die sie trugen.

Jenny lächelte empört auf.

„Und jetzt bin ich wieder hier. Was unterstellst du mir Marco?“, sagte sie arrogant.

Ein leichtes Zischen entglitt ihr.

„Ähm, natürlich, also nichts“, nervös ging Marco einen Schritt zurück.

„Gut. Aron erwartet uns schon“, Jenny klang so selbstbewusst und sicher das selbst ich ihr geglaubt hätte, wenn ich nicht schon wusste das alles eine Lüge war.

Aber vielleicht musste sie so selbstsicher sein, damit ihr Gefühle mitspielten?

„Aron ist unpässlich meine liebe. Es tut mir leid“, sagte diesmal die Frau neben Marco.

„Du kannst dich mit deinem Spielzeug“, sie warf einen abtrünnigen Blick auf mich „und deinem neuen Gefährten woanders austoben.“

Jetzt sah sie Andrew an. Er erwiderte ihren Blick und hielt ihm stand.

Bis Jenny sich einschaltete.

„Ava. Du solltest nicht zu vorschnell urteilen. Es wird Aron freuen das wir seine Aufgabe erledigt haben. Das meine liebe“, Jenny zog an meinem Oberarm, um es deutlich zu machen. Auch wenn sie versuchte mir nicht weh zu tun, was ich hoffte, schmerzte ihr Griff.

„Sie ist diejenige nach der Aron schon so lange sucht. Und anstelle von jemanden der sich nicht von der Insel traut, habe ich mich auf die Suche gemacht und bin fündig geworden“, sprach Jenny.

Meine Augen hatten sich schon so gut an die Dunkelheit gewöhnt das ich es richtig sah wie die Gesichtszüge von Marco und Ava entglitten.

„Und wer ist er und was ist mit demjenigen passiert der auf sie aufgepasst hat?“, warf Marco schnell ein damit Ava und Jenny sich nicht an die Gurgel sprangen.

Die Luft zwischen den beiden stand unter Strom.

„Er mein guter, hat mir geholfen. Wir sind uns auf meinem Weg begegnet. Ich habe ihn angelernt und gezeigt was es heißt ein Inkubus zu sein. Siehst du nicht sein strahlendes Leuchten?“, sagte sie stolz.

Mit einer Kopfbewegung deutete sie zu Andrew. Automatisch sah auch ich Andrew an. Auch wenn ich das Leuchten nicht sah, fühlte ich mich gezwungen ihn anzusehen. Er starrte immer noch Marco und Ava mit strengem Blick an. Die beiden warfen ihm ebenfalls einen kurzen Blick zu, dann sahen sie wieder zu Jenny.

„Gemeinsam haben wir denjenigen erledigt der es gewagt hat sich uns in den Weg zu stellen. Es war einfacher als gedacht“, ein künstliches Siegeslachen kam aus ihrem Mund.

Für mich klang es so echt, dass mein Vertrauen an Jenny zu bröckeln begann.

„Und mein neuer Freund, konnte, nachdem wir die Aufgabe erledigt hatten, gar nicht genug von seinem neuen Dasein bekommen und will sich uns anschießen. Stimmst?“

Ein verführerischer Ausdruck blitzte in Jenny Augen auf. Andrew nickte nur und bestätigte Jennys Aussage mit einem bejahten Lächeln.

„Nun gut. Wir werden alle informieren, dass ihr hier seid“, sagte Ava abschließend.

„Nein“, ging Jenny dazwischen.

„Ich möchte meinen Vater überraschen. Lasst mir doch die Freude! Ich werde euch später auch etwas von der bevorstehenden Belohnung abgeben. Mein Wort darauf.“

Auch wenn es Marco und Ava nicht so recht gefiel, überlegten sie nur kurz, nickten und verschwanden in den Wald.

„Viel Spaß mit deinem neuen Gefährten Jenny. Er scheint wirklich was für dich übrig zu haben“, sagte Marco und verschwand in der Dunkelheit. Dann hörten wir nur noch ein abscheuliches Lachen, welches nach und nach im Wald verstummte.

Mein Blick suchte erneut Andrews Antlitz. Dieser schaute allerdings ohne auch nur eine Miene zu verziehen, stur geradeaus. Die beiden zogen mich ruppig weiter, immer tiefer in den Wald hinein.

Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Vielleicht waren wir zwei Stunden oder mehr unterwegs gewesen. Wir stoppten erneut.

Mittlerweile war es schwer die Augen offen zu halten. Doch immer, wenn sie mir zufielen, sah ich das harte Gesicht von Andrew vor mir und wie er mich anschrie. Dieser Gedanke hielt mich wach. Weit und breit waren weiter hin nur Bäume zu sehen.

Jenny ließ meinen Arm los. Wie ein kleiner Stromstoß durchfuhr es meine Körper als das Blut wieder ohne Störungen durch meinen Körper floss. Was war los? Waren wir endlich angekommen? Fragen wollte ich nicht. Es konnte uns jeder hören und Andrew würde, nein, er musste, so reagieren wie vorhin. Die Abweisung konnte ich nicht noch einmal ertragen. Nur flüchtig nahm ich es wahr das Andrew mich ansah. Ich schaute bewusst nicht in seine Richtung. Rein aus Selbstschutz, damit ich den Schmerz nicht sehen musste der ihn durchfuhr, wenn er meine Gefühle zuließ.

Jenny kam zurück und ging auf uns zu. Schmerzhaft packte sie erneut meinen Oberarm.

„Kommt! Wir sind da!“, sie führte uns um einen großen Felsen herum.

Am anderen Ende war eine große schwere Tür eingelassen. Sie öffnete sich ohne, dass jemand sie berührte oder etwas sagte. Ein grelles Licht blendete mich. Jenny und Andrew zogen mich schweigend hinein.

Es war als hätten wir eine andre Welt betreten. Nach wenigen Schritten standen wir in einem großen Raum. Hoch oben an den Wänden waren große Fenster eingelassen, die viel Sonnenlicht schenkten. Ansonsten war der Raum leer.

Mit schnellen Schritten durchquerten wir diesen Raum. Am anderen Ende war eine Tür, die ebenfalls in solch einen hellen und großen Raum führte.

Umso weiter wir gingen umso nervöser wurden Jenny und Andrew. Sie schauten sich immer wieder um als würden sie etwas suchen?! Mir kam das alles auch äußerst merkwürdig vor. Gab es hier keine Wachen oder ähnliches? Liesen sie uns wirklich hier so unbeschwert eintreten? Wir durchquerten einen letzten Raum und gingen durch eine letzte Tür, bis wir am Ziel ankamen.

Dieser letzte Raum war sehr dunkel gehalten. Eine Kälte überzog meinen Körper das es mir schauderte. Keine Fenster waren zu sehen.

Nur einige Fackeln an der Wand durchfluteten alles leicht mit Licht. In den Schatten an der Wand standen die Wachen, wenn auch nur schwach zu erkennen. Am Ende des Raumes war ein großer Thron zu sehen. Er war mit Gold und Diamanten bestückt, fast so prunkvoll wie der von Lilith. Man spürte sofort, dass er ihr Sohn war.

Jenny und Andrew ließen mich los. Ich konnte mich allein nicht halten und ging auf die Knie. Andrew fing mich auf. Unsere Blicke trafen sich.

Die pure Angst stand Andrew ins Gesicht geschrieben und ich wusste genau wir waren unmittelbar am Ziel angekommen.

Langsam und nahezu Elfengleich ging Jenny vor; Andrew und ich folgten ihr direkt. Wo war denn nur Liliths Hilfe? Mein Blick huschte auffällig von links nach rechts. Ich suchte irgendetwas, das vielleicht leuchtete oder wenigstens ein bisschen den Anschein machte als wäre es uns eine Hilfe. Auch Jenny und Andrew sahen sich aufmerksam um.

Mehrere Meter vor Aron blieben wir stehen. Die Wachen standen immer noch dort, wo sie waren. Auch Aron bewegte sich nicht. Er saß reglos auf seinem prunkvollen Thron. Wie damals auf dem Friedhof trug er wieder diesen schwarzen Umhang. Seine Haut war weiß, fast weißer als der Mond. Die Haare wieder ordentlich nach hinten gelegt, der Blick nach unten gesenkt.

„Jenny“, sprach Aron.

Ohne zu zögern, ging sie auf Aron zu und kniete sich vor ihn.

„Vater. Ich habe dir gebracht wonach du verlangt hast“, sagte sie anbetend.

Andrew neben mir wurde wütend. Er sah mich an. Ich wusste das es wegen Jennys Gefühlen war. Sie hatte uns die ganze Zeit angelogen und hierhergelockt.

„Hab dank, mein Kind. Und dazu sind beide noch am Leben. Welch eine Freude“, euphorie schwang in Arons Worten mit - er schaute auf.

Seine schwarzen Augen funkelten Andrew an. Mir würdigte er keinen Blick.

„Was euch betrifft, habe ich schon eine gewisse Vorstellung was wir mit euch machen können. Was hältst du davon, wenn wir uns deine kleine Freundin vornehmen. Die ganze Wache. Einer nach dem anderen und dann kannst du auch gerne nochmal bei ihr“, Aron sprach nicht weiter.

Andrews Atem wurde unregelmäßig. Er ballte die Hände zu Fäusten und ging ein Schritt vor. Ich hielt ihm am Arm zurück.

„Warte“, nuschelte ich.

Dann ging ich einen Schritt vor und wand mich an Aron.

„Wir würden gerne noch einmal mit ihnen reden“, sagte ich.

Arons Blick lag jetzt hart auf meinem. Ich versuchte ihm stand zu halten. Und es gelang tatsächlich.

„Was“, zischte er.

„Was genau willst du menschenwesen mir erzählen?“

Auch wenn mein Herz so stark gegen meine Brust hämmerte das es weh tat, musste ich es wenigstens versuchen meine Bitte vorzutragen.

„Ihr müsst verstehen das Andrew und ich uns nicht trennen können.

Sie wollen Andrew aus Liebe wieder bei sich haben, doch ich liebe ihn mindestens genauso sehr. Nehmen sie ihn mir nicht weg. Ich flehe sie an. Bitte. Aus Liebe zu ihrem Sohn, machen sie ihn glücklich und lassen ihn seinen eigenen Weg gehen“, versuchte ich an Aron zu appellieren.

Jenny, die jetzt neben Aron stand, lachte verächtlich auf. Plötzlich fingen meine Beine an zu zittern. Eine Hitze stieg von unten nach oben in mir auf. Umso höher die Hitze stieg, umso heißer wurde sie. Ich griff mir an die Kehle und keuchte. Es war als würde ich innerlich verbrennen. Das Feuer ließ sich nicht löschen. Langsam, aber deutlich fuhr mir das Feuer in den Kopf. Ich sackte auf die Knie und schloss die Augen.

„Ahhh“, stieß ich hervor.

In Windeseile war Andrew neben mir, doch ich spürte es nicht. Nur sein Duft nahm ich wahr. Das Feuer beherrschte meine Körper vollkommen.

„Hör sofort auf damit“, schrie Andrew Aron an.

Diverse Bilder schossen mir durch den Kopf. Sues Beerdigung. Tylor der sich an mir verging und zum Schluss noch Andrew der in Flammen stand. Mit jedem Atemzug, den ich tat, verbrannte meine Lunge mehr.

Ich sackte ganz zu Boden.

Plötzlich war das Feuer weg. Ich bekam wieder normal Luft und die schlimmen Bilder waren verschwunden. Meine Muskeln entspannten sich so dass ich vor Erschöpfung liegen blieb. Umgehend lag ich in Andrews Armen. Mein Sehnlichster Wunsch nach dieser Höllenfahrt war es jetzt nur zu schlafen. Hier und jetzt in Andrew Armen.

„Lexa“, flüsterte Andrew mir ins Ohr.

„Schatz, du darfst jetzt nicht schlafen. Bleib wach, bitte!“

Ich öffnete meine Augen. Mit Andrews Hilfe rappelte ich mich auf. Ich war noch nicht ganz auf den Beinen, da ließ Andrew mich los.

Taumelnd stand ich da und betrachtete was gerade vor meinen Augen passierte. Andrew währte unmittelbar vor mir Wachen ab, damit diese mich nicht angreifen konnten. Jenny kämpfte auf der anderen Seite mit Aron. Moment, Jenny kämpfte gegen Aron? Also war sie doch auf unserer Seite!

Andrews Kampf war unausgeglichen. Er machte eine Wache nach der anderen fertig. Doch Jenny die allein kämpfte und keine weiteren Wachen am Hals hatte, kam nicht klar. Plötzlich traf Aron sie so hart auf der Brust, dass sie im Hohen Bogen gegen eine weit entfernte Wand flog und reglos liegen blieb.

„Jenny, nein“, flüstere ich.

Automatisch rannten meine Beine in ihre Richtung um zu Helfen.

Schließlich war sie tatsächlich auf unserer Seite. Nach nur wenigen Metern ging ich zu Boden. Die Hitze überfuhr mich erneut – Aron hielt mich mit seelischen Schmerzen auf. Ich knickte weg. Im nächsten Augenblick war der Schmerz wieder verschwunden. Ich blickte mich um und sah das Andrew alle Wachen soweit erledigt hatte und mit Aron am Kämpfen war. Dieser Kampf wirkte unentschieden. Ohne jegliche Waffen trafen sich Aron und Andrew nacheinander. Manchmal ging einer in die Knie, doch fast immer steckte einer die Schläge des anderen, ohne einzuknicken weg.

Schnell ergriff ich die Initiative, rappelte mich auf und ging weiter auf Jenny zu. Bei ihr angekommen, lag sie benommen und stöhnend am Boden.

„Jenny“, flüsterte ich.

Sie sah zu mir auf. Gemeinsam stützten wir einander.

„Lexa Vorsicht“, schrie Jenny in meine Richtung und schleuderte mich aus dem Weg. Über mehrere Meter schlitterte ich über den Boden quer durch den Raum. Sobald ich wieder klar sehen konnte erkannte ich das Jenny jetzt dabei war die Wachen von mir fernzuhalten. Immer neue Wachen kamen von überall her. Jenny hatte jedoch die Oberhand – ein Glück. Sie schleuderte eine Wache nach der anderen mühelos davon.

Angsterfüllt wagte ich einen Blick in Andrews Richtung. Der Kampf zwischen ihm und Aron dauerte noch an. Aron, aber auch Andrew waren mittlerweile so angeschlagen das sie das Zepter des Stärkeren immer wieder abgaben. Genauestens beobachtete ich jede Bewegung, jeden Schlag den Andrew austeilte. Alles ging jedoch so schnell, dass ich nur Bruchteile mitbekam. Es steckte eine solche Wut in Andrew, das Aron in meinen Augen immer öfter unterlegen war. Auf einmal flog Andrew quer durch den Raum und landete mit einem lauten Knall an der Tür, wo wir zuvor eingetreten waren. Kaum einen Atemzug später stand Aron schon vor ihm. Er drückte ihn gegen seine Kehle und mit all seiner Kraft an die Tür.

„Nie werde ich es zulassen das du jemanden verdienst der dich liebt.

Du hast mir, deinen eigenen Vater, vor den Kopf gestoßen! Das wird nicht ungesühnt bleiben“, rief Aron aus tiefster Brust.

Andrew war mittlerweile schon so erschöpft, dass seine Abwehrversuche Aron zum Schmunzeln brachten. Panisch sah ich mich im Raum um. Jenny kämpfte verzweifelt gegen noch mehr Wachen, Andrew war dabei zu sterben. Wo war nur Liliths versprochene Hilfe? Tränen der Wut und Verzweiflung liefen mir über die Wange.

„WARTE! STOPP!!!“, kam es plötzlich aus meinem Mund. Ich rappelte mich mühsam auf.

„Nimm mich, bitte! Lass ihn am Leben! Nehme mich! Dann hast du das was du willst“, schlug ich vor.

Mit zitternden Beinen machte ich zwei Schritte auf die beiden zu.

Andrew war immer noch im Würgegriff von Aron. Dieser blickte mich mit zusammengekniffenen Augen an.

„Nein“, kam leise und gequält aus Andrews Mund, doch Aron drückte daraufhin noch fester zu.

„Wieso sollte ich dann das haben was ich will Schätzchen?“, fragte Aron und sah mich mit neugierigen Blick an.

„Wenn du mich tötest, wird Andrew seine Liebe verlieren. Auch wenn er vielleicht nicht zu dir zurückkommt, wird er den Rest seines Lebens unglücklich sein“, eklärte ich meine Worte.

Ich stellte mir einfach vor, wie es mir ergehen würde, wenn ich ihn verlor. Und da solche Gedankenspiele damals schon bei Andrew gut funktioniert hatten, um bestimmte Gefühle hervorzurufen, versuchte ich es einfach.

Arons Blick verriet mir, dass er genau das spürte was ich wollte. Auf einmal zog er Andrew an seinem Hemd vor und knallte seinen Kopf mit aller Gewalt zurück gegen die Tür. Regungslos sackte Andrew zusammen.

„Nein“, erneut ging ich einen Schritt weiter, doch Aron stand schon vor mir. Seine Hand lag nun um meinem Hals. Langsam und bestimmend drückte er mich zurück bis an die kalte Wand.

„Es ist sehr nobel von dir, dein Leben zu Opfern um ihn zu Retten.

Einen Halbmenschen“, er lachte auf.

„Und du hast sogar Recht. Auch wenn ich es nie zugeben würde, aber du hast mir eine gute Lösung vorgeschlagen“, sagte er triumphierend.

Wieder spürte ich die Hitze aufsteigen. Wenigstens wusste ich was mich erwartete. Dann kamen die schrecklichen Bilder. Ich versuchte in regelmäßigen Zügen die heiße Feuerluft einzusaugen. Bis schließlich meine Lunge verbrannte und ohne Luft war. Es war alles vorbei. Ich konnte nur hoffen das Andrew und ich uns irgendwann, egal in welchem Leben, einmal wiedersehen würden.

Da ich meinen Körper nicht spüren konnte, hatte ich auch keinerlei Schmerzen. Wie es schon von so vielen erzählt wurde, zog tatsächlich mein Leben noch einmal wie ein Film an mir vorbei. Schöne Momente, wie mein erster Geburtstag an den ich mich sowieso nicht erinnerte.

Meine Großeltern, wie sie mich das erste Mal sahen. Die Abende, wo meine Mutter und mein Vater mir Geschichten vorlasen. Dann brach der Film ab.

Unerträgliche Schmerzen quälten mich. Jede Faser in meinem Körper begann zu zucken. Es war nicht die Hitze, sondern eher, als wenn mein ganzer Körper sich gegen sich selbst währte. Ich riss die Augen auf.

Andrew war über mir gebeugt. Andrew? Er war nicht tot?

Eine ganze Zeit lag ich da mit diesen Höllenqualen an Schmerzen. Ab und an warf ich durch meine Tränen durchtränkten Augen einen Blick auf Andrew. Er ließ sichtbar meine Gefühle zu. Das wollte ich nicht, aber ein klares Sprechen war unmöglich.

„Hör auf“, kam nur gequält aus meinem Mund. Sehnlichst wünschte ich mir das Gefühl von eben zurück. Das Gefühl des nichts Fühlens.

„Hör auf“, sagte ich erneut zu Andrew. Er sollte nicht erfahren, wie es in mir aussah - wie ich litt und dagegen ankämpfte.

Erneut flogen fetzten von meinem Leben an mir vorbei. Andrew, wie ich ihm das erste Mal in die Augen sah. Unser erster Kuss und mein Gefühl vom Ohnmächtig werden jedes Mal, wenn er lächelte. Der Schmerz ließ nach und ich öffnete die Augen. Andrew war weiterhin über mich gebeugt. Sein Haar waren wild zerzaust, genauso wie ich es am liebsten an ihm sah. Ich lächelte ihn an. Er war also am Leben. Die Erkenntnis machte mich glücklich. Doch ich wusste auch das meine Zeit bald gekommen war. Dieser eine Moment ohne Schmerzen ohne Angst und ohne Sorgen gaben mir noch ein letztes Mal die Möglichkeit, das Glück zu genießen und für alles je dagewesene dankbar zu sein.

„Andrew“, flüstere ich und legte eine Hand an seine Wange. Ich spürte nicht ob er warm oder kalt war. Doch ich musste kalt gewesen sein, denn bei meiner Berührung zuckte er leicht zusammen.

„Wir bringen dich hier raus. Es wird alles wieder gut mein Schatz.“

Seine Worte gaben mir allerdings keine Hoffnung zurück. Ich spürte ganz genau das es nicht mehr lange dauern würde.

„Nein. Es, ist schon alles gut, so wie es jetzt ist“, flüsterte ich.

Tränen liefen über seine Wange und tropften auf mich herab.

„Sch. Nein, nicht“, sprach ich ihm zu und wischte mit meiner Hand leicht seine Tränen weg.

Dann fuhr ich ein letztes Mal mit meiner Hand in seinen Nacken und zog ihn kraftlos zu mir herunter. Als unsere Lippen nur noch Millimeter voneinander entfernt waren, lächelte ich ihn erneut an. Mir wurde abermals bewusst was für ein Glück ich hatte noch einmal so Abschied nehmen zu dürfen.

„Erinnerst du dich an unser Gespräch über den Tod des anderen?“, sagte ich noch.

Er antwortet nicht. In seinem Gesicht lag jedoch dieser Ausdruck das er genau wusste was ich meinte.

„Ich werde dich immer lieben meine Sonne“, kam nur noch sehr leise über meine Lippen.

Andrew reagierte nicht auf meine Antwort.

„Es wird alles wieder gut. Wir bringen dich“, Andrew gab nicht auf.

„Schsch“, unterbrach ich ihn und legte meine Finger an seinen Lippen.

„Versprich mir bitte etwas“, saget ich.

Stumm sah er mich an. Auch wenn ich keine Gefühle spüren konnte, wusste ich genau, dass er keinen Abschied nehmen wollte.

„Bitte“, setzte ich erneut an.

„Alles was du willst“, seine Stimme brach ab.

„Sag meinen Eltern das ich sie über alles Liebe. Es wird mir gut gehen, sie sollen nicht böse sein. Bitte.“

„Keiner wird dir Böse sein meine Schöne. Das verspreche ich dir.“

Noch mehr Glück durchfuhr meinen Körper. Sein Blick war qualvoll, obwohl ich mich so gut fühlte. In diesem Moment wünschte ich mir das er spürte, wie es mir ging. Mir kam es hingegen so vor, als wenn er diese guten Gefühle bewusst nicht zuließ.

„Du musst loslassen. Fühle es“, sagte ich noch leiser als würde ich flüstern.

Wie gewohnt streichelte er mir mit seiner Hand das Haar. Dann gab es einen letzten Kuss. Jeder von uns legte so viel Gefühl in diesen einen, letzten Kuss, dass es mich wohl nie verlassen würde - egal ob lebendig oder tot. Meine Augen fielen zu, doch als der Kuss beendet war, öffnete ich sie noch einmal. Andrew war immer noch dicht über mir.

Ein heller Schein umgab ihn. Er tauchte seinen Körper in ein Licht, welches nur für Engel bestimmt sein konnte – für meinen Engel.

Wie aus dem nichts nahm ich meinen Körper wieder wahr. Wärme erfüllte mich. Sterben war unbeschreiblich. Auch wenn die meisten Menschen sich davor fürchteten, musste man keine Angst haben. Es tat nicht weh, bereitet keine Qualen, sondern erlöste, wenn die Zeit gekommen war.

Kapitel 3

Mit einem Bild von Andrew vor Augen, schloss ich diese. Und obwohl es hätte dunkel sein müssen, wurde es immer heller und heller. Als es zu hell wurde, riss ich meine Augen wieder auf – doch ich sah nichts.

Vorsichtig rieb ich sie mir und erkannte auf einmal, wo ich war. Ich stand neben Andrew. Er hielt meinen leblosen Körper fest in seinen Armen und weinte bitterlich. Wieder und wieder rief er meinen Namen.

Gequält kamen diverse laute aus seiner Kehle. Als Jenny ihn an der Schulter berührte, knurrte er aus voller Brust. Fast tadelnd sprach ich lautlos seinen Namen.

„Nicht schon wieder! Warum? WARUM?!“, schrie er in die Dunkelheit.

Wie gerne hätte ich ihm jetzt geholfen. Leider war dies nicht mehr möglich; weder trösten oder gar küssen. Ich beugte mich zu ihm herunter und streichelte mit aller Zärtlichkeit seine Wange. Ein kühler Schauer überkam ihn und für einen kurzen Moment stockte sein Atem.

Durch seine präzisen Sinne nahm er alles sehr gut wahr, und in diesem Moment war ich unglaublich dankbar dafür.

„Nicht weinen. Es ist richtig so wie es ist“, flüsterte ich ihm entgegen.

„Da wäre ich mir nicht so sicher“, hörte ich plötzlich eine mir sehr vertraute Stimme.

Zwar musste ich ein paar Sekunden nachdenken, um dieses vertraute Gefühl nach so langer Zeit wieder zuzuordnen, dann war mir jedoch klar wer dieser jemand war.

„Sue?“, nuschelte ich. Konnte das wirklich sein? Sue war tot. Moment, ich war seit ein paar Minuten ebenfalls tot. Dann war dieses treffen real?

Mit einer blitzschnellen Bewegung drehte ich mich um. Sue stand so vor mir wie ich sie seither in Erinnerung hatte. Ihr kurzes blondes Haar war ordentlich frisiert, keine Müdigkeitserscheinungen, der mir nur allzu bekannte Hundeblick blitzte in ihren Augen auf – einfach perfekt.

Ich fiel ihr um den Hals.

„Sue, du bist es wirklich. Ich bin so froh dich zu sehen“, sagte ich und drückte mich noch fester an ihre Brust.

„Ich bin auch so froh dich wieder zu sehen.“

Wir lösten unsere Umarmung ein wenig.

„Ich, ich habe dich so vermisst. Bist du da um mich, abzuholen? Bist du jetzt ein Engel oder so?“, fragend zog ich eine Augenbraue nach oben.

„Naja, also gewissermaßen bin ich schon ein Engel, nur das ich nicht da bin, um dich abzuholen“, antwortete sie.

Ich verstand sie nicht wirklich. In mir putschte mich die Freude und das Glück, das ich noch eine Gelegenheit bekam, mich bei ihr zu entschuldigen für all das was passiert war.

„Sue, es tut mir leid wegen deiner Beerdigung. Ich weiß nicht ob du“, begann ich zu reden.

Auch wenn ich tot war, ging mein Atem bei diesen Gedanken unregelmäßig und ich schnappte nach Luft.

„Jetzt beruhige dich doch erst einmal! Tief ein und ausatmen. Du kannst zwar nicht mehr sterben, aber hyperventilieren funktioniert ja noch wunderbar! Genau wie früher, oder?“, sie grinste mich frech an.

Mein Atem normalisierte sich.

„Wenn es dich beruhigt, ich habe alles auf der Beerdigung gesehen. Du hast dich so fertig gemacht Süße, dabei war es doch nicht deine schuld!“, sagte sie und streichelte meine Wange.

Eine Träne lief mir über. Geschickt fiel sie in Sues Hand.

„Aber Aron hat dich getötet und das nur wegen mir“, sagte ich quälend.

„Und genau deshalb hat Aron seine gerechte Strafe auch bekommen“, antwortete sie und lächelte mich an.

Sofort stoppten meine Tränen.

„Wie meinst du das?“, fragend blickte ich in ihr glückliches Gesicht.

„Lilith hat mich geschickt“, sagte Sue und strahlte vor Stolz bei diesen Worten.

„Lilith? Dich? Aber woher wusste sie, woher kennt sie dich?“

Ich verstand nicht ganz was Sue meinte. Als wir bei Lilith vorstellig wurden, war sie doch bereits tot?

„Also es fing alles mit meinem Tod an. Da ich durch einen Dämon getötet wurde und dazu auch noch unschuldig war, fand meine Seele keine Ruhe und ich konnte nicht ins Licht gehen. Ich habe mich zuerst auf Ben und meine Mutter konzentriert, aber dann spürte ich das es ihnen nicht guttat, wenn meine Seele noch in der Nähe ist. Sie konnten so einfach nicht loslassen. Und ich auch nicht.“

Wie aus dem nichts liefen Sue und ich einen Waldweg entlang. Es war ein schöner Sommertag und die Vögel zwitscherten. Wir waren an dem Ort, wo wir früher als Kind immer viel gespielt hatten. Verdattert schaute ich mich um.

„Sorry, hätte dich vielleicht vorwarnen sollen. Ich dachte mir das das hier ein schönerer Ort zum Reden wäre? Oder gefällt es dir nicht? Ich kann auch“, sagte Sue.

Wie wild gestikulierte sie mit ihren Armen herum.

„Nein, nein. Es ist perfekt“, sagte ich bestätigend.

Wir strahlten uns an.

„Also wie war das jetzt mit deiner Seele?“, griff ich das Thema wieder auf.

„Achja. Also nachdem ich auch von Ben und meiner Mutter Abschied genommen hatte, machte ich mich auf die Suche nach jemanden der mir helfen konnte, wie ich meine Seele befreie“, mit ruhiger Stimme erzählte sie von ihrer Nachtoderfahrung.

„Und dann bist du auf Lilith gestoßen?“

„Nein, das war erst später. Ich habe mit diversen Menschen, die sich Medium schimpften, geredet. Einige hätten vor Schreck fast einen Herzinfarkt bekommen als ich mit ihnen sprach! Und so etwas nennet sich Medium. HA!“, sie schüttelte geistesabwesend den Kopf „Dann aber fand ich einen Priester, der mir half. Er meinte ich müsste richtig Abschied nehmen. Mich komplett von dieser Welt hier lösen. Doch das war gar nicht so einfach. Ich war so sauer auf Aron und wollte Rache.

Dann habe ich mich an dich gehalten. Eine ganze Zeitlang habe ich dich beobachtet, aber nie kontaktiert. Es war schrecklich zu sehen was du alles durchmachen musstest…es tut mir leid, aber ich durfte einfach nicht eingreifen. Das Gleichgewicht der Welten durfte durch mich nicht gestört werden“, schuldbewusst sah sie mich an.

„Und wie bist du jetzt an Lilith geraten?“, fragte ich neugierig nach.

„Als Andrew von ihr erzählte, wie mächtig sie sei, habe ich mich dafür entschieden euch zu begleiten und zu sehen ob das wirklich so war.“

Immer noch liefen wir durch den unglaublich schönen Wald. Er sah zwar so aus wie der Wald von damals, nur irgendwie noch perfekter.

Sue sprach weiter.

„Nach kurzer Zeit habt ihr sie dann gefunden und ich bin mit euch hineingegangen. Aber es war gar nicht nötig das ich sie anspreche, sie ist auf mich zugekommen“, erklärte Sue.

„Sie auf dich?“

Ich blieb stehen. Sue nickte.

„Sie hat mich gesehen, wie ich euch gefolgt bin und wollte wissen, warum ich bei euch bin. Ich erzählte ihr das mit Aron und so hat sie mich in eurem – Spiel - wie sie es ja gerne nennt. Mit eingebunden. Ich durfte eure Hilfe sein“, sagte sie und stand mit stolzer Brust vor mir.

Ihr Lächeln war wie das von einem Magazin Cover.

„Und das ohne Gegenleistung?“, fragte ich besorgt.

Das konnte doch nicht stimmen. Andrew sagte mir damals schon das Lilith nichts ohne Gegenleistung machen würde. Unser Einsatz war unser beider Leben, doch welches wäre Sues Einsatz? Sie war doch bereits tot?

„Wenn ihr das Spiel nicht gewonnen hättet, so nenne ich es jetzt mal, dann würde ich für immer zwischen den beiden Welten als verlorene Seele herumreisen. Aber ich habe dir vertraut. Ich wusste das du es schaffst!“

Ich verstand Sue noch immer nicht.

„Aber wie haben wir es geschafft? Ich dachte wir würden einen Gegenstand bekommen oder müssten eine Tat vollbringen? Und wie meinst du das, dass du unsere Hilfe bist?“, mein Kopf schwirrte bei all den Fragen.

Sue nahm weiterhin grinsend meine Hände.

„Lexa, du hast eine ganz wunderbare Tat vollbracht. Weißt du nicht mehr?“

„Ich? Nein, was denn?“, fragte ich.

Schnell ging ich alles noch einmal durch was in dem Königreich passiert war. Es wollte mir jedoch nicht einfallen.

Sue legte mir eine Hand auf die Schulter.

„Selbstlosigkeit Süße. Du hast dich als Opfer angeboten damit ein anderer weiterleben durfte.“

„Andrew“, sagte ich mich erschrecken und tiefer Sehnsucht.

„Genau. Lilith war sich sicher das Andrew sich für dich opfern würde, doch dass du ihm zuvorkamst, fand sie sehr interessant“, erklärte Sue.

„Aber jetzt bin ich Tod Sue. Ich verstehe das alles nicht.“

Ich löste mich von ihr und schlug mit einer Hand gegen einen Baumstamm.

„Hey“, Sue drehte mich wieder zu sich herum und sah mich an „Das sollte ja auch so sein. Ihr habt Liliths Spiel gewonnen und somit darf ich es sein die dir das Leben wiederschenken wird. Das ist die Hilfe!“

Ein großes Klicken hallte in meinem Kopf nach. Jetzt erst verstand ich.

„Und auch meine Seele kann nun hoffentlich in Frieden ruhen. Ich habe mich mit dir ausgesprochen und Aron ist vernichtet. Das wird wohl reichen“, sagte Sue, während ein verschmitztes Lachen über ihr Gesicht flog.

Sie hatte so viel mehr Selbstvertrauen als damals noch zur Menschenzeit. Es war unglaublich. Eine Frage beschäftigte mich allerdings noch.

„Wie hast du es geschafft Aron zu vernichten? Nicht einmal Andrew mit Jenny zusammen kamen gegen ihn an.“

Ich rieb vor lauter Gedankensalat meine Stirn. Auf meine Frage antwortete sie gelöst und locker.