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Können Frauen und Männer befreundet sein? „Drei sind einer zuviel“ von Barbara Noack jetzt als eBook bei dotbooks. Charlotte will das wilde Leben genießen, und das am liebsten mit ihren besten Freunden, dem angehenden Lehrer Peter und dem Architekten Benedikt. Mit ihrer spritzigen Art und unbeschwerten Lebensfreude reißt sie die beiden jungen Männer mitten hinein ins Abenteuer. Es scheint, als könne das Trio nichts trennen … doch dann kommen plötzlich Gefühle ins Spiel – und Charlotte erkennt, dass sich Träume auch ändern können. Aber ist sie bereit, für ein neues Glück alles aufs Spiel zu setzen? Die Wiederentdeckung des erfolgreichen Romans nach der gleichnamigen Kultserie mit Jutta Speidel, Herbert Herrmann und Thomas Fritsch! Jetzt als eBook kaufen und genießen: „Drei sind einer zuviel“ von Barbara Noack. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 247
Über dieses Buch:
Charlotte – genannt Karlchen – will das Leben genießen, und das am liebsten mit ihren besten Freunden, dem angehenden Lehrer Peter und dem Architekten Benedikt gerade recht. Durch ihre spritzige und unbeschwerte Lebensfreude reißt sie die beiden jungen Männer mit und mischt ihr Leben gehörig auf. Es scheint, als könne das Trio nichts trennen … doch dann kommen plötzlich Gefühle ins Spiel – und alle merken: Drei sind einfach einer zu viel!
Die Wiederentdeckung des erfolgreichen Romans nach der gleichnamigen Kultserie mit Jutta Speidel, Herbert Herrmann und Thomas Fritsch!
Über die Autorin:
Barbara Noack, geboren 1924, hat mit ihren fröhlichen und humorvollen Bestsellern deutsche Unterhaltungsgeschichte geschrieben. In einer Zeit, in der die Männer meist die Alleinverdiener waren, beschritt sie bereits ihren eigenen Weg als berufstätige und alleinerziehende Mutter. Diese Erfahrungen wie auch die Erlebnisse mit ihrem Sohn und dessen Freunden inspirierten sie zu vieler ihrer Geschichten.
Ihr erster Roman Die Zürcher Verlobung wurde zweimal verfilmt und besitzt noch heute Kultstatus. Auch die TV-Serien Der Bastian und Drei sind einer zu viel, deren Drehbücher die Autorin verfasste, brachen in Deutschland alle Rekorde und verhalfen Horst Janson und Jutta Speidel zu großer Popularität.
Barbara Noack veröffentliche bei dotbooks bereits Die Zürcher Verlobung, Der Bastian und Danziger Liebesgeschichte.
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Neuausgabe Februar 2016
Copyright © der Originalausgabe 1982 Langen Müller in der F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München
Copyright © der Neuausgabe 2015 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/FooTToo
E-Book-Herstellung: Open Publishing GmbH
ISBN 978-3-95824-451-1
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Barbara Noack
Drei sind einer zuviel
Roman
dotbooks.
An einem Aprilabend fuhr Charlotte Müller, genannt Karlchen, mit ihrem rostigen Kombi, der bis zum Kragen mit Töpferwaren aus dem Westerwald beladen war, in München ein.
Der Kombi war halb so alt wie Karlchen. Sie wurde im Juni rostfreie Zwoundzwanzig.
Neben ihr auf dem Beifahrersitz knitterte eine handgemalte Wegbeschreibung ihres Onkels Ernst, die von seiner Lebensgefährtin Marianne mit Rotstift korrigiert worden war.
Karlchen, im Sog der Autoherde von Ampel zu Ampel rollend, entzifferte aus dieser widersprüchlichen Gemeinschaftsarbeit immerhin, daß sie nach der nächsten Kreuzung rechts abbiegen und dann geradeaus fahren mußte bis zu einer Tankstelle, die mangels Kunden stillgelegt worden war.
Die Gegend, durch die sie nach Verlassen der Hauptstraße kam, wurde immer stiller und immer neuer – auch die Bäumchen rechts und links der Straße waren noch fast neu.
Und dann sah sie schon das Betonsilo gegen den Abendhimmel ragen. Es handelte sich um ein Bauherrenmodell, weder schön noch solide gebaut, aber ungemein steuersparend, weshalb Onkel Ernst blindlings zugegriffen hatte, als Ihm eine der Wohnungen angeboten worden war. Anschließend war die Rezession gekommen, die Interessenten ließen sich nicht länger jeden Mist andrehen, deshalb blieben zwei Drittel der Wohnungen unverkauft.
»Was«, so Onkel Ernst, »auch einen Vorteil hat. Dadurch ist es schön ruhig in der Gegend.«
Gegen »schön ruhig« hatte Karlchen nichts einzuwenden, aber mußte es denn gleich so tot sein? Sie stieg aus.
Auf dem riesigen Parkplatz graulten sich fünf Autos, und nun graulte sich Karlchen mit ihnen.
Als sie Koffer und Seesack vor der Haustür abstellte, um nach den Schlüsseln zu suchen, fielen ihr die vielen blinden Namensschildchen auf dem Klingelbrett auf, gerade neun waren beschriftet. Neun Mieter in fünf Stockwerken!
Ob sie nicht doch im Hotel absteigen sollte? Aber auf eigene Kosten? Lieber zittern.
Sie fuhr mit dem Aufzug in den dritten Stock, öffnete vorsichtig die Lifttür, schob Koffer, Seesack und schließlich sich selber auf den betonierten Flur, in dem ihre Schritte hallten wie im Horrorfilm. Ein leeres Haus ist was Schlimmes, aber wer garantierte ihr, daß seine Flure wirklich leer waren, daß da nicht irgendeiner hinter der nächsten Ecke auf sie lauerte, und sie war doch noch so jung –!
Karlchen atmete zum erstenmal tief durch, als sie die Wohnungstür hinter sich zugeschlagen hatte.
Es roch muffig in dem kleinen, dürftig möblierten Zweizimmerapartment. Auf dem Wohnzimmertisch dorrten noch die Blumen von Mariannes letztem München-Besuch vor sich hin.
Telefonläuten holte Karlchen frühzeitig vom Klo. Sie nahm den Hörer ab. Ehe sie etwas sagen konnte, brüllte Onkel Ernst:
»Charlotte! Bist du endlich da? Wir haben schon zweimal angerufen!«
»Nein, dreimal!« rief Marianne dazwischen.
»Wie war die Fahrt nach München?« fragte Onkel Ernst. »Ach, es ging. Aber das leere Haus hier! Die Angst!«
»Alles Gewöhnung«, mischte sich Marianne wieder ein. »Mir ist da noch nie was passiert.«
»Ja, dir –«, sagte Onkel Ernst.
»Steck für alle Fälle das Brotmesser ein, wenn du weggehst«, riet Marianne.
»Lieber den Pfefferstreuer! Dem Gegner direkt in die Augen!« kommandierte Onkel Ernst.
»Da kommt sie doch gar nicht mehr zu. Hallo, Karlchen, bist du noch da?«
»Ja.«
»Ruf Gaby an. Ruf sie gleich an.«
»Warum soll sie denn Gaby gleich anrufen?« hörte sie Onkel Ernst fragen.
»Herrgott, Ernst! Damit sie nicht so allein in München ist.«
Karlchen verabschiedete sich erschöpft und suchte Gabys Nummer aus dem Telefonbuch.
***
Gaby Hess hatte mongolische Augen und schräge Wangenknochen, was Männer ja gerne mögen, und eine Stimme wie ein Kettenraucher am nächsten Morgen. Wenn sie eine kleine Party gab so wie heute, trug sie ihre auf einem Asientrip erworbenen exotischen Gewänder auf.
Zwei junge Buchhändler – Toni und Reni – waren bei ihr, ein juristischer Christoph und Peter Melchior, der dem Telefon am nächsten saß und darum den Hörer abnahm, als es klingelte.
»Hallo? – Wer? – Ich verstehe nicht! Seid mal ruhig!« Er wartete einen Moment, dann sagte er bedauernd in den Hörer: »Die sind nicht ruhig. Wer ist da? – Charlotte?«
Jetzt war es ruhig. Gaby dachte angestrengt nach, ob sie eine Charlotte kannte.
»Ist das so eine Blonde?« erkundigte sich Christoph. Peter betrachtete den Telefonhörer und zuckte die Achseln.
»Ach, Karlchen!« begriff Gaby plötzlich und riß ihm den Hörer aus der Hand. »Du?! Wo steckst du denn? – In München! Seit wann? – Ja, Mensch, dann komm doch her. Komm gleich. Ich hab paar Typen hier. Wir feiern Abschied. – Was? Warum denn nicht?«
»Weil ich mich fürchte«, erklärte Karlchen am anderen Ende der Leitung. »Bin ich endlich hier oben und froh, daß mich keiner abgemurkst hat, soll ich schon wieder runter! Das verkrafte ich nicht.«
»Stell dich nicht an! Glaubst du, Verbrecher haben nichts anderes zu tun, als auf dich zu warten?« war alles an Mitgefühl, was Gaby aufbrachte. »Nun komm schon, komm so, wie du bist. Okay?«
Ehe Karlchen die Wohnung verließ, steckte sie das Brotmesser ein und den Pfefferstreuer – denk daran, dem Gegner direkt in die Augen!
»Wann geht dein Zug?« fragte Gaby beim Austeilen des Heringssalates.
»So um neun rum.«
Alle Anwesenden sahen mitleidig auf Peter Melchior, der morgen früh nach Nebel im Bayerischen Wald nahe der tschechischen Grenze reisen und dort seine erste Stellung als Lehrer antreten würde.
»Wenn ich mir vorstelle, ich müßte morgen an den Arsch der Welt«, sagte Christoph. »Also soviel könnte ich gar nicht saufen!«
»Ich hab ja nicht Großstadtlehrer gelernt, sondern Lehrer«,
gab Peter zu bedenken. »Außerdem hat’s da auch Kinder, die unterrichtet werden müssen!«
»Na ja – aber ausgerechnet von dir!?«
Und dann kam Karlchen.
Gaby stellte sie vor mit dem Zusatz: »Wir sind beinah verwandt. Meine Tante Marianne lebt mit ihrem Onkel Ernst seit 15 Jahren zusammen.«
»Eernst, ach, Eernst, was du mir alles leernst!« fiel Toni dazu ein.
»Und das sind meine Freunde Reni, Toni, Peter, Christoph. Hier hast’n Glas. Magst du was essen? Peter, rutsch mal, laß Karlchen sitzen.«
Peter rutschte und betrachtete dabei den Neuzugang. Lange Beine in gelben Stiefeln, frostgerötete Knie und ein lodengrüner Minirock. Obgleich sie schlank war, wirkte sie ein bißchen pummelig. Karlchen nannte es ihren alternden Babyspeck, der müßte dringend weg, und ab nächsten Montag würde sie ganz bestimmt mit der Hungerei anfangen …
Unter ihrem rotblonden, starken Wikingerhaar leuchteten viele, viele winterfeste Sommersprossen. Ihre Augen waren braun wie dunkles Bernstein.
»Karlchen kommt aus Montabaur, aus dem Westerwald«, erzählte Gaby.
»O du schöner Wehehesterwald –«, sang Toni.
Karlchen sah ihn gequält an, die Gabel im Heringssalat. Da brach er ab.
»Danke«, sagte sie.
»Stell dir vor, Karlchen, Peter zieht morgen in den Bayerischen Wald. Als LAA. Weißt du, was das ist?«
Sie überlegte und tippte auf Götz von Berlichingen. »Falsch«, sagte Christoph, »das ist L–M–A–A. Ein LAA ist ein Lehr-Amts-Anwärter. Spricht sich schön flüssig, nicht?«
»Möchten Herr Lehramtsanwärter noch ’n kleinen Schluck?« fragte Gaby.
Peter seufzte: »MannohMann! Was ich mich freu, wenn ich euer blödes Gerede nicht mehr hören muß.«
»Das ist sein Galgenhumor«, sagte Reni zu Karlchen. »Dabei werden wir ihm fehlen. Wir werden ihm ja so fehlen!«
Peter schaute Reni an und wollte etwas sagen, wurde aber durch Karlchen abgelenkt, die sich verschluckt hatte und hustete.
»Hände hoch!«
Sie hob gehorsam die Arme. Er schlug ihr auf den Rücken. »Nicht so doll«, sagte Gaby, »sonst verrutschen ihr die Rippen.«
Und dann tranken alle auf Peters Wohl und schönes, lehramtsanwärterliches Gelingen.
»Komisch, wie beliebt man plötzlich bei seinen Freunden ist, wenn sie einen loswerden«, stellte er fest. »Da merkt man doch –«
Er brach ab und staunte in Karlchens geöffnete Tasche, in der sie nach Tempotüchern suchte. Dabei sah er das blanke Brotmesser liegen.
»Ist was? Du wolltest doch was sagen!« erinnerte Gaby. Peter blickte auf. »Ich hab’s vergessen –«
Karlchens Tasche war nun wieder zu. Sie aß den Teller auf ihren Knien leer.
»Mach bloß keine Kollegin an«, sagte Reni zu Peter. »Ich kenn dich doch. Das dauert paar Wochen, dann bist du sie leid, aber noch immer an derselben Schule wie sie, und das in ’ner Kleinstadt –«
»Ich fang da schon nichts an.« Peter sah auf die Uhr und erhob sich. »Muß nach Hause. Hab noch nicht gepackt.« »Wir gehen auch«, sagte Toni zu Reni.
»Wir besuchen dich mal. Wir kommen alle nach Nebel, nicht wahr?«
Karlchen blieb bei Gaby zurück. »Sag mal, macht es dir was aus, wenn ich heut nacht bei dir schlafe?«
Gabys Begeisterung hielt sich in Grenzen.
»Nein, natürlich nicht – ich meine, jederzeit – bloß ausgerechnet heute geht’s schlecht –« Sie blickte auf Christoph.
»Ach so, verstehe.« Und Karlchen lief den andern hinterher die Treppe hinunter.
Auf der Straße wartete sie ab, bis sich die Freunde voneinander verabschiedet hatten. Reni tauschte viele Küsse mit Peter Melchior, Toni gab ihm noch ein paar dumme Sprüche mit auf den Weg und die Ermahnung: »Denk daran, von jetzt ab ruht das Auge der Öffentlichkeit auf dir nebst dem seiner Gattin!«
Dann stiegen sie in ihren Käfer, die Türen klappten laut, letzte Zurufe hallten über die Straße – wer von den Anliegern schon geschlafen hatte, war nun bestimmt wieder wach.
Peter gähnte »Tschau, Karlchen, mach’s gut« und wollte die Straße hinuntergehen.
»Ach, bitte –«
»Ja?« blieb er stehen.
»Können Sie mich nicht heimbringen?«
»Hab ja kein Auto.« (Was manchmal ein Vorteil ist.)
»Aber ich.«
»Ja, dann – wieso?!« begriff er nicht. »Ich wohne direkt um die Ecke. Keine drei Minuten von hier.«
Karlchen sah ihn an. Sollte das nun ein flehender oder ein verführerischer Blick sein? Peter war da nicht sicher, er merkte nur eins: wie müde er war.
»Bitte –« Sie zeigte auf einen idiotisch geparkten Kombi auf der gegenüberliegenden Straßenseite. »Da steht er.«
»O Mann!« war er plötzlich wütend auf sich selber, weil er »Na schön« sagte, obgleich er ›Bin ich blöd und fahr die heim?‹ dachte.
Im Laternenschein kramte sie nach den Autoschlüsseln. Kramte ihre Tasche aus, ihre Manteltaschen – drückte ihm Messer und Pfefferstreuer in die Hand. »Halten Sie mal –«, er probierte ihn aus. Da war wirklich Pfeffer drin.
»Wozu?« fragte er.
»Für Notfälle«, sagte Karlchen und hatte ihre Schlüssel endlich in der Rocktasche gefunden.
Ungern stieg er in den Kombi. Auf seinem Sitz war Holzwolle. Er wischte sie unter seinem Hintern vor.
Karlchen schnallte sich indessen an und fuhr mit einem Ruck los. Hinter ihnen klirrte es.
»Reisen Sie immer mit Geschirr?«
»Das sind meine Muster. Wir haben ’ne kleine Töpferei in Montabaur. Das heißt – mein Onkel Ernst hat sie. Zweimal im Jahr geht einer von uns auf Tournee und sammelt Bestellungen ein. Diesmal bin ich mit Bayern dran.«
***
So fuhr Karlchen munter, weil nicht alleine, in die Betonöde zurück. Nachts fiel es nicht so auf, daß keine Fenster erhellt waren.
Peter stieg aus und wollte sich gleich verabschieden.
»Ja, bringen Sie mich denn nicht rauf?« erschrak sie.
»Nein. Ich muß noch packen.«
»Wozu sind Sie dann erst mitgekommen?«
»Das frage ich mich auch.«
»Sie müssen mit raufkommen! Bitte.«
»MannohMann!« Peter war nun sauer. »Was soll’s? Morgen fahre ich in den Bayerischen Wald. Ich bin hundemüde. Seit Wochen feiere ich Abschied. Einen Abschied nach dem anderen. Ich bin froh, daß ich alles Bisherige los bin. Da werde ich doch am letzten Abend nicht noch was Neues anfangen! Oder?«
Endlich kapierte Karlchen: »Nichts anfangen. Bloß mit raufkommen. Ich trau mich nicht allein. Hier wohnt doch fast keiner.«
»Ach so. Deshalb.« Peter war fast ein wenig enttäuscht. Sie wollte gar nichts von ihm!
»Ich glaube nicht, daß ich hier lange bleibe«, sagte Karlchen, während sie auf das Haus zugingen. »Ich halte das nervlich nicht durch.«
»Sie werden sich dran gewöhnen.«
»Ans Fürchten? Nie!!«
In der Wohnung angekommen, mußte er warten, bis sie unter das Bett geschaut hatte und in die Schränke, ob vielleicht einer drinsaß. Er fand das reichlich übertrieben, aber bitte, wenn es sie beruhigte …
»Sie kommen mir vor wie eine, die sich ’nen Löwen als Haustier kauft und dann aus Angst vor ihm auf’m Schrank sitzt. Warum wohnen Sie hier, wenn Sie sich derart graulen?«
»War ja nicht vorauszusehen, als Onkel Ernst den Kaufvertrag unterschrieben hat. Ein einziges Mal im Leben macht er ein großes Geschäft. Um Steuern zu sparen und ein Bein in München zu haben, kauft er sich in diesem optischen Schandfleck ein. Nach München kommt er nicht öfter als früher, und für die Zinsen, die er zahlen muß, könnte er in den ›Jahreszeiten‹ übernachten, wenn er mal hier ist. Aber das ist typisch für meine Familie, wenn die mal ein Geschäft macht!«
Peter lachte.
»Ist gar nicht zum Lachen«, lachte Karlchen.
Dann ging er. Sie schloß zweimal herum und legte die Kette vor.
»He«, bummerte er von draußen, »ich bin’s noch mal. Gibt es in dieser gottverlassenen Gegend ein Verkehrsmittel?«
»Keine Ahnung, glaube ich nicht.«
»Können Sie mir ’n Taxi rufen?«
Karlchen schloß wieder auf.
»Taxi? Ja aber – was das kostet! Bei der Anfahrt!«
Peter tat sich sehr leid und ihr nun auch. Kurz entschlossen gab sie ihm ihre Autoschlüssel.
»Wissen Sie was? Nehmen Sie den Kombi bis morgen früh. Okay?«
***
Karlchen frühstückte stehend am Küchentisch – rechts eine Dose mit Ananas, links lasche Salzbrezeln, was anderes an Vorräten hatte sie nicht vorgefunden. Kaffee wollte sie erst kochen, wenn Peter kam, um die Autoschlüssel zurückzubringen. »Wenigstens eine Tasse, geht ganz schnell.«
Aber er war spät dran. Er mußte dringend zum Bahnhof. Sie gab ihm die Hand. »Na, dann alles Gute. Werden Sie ein netter Lehrer.«
Er sah sie fragend an. »Ich habe noch meine Klamotten in Ihrem Wagen.«
»Was für Klamotten?«
»Na, alles.«
Endlich begriff Karlchen. »Achsoja – da muß ich Sie wohl zum Bahnhof fahren.«
»Nett, daß Sie von selber drauf kommen.«
***
Karlchen schnallte sich an.
Peter lehnte sich zurück und wartete darauf, daß sie endlich startete.
Karlchen schnallte sich wieder ab.
»Was jetzt?«
»Die Papiere! Ich hab die Autopapiere vergessen.« Sie stieg aus und rannte zum Haus. »Bin gleich wieder da!«
»Aber mein Zug!!«
Das durfte nicht wahr sein. Er pfiff, trommelte, schrie »hallo« aus dem offenen Fenster. Resignierte schließlich.
Endlich kam Karlchen aus dem Haus gerannt, stieg atemlos ein und schnallte sich an.
»So, jetzt können wir. – Wo ist der Bahnhof? Wissen Sie, wie es zum Bahnhof geht?«
»Ja. Aber was soll ich noch da? Der Zug ist weg.«
»Ach!« sagte sie betreten. »Und der nächste?«
»Der ist mit zweimal Umsteigen.« Er zeigte mit dem Daumen hinter sich. »Bei dem Gepäck!«
»Alles meine Schuld«, sah sie ein.
»Ja.«
Karlchen hatte eine Idee. Dazu brauchte sie die Straßenkarte aus dem Handschuhfach. Sie breitete dieselbe aus, sich und Peter damit zudeckend, und irrte mit dem Zeigefinger los.
»Was suchen Sie eigentlich?« erkundigte er sich nach einer Weile.
»Nebel – was sonst?«
»Aber doch nicht in Holstein.« Er nahm ihren Zeigefinger
und fuhr mit ihm in den Bayerischen Wald.
»Wie weit ist das eigentlich von München?«
»Na, so hundertfünfzig Kilometer.«
»Da muß ich sowieso hin. Ob ich nun heute oder erst in drei Wochen die Gegend abklappere, ist Jacke wie Hose. Fange ich eben meine Verkaufstour im Bayerischen Wald an.« Und Karlchen schnallte sich wieder ab. »Muß ich bloß noch mal rauf, meinen Koffer holen.«
Karlchens Kombi hielt mitten auf dem Marktplatz von Nebel. Peter stellte vor: »Rathaus Gotteshaus Wirtshaus Kriegerdenkmal «
»Nett«, sagte Karlchen. »Wissen Sie schon, wo Sie wohnen werden?«
»Ja. Im Haus muß man die Schuhe ausziehen.« Er legte die Hand auf ihre Schulter. »Gehn wir erst mal ins Gasthaus. Ich hab Durst.«
Während sie den Platz überquerten, sahen sie einen jungen Mann mit einer gewaltigen Rolle Maschendraht und anderem Sperrgut aus dem Kaufhaus kommen.
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