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Georg, Josef und Alfons – drei Brüder voller Träume und Hoffnungen. Als der Zweite Weltkrieg ausbricht, ziehen sie wie Millionen Männer in den Kampf. Dieses Buch erzählt die ergreifende Geschichte dreier Männer, die Opfer ihrer Zeit wurden … Georg, zunächst euphorisch, erlebte die fürchterlichen Kämpfe an der Ostfront. Sein Bruder Josef half zunächst beim Bau des Westwalls und kämpfte dann an der Ostfront, ehe er nach Berlin versetzt wurde, wo er den Umsturzversuch von Stauffenbergs vermutlich miterlebte. Alfons, der Jüngste, wurde bereits mit 19 Jahren einberufen und stieg schnell zum Leutnant bei der Artillerie auf. Bis zu seinem Tod im März 1945 leistete er nahezu ununterbrochen Dienst an der Ostfront. Dieses Buch erzählt die Geschichte der „Drei Brüder im Krieg“. Es rekonstruiert auf Basis zahlreicher Briefe von der Front den mörderischen Kriegsalltag und den inneren Konflikt dreier Menschen, die sich zunächst begeistert zu den Waffen meldeten und dann den ganzen Wahnsinn an der Front erlebten. Lassen Sie sich dieses hochinteressante Buch nicht entgehen. Profitieren Sie von einzigartigen Einblicken in das Seelenleben und den Frontalltag deutscher Soldaten an der Ost- und Westfront. Lassen Sie sich mitreißen von der Geschichte der „Drei Brüder im Krieg“.
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Robert Schön
Drei Brüder
im Krieg
Feldpostbriefe meiner Vorfahren
In stillem Gedenken an meinen Großvater Georg Schön
sowie an meine Großonkel Josef und Alfons Schön.
Der sinnlose Krieg hat sie um ihre Leben betrogen.
Für meinen Neffen Matt-Schön
"Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf.“
(Johann Wolfgang von Goethe, 1749-1832, deutscher Dichter und Denker)
Besonderer Dank gilt meiner Mutter Franziska Schön, meinem Vater Alfons Schön, meiner Schwester Michaela Schön sowie meinen Tanten Rita Letzner und Gisela Stingl (beide geb. Schön), die mich bei der Ahnenforschung tatkräftig unterstützten
EK-2 Militär
Liebe Leser, liebe Leserinnen,
zunächst möchten wir uns herzlich bei Ihnen dafür bedanken, dass Sie dieses Buch erworben haben. Wir sind ein kleines Familienunternehmen aus Duisburg und freuen uns riesig über jeden einzelnen Verkauf!
Mit unserem Label EK-2 Militär möchten wir militärische und militärgeschichtliche Themen sichtbarer machen und Leserinnen und Leser begeistern.
Vor allem aber möchten wir, dass jedes unserer Bücher Ihnen ein einzigartiges und erfreuliches Leseerlebnis bietet. Daher liegt uns Ihre Meinung ganz besonders am Herzen!
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Jill & Heiko von EK-2 Publishing
Meine Schwester und ich drücken die vergoldete Türklinke der schweren Holztür sanft nach unten und treten in das „geheime Zimmer“, in das zeitlebens kein Besucher meiner Großeltern hinein durfte. Auch wir Enkelkinder warfen nur wenige Male einen verstohlenen Blick in den gespenstischen Raum, der wie ein Museum mit Relikten aus längst vergangenen Zeiten anmutet. Auf dem alten, aber gut erhaltenen Parkettboden breitet sich eine wuchtige Sofalandschaft aus, deren Bezüge mit biederen Rosenblüten auf grünem Untergrund bestickt sind. Umrandet wird die Wohnstube, in der niemals jemand wohnte, von antiken Kommoden, Vitrinen sowie einem verschnörkelten Sekretär. An den Wänden befinden sich Gemälde, die altertümliche Bauern bei ihrer beschwerlichen Arbeit beobachten. In den Vitrinen stehen Teller mit Porzellandrucken und wuchtige graue Steinkrüge mit silbernen Zinndeckeln. Stille. Nur das Ticken der kastanienbraunen Standuhr ist zu hören. Meine Schwester macht sich daran, den Nachlass meiner erst kürzlich verstorbenen Großmutter Dini Schön durchzusehen, während ich traurig nach draußen blicke, wo die düsteren Wolken des Januartages mein Gemüt weiter eintrüben. „Robby, schau mal, was ich gefunden habe!“, durchbricht die Stimme meiner Schwester das Schweigen. Ich zucke kurz zusammen, drehe mich um und sehe, wie sie eine kleine, rot lackierte Holztruhe fest in ihren Händen hält. Sie stellt die Kiste auf den Sekretär und öffnet sie bedächtig. Auf den ersten Blick erspähen wir haufenweise vergilbte Briefe, Dokumente und zahlreiche Schwarz-Weiß Fotos aus früheren Zeiten. Auf den Bildern erkennen wir einige unserer Vorfahren aus den 1930er und 1940er Jahren. Bei den Briefen muss es sich um Feldpost aus dem 2. Weltkrieg handeln, die wir allerdings nicht entziffern können, da sie in altdeutscher Schrift verfasst sind. Mit dieser Erkenntnis und der Truhe unterm Arm verlassen wir die Wohnung meiner verstorbenen Großmutter und deponieren die rote „Schatztruhe“ im Haus meiner Schwester, wo sie ein Jahrzehnt lang in Vergessenheit gerät.
Der russische Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2022 und die damit verbundenen abscheulichen Bilder des Krieges rütteln die Erinnerung an die Geschichte meiner eigenen Familie während des Zweiten Weltkrieges wach. Das unermessliche Leid, das dieser sinnlose Krieg über die Völker der Welt brachte, zeigt sich auch am Beispiel meiner Vorfahren auf tragische Weise.
Johann Schön, Landwirt und Vater von sieben Kindern, war ein vehementer Gegner des Naziregimes. Immer wieder kam er wegen seiner gewagten Sprüche gegen die Nationalsozialisten in Konflikt mit „Recht und Ordnung“. Gezeichnet von der lebenslangen harten Arbeit auf seinem Hof, starb Johann an Weihnachten 1943 nach langer Krankheit. Der Bauernhof in einem kleinen Allgäuer Dorf nahe Kempten wurde während des Krieges maßgeblich von seiner zweiten Ehefrau Adelheid und Tochter Gundi bewirtschaftet. Unterstützt bei der mühsamen Arbeit wurden die beiden Frauen von polnischen Knechten und ukrainischen Mägden, die ihnen vom Deutschen Reich zugeteilt wurden. Johanns Söhne – Georg, Josef und Alfons – wurden ab 1940 zur Wehrmacht einberufen und kämpften an der West- sowie an der Ostfront.
Georg, der älteste Sohn, zog zunächst voller Begeisterung in den Krieg. Seine Euphorie ließ im Verlauf der Kampfhandlungen an der Ostfront jedoch merklich nach und er hatte das Soldatenleben regelrecht satt. Die letzten Monate des Krieges versteckte Georg sich mit einem Kameraden auf einer Berghütte in den Allgäuer Alpen, was ihm vermutlich das Leben gerettet hat. Er führte nach dem Krieg nicht nur die elterliche Landwirtschaft, sondern auch die Schön-Dynastie fort. 1948 musste er sich im Zuge der Entnazifizierung vor Gericht verantworten.
Georgs Bruder Josef lebte vor seiner Einberufung 10 Jahre lang als Ordensbruder im Kloster Reimlingen nahe Donauwörth. 1940 wurde Josef zum Reichsarbeitsdienst herangezogen und half beim Bau des Westwalls, bevor er 1941/42 in der blutigen Winterschlacht in der Ost-Ukraine kämpfte. In den Jahren 1943 und 1944 wurde er zur 1. Kompanie Wachregiment Großdeutschland nach Berlin abberufen, wo er den Umsturzversuch der Widerständler um Graf Schenk von Stauffenberg am 20. Juli 1944 hautnah miterlebt haben muss. Bei einem erneuten Fronteinsatz als Obergefreiter eines Panzergrenadier Regiments in der Nähe von Großwardein (damals Ungarn) fiel Josef am 16. Oktober 1944 im Alter von 26 Jahren im Gefecht gegen Sowjet Truppen.
Alfons, das Nesthäkchen, hatte sich hohe Ziele gesetzt. Der strebsame Schüler wollte Ingenieur werden. Seine Träume fanden ein jähes Ende, als er mit 19 Jahren einberufen wurde. Von Alfons sind zahlreiche Feldpostbriefe erhalten, die sein Leben, seine Ängste, aber vor allem seine Hoffnungen während des 2. Weltkrieges dokumentieren. Binnen kürzester Zeit stieg Alfons zum Leutnant in einem Artillerie Regiment auf. Seine Kameraden fielen an der Ostfront in Scharen um ihn herum, doch er glaubte hartnäckig an sein „Soldatenglück“ und war voller Zuversicht, lebend in die geliebte Heimat zurückzukehren. Es mutet wie eine schlechte Ironie des Schicksals an, dass er im März 1945, nur wenige Wochen vor Kriegsende, an den Folgen eines Minenunglücks starb. Alfons Kamerad Alois Ahr schrieb in seiner Beileidsbekundung: „Es ist wirklich schade um ihn, denn er war ein prächtiger Mensch und bei seinen Leuten sehr beliebt.“ Alfons wurde keine 22 Jahre alt.
Mein Großvater Georg hat Zeit seines Lebens nie ein Wort über seine beiden gefallenen Brüder verloren. Die wenigen Male, die er innerhalb der Familie über seine Soldatenzeit in der Wehrmacht sprach, erzählte er verklärte Heldengeschichten über Verbrüderungen mit russischen Soldaten oder zeigte uns Enkelkindern die vernarbten Einkerbungen in seinem Unterleib, in dem sich immer noch Granatsplitter befanden.
Ein Teil des Wissens über diese Zeit entspringt Gesprächen, die ich mit meiner Großmutter Dini Schön zu ihren Lebzeiten führen durfte. Meine Oma wurde stolze und vor allem fitte 91 Jahre alt. Nach ihrem Tod im Dezember 2012 stieß meine Schwester Michaela beim Durchforsten des Nachlasses auf die bereits erwähnte Holzkiste, in der sich zahlreiche Fotos befanden, die das Leben meiner Vorfahren zur Zeit vor, während und nach dem 2. Weltkrieg dokumentieren. Zudem beinhaltete die Truhe 87 Feldpostbriefe von den drei „Schön-Brüdern“ Alfons, Josef und Georg. Mit Hilfe meiner Mutter Franziska Schön, machte ich mich daran, die schwer lesbaren historischen Dokumente in akribischer Kleinarbeit zu übersetzen. So lernte ich nicht nur meinen Großvater Georg in neuem Lichte, sondern endlich auch meine beiden gefallenen Großonkel Alfons und Josef näher kennen. In ihren Aufzeichnungen schilderten die drei Brüder neben dem tristen Alltag auch die barbarischen Kampfhandlungen an der Front. Sie beschrieben die widrigen klimatischen und hygienischen Umstände, unter denen sie lebten und litten. Aus ihren Briefen sprachen Angst, Verbitterung und Frustration, aber auch Sehnsucht, Hoffnung und ein niemals endender (Über-)Lebensmut. Es ist mir ein großes Anliegen, das Andenken an meine Vorfahren zu bewahren und ihnen durch dieses Buch eine Stimme zu verleihen. Ihre Geschichten stehen sinnbildlich für Millionen von Schicksalen, die die wahnhafte Nazi Ideologie weltweit über die Völker brachte. Das Buch soll ein Mahnmal für künftige Generationen sein, in der Hoffnung, dass sich die Tragik (je)des Krieges tief in unser kollektives Gedächtnis einprägt. Vielleicht erhält dadurch das unnütze Sterben der „verheizten Generation“ postum einen gewissen Sinn.
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Familie Schön 1942: Tochter Gundi, Sohn Georg, Vater Johann, Mutter Adelheid, Sohn Alfons, Sohn Josef (v.l.n.r.)
Robert Schön (*05.02.1975) ist der Urenkel von Johann & Anna Maria Schön und der Enkel von Georg & Leonhardine Schön. Der Journalist arbeitet als Fernsehmoderator in München und hat bereits das Buch „Bud Your Life!“ (Aurum) veröffentlicht. In „Drei Brüder im Krieg“ unternimmt der Autor eine Reise zu seinen eigenen Wurzeln. Er erzählt die Geschichte seiner Vorfahren während des 2. Weltkrieges und rekonstruiert auf Basis zahlreicher Briefe von der Front den mörderischen Kriegsalltag.
„ Wie das größte physische Übel der Tod ist,
so ist das größte moralische zweifellos der Krieg.“
(Voltaire, 1694-1778, französischer Philosoph & Schriftsteller)
Zu Beginn unserer „Zeitreise“ begeben wir uns zurück ins Jahr 1711. Zu dieser Zeit wurde ein Bauernhof im Allgäuerischen Ort Hofen von Johann Waltram erbaut. Waltram's Nachfahren verkauften den Hof Ende des 19. Jahrhunderts an Johanns Vater. Es ist anzunehmen, dass die Schön-Sippschaft um 1900 von Betzenried nach Hofen kam, da zu diesem Zeitpunkt in der Gemeinde ein ungewöhnlich hoher Bevölkerungszuwachs von über 60% verzeichnet ist. Johann, der am 21.5.1878 in Betzenried geboren wurde, hatte einen Bruder namens Georg. Als beide volljährig waren, gab es Streit, denn beide wollten die Landwirtschaft übernehmen. Also entschied man, die Ländereien (damals gehörten alle Felder und Grundstücke zu einem Hof) zu halbieren und einen weiteren, eigenständigen Hof zu bauen.
So entstand 1906 in unmittelbarer Nachbarschaft mit der Hausnummer 53 ein zweiter Hof, den fortan Johann Schön bewirtschaftete.
Sieben Kinder mit zwei Ehefrauen: Anna-Maria und Adelheid
Johann Schön heiratete die hübsche Anna-Maria (*10.9.1881), die ihm die Kinder Cilli, Maria, Resi und Georg (*28.02.1908) schenkte. Unerwartet starb sie am 24.3.1917 im Alter von 36 Jahren an einer Lungenentzündung. Sofort stellte sich ihre ledige Schwester Adelheid (*29.3.1890) für den Haushalt zur Verfügung. Sie machte ihre Arbeit so gut und war für die hinterbliebenen Kinder wie die eigene Mutter, dass sie zwei Monate nach dem Tod von Anna Maria von Johann schwanger wurde und ihr erstes Kind Josef am 13. Februar 1918 auf die Welt brachte. Das galt – so kurze Zeit nach dem Ableben ihrer Schwester – natürlich als Skandal und sorgte für Gesprächsstoff im Dorf. Adelheid erklärte ihren „Ausrutscher“ später wie folgt: „Weisch, ma hot halt den ganzen Tag zam g'schaffet, dann hot ma halt des au miteinander dua.“ (Anmerkung: „Weißt du, man hat halt jeden Tag zusammen gearbeitet, dann hat man halt das auch zusammen gemacht.“) Ja, sie muss wirklich fleißig gewesen sein, denn sie bekam insgesamt drei weitere Kinder: Josef, Adelgunde „Gundi“ (*20.06.1919) und Alfons (*26.3.1923).
Ein Bild aus unbeschwerten Tagen. Familie Schön Ende der 1930er Jahre. Stehend (v.l.n.r) Sohn Georg, Tochter Mari, Tochter Gundi, Sohn Josef, Tochter Cilli. Sitzend: Adelheid und Johann Schön. (Kinder n.n.)
Johanns erste Ehefrau Anna-Maria (links) starb mit 36 Jahren an einer Lungenentzündung. Sofort stellte sich ihre ledige Schwester Adelheid (rechts) in den Dienst der Familie und wurde 1917 Johanns zweite Ehefrau.
Johann war ein vehementer Gegner des Naziregimes und starb an Weihnachten 1943
Johann galt als Patriarch, der das Sagen in seiner Familie hatte. Er war fleißig, aber auch sehr sparsam, mitunter geizig. In seiner Grabrede vom 21.12.1943 heißt es: „Johann Schön hat zu den erfolgreichsten und tüchtigsten Bauern unserer Gemeinde gehört. Mit rastlosem Fleiß und berechnender Sparsamkeit hat er seiner Familie gedient und seine Landwirtschaft mustergültig geführt.“ Daneben ist bekannt, daß Johann Schön ein Anhänger des Rätesystems war, das 1919 in Bayern unmittelbar nach Absetzung des Monarchen ausgerufen wurde und sozialistische Züge hatte. Die Räterepublik wurde in Bayern bereits nach wenigen Wochen zerschlagen und durch den Freistaat Bayern ersetzt. Später unterstützte Johann die demokratische Bayernpartei. Hitlers Naziregime lehnte er vehement ab und kam hin und wieder wegen seiner gewagten Sprüche gegen die Nationalsozialisten in Konflikt mit „Recht und Ordnung“. Bereits zu Beginn des 2. Weltkrieges war Johann gesundheitlich schwer angeschlagen. Wahrscheinlich ging die jahrzehntelange harte Arbeit auf seinem Hof nicht spurlos an seinem Bewegungsapparat und seinen Atemwegen vorbei. In den Briefen seiner Söhne ist von Bädern die Rede, mit der er seine Schmerzen linderte. Am 21.12.1943 starb Johann. Die genaue Todesursache ist nicht bekannt. Alfons, der an der Ostfront über ein Telegramm vom Tod seines Vaters informiert wurde, schrieb: „Heute erhielt ich die traurigste Nachricht, die ich bis jetzt in meinem Leben erhalten habe. Als ich im letzten Brief von Dir, liebes Schwesterlein las, dass es unserem Vater ein wenig besser geht, freute ich mich und dachte, er kann dadurch noch ein schönes Weihnachten erleben. Aber leider war dies ihm nicht vergönnt. Ich dachte am Heiligen Abend noch soviel an ihn, aber leider war er schon unter dem Boden. Hoffentlich war seine Sterbestunde nicht ganz zu schwer. Er hätte dies bestimmt nicht verdient. Liebe Mutter, lass es bitte nicht allzu schwer im Kopf. Für dich werden wir Kinder bestimmt sorgen. Schreibe jeden Schmerz mir, den du auf deinem Herzen hast. Ich werde bestimmt alles für Dich tun. Ich hab dich ja zu gerne!“ Johanns Tod stürzte die Familie in große Trauer und Nöte. Die Söhne leisteten allesamt ihren Dienst an der Front, die Töchter Mari, Cilli und Resi heirateten bereits vor dem Krieg in andere Gemeinden bzw. in die Schweiz. Die beschwerliche Arbeit auf dem Bauernhof mussten fortan Mutter Adelheid und ihre jüngste Tochter Gundi bewältigen. Unterstützt wurden sie bisweilen von ukrainischen Mägden und polnischen Knechten, die ihnen vom Deutschen Reich zugeteilt wurden.
Christliche Trauerversammlung!
Am Abend dieses Tages kommt wieder die Heilige Nacht, in der die Christbäume entzündet werden und seelige Kinderaugen in den Lichterglanz des Christbaumes blicken. Es ist die Nacht, die abertausende von Christenherzen mit dem Schauer heiliger Freude erfüllt. Und in dieser heutigen Morgenstunde hat in mancher katholischen Pfarrkirche das Volk fröhlich gesungen: „Siehe, der Herr wird kommen und seine Heiligen mit ihm und es wird an jenem Tage ein großes Licht sein.“ Wir feiern morgen die gnadenreiche Geburt unseres Herrn und Heilandes, die Ankunft des Weltheilandes in der armen Krippe von Bethlehem. Es gibt aber auch noch eine andere Ankunft des Herrn im Leben des Menschen. Es ist die Ankunft des Sterbens, wenn uns das Licht der irdischen Sonne erlischt. Es ist jene Ankunft, von der der Weltheiland sagt: „Es kommt die Nacht, in der niemand mehr wirken kann, darum seid bereit, denn der Herr kommt wie ein Dieb, in der Nacht, darum wirket, solange es Tag ist! Wenn jene letzte Nacht über ein geliebtes Leben fällt, dann tönt in einem Hause nicht Jubel und Halleluja wie in der Heiligen Nacht, dann erhebt sich bittere Klage im Hause. Dann wollen sonst lichtvolle Augen sich umdunkeln in Tränen. So war es auch am vergangenen Dienstag, abends 9 Uhr, im Hause und in der Familie unseres soeben hier begrabenen christlichen Mitbruders Johann Schön, Erbhofbauern in Hofen. Trauer und Wehmut kehrte an jenem Tage ein in das Haus unserer liebwerten Familie Schön, weil hier Licht erlosch, das soviele Jahre allein im Hause freundlich und segensvoll geleuchtet, das Lebenslicht des geliebten Vaters und Gatten. Unser lieber Johann Schön ist geboren am 21. Mai 1878 in Betzenried, Gemeinde Betzigau. 65 Jahre und 9 Monate waren ihm in dieser irdischen Welt vergönnt und sein Leben ist nicht unnütz gewesen. – „Der Schlaf des Arbeitsamen wird süß sein“, sagt die Schrift. Sie meint den Todesschlaf. Mit dem Ableben unseres lieben Johann Schön hat ein arbeitsames Leben seine Ruhe gefunden. Mit rastlosem Fleiß und berechnender Sparsamkeit hat er in seinem schönen Hofe und seiner Familie gedient und seine Landwirtschaft mustergültig geführt. Man kann sagen: Johann Schön hat zu den erfolgreichsten und tüchtigsten Bauern unserer Gemeinde gehört. Es hat zu mir einmal ein tüchtiger Bauer im Sterben gesagt: „Ich kann meinem Herrgott dankbar sein. Es ist mir im Leben gut gegangen und ich habe viel Erfolg gehabt.“ Ähnlich hätte auch unser lieber Johann Schön im Sterben sprechen können. Er hätte dem Herrgott danken können für die Liebe und Treue seiner beiden Ehefrauen, zweier Schwestern, von denen leider seine erste Frau Anna Maria ihm schon am 24. März 1917, in noch jugendlichem Alter wegstarb, aber auch seine zweite Frau Adelheid und alle seine Kinder waren dem Vater in Liebe zugetan und haben ihm allzeit in der Arbeit unterstützt.
Aber auch Ihr Hinterbliebenen des Verewigten habt alle Ursachen dem verstorbenen Vater ein treues Andenken zu bewahren und ihm Liebe über Grab und Tod hinaus zu schenken, denn er ist Euch allezeit ein sorgender Hausvater und ein liebender Familienvater gewesen. Ihr werdet die Früchte des väterlichen Fleißes, der väterlichen Tüchtigkeit genießen. Auch Ihr könnt heute an seinem Begräbinstage dem Herrgott danken für das Leben Eures Vaters, das köstliches Leben war, weil es ein arbeitsames Leben war und weil es durchleuchtet war vom Licht des christlichen Glaubens, vom Licht treuer Pflichterfüllung.
Liebe Kinder des Verewigten! Ihr seid die Erben der Vermögensgüter Eures Vaters, die er durch seine bis ins Alter reichende Tätigkeit zusammengebracht hat; wohlan! Seid auch Erben seiner Tugenden, seiner Gottesfurcht, seines Arbeitsfleißes, seiner Rechtschaffenheit und verpflanzt sie auf Kind und Kindeskinder! Wegen den gegenwärtigen Kriegsverhältnissen können heute leider nicht alle Kinder am Grabe des Vaters stehen. Die heute hier fehlenden werden aber, wenn sie in weiter Ferne die Todesnachricht erhalten, schmerzbewegt, wenigstens in ihren Gedanken hier an diesem Grabe weilen und ein innig-dankbares Fürbittegebet zum Himmel empor senden für den braven, treuen Vater, der nach Gebrauch der heiligen Sterbesakramente und unter den Segensgebeten der Kirche aus dieser Welt geschieden ist.
Werte Anwesende! Ich habe schon gesagt, dass unser lieber Johann Schön als fleißiger Mann allezeit ein echter und rechter Bauer gewesen ist. Er hat viel von jenem Bauernadel in sich verkörpert, den der berühmte Dichter Jeremias Gotthelf einst die schönen Worte gewidmet hat: „Da geht der Bauer seinen Weg ehrbar und ehrenfest wie die Sonne und schafft sein Tagewerk, kürzer und länger, drinnen und draußen, immer nach Gottes Tagesordnung. Dabei sind seine Hände gesegnet, sein Hof bringt reiche Frucht und seine Kinder blühen ihm munter auf, gedeihen wie das junge Gras im kühlen Tau in der Zucht des Herrn. Da wird die Arbeit und ihr Segen die wahre Lebenslust, der sichere Mut, der nie die Hände vom Pfluge zieht, wie lange es dauern mag, weil er weiß, dass der Herr bei den Seinigen ist, sie nicht erliegen läßt, jede Arbeit ein gesegnetes Ende findet.“
Wertes Trauergefolge! Unser lieber Johann Schön ist von uns gegangen. Wohin? „In tiefes, lichtloses Dunkel, aus dem es keine Wiederkehr gibt“, sagt der Unglaube. Wir aber als Christen sagen und vertrauen: Auch die Seele unseres lieben christlichen Mitbruders ist jenem Lichte entgegen gegangen, das in der heiligen Weihnacht einen hellen Schein geworfen hat tief in die Winternacht des irdischen Leidens in die irdische Staubwelt des Todes und der Sünde. Unser lieber Johann Schön starb in gläubiger Hoffnung auf den hin, von dem heute am heiligen Christabend freudig in der Messe die Kirche ausrief: „Heute sollt Ihr wissen, daß der Herr kommt und uns retten wird und morgen werdet ihr die Herrlichkeit Gottes schauen."
Nach Johanns Tod bewirtschafteten Mutter Adelheid (rechts) und Tochter Gundi (oben links) den Bauernhof alleine.
Mein lieber Johann Schön! Du bist von uns gegangen, nach dem Du redlich geschafft und Deine Pflicht getan! Ich weiß als Dein Seelsorger, dass Dein Auge nicht nur auf die Ackerfurche dieser Erde gerichtet war, sondern auch aufgeblickt hat in christlichem Glauben zu jenen Höhen, von denen das ewige Licht hernieder strahlt. Wir übergeben am Christabend dein Sterbliches dem dunklen Schoß der Erde. Deine zu Gott emporgehobene Seele aber begleiten wir mit unseren Gebeten hin zur Welt des Lichtes. Möge Deine Seele immerdar himmlisches Weihnachten feiern! Ja mögest Du morgen und immerdarschauen die Herrlichkeit des Herren! Amen.
* 28. Februar 1908 in Hofen
+ gestorben am 16. Juni 1989
Georg Schön in den 1930er Jahren mit Schwester Gundi und mit Zuchtkuh auf dem heimischen Bauernhof
Georg war der älteste Schön-Sohn und entsprang der Ehe von Johann und dessen erster Ehefrau Anna Maria. Er wurde am 28. Februar 1908 um 12.15 im elterlichen Haus in Hofen Nummer 53 geboren.
Als ältester Stammeshalter war Georg automatisch Hoferbe
Am 1. Mai 1914 erfolgte sein Eintritt in die Volkshauptschule, die er nach der 7. Klasse im Jahr 1920 abschloss. In seinem Abgangszeugnis werden ihm „pflichtgemäßer Fleiß“ und „sehr lobenswürdiges Betragen“ bescheinigt. Gute Zensuren erhielt er u.a. in den Fächern Religion, Rechtschreiben, Rechnen, Erdkunde und Geschichte, während er in Lesen und Singen ein „genügend“ und im Schönschreiben ein „ungenügend“ erhielt. Nach seiner Schulzeit widmete sich Georg voll und ganz dem elterlichen Hof, den er als ältester männlicher Stammeshalter eines Tages übernehmen sollte. In den Wintermonaten besuchte Georg in den Jahren 1929 bis 1931 die württembergische Landwirtschaftsschule Waldsee (nähe Ravensburg). Sein Abgangszeugnis war vorbildlich. Sowohl in den Allgemeinen Fächern (Deutsch, Rechnen, Physik etc.) als auch in den Landwirtschaftlichen Fächern (u.a. Tierzucht, Obstbau, Düngerlehre) erhielt er gute bis sehr gute Noten. Sein Verhalten, sein Fleiß und seine Aufmerksamkeit wurden vorzüglich (Note 1) bewertet. In seinem Arbeitsbuch, das ihm das Deutsche Reich 1935 ausstellte, sind als besondere Fähigkeiten „melken, mähen, fahren und Rübenbau“ vermerkt.
Als einer der Ersten der Gemeinde zog Georg in den Krieg
Während seine leiblichen Schwestern Cilli, Maria und Resi bereits in den 1930er Jahren in Nachbargemeinden bzw. in die Schweiz heirateten, war Georg zu Beginn des 2. Weltkrieges mit 31 Jahren nach wie vor ledig. Er genoss sein ungebundenes Leben in vollen Zügen und hing den Ideen und Visionen von Adolf Hitler an. Als einer der ersten der Gemeinde zog der junge Landwirt in den Krieg.
Am „Unternehmen Barbarossa“ beteiligt
Für Georg war der Krieg zunächst ein großes Abenteuer. Es ist anzunehmen, dass er 1940 am Frankreich Feldzug beteiligt war, bevor er nach Russland versetzt wurde. Im Juli 1941 war er am „Unternehmen Barbarossa“, dem Überfall auf die Sowjetunion, beteiligt und schrieb in einem Brief euphorisch: „Wir wussten 12 Stunden zuvor, dass es um 3 Uhr gegen Russland losgeht. Um 3 Uhr 15 ging es los. Die Russen drüben nichts ahnend. Es wurde geschossen, was aus allen Rohren ging. Es war ein schönes Schauspiel über uns zu sehen, wie unsere Flieger und Flacks die Russen herunter holten. In unserem Abschnitt gingen 30 Russen herunter. Es qualmte und brannte. 3 Tage sahen wir russische Flieger und seitdem nicht einen mehr.“ Damals war sich Georg sicher, dass der Erzfeind in „zirka 6 Wochen“ besiegt sein würde.
Als einer der ersten der Gemeinde zieht Georg Schön 1940 in den Krieg.Vorherige Seite Rechts: Abschied von seiner Freundin Dini. Unten rechts: Auf dem Foto mit seinen Kameraden befindet sich Georg ganz recht.
Georg hatte das Leben als Soldat satt
Georgs Euphorie für Hitler und den Krieg lies im Verlauf der Kämpfe an der Ostfront merklich nach. Er beschrieb immer häufiger die unmenschlichen Bedingungen, unter denen die russische Bevölkerung lebte und die leidlichen (klimatischen) Umstände, denen die deutschen Besatzer ausgesetzt waren. („Sand und nochmals Sand, in der Wüste kann es nicht schlimmer sein“; „Immer mehr als 30 Grad Kälte. Habe mir die Fersen erfroren.“). Viele seiner Kameraden erkrankten an Fleckfieber, eine „eklige, gefährliche Krankheit“. Georg gedachte den Kämpfern in Stalingrad, die auf bestialische Art erfroren waren und er hatte das Leben als Soldat regelrecht satt. Immer häufiger sehnte sich Georg nach der unbeschwerten Zeit von früher. „Hätten wir nicht Krieg, wie schön wäre es, gerade jetzt im Fasching. Es würde mich heut noch reuen, wenn ich damals an diesen schönen Abenden nicht teil genommen hätte. All diese Zeit ist jetzt vorbei und wird auch nicht mehr kommen, wenigstens für mich nicht mehr. Bis der Krieg fertig ist, bin ich ein alter Esel. Eigentlich bin ich froh in dieser schweren Zeit, dass ich noch ledig bin und keine Kinder habe. Hat man doch dann weniger Sorgen.“ Mitte April 1942 wurde Georg an die Westfront nach Amsterdam abberufen, wo er eine ruhigere Zeit verlebte. Nach einer abermaligen Versetzung an die Ostfront im März 1943 wurde er durch Granatsplitter am Oberarm und am Rücken derart schwer verwundet, dass er kurze Zeit später zur Behandlung nach München gebracht wurde.
Georg heiratete Leonhardine und desertierte auf eine Berghütte
Georg blieb in Bayern und wurde nach seiner Genesung Reservesoldat im Ersatztruppenteil in Landsberg. Häufig besuchte er in dieser Zeit seine Familie in der Allgäuer Heimat, löste seine Verbindung zu seiner Freundin Cilli auf und lernte kurze Zeit später Leonhardine kennen, die er im März 1944 heiratete. Der Tod seines Bruders Josef im Oktober 1944 bestätigte Georg endgültig die Sinnlosigkeit des Krieges. Zu diesem Zeitpunkt wusste er, dass eine Niederlage des Deutschen Reiches unausweichlich war. Im Januar 1945 desertierte Georg und hielt sich die letzten Monate des Krieges auf einer Allgäuer Berghütte auf dem Grünten versteckt. Mit dabei war sein Kamerad Andreas Ostler, der 1952 in Oslo Olympisches Gold im Bob Fahren gewann. Später schilderte Georg, wie angespannt die Monate auf der Hütte waren. Bei jedem kleinsten Geräusch ergriffen Andreas und er panisch ihre Gewehre, um verteidigungsbereit zu sein. Wären Georg und sein Gefährte von deutschen Spähern entdeckt worden, wären sie wohl unverzüglich erschossen worden.
Nach dem Krieg: Familiengründung und Entnazifizierung
In der Zeit, in der Georg floh, war seine Frau Leonhardine bereits hochschwanger und brachte am 4. Januar 1945 ihre gemeinsame Tochter Rita zur Welt. Georg war der einzige der drei Brüder, der lebend aus dem Krieg zurückkehrte. Nach dem Krieg führten Dini und er nicht nur den Hof, sondern auch die Schön-Dynastie weiter. Nach Rita wurde 1946 Tochter Gisela (Gisi) und 1947 der Sohn und späterer Hoferbe Alfons geboren. 1948 musste Georg sich im Zuge der „Entnazifizierung“ vor Gericht verantworten. Den Alliierten Mächten war es im Nachkriegsdeutschland elementar wichtig, nicht nur jegliche nationalsozialistische Ideologie auszurotten, sondern auch deren Anhänger zur Verantwortung zu ziehen. Bayern unterstand der Amerikanischen Zone. Im Zuge des „ Gesetzes zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus“ musste jeder Erwachsene einen Fragebogen mit 131 Fragen ausfüllen, in dem er seine Aufgaben während des Dritten Reiches aufführen musste. Am 11.2.1948 wurde Georg von der Spruchkammer Kempten-Land ein Sühnebescheid zugestellt, in dem er als „Mitläufer“ eingestuft wurde und eine Geldstrafe in Höhe von 450 Reichsmark begleichen musste. Damit war für ihn das rechtliche Kapitel des 2. Weltkrieges abgeschlossen.
Nach den Schrecken des Krieges erwacht der Schönhof langsam wieder zum Leben. Links: Georg & Dinis Kinder Gisi (*1946), Alfons (*1947) & Rita (*1945) v.l.n.r.
(15 Briefe vom 15.6.1941-22.11.1944)
Den 15.6.41
Meine lieben Eltern und Geschwister!
Im nächtlichen Wehrlager will ich nun zur Feder greifen. Tische und Bänke habe ich keine zum Schreiben, so bleibt nichts anderes übrig als sich auf den Boden zu legen und Euch den Brief zu schreiben. Im Allgemeinen geht es uns bis jetzt ganz gut. Wenn man müde ist, kann man überall schlafen. Hatten immer schönes Wetter bis auf die letzten Tage, da regnete es und wenn es hier regnet, ist es gleich recht kalt. Nun wir warten jetzt die kommenden Dinge ruhig ab, es wird schon schief gehen. Dem Wegscheider Hans habe ich heute auch geschrieben, vielleicht ist er gar nicht weit von uns entfernt. Wenn man's wüsste, wären vielleicht viele Bekannte in der Nähe, es sind ja Soldaten genug da. Habe gestern den Brief und das Paket von Euch erhalten. Besten Dank dafür. Es war alles noch zum essen. Schmeckt mir sehr gut. Nun wie habt Ihr es mit dem Heuen. Werdet wohl jetzt auch schon angefangen haben. Wird halt wenig geben. Vielleicht gibt es mehr Grumet? (Anmerkung: Allgäuer Ausdruck für Heu, meist 2. Schnitt) Mit dem Urlaub wisst Ihr es selber, dass da nichts los ist. Der Führer braucht seine Soldaten jetzt alle, demnach stehen große Dinge bevor. Werdet wohl noch jemand bekommen zum Heuen. Müsst Euch halt Zeit lassen. Der Josef hat mir gestern auch geschrieben. Es geht ihm gut, ja nun er ist ja immer noch in Frankreich. Er ist ja wieder ganz gesund, denn er hat im 3.000 m Lauf den 3. Preis bekommen. Nun wegen der Religion braucht Ihr Euch nicht so den Kopf zu zerbrechen. Es steht doch auch jedem ganz frei. Die Gedanken, die ein Mensch hat, kann man ihm nicht nehmen. Versteh es auch nicht, dass man gerade jetzt während des Krieges um diese Sachen herum grübelt. Bei uns hört man da nichts, es hat ja jedes Regiment seinen Geistlichen. Wir wussten ja nicht, dass es Fronleichnam war bis gestern uns Ihr es geschrieben habt. Sonst bin ich immer gesund und munter. Bei den Soldaten darf man nur den Humor nicht sinken lassen. Hoffen wir, dass wir uns nach geraumer Zeit alle wieder sehen. Der Resi habe ich vor 14 Tagen auch einen Brief geschrieben. Sonst geht mir nichts ab. Geld habe ich auch genug, kein Wunder wenn man dafür nichts kaufen kann. Nun die Post braucht so lange bis sie ankommt, so schreibe ich meine Glückwünsche für Vater gleich mit. Lieber Vater, zu Eurem Namensfest die herzlichsten Glückwünsche, dass Ihr noch viele, viele Jahre bei unserer Familie verbringen dürft. Wünsche Euch, dass Ihr ganz gesund werdet. Lieber Vater, die Hauptsache ist, dass Du da bist, wenn Du auch nicht mehr viel arbeiten kannst. Der Gundi zum Geburtstag alles Gute, dass ihr Hansi bald wieder in die Heimat kommt. Auf mich wartet keine. Nun Schluss für heute, viele herzliche Grüße und ein frohes Wiedersehen. Euer Sohn und Bruder. Braucht um mich keine Angst haben. Grüße an alle Bekannten, Georg.
Russland, den 27.6.41
Liebe Eltern und Geschwister!
Nun komme ich dazu, Euch einige Zeilen zu schreiben. Geht mir gut und bin gesund. Jetzt kann ich Euch schreiben, wo wir und die meisten unserer Soldaten sich befinden. Was wir geahnt haben, ist zur Wahrheit geworden. Ihr hättet sollen das Trommelfeuer hören, das am Sonntag Morgen 3 Uhr begann. In unserem Abschnitt kamen die Russen gar nicht dazu das Feuer die ersten paar Stunden zu erwidern. Hatten halt auch die Zeit, den Beginn des Kampfes nicht gewusst. Am ersten Tag kamen russische Flieger sehr zahlreich, aber unsere Flieger und Flak wussten schon was mit ihnen anzufangen. Wie Habichte ging das Jagdgeschwader Mölders auf sie los. Es war ein ganz schönes Schauspiel. Die letzten 2 Tage sind kaum wieder Flieger zu sehen. Weiß nicht, wo die groß versprochene russische Luftwaffe steht, vielleicht in anderen Abschnitten. Über unseren geliebten Führer – seiner Kriegsmaschine kommt niemand an und wenn der Teufel käme. Wir wissen ja gar nichts, aber wir denken in zirka 6 Wochen ist auch unser Erzfeind erledigt. Wir befinden uns in einer ziemlich geschützten Lage und Ihr dürft keine Sorge haben um mich. Was hat auch in diesem Krieg so eine Einheit zu sagen und dazu noch so ein Verein wo ich bin. Janun jeder muss seine Pflicht erfüllen wo er steht. Mussten zuerst zirka 35 km durch Polen durchziehen bei dieser Hitze und Staub. Diese Zustände hier, die kargen Wohnungen und Leute kann man nicht beschreiben, das muss man gesehen haben. Das Paket schon bekommen. Der Käse war kaputt. Vielen Dank dafür. Aber sieht immer so leer und lustlos aus, wenn man nicht einmal ein Gruß von der Heimat beifügt. Janun ich glaube Ihr habt viel Arbeit. Habt Ihr noch immer schönes Wetter. Bis jetzt hat es einmal geregnet. Denke alle Tage an Euch wie Ihr in den alten Tagen soviel arbeiten müsst. Habt Ihr noch Leute zum arbeiten. Wird heuer nicht soviel Heu geben. Muss schließen, denn es geht wieder weiter. Verzeiht den schlechten Brief, der Füllhalter ist kaputt. Immer besser als wie nichts geschrieben. Lasst ihn niemand lesen. Viele herzliche Grüße und ein baldiges Wiedersehen Georg.
Grüße an alle Bekannten.
Ist Josef noch in Frankreich?
Osten, den 7.7.41
Aufschrift Postkarte: „Wo wir England schlagen können, werden wir England schlagen.“ (Der Führer am 30. Januar 1941)
Meine lieben Eltern und Geschwister!
Will nun vom Lande des Staubes und Hitze mit Mückenplage Euch ein Lebenszeichen geben. Bin gesund und guten Mutes. Habe von Euch seit 4 Wochen keine Post mehr bekommen. Wenn ich mehr Zeit habe, wird der Brief geschrieben. Herzliche Grüße Georg. Auf Wiedersehen. (Habe keinen Briefumschlag) Hier hat es seit 5 Wochen 1 mal geregnet. Werdet das Heu wenn auch so wohl herinen haben. Warum schreibt Ihr mir nicht mehr? Nun Ihr werdet keine Zeit haben.
Anmerkung: Fragment – Briefanfang fehlt – Seite 3:
… auf die Heuernte. Urlaub wie gesagt wir wissen noch gar nichts. Es freut mich sehr, dass es Vater wieder etwas besser geht. Er soll sich nur gut halten. Glaube schon, dass Mutter und Gundi arbeiten müssen. Nun der Krieg wird auch nicht ewig dauern! Ist Alfons immer noch zu Hause? Wie geht es auch dem Josef. Er hat mir auch geschrieben. Er sagt, wenn ich ihm schreiben will, soll ich nach Hause schreiben. Dann kann er ja diesen Brief lesen. Er wird wohl im Urlaub sein. Ich wünsche Ihm gute Besserung. Ist das wahr, dass der Immler Paul gefallen ist? Schade um diesen flotten Kerl.
Bitte schickt mir dann noch eine Kordhose oder Sporthose, 2 Taschentücher und einen Kamm. Sonst geht mir nichts ab. Ich hatte wieder mal Pech mit den Zähnen. Es ist mir vor zwei Tagen wieder ein Zahn von der Brücke weggebrochen. Will sehen, ob ich ihn hier hinmachen lassen kann. Muss es dann halt selber bezahlen. Habt Ihr den Stier schon verkauft. Auch gut gelöst. Weiteres weiß ich nicht zu schreiben oder darf es nicht schreiben. Vielleicht sehen wir uns auch bald wieder. Habe so genug mit dem Soldatenleben. Es geht aber fast allen so. Werde Bodenmüllers auch schreiben die nächsten Tage. Die haben mir noch nie geschrieben seit Weihnachten. Habe von Resi und ihrem lieben Mann einen langen schönen Brief bekommen. Nun seid alle herzlich gegrüßt von Eurem Sohn Georg. Die Gegend hier ist sehr schön. Grüße auch an Bodenmüllers, Miltenberger und an die Nachbarn. Auf Wiedersehen.
Russland, den 12.7.41
Meine lieben Eltern und Geschwister!
Heute ein halber Tag Ruhe, den will ich benutzen in einem großen Wald Euch einige Zeilen zu schreiben. Habe schon 5 Wochen von keinem Menschen mehr Post bekommen. Alle anderen bekommen hie und wieder Post. Janun die wird schon irgendwo liegen. Kann auch sein, dass Ihr keine Zeit habt zum schreiben. Wie ist auch das Heuen gegangen, hab oft an Euch gedacht. Bin sonst gesund, nur zur Zeit furchtbar müde, denn die meisten Tage nur 3-4 Stunden schlafen, bei diesen Verhältnissen das muss sich auch auswirken. Nun will ich Euch einiges von dem Feldzug erzählen. Am 29.5. sind wir im Stützmannschaftspunkt in Polen angekommen. Da haben wir schon gewusst, dass es gegen Russland geht. Von dort haben wir bis zum Ziel ungefähr 350 km zum Gehen gehabt. Wir zogen 30 km an Warschau vorbei. Wir wussten 12 Stunden zuvor, dass es um 3 Uhr gegen Russland losgeht. Um 3 Uhr 15 ging es los. Die Russen drüben nichts ahnend. Es wurde geschossen, was aus allen Rohren ging. Das heulte und krachte furchtbar. Am selben Morgen ging unser Regiment über den Bug, die ersten mit Gummibooten und Fähren. Ein jeder glaubte, es würde gleich eine wilde Schießerei, aber nein, es waren fast keine Russen zu sehen. In den Bunkern einige Soldaten, die hatten Gewehre und sagten, sie seien Arbeiter. Nun da wurde alles zusammengeschossen, was in den Weg kam. Eine Ortschaft abbrennen braucht da nicht viel, darunter hölzerne morsche Häuser mit Strohdächer. Jeder alte Schuppen sieht bei uns besser aus. So gab es dann einige Tage auch ein wenig Feuerbrand. Am 22., so um 8 Uhr kamen die ersten Russen-Flieger. Es war ein schönes Schauspiel über uns zu sehen, wie unsere Flieger und Flak die Russen herunter holten. In unserem Abschnitt gingen 30 Russen herunter. Es qualmte und brannte. 3 Tage sahen wir russische Flieger und seitdem nicht einen mehr. Seit 10 Tagen marschieren und gehen wir 30 – 40 – 50 km und sehen und hören nichts. Auf der guten und harten Straße dürfen nur Motorisierte fahren. Wir müssen aber die Nebenstraßen benutzen. Der Weg von Hinwang nach Ellensberg wisst Ihr, da würden wir Gott danken, wenn wir solche hätten. Sand und nochmals Sand, in der Wüste kann es nicht schlechter sein und der Sand staubt den ganzen Tag, dass man höchstens auf 20 Meter einen anderen kennt. Unter Tags eine fürchterliche Hitze dazu. Seit wir im Osten sind, hat es einmal zwei Stunden geregnet. Mücken und Ungeziefer wie Bienenschwärme. Von den Pferden einer Division leben höchstens noch 30 %. Es mussten Bataillone und Kolonnen aufgelöst werden, um die anderen aufzufüllen. Dazu hat jede Kompanie 60-70 % Polenpferde und Russenpferde, die den Bauern einfach aus dem Stall genommen oder eingetauscht werden. Ein laufendes Wasser gibt es nicht. Habe wenigstens keines gesehen. Lauter Gruben, wo es herausgezogen wird. Von Menschen darf es nicht getrunken werden. Wäre glücklich, wenn ich wenigstens einmal am Tag von unserem Wasser vom Hahn trinken dürfte. Befehl heißt immer vorwärts und wenn die Hälfte drauf geht, damit sich der Feind nicht mehr festsetzen kann. Die Flieger, Panzer und Motorisierten mögen fast den ganzen Krieg besiegen, aber nicht alle soviel ausstehen wie eine bespannte Infanterie und Abteilung. Hin und wieder werden einige von Heckenschützen oder umherirrenden Russensoldaten angeschossen. In den großen Wäldern sind noch Tausende von Russen. Wird man angeschossen, so werden einfach die nächstbesten Russen gleich ob Uniform oder nicht zusammengeschossen. 1 - 10. Die meisten geben sich bevor sie im Walde verhungern selbst gefangen. Sie haben Angst, denn man sagte ihnen sie werden von den Deutschen alle verschossen. So geht es dahin. Hoffen wir, dass der Erzfeind Nr. 1 bald geschlagen ist. Hatten schon hunderte von Russentrecks gesehen, die zerschlagen waren. Die Verhältnisse in Polen und hier in Russland kann ich nicht schildern, denn Ihr könntet das nicht glauben, wenn Ihrs nicht selbst gesehen habt. Die Stallungen lauter Höhlen meistens bis zu 1 Meter Mist und Dreck usw. Die Menschen um und um voll Dreck. Die Weiber zum großen Teil vorne am Oberkörper frei, laufen in der Straße umher und ernähren die Kinder vor der Brust. Die Flüchtlinge sitzen zum großen Teil nachts an der Straße und schlafen. Abgebrannte Ortschaften, bei jedem Haus bleibt nur der Ofen stehen vom Herd, sieht man Familien kochen mit 5-10 Kinder… (Anmerkung: 2. Teil fehlt)
O.U. den 20.8.41
Liebe Eltern und Geschwister!
Finde nun wieder Zeit Euch einige Zeilen zu schreiben. Geht mir im Allgemeinen gut. Mit meiner Gesundheit bin ich nun wieder zufriedener. Meine Kreuzschmerzen bringe ich hier nicht weg, denn die Nächte werden wieder kälter und immer im Freien schlafen, das tut einem nicht so gut. Nun es wird nicht mehr so lange dauern bis der Krieg aus ist mit Russland. Nun vom Erntekommando bin ich längst wieder weg seit 6 Tagen. Die 3oo ha Ernte hatten wir bereits herinnen. Auf einer Seite hatten wir es besser, aber es waren so viele Juden dorten und die hungern recht und die wollten was unternehmen. In den Wäldern waren noch so LVV Feindsoldaten versteckt und da wurde geplant uns wegzuräumen. Wir waren ja nur 8 Mann. Nun die Anstifter räumten wir weg. Noch zwei Tage und dann wurden wir abgelöst. Nun bin ich wieder bei der Truppe und es geht jetzt fest vorwärts, regnen tut es auch zur Zeit fest. Wir alle wären sehr froh, wenn es mal schön wäre. Wo wir jetzt sind (Gomel) (Anmerkung: Stadt in Weißrussland) ist wieder breiter Sand und unvorstellbare Strapazen. Das muss hier in Russland im Winter eine furchtbare Hungersnot geben, aber es erfrieren auch die meisten. Alles wird zusammengeschossen. Die Städte sehen alle wie ein Jammerhaufen aus. Meist sind es lauter Holzhäuser, da sieht man dann nichts als wie den Herd und Kamin. Die Leute kommen dann mit lautem Jammern, eine Frau um die andere mit 6-10 Kinder vom Walde halb verhungert und finden das Haus nicht mehr. Heute früh, als wir mit dem Kraftrad an einem Walde vorbeifuhren, umarmten mich 6 Frauen, weil sie sahen, dass deutsche Soldaten da waren und zufällig ihre Ortschaft ziemlich verschont blieb. Da kann man nichts sagen von einem Hass in diesen Zeiten. Neulich wurden von unserem Regiment 9 Gefangene genommen von den Russen, die schnitten ihnen dann die Zunge heraus und die Geschlechtsteile weg. Solche Menschen gehören doch weggeräumt. Nun Schluss für heute. Eure Pakete erhalten, besten Dank. Hat Josef noch nicht geschrieben. Mir auch nicht. Mir schreibt niemand. Habe mehreren geschrieben und keine Antwort bekommen. Schreibe niemandem mehr und Bodenmüller habe ich auch geschrieben, sie nicht. Viele herzliche Grüße und ein gesundes Wiedersehen Georg. Braucht mir nichts schicken als Filme 6 x 9. Um mich braucht Ihr keine Sorgen haben. Grüße auch an Johann Bodenmüller und Millberger sowie alle Nachbarn. Wenn die Arbeit fertig, verkauft doch den jungen Gaul. Es gibt im Frühjahr schon was.
Den 3.9.41
Meine Lieben!
Euren lieben Brief vom 30.7.41 vor einigen Tagen erhalten sowie die 3 Päckchen. Vielen herzlichen Dank dafür. Hat mich sehr gefreut als ich von zu Hause wieder einige Worte erfahren habe. Die Allgäuer Zeitung bekomme ich ja auch, aber auch meistens nach 14 Tagen - 3 Wochen. Kann hier so die Neuigkeiten erfahren. Ich las schon viele, die ich kannte, die gefallen sind. Ich las auch was von einer guten Kuh, die ins Leistungsbuch eingetragen wurde. Ich sinne oft nach, wie Ihr Euch schinden müsst. Kann es gar nicht begreifen, wie Ihr das bloß machen könnt. Ich muss daheim doch nicht viel gearbeitet haben, sonst könntet Ihr das doch nicht fertig bringen. Ihr leistet viel mehr wie ich, da Ihr doch alle bis 18 Stunden arbeitet. Mussten uns ja auch hie und da anstrengen, aber oft liegen wir Jungen in der Welt herum und wissen nicht für was. Wer hätte das träumen lassen, dass nach 10 Wochen Krieg Moskau noch nicht gefallen ist. Zur Zeit haben wir schlecht Wetter. Bin wieder mit Ortswache in einem Dorf. Zu essen haben wir genug. Wir kochen selber. Zur Zeit kommen wieder ziemlich feindliche Flieger und müssen somit manche das Leben lassen. Hoffentlich werden wir mit dem Russen heuer noch fertig. Josef schrieb mir auch heute. Der Brief brauchte 5 Wochen. Ich glaube, er ist nicht weit von uns entfernt. Er sei so mager, nicht mehr zum kennen. Ich bin nicht so dumm. Für nichts freiwillig. Nach 2 Jahren habe ich es nun auch satt. Um mich braucht Mutter sich nicht verkopfen. Ich sehe gut aus. Glaube, dass wir den Winter hier verbringen müssen. Ein anderes mal mehr. Viele herzliche Grüße und ein gesundes Wiedersehen Georg. Grüss auch Aneliese, Familie Hafner und alle Nachbarn.
Russland, 20.1.42
Meine lieben Eltern und Geschwister!
Will nun auch wieder einige Worte von mir hören lassen. Bin seit 6. Januar wieder in Russland. Wie ihr wisst, fuhren wir mit den Autos hier her. Ich fuhr selbst einen Wagen bis nach Ural. Mussten den Wagen dann abgeben. Von dorten gings dann zu Fuß bis wir bei unserem Regiment eintrafen. Meine Lieben, Ihr könnt Euch gar keinen Begriff machen von den Verhältnissen hier. Haben immer mehr als 30 Grad Kälte ja bis 38. Wenn ich nur von Euch Wintersachen mitgenommen hätte. Fast alle haben solche dabei. Schrieb Euch immer, Ihr sollt mir wenigstens meinen Trainingsanzug schicken aber nein nichts habt Ihr mir geschickt. Wenn ich nur warme Einlagesohlen hätte. Jetzt braucht Ihr mir nichts mehr zu schicken, denn bis ich von Euch Post bekomme, ist es Frühling. Kann nicht mehr zu meiner alten Einheit. Nun heute nachmittags beim Regiment angekommen, habe ich mir auch schon die Fersen erfroren. Der rechte Fuß ist schon ganz blau. Kann jetzt mal einige Tage nicht laufen und sitze in einer ganz alten Scheune. Kein Schwein würde sich da in Deutschland wohl fühlen. In dieser Scheune sind 6 Kinder, 4 Frauen und 2 Männer, außerdem 6 Soldaten. Alles voll Dreck und Speck und Läuse. Wir fühlen uns da doch wohl, weil es hier warm ist. Wir sind von der Fahrt und den Märschen ganz ausgefroren. Krachen tut es auch fest. Es hat sich manches hier zugetragen was die Heimat nicht weiß. Nun man darf den Mut nicht verlieren. Wir müssen Vertrauen haben auf unseren Führer, der wird es schon recht machen. Wir müssen siegen und werden auch siegen. Es ist nicht zu glauben, dass ein Volk so kämpfen kann wie die Russen da sie solche Zustände haben. Millionen geben ihr Leben her. Oft viele Hunderte an einem Haufen. Im Frühling und Sommer werden sie ihrem Schicksal nicht entgehen. Wenn nur der Winter schon vorbei wäre. Weiß jetzt im Augenblick meine F.P.N. noch nicht. Werde sie die nächsten Tage senden. Wenn ich hier bleibe, wird es Frühling werden bis ich von Euch Lieben Post bekomme. Was kann sich da alles ändern. Sonst bin ich mit meiner Gesundheit zufrieden. Ihr müsst ja auch viel arbeiten, aber gegen hier seid Ihr in einem Paradies. Ich habe es ganz vergessen. Ihr hättet können an die alte F.P.N schreiben, denn die treffe ich schon hin und wieder. Wie gehts auch Vater? Wünsche ihm von Herzen gute Besserung. Was schreibt der Josef auch immer? Die Anne-Liese hat schon 3 Karten an meine alte F.P.N. geschrieben. Die haben sie zurückgeschickt. Ich weiß die Adresse nicht von ihr. Nun vielleicht bin ich schneller wieder in der Heimat als ich denke. Hoffen wir, dass wir uns gesund wiedersehen. Habt Ihr den Stier schon verkauft. – Viele herzliche Grüße an Euch alle Euer Sohn Georg. Grüße an Bodenmüllers, Urbergers und so weiter. Muss Alfons auch einrücken? Habe kein Briefpapier.
Südfront, den 27.2.42
Meine lieben Eltern und Gundi!
Es sind nun 10 Tage vergangen seit wir hier in dem schönen Osten angelangt sind. Wo wir sind, das könnt Ihr Euch denken, da wo zur Zeit am meisten los ist. Erst einige Tag hier und schon schwierige Tage hinter uns. Manch guter Kamerad von mir darbt schon unterm Rasen. Ich hatte Glück und nochmal Glück, dass ich noch am Leben bin. Hoffen wir, dass mir das Soldatenglück auch noch ferner hold bleibe. Will sehen, was dieser Krieg noch alles mit sich bringt. Möge Gott, dass diese Opfer nicht umsonst sind. Zur Zeit sieht es ja nicht rosig aus. Die Front ist aber bei uns wieder fest und ich glaube nicht, dass es den Russen gelingt, hier weiter zu kommen. Wie das nun ein Ende nehmen soll, kann ich nicht verstehen. Sollten wir den Krieg nicht gewinnen, dann sind wir alle Sklaven. Darum gibt es nur eines, den Sieg. Es war schon oft so, wenn es am Schlimmsten war, ist gute Hilfe am nächsten. Ich bin sonst gesund und habe bis jetzt den Humor nicht verloren. Gestern habe ich von Euch hier das erste mal Post erhalten. Eine Karte vom 3. und 4. Mich freute es riesig, ist es doch wieder was von meinen Liebsten. Vielen Dank. Meine Lieben, was meint Ihr, ist mir das Glück noch vergönnt, dass ich die liebe Heimat nochmal sehen darf? Janun für jeden ist keine Kugel gegossen. Der Josef hat doch Glück gehabt, dass er nach Berlin kam. So ist doch einer etwas sicher. Wie geht es auch dem lieben Alfons? Wenn nur der wieder gesund nach Hause kommt. Er ist wenigstens nicht bei der Infanterie wie ich. Morgen habe ich Geburtstag. Schon 35 Jahre. Die anderen sind alle viel jünger. Aber noch mache ich bei den großen Märschen nicht schlapp. Diese Tage haben wir wieder ziemlich kalt. Bis in 3 - 4 Wochen rechne ich aber, dass der Schnee wieder weg ist. Ich bin heute zu einer anderen Kompanie kommandiert worden. Werde sicher bald wieder bei meiner Kompanie sein. Könnt ja mal auf die F.P.N 125698 schreiben. Wie geht es auch Euch allen? Ich hoffe das Beste, braucht um mich keine Sorge haben. Es kommt immer wie es kommen soll. Die Stimmung wird in der Heimat nicht so rosig sein. Wird schon wieder anders werden. Abgehen tut mir soweit nichts. Bleibt alle gesund und munter. Dem lieben Vater eine recht gute Besserung. Seid nun recht lieb und herzlich gegrüßt von Eurem, Euch und die Heimat so liebenden Georg. Grüße an Bodenmüllers, Urbergers und alle Nachbarn. Lebt wohl. Hoffen wir, dass ich die Heimat wieder sehen darf.
Georg (zweiter von links) hat Geburtstag: „Schon 35 Jahre. Die anderen sind alle viel jünger. Aber noch mache ich bei den Märschen nicht schlapp.
Osten, 24.3.42
Liebe Eltern und Geschwister!
Habe soeben 5 Päckchen von Euch erhalten. Es hat mich sehr gefreut. Wenn es auch nicht viel ist, was man schicken kann, so freut einen doch das wenige von der Heimat. Vielen herzlichen Dank dafür. Mir geht es sonst gut und bin gesund. Haben aber immer noch kalt. Vor 8 Tagen haben wir wieder bis 35 Grad Kälte gehabt. Will sehen, wann es hier warm wird. Das wird so eine Soße geben, wenn die Schneeschmelze hier stattfindet. Hauptsächlich in dem Gebiet wo wir uns befinden. Sonst geht es immer so gleich weiter. Zur Zeit sind bei uns einige krank vom Fleckfieber. Es ist eine gefährliche Krankheit, eklig. Mir geht sonst nichts ab. Wir sind nur froh, wenn wir wieder im Zelt übernachten können nun wegen den Läusen und Flöhen. Die Leute hier haben nichts zu essen als Kartoffeln und noch etwas Brot. Ihr könnt Euch dieses armselige Volk gar nicht vorstellen. Nun wie geht es Euch allen? Seid Ihr alle gesund? Der Alfons wird wohl schon eingerückt sein. Ist Vater schon im Bad.Ich wünsche ihm von Herzen recht gute Besserung. Wie könnt Ihr auch die Arbeit machen. Vielleicht kommt doch der Josef für eine Zeit nach Hause. Er bekommt sicher Urlaub, wenn er in Deutschland ist. Wir rechnen ja auch alle, dass wir im Laufe dieses Sommers nach der Heimat ziehen dürfen. Aber noch steht nichts im Buch. Man wird im Frühjahr zum großen Schlag uns auch wieder brauchen. Nun die Hauptsache ist, wenn wir uns gesund wiedersehen. Hoffen wir es wenigstens. Wie Ihr zu Haus so fertig werdet, müsst Ihr selbst Mittel und Wege finden. Lasst bald wieder was hören. Viele herzliche Grüße und nochmals Dank. Georg.
Osten, den 2.4.42
Liebe Eltern und Geschwister.
Habe nun wieder mal Zeit zum schreiben. Von Euch nun schon längere Zeit keine Post mehr bekommen. Mir geht es gut und bin gesund. Am 31. hatten wir wieder einen Angriff und jagten den Russen wieder ein Stück zurück. Da krachte es wieder mal gehörig. Nun sitzen wir wieder im Bunker und wissen nichts anzufangen. So lebt man in den Tag hinein. Wir haben immer noch kalt. Gerade die letzten Tage hat es wieder mehr als 20 Grad. Vor 10 Tagen dachten wir die Schneeschmelze beginnt, aber da ist noch nichts los. Alles noch hart gefroren. Will sehen wann es da mal warm wird. Nun steht Ostern vor der Türe und sieht noch aus wie Weihnachten. Die Lage der russischen Bevölkerung könnt Ihr Euch gar nicht vorstellen. Es ist alles zusammengeschlagen, kein lebendes Vieh mehr da und bis jetzt hatten sie wenigstens genug Kartoffeln, aber die werden auch mal ausgehen an manchen Stellen. Danken wir Gott, dass dieses Unheil sich nicht in Deutschland abspielt. Hoffen wir, dass diesen Sommer diese Horden endgültig geschlagen werden. Wir werden gerade an Ostern wieder an unsere Heimat denken. Hier merkt man nichts und sieht auch nichts von einem Sommer und Feiertag. Ich habe meinen Kamm und mein Messer verloren. Schickt wenn möglich mir die Sachen. Aber auch einen Süßstoff. Verzeiht die schlechte Schrift, denn es ist dunkel und musste auf dem Knie schreiben. Herzliche Grüße und auf Wiedersehen. Georg.
Im Westen 24.4.42
Meine Lieben zu Hause!
Soeben von meinem lieben Bruder Alfons einen Brief bekommen. War ganz erstaunt, dass er auch schon Soldat ist. Nun da kann man nichts machen. Vater ist ja auch wieder zu Hause. Wie geht es auch ihm, wünsche alles Gute. Ist Josef noch im Urlaub, er soll halt schauen, dass er im Sommer welchen bekommt. Wie es mit meinem Urlaub geht, weiß ich nicht. Bis jetzt gibt es bei uns keinen Urlaub. Und wenn es einen gibt, dann kommen viele andere erst einmal wie ich geschrieben habe. Der Alfons schreibt die Mutter und Gundi racken sich ganz zusammen. Das hat doch keinen Wert. Der Pole soll nur auch fest arbeiten. Mir geht es soweit gut, nur sollte ich Reise-Marken haben. (Urlaubermarken) Könnt Ihr keine bekommen oder überschüssige beim Bürgermeister oder Stiefenhofer? Will aber nicht, dass Ihr dann zu wenig zu essen habt. Bitte wenn möglich, schickt mir welche. Es gibt doch noch manche Sachen zu kaufen. Heuer ist ja alles furchtbar, aber es gibt noch gute Sachen. Ich will mir was kaufen. Schickt mir also sofort 150 - 200 Mark von meinem Geld. Aber sofort. Werde an Euch auch denken, wenn es was Nettes gibt. Wir haben sehr schönes Wetter, wenn es so weiter geht, können wir bald baden. Wasser haben wir ja genug! Wie hat sich auch das Schwein gemacht? Ist es schon schwer? Messer und Kamm besitze ich nicht mehr. Dem Alfons habe ich auch geschrieben. Dem Josef viele Grüße und gute Besserung. Ich bin ganz gesund und habe Appetit. Viele herzliche Grüße und ein gesundes Wiedersehen. Georg.
Georg (rechts) mit Madmoisells und einem Kameraden (links)
O.U. 27.1.43
Meine lieben Eltern und Gundi!
Meine Gedanken weilen so oft bei Euch, so will ich nun mit ein paar Zeilen wieder an Euch denken. Hoffentlich seid Ihr alle gesund und wohl auf. Die Stimmung wird in der Heimat doch sehr ernst sein. Müssen doch tausende und abertausende ihr Herzblut für unser geliebtes Vaterland opfern. Denkt man an die Opfer, die die Soldaten im Osten bringen müssen und hauptsächlich in Stalingrad. Die wissen alle, dass sie sterben müssen oder diesen Russen in die Hände fallen und kämpfen deshalb bei Hunger und Kälte weiter. Will sehen was das mal noch für ein Ende nimmt. Wer hätte sich das träumen lassen, dass wir mal in eine solche Lage kommen. Nun man darf nicht verzagen. In jedem Krieg gibt es Rückschläge. Wir müssen doch mit Zuversicht in die Zukunft schauen. Aber es hat keinen Wert, wenn wir den Kopf hängen lassen. Aber mit Mut und Zuversicht in die Zukunft marschieren. Sind von Hofen noch welche in Stalingrad? War der Vogt Hans schon mal im Urlaub? Ich möchte gerne die Adresse von ihm. Was gibt es sonst Neues. Mir geht es sonst gut und bin gesund. Die gute Zeit wird aber bald alle sein. Kann Euch mitteilen, dass ich keinen Urlaub mehr bekomme. Ich habe es schon immer geahnt, dass es keinen mehr gibt. Nun, da kann man nichts machen. Das ist ja klar, dass man uns jetzt woanders notwendiger braucht. Mit diesem Brief schicke ich Euch meinen Trainingsanzug und noch verschiedenes anderes. Kann diese Sachen jetzt nicht brauchen in der Zukunft. Um mich braucht Ihr aber keinen Kummer Euch machen. Es kommt immer wie es kommen muss. Hoffen wir nur möge Gott, dass wir 3 Buben die Heimat wieder gesund sehen dürfen. Wann wird das aber sein? Nun, es wird schon alles gut werden. Vertrauen wir auf unseren großen Führer, er wird es schon recht machen.
Hätten wir nicht Krieg, wie schön wäre es, gerade jetzt im Fasching. Wie schön war es da früher in Hirschdorf usw. Es würde mich heut noch reuen, wenn ich damals an diesen schönen Abenden nicht teil genommen hätte. All diese Zeit ist jetzt vorbei und wird auch nicht mehr kommen, wenigstens für mich nicht mehr. Bis der Krieg fertig ist, bin ich ein alter Esel. Eigentlich bin ich froh in dieser schweren Zeit, dass ich noch ledig bin und keine Kinder habe. Hat man doch dann weniger Sorgen. Ich habe immer einen guten Humor. Warum soll man auch den Kopf hängen lassen. Da lässt sich nie was ändern. Wie geht es auch Dir, lieber Vater? Hoffe doch gut, nun ich wünsche Dir von Herzen, dass Du Deine Leiden wieder los wirst. Nun meine Lieben, Ihr müsst Euch schon damit abfinden, dass Ihr weiter alleine fort müsst. Ihr müsst unbedingt um jemand schauen. Wie gerne ging ich heim in unsere schöne Heimat! Es soll aber nicht sein, deshalb ist mir alles egal, was Ihr mit dem Geschäft macht. Es wird schon gehen, wenn Ihr noch jemand bekommt. Wo steckt der Josef auch? Ist er auch schon in Polen. Der Alfons hat mir auch wieder geschrieben. Es geht ihm bis dahin immer noch gut. Nur hat er immer noch Heimweh. Nun das vergeht wieder, wenn er nur wieder gesund nach Hause kommt. Habt Ihr das Leder und den Likör bekommen? Es war ja alles furchtbar teuer, aber lasst die guten Tropfen Euch nun gut schmecken. Meine Liebsten in der Heimat bleibt alle gesund und macht Euch um uns keine Sorgen, es kommt immer wie es kommen soll. Die Heimat und Ihr Lieben alle, seid herzlich gegrüßt, Georg. Auf Wiedersehen.
Georg sehnt sich nach der Heimat und den „schönen Abenden“ mit Freunden.
O.U. 4.2.43
Meine Lieben in der Heimat!