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Nach einem tragischen Verlust vor drei Jahren ließ Grayson Tyler sein Leben in New York hinter sich und machte in der lieblichen Hügellandschaft der kalifornischen Küste einen Neuanfang. Er ist überzeugt, dass er nie mehr etwas anderes brauchen wird als einen blauen Himmel, ausgiebiges Weideland und die großen Wellen des Ozeans. Bis eines Tages Lori Sullivan in sein Leben platzt und augenblicklich sein emotionsloses und eigenbrötlerisches Dasein auf den Kopf stellt. Sie treibt ihn zum Wahnsinn, wie es nur eine Frau zuwege bringt, deren Spitzname Früchtchen ist. Doch wird Lori ihn überzeugen können, dass er es wagen kann, sie zu lieben ... und dass für "immer und ewig" noch möglich ist? "Die Sullivans"-Reihe *** Die Sullivans aus San Francisco *** Liebe in deinen Augen Ein verfänglicher Augenblick Begegnung mit der Liebe Nur du in meinem Leben Sag nicht nein zur Liebe Nur von dir hab ich geträumt Lass dich von der Liebe verzaubern Du gehst mir nicht mehr aus dem Sinn *** Die Sullivans aus Seattle *** Eine perfekte Nacht Nur du allein Deine Liebe muss es sein Dir nah zu sein Ich mag, wie du mich liebst Ohne dich kann ich nicht sein *** Die Sullivans aus New York *** Vier Herzen vor dem Traualtar Bilder von dir Weil es Liebe ist Die Süße der Liebe Das Beste kommt erst noch Liebe ist kein Marchen Wer Liebe sät Irgendwo auf der Welt Halt mich *** Die Sullivans aus Maine *** Mit Leib und Seele Herzbeben
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Seitenzahl: 391
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~ Die Sullivans 8 ~
Lori & Grayson
Bella Andre
Bucheinband
Titelseite
Copyright
Über das Buch
Eine Anmerkung von Bella
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Epilog
Alle Bücher von Bella Andre in deutscher Sprache
Über die Autorin
Du gehst mir nicht mehr aus dem Sinn
Lori & Grayson ~ Die Sullivans 8
© 2020 Bella Andre
Übersetzung Jo Schweiger – Language+ Literary Translations, LLC
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Nach einem tragischen Verlust vor drei Jahren ließ Grayson Tyler sein Leben in New York hinter sich und machte in der lieblichen Hügellandschaft der kalifornischen Küste einen Neuanfang. Er ist überzeugt, dass er nie mehr etwas anderes brauchen wird als einen blauen Himmel, ausgiebiges Weideland und die großen Wellen des Ozeans. Bis eines Tages Lori Sullivan in sein Leben platzt und augenblicklich sein emotionsloses und eigenbrötlerisches Dasein auf den Kopf stellt. Sie treibt ihn zum Wahnsinn, wie es nur eine Frau zuwege bringt, deren Spitzname Früchtchen ist. Doch wird Lori ihn überzeugen können, dass er es wagen kann, sie zu lieben … und dass für „immer und ewig“ noch möglich ist?
Als Lori Sullivan zum ersten Mal den Mund aufmachte, musste ich lachen. Im Laufe der Jahre waren meine Heldinnen starke Frauen, freche Frauen und liebevolle Frauen, aber nie habe ich eine Heldin wie Lori erschaffen. Früchtchen ist nie vor einem Risiko zurückgeschreckt. Auch nicht, nachdem sie gescheitert ist. Und selbst dann nicht, als sie erkennt, dass das allergrößte Risiko sich zu verlieben sein könnte.
Es gibt aber noch einen Grund, weshalb ich es so genossen habe, dieses Buch zu schreiben: Grayson Tyler. Draußen auf seiner Farm, mit Cowboy-Hut und in Stiefeln, hätte er für Lori nicht unpassender erscheinen können. Aber ich garantiere Ihnen, dass er der einzige Mann ist, der ihr Herz erobern konnte (und meines noch dazu!). Ich hoffe, er erobert auch Ihres.
Viel Spaß bei der Lektüre!
Bella Andre
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Lori Sullivan wollte sich keinen Ärger einhandeln. Sie schwor, dass sie es nicht wollte.
Nur weil ihr Spitzname Früchtchen war und Trouble ihr auf den Fersen folgte, wo immer sie hinkam, bedeutete das nicht, dass sie heute auf Schwierigkeiten aus war. Im Gegenteil – zum ersten Mal überhaupt wünschte sie sich ein wenig Frieden und Ruhe.
Keiner von ihrer Familie wusste, dass sie wieder in San Francisco war, da sie gerade mit dem Nachtflug von Chicago zurückgekommen war. Obwohl sie sie über alles liebte, konnte sie ihrer Familie jetzt nicht gegenübertreten. Ihre sechs Brüder, ihre Zwillingsschwester und die Mutter waren die allerbeste Familie, die frau sich wünschen konnte … und trotzdem, wenn sie herausfanden, dass sie zurück war, würden sie nicht nur wissen wollen, warum sie mitten in der Spielzeit ihrer Show ausgestiegen war, sondern sie würden nicht lockerlassen, bis sie jede der schrecklichen Einzelheiten aus ihr herausgepresst hatten.
Woher wusste sie das?
Weil es genau das war, was sie in den letzten 25 Jahren selbst mit jedem von ihnen gemacht hatte.
Also schob sie ihren Koffer nicht von der Gepäckausgabe im Flughafen von San Francisco zum Taxistand, um zu ihrer Wohnung zu fahren, sondern ging einem Impuls folgend zum Mietwagen-Schalter.
„Guten Morgen, was kann ich für Sie tun?“, zirpte die Blondine hinter dem Tresen.
Lori schätzte, dass sie beide ungefähr gleichaltrig sein mussten, aber fühlte sich mindestens ein Jahrzehnt abgespannter. „Ich brauche einen Wagen.“
„Großartig! Wohin wollen Sie und wie lange brauchen Sie ihn?“
Das Lächeln der Frau war so strahlend, dass Lori spürte, wie ihre Augen von dieser Grelle zu tränen begannen. Nach ihrem nächtlichen Flug quer über das Land hatte sie zum Glück gleich nach der Landung gegen das blendende Sonnenlicht, das durch die kleinen Flugzeugfenster strömte, ihre Sonnenbrille aufgesetzt. Es wäre ihr unerträglich, wenn die Frau glauben würde, dass sie weinte.
Nein, Lori weigerte sich, über irgendetwas zu weinen, das in Chicago geschehen war. Oder während der eineinhalb Jahre zuvor.
Sie war keine Heulliese, verflucht. War noch nie eine und würde auch keine werden.
Die Welt würde sich viel heftiger ins Zeug legen müssen, als ihr einen untreuen Dreckskerl als Boyfriend zu bescheren und sie ihrer ganzen Tanzkarriere zu berauben, um sie zum Weinen zu bringen.
Sie war jung. Sie war gesund. Ihr ganzes Leben lag vor ihr.
Irgendwie würde sie schon herausfinden, was sie mit ihren nächsten siebzig Jahren anfangen würde.
Das brachte sie wieder zurück zur Frage der Dame vom Autoverleih. Wohin sollte sie fahren? Und für wie lange?
Sie schrieb es der schlaflosen Nacht zu, dass ihr Gehirn hohl zu sein schien, deshalb fragte sie: „Wohin fahren denn Sie am liebsten?“
Die Frau war momentan überrascht von Loris Frage, aber dann wurde ihr Gesicht ganz verträumt. „Pescadero.“
Lori ließ die Sonnenbrille auf ihre Nasenspitze rutschen, um die Frau über den Brillenrand ansehen zu können. „Pescadero?“
Da Lori ihr ganzes Leben in Nordkalifornien verbracht hatte, nahm sie an, dass sie früher oder später einmal dort vorbeigefahren sein musste, aber soweit sie sich erinnern konnte, war Pescadero nichts anderes als ein paar aneinandergereihte Farmen.
Die Frau nickte glücklich. „Ich liebe einfach diese grüne Hügellandschaft, die endlos zu sein scheint, all diese weidenden Schafe und Kühe und die Tatsache, dass praktisch jeder Feldweg am Ozean zu enden scheint.“
Lori lebte liebend gerne in der Stadt. Sie liebte es auch, in Städten zu arbeiten, besonders, da ihre Tanzkarriere immer eng mit der Bewegung in ihrem Umfeld zusammenhing. Ein verschlafenes Bauerndorf war der letzte Ort, den sie sich je für einen improvisierten Urlaub ausgedacht hätte.
„Das klingt wunderbar. Wie lange kann ich den Wagen behalten?“
Die Frau sah sie wieder ein wenig sonderbar an, bevor sie sagte: „Einen Monat und dann müsste ich noch ein paar zusätzliche Dokumente ausfüllen. Aber es ist eigentlich mehr ein Tagesausflug. Ein kurzer obendrein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie einen ganzen Monat in Pescadero verbringen könnten.“
Obwohl Lori sich im Stillen dasselbe fragte, reichte sie der Dame ihre Kreditkarte und unterschrieb ein Dutzend Formulare. Schließlich versprach sie, den Wagen nicht zu beschädigen. Ein paar Minuten später hatte sie die Schlüssel in der Hand und wollte gerade vom Mietwagenschalter fortgehen, als sie sich wieder umdrehte.
„Haben Sie eine Ahnung, wie man von hier nach Pescadero kommt?“
* * *
Eineinhalb Stunden später fragte sich Lori, ob die Ackerflächen nie mehr enden würden, als sie ein Dach erspähte. Sie fühlte sich wie ein Matrose, der monatelang auf hoher See war, bevor er endlich Land erblickte. Also drückte sie das Gaspedal durch und preschte auf die unscheinbar winzige Hauptstraße von Pescadero zu.
Die Dame vom Autoverleih hatte recht gehabt, was die hübschen grünen Felder und süßen Schafe anging, aber irgendwie hatte sie vergessen zu erwähnen, wie lautlos die Stille war … oder wie einsam.
Lori hatte so lange Zeit ihre Welt mit lauter Musik, hohen Gebäuden und mit lebhaften Menschen gefüllt, dass es sonderbar war, ganz ohne all das zu sein. Irgendwann hatte sie das Autoradio eingeschaltet, aber es hatte sich fast so angefühlt, als hätte sie eine Boombox mitten in einer Kirche aufgedreht, also schaltete sie es gleich wieder aus.
Sie war zwar nicht gerade in Glanzlaune, aber da es der erste sonnige Tag war, den sie seit Wochen erlebte, war sie entschlossen, die warme Sonne und den blauen Himmel zu genießen. Außerdem stimmte, was ihr Bruder Zach, der Automechaniker-Schrägstrich-Mogul, behauptete, nämlich, dass wirklich etwas dran war, wenn man sich in ein Auto setzte und eine Spritztour machte. Er machte seine Spritztouren zugegebenermaßen gewöhnlich in einem Ferrari, dachte sie, als sie auf ihr kleines Mietauto blickte. Abgesehen davon machte er sie nicht mehr allein, da er und Heather jetzt verliebt und verlobt waren. Lori parkte vor dem Krämerladen von Pescadero, als gerade ein kleines Mädchen herauskam, das eine große Tüte mit Hundefutter trug und von Ohr zu Ohr lächelte. Ein Mann, von dem Lori problemlos annahm, dass er ihr Großvater war, kam gleich hinter ihr nach und trug eine brandneue Hundekiste. Er trug Cowboy-Stiefel und abgetragene Blue Jeans und beide passten wunderbar in das Bauerndorf.
Als Lori aus dem Auto ausstieg, sah sie den Welpen des Mädchens. Seine Leine war an einem nahen Pfosten festgebunden, und als er das kleine Mädchen sah, begann der schwarz-weiß gefleckte Hund so heftig zu wedeln, dass sein ganzer Körper wie ein in der Brise fliegender Drachen aussah. Das Mädchen ließ sofort die Tüte mit dem Hundefutter zu Boden fallen und hob den Welpen auf, um ihn mit Küssen zu übersäen. Der ergraute alte Farmer sagte in einem ruppigen Ton: „Du wirst ihn noch verwöhnen“, aber seine Augen waren voll Liebe.
Zum zweiten Mal fühlte Lori, dass ihre Augen zu tränen begannen. Sie hatte sich an das helle Sonnenlicht gewöhnt und die Sonnenbrille schon vor einer Weile in die Haare geschoben, aber jetzt zog sie sie wieder über die Augen.
Als sie auf den Gehsteig trat, blieben der Mann und das Mädchen stehen, um sie anzusehen, wobei beide zweimal hinguckten. Sie hatte keine Ahnung, was die beiden so schockiert hatte … bis sie endlich an sich hinunterblickte.
Oh ja, das war der Grund. Das enganliegende, ärmellose, knallrosa Top, das mit bunten Pailletten übersät war und bis zum halben Oberschenkel reichte, die fast blickdichte Strumpfhose, zusammen mit den glitzernden High Heels, die sie zum Tanzen getragen hatte, sahen am helllichten Tag etwas sonderbar aus. Nicht nur hier, sondern wirklich überall.
Sie hatte vollkommen vergessen, was sie trug, als sie aus dem Auditorium Theatre in Chicago gestürmt war, im Hotel ihre Sachen in den Koffer geworfen hatte und dann zum Flughafen gefahren war, um den nächsten Flieger nach San Francisco zu nehmen. Sie hatte sich auf dem Flugzeug und im Flughafen in einen riesigen Schal gewickelt, aber während der Fahrt war es so warm und sonnig gewesen, dass sie den Schal auf den Beifahrersitz geworfen hatte.
Natürlich war es dem Welpen gleichgültig, wie sie gekleidet war und als sie die Hand nach ihm ausstreckte, drückte er seinen pelzigen Körper an sie. „Was für ein süßes Hundebaby“, sagte sie zu dem kleinen Mädchen. „Wie heißt es?“
„Jonas.“
„Das ist ein toller Name“, sagte Lori und tätschelte lächelnd den Hund, aber als ihre Fingerspitzen gerade das weiche Fell zwischen den Ohren des Welpen streichelten, zog der Großvater des Mädchens beide weg.
Einen Augenblick später strebte Lori der Eingangstür des Dorfladens zu, als sich der Boden plötzlich unter ihr zu bewegen schien. Während sie sich an der Wand abstützte, wurde sie sich bewusst, dass sie fast 24 Stunden nichts mehr gegessen hatte. Trotz der Vorstellung, die die meisten Menschen vom Leben der Tänzer hatten, besaß sie einen gesunden Appetit und einen schnellen Stoffwechsel und wusste, dass sie längst etwas hätte essen sollen.
Nur schien Essen schon eine Weile nicht mehr sehr verlockend zu sein …
Fest entschlossen trat sie durch die Tür. Tierfutter und Vorräte nahmen die gesamte Länge einer Seite des Ladens ein. In der Mitte waren Stricksachen, Jeans, Cowboy-Stiefel und etwas, das wie Pakete von Unterwäsche und Socken aussah, ausgestellt. An der anderen Seite des Ladens war eine Bedienungstheke mit Kühlvitrinen, in denen Eier, Käse und Milch lagen und Regale, die sich unter dem Gewicht von Dosenkonserven bogen.
Sie nahm eine Tüte Chips und ging zur Kasse. Der Teenager hinter dem Bedienungstresen wurde dunkelrot. „Ww-as wünschen S…“. Er schluckte schwer und griff sich an den Hals, um den Kragen seines T-Shirts zu lockern. „Sie?“
Sie wurde sich zwar bewusst, dass sie vielleicht zum Auto hätte zurückkehren sollen, um den Schal um ihr Tanz-Outfit zu wickeln, genoss aber die Bewunderung in seinen Augen. Nur weil sie mit Männern fertig war, bedeutete das nicht, dass sie nicht noch von ihnen begehrt werden wollte. So hatte sie das Vergnügen, sie alle in die Wüste zu schicken – ausgenommen süße Halbwüchsige natürlich.
„Welches ist euer bestes Sandwich?“
Bei ihrer Frage bekam er große Augen, als hätte sie ihn gefragt, wie sich die Erde um ihre Achse drehte und nicht nach etwas Aufschnitt und Brot. Und Junge, wie schwer war er bemüht, seine Augen auf ihr Gesicht zu fixieren, anstatt sie zu ihren Brüsten sinken zu lassen, die in ihrem Outfit so ziemlich vollständig zur Schau gestellt wurden. Es war so süß, dass sie über den Tresen springen und ihn zum Dank dafür umarmen wollte, dass sie sich wenigstens für die paar Sekunden pubertärer Bewunderung wieder hübsch fühlte.
„Ähm, ich weiß nicht.“ Er schluckte wieder schwer, bevor er sich der handgeschriebenen Liste der Sandwiches zuwandte, die am Schwarzen Brett hinter ihm hing. „Vielleicht das Muffuletta?“
„Klingt gut.“ Sie legte die Chips auf den Tresen, als er begann, ihre Bestellung in die Kasse zu tippen. „Ich nehme auch eine Tasse vom stärksten Kaffee, den du machen kannst.“
Wer weiß, wie lange sie noch über diese Feldwege fahren würde, bevor sie einen Platz zum Übernachten fand? Den Mietwagen hatte sie immerhin einen ganzen Monat.
Er nahm ihr Geld mit zittriger Hand entgegen, und als sie sagte: „Kannst du mir sagen, wo die Toilette ist?“, ließ er es zu Boden fallen. Als er sich bückte, um das Geld aufzuheben, schlug er mit dem Kopf gegen die Lade der Registrierkasse.
Da er offensichtlich nicht Herr über seine Stimme war, kniete er einfach auf dem Boden und zeigte mit zittriger Hand zur Rückseite des Gebäudes. Lori kam zum Schluss, dass es wohl besser war, ihm eine Verschnaufpause zu gönnen, während er ihr Sandwich richtete. Sie wollte nicht, dass er sich mit der Wurstschneidemaschine eine Fingerspitze abschnitt, nur, weil sie in ihrem kaum vorhandenen Elastan-Glitzertop zu nahe neben ihm stand.
Nachdem sie schnell ihr Geschäft erledigt hatte, betrachtete sie sich im Spiegel und hätte gelacht, wenn sie nicht so entsetzt über ihr katastrophales Spiegelbild gewesen wäre. Mit schnellen und effizienten Profi-Griffen richtete sie die Frisur und das Make-up. Sie war immer der Meinung, dass man sich gut fühlte, wenn man gut aussah, aber heute hatte sie den Eindruck, dass Wimperntusche und Lipgloss nicht viel bewirkten.
Nachdem sie die Toilette verlassen hatte, nahm sie sich ein bisschen Zeit, um sich etwas umzusehen. Bei näherem Hinsehen erwies sich das Innere des Krämerladens als ziemlich schnuckelig, ein kleiner „Farmer-Megamarkt“ mit Lebensmitteln und Kleidung und Hühnerfutter – eindeutig alles Dinge, die für die hier lebenden Menschen wichtig waren. Auf einem Tisch war ein Schild Hiesige Autoren. Sie blieb stehen, um sich die Gedichtbände, Romane und ein paar Sachbücher über Anbautechniken anzusehen. Die Bücher gaben ihr ein Gefühl für die Gemeinschaft, die dieser Laden unterstützte, die wahrscheinlich aus seit Generationen hier lebenden Farmern und ihren Familien bestand.
Sie gehörte schon so lange zu den Tänzern, dass sie nie nach einer anderen Welt Ausschau gehalten hatte, der sie angehören könnte. Auch deshalb nicht, weil die Feste der Sullivan-Familie mit ihrer Mutter und den sieben Geschwistern so häufig waren, dass sie ihre ganze Freizeit in Anspruch nahmen.
Aber jetzt wurde ihr schon allein vom Gedanken an das Tanzen übel. Ihr Ex hatte sie mit dem Tanz für sich gewonnen … und sie dann mit dem Tanz betrogen. Früher einmal, vor langer Zeit hatte sie nur für sich selbst getanzt, für die reine Freude, die das Tanzen ihr bescherte. Aber in diesen letzten Monaten, war sie nicht viel mehr gewesen als Victors Marionette, da sie nur mehr getanzt hatte, um ihm zu gefallen. Als sie sich bewusst geworden war, dass ihm nichts gefiel, hatte sie verlernt, aus irgendeinem anderen Grund zu tanzen. Und jetzt fühlte es sich an, als wäre da eine tote, fühllose Stelle in ihr, wo früher ihr Herz war.
Sie nahm an, dass sie früher oder später eine andere Gemeinschaft finden würde, der sie angehören konnte.
Lori wollte eben zum Bedientresen zurückkehren, um ihr Sandwich zu holen, als sie eine große Anschlagtafel bemerkte, die mit Handzetteln übersät war. Das Leben von Fremden hatte sie immer schon interessiert. Sie verschlang Biografien so schnell, wie ihre Schwester, die Bibliothekarin, sie ihr liefern konnte. Sich die Anschlagtafel einer Gemeinschaft anzusehen, bot den perfekten Einblick in das Leben anderer, das sie nie leben würde. Und in Wirklichkeit war sie überrascht gewesen, als sie die Hauptstraße entlangfuhr, wie reizend der Ort war. Die Fassaden strotzten von Western Charme und ein Bauernstand, an dem sie vorübergefahren war, sah wie ein Bild aus einer Zeitschrift aus.
In der Mitte des Anschlagbretts war ein weißer Zettel, auf dem in einer starken männlichen Schrift Landarbeiter gesucht stand. In keiner Sekunde ihres Lebens hatte sie je daran gedacht, auf einer Farm zu leben oder zu arbeiten. Ihr ganzes Leben hatte sie genau gewusst, was sie war und was sie sein wollte: eine Tänzerin.
Da sie aber nicht mehr tanzen würde, könnte sie doch etwas vollkommen anderes versuchen, etwas, das sich als eine Zweitberufung entpuppen könnte?
Hätte sie vielleicht in der ganzen Woche mehr als nur zwölf Stunden insgesamt geschlafen, würde sie wahrscheinlich über diese Entscheidung mit einem klareren, kühleren Kopf nachgedacht haben.
Denn sie wollte keinen Ärger. Sie schwor, dass sie keinen Ärger wollte.
Es war aber so, dass sie zum ersten Mal seit Langem verspürte, dass sich Erregung in ihr rührte. Erwartung.
Und ein Kick, der sich ein wenig wie Angst anfühlte.
Sie hatte immer die angsteinflößenden Fahrten in den Vergnügungsparks geliebt und ihre Geschwister in Horror-Filme gezerrt. Aber was konnte schon angsterregend daran sein, als Landarbeiterin zu arbeiten?
Besonders, da sie bereits beschlossen hatte, dass sie die verdammt beste Landarbeiterin sein würde, die die Welt je gesehen hatte. Sie würde nicht versuchen, jemandem gefällig zu sein, sondern nur sich selbst und wollte am Ende eines langen Tages auf der Farm das Gefühl haben, dass sie gute Arbeit geleistet hatte und stolz auf sich sein konnte.
Lori riss die Anzeige vom Brett und legte sie vor den Jungen vom Bedienungstresen. Sie war zwar impulsiv, aber nicht dumm, deshalb fragte sie ihn: „Kennst du den Mann, der diese Anzeige geschrieben hat? Ist er ein netter Mann?“
Der Junge nickte. „Gewiss, Grayson ist nett.“
Lori gefiel der Klang des Namens. Grayson. Wahrscheinlich so ein alter Bauer wie der Großvater, den sie auf dem Gehsteig gesehen hatte und der seit fünfzig Jahren verheiratet war und etwas Hilfe bei den Hühnern und Kühen brauchte. Sie hatte keinen Schimmer, worin diese Hilfe bestehen würde, aber sie hatte immer schon schnell gelernt.
Sie grinste und fragte: „Kannst du mir sagen, wie ich zu seiner Farm komme?“
* * *
Es war genau so ein Tag, wie ihn Grayson Tyler, der eben über sein 400-Hektar-Grundstück wanderte, liebte – ruhig und von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang voll harter Knochenarbeit.
Als er diese Farm in Pescadero vor drei Jahren gekauft hatte, war der Stall kurz davor, Brennholz zu werden und das Bauernhaus war ein von Mäusen behaustes Bauskelett. Vor 150 Jahren, als der erste Farmer begonnen hatte, das Land zu bestellen, war es eine Weile gut gelaufen, aber die letzte Generation war vor allem an schicken Autos und ihren Börsengeschäften interessiert und nicht mehr an der Farm, in die ihr Vorfahre sein Leben investiert hatte.
Grayson hatte in den letzten drei Jahren rund um die Uhr daran gearbeitet, die Farm wieder zum Leben zu erwecken. Seine Familie hatte ihn für verrückt gehalten, als er von New York ans „Ende der Welt“, wie sie es nannten, gezogen war, obwohl San Francisco nur eine Stunde entfernt lag. Allerdings war er nie in der Stadt. Er kannte zu viele Leute, die regelmäßig von New York nach San Francisco flogen. Es gab zu viele potentielle Möglichkeiten, auf jemanden aus seiner Vergangenheit zu treffen.
Das war einer der großen Pluspunkte der Farm: Die Vergangenheit zählte nicht. Es zählten nur die Tiere, die jetzt hungrig waren, und die Zukunft, die auf einen gepflügten Acker aufgebaut werden konnte, Stück für Stück. Heute Morgen zum Beispiel hatte er den Hühnerstall wieder aufgebaut, deshalb waren seine Hühner auf dem Platz vor seinem Haus. Er hämmerte eben eine fertige Scharrfläche für eine neue Hühnerstange in den Stall, als er ein Motorengeräusch hörte. Sein Haus und der Hühnerstall waren so weit von der Straße entfernt, dass er nicht hören konnte, wenn ein Auto durch Pescadero fuhr, was bedeutete, dass es seine Auffahrt heraufkam.
Grayson knirschte wegen dieser unerwarteten Unterbrechung mit den Zähnen. Die Leute im Ort wussten inzwischen, dass sie nicht vorbeischauen sollten, ohne sich zeitig vorher anzumelden. Nur alle Jubeljahre kam ein Lieferwagen, um ein Paket aus New York zuzustellen.
Er legte den Hammer weg und wandte sich dem ungeladenen Eindringling zu, dessen Wagen er nicht erkannte. Die Sonne schien auf die Windschutzscheibe, so dass er das Gesicht des Fahrers nicht sehen konnte, aber durch das offene Fenster auf der Fahrerseite sah er eine lange dunkle Haarlocke flattern.
Eine Frau? Was machte eine Frau auf seiner Farm?
Verflucht, das war das Letzte, womit er sich auseinandersetzen wollte – eine Touristin, die sich wohl auf dem Weg zum einzigen Bed and Breakfast im Ort verirrt haben musste und nach dem Weg fragen wollte.
Seine Hühner waren es nicht gewohnt, draußen in der Nähe von Autos zu sein und die Fremde kam die lange Lehmstraße in einem solchen Tempo heraufgefahren, dass eine seiner Buff-Orpington-Hennen kreischte und die Flügel spreizte, um vor dem Fahrzeug zu flüchten. Leider wurde das Huhn von den sich drehenden Rädern beinahe filettiert, als die Fahrerin nach links schwenkte, um sie nicht zu überfahren … und dann krachte ihr Wagen in einen seiner nagelneuen Zaunpfosten.
Die Wagentür flog auf und die Fahrerin stieg aus. „Mein Gott, es tut mir so leid. Dieses Huhn ist plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht. Ich richte gleich Ihren Zaun.“
Grayson hörte, was sie sagte, brachte aber keine Antwort hervor. Weil er seinen Augen nicht trauen konnte.
Er hatte in seinem ganzen Leben noch nie eine so schöne Frau gesehen. Lange dunkle Locken fielen über ihre fast nackten Schultern bis zu ihrer Taille und ihre großen Augen, hohen Backenknochen und der volle rote Mund hätten jedem Mann einen feuchten Traum bescheren können. Sie trug etwas eng und weich Aussehendes und im Sonnenlicht schien es beinahe, als sei sie nackt, wobei jede ihrer spektakulären Kurven bestens zur Geltung kam.
Und diese Beine … obwohl sie nicht besonders groß war, waren sie endlos und endeten in Stöckeln, die auf keine Farm gehörten.
Shit. Was zum Teufel stimmte mit ihm nicht? Es war zwar schon eine Weile her, dass er mit einer Frau geschlafen hatte, aber er hatte doch nie Probleme gehabt, seine Reaktionen auf Frauen zu kontrollieren.
„Wer sind Sie?“
Sie blinzelte zu ihm hinauf und starrte ihn einfach nur ein paar Augenblicke an, bevor sich ihre prächtigen Lippen zu einem Lächeln formten.
Grayson wies sein Herz im Stillen an, weiterzuschlagen und seine Brust, weiter Luft aus- und einzupumpen. Er brauchte nur die nächsten paar Minuten zu überleben, ihr den Weg zu weisen und dann konnte sein Leben weiterhin so verlaufen, wie es sein sollte.
Ruhig.
Einfach.
Absolut ohne bildschöne Frauen, die lächelten, dass es ihn umwarf.
Ihre Hand umklammerte ein Stück Papier, das sie glättete, bevor sie antwortete. „Die neue Landarbeiterin, hoffe ich.“
Ein anderer Mann hätte vielleicht bei dieser lächerlichen Erklärung aufgelacht.
Er nicht.
„Wer hat Sie denn hierzu angestiftet?“
Sie runzelte die Stirn. „Niemand.“ Sie trat einen Schritt näher und er wäre beinahe als Reaktion auf all diese sich nähernden herrlichen Kurven einen Schritt zurückgewichen. „Ich bin hier, um mich für die Stelle zu bewerben.“ Sie lächelte wieder. „Mein Name ist Lori. Lori Sullivan.“
War das wirklich ihr Ernst? Er zwang sich zu vergessen, wie hübsch sie war, während er ihren ernsthaften Gesichtsausdruck studierte.
Mist. Es sah so aus, als wäre es das wirklich. Das hieß, dass er nicht nur fünf Minuten seines Tages verschwenden müsste, sondern wohl eine gute halbe Stunde brauchen würde, um sie wieder draußen zu haben.
„Ist Grayson irgendwo in der Nähe?“ Sie sah sich nach jemand anderem um.
„Ich bin Grayson.“
Ihre Augen wurden groß. „Warum sind Sie nicht älter?“
Er hatte keinen Schimmer, was er hierauf sagen sollte. Nicht, dass er viele Einfälle gehabt hätte, wie er auf den Rest des Gesprächs hätte antworten sollen, das er bis jetzt mit dieser umwerfenden Frau geführt hatte, die ohne die geringste Vorwarnung in sein Leben hereingeschneit war.
Anstatt ihre sonderbare Frage zu beantworten, sagte er: „Meine Anzeige war kein Scherz.“
„Ich scherze nicht“, sagte sie und hob eigensinnig das Kinn.
Sein Herz begann schon wieder zu rasen, nur, weil sich ihre Wangen röteten, als sie sich gegen ihn behauptete.
„Schauen Sie, ich habe vor Sonnenuntergang noch viel Arbeit zu erledigen.“ Er sah betont zum Zaunpfahl. „Wie zum, Beispiel den Zaunpfahl zu reparieren, in den Sie gekracht sind.“
Jede andere wäre jetzt spätestens gegangen, so wie er sie anfauchte. Aber begriff dieses schöne Mädchen den Wink mit dem Zaunpfahl und ging zurück zu ihrem Wagen, um ihn verdammt nochmal in Ruhe zu lassen?
Nein.
Anstatt sich davonzumachen, kam sie auf den herrlichsten Beinen, die er je in seinem Leben gesehen hatte, noch einen Schritt näher. „Ich kann Ihnen helfen.“
Er zwang sich einen harten, unbeeindruckten Blick über sie schweifen zu lassen, obwohl er ihren Anblick in seinem vergangenen Leben mit enormem Vergnügen in sich aufgesaugt hätte.
„Welche Erfahrung haben Sie mit der Arbeit auf einer Farm?“
Als sie auf ihre Unterlippe biss, schoss sein Blutdruck so sehr in die Höhe, dass er tatsächlich das Blut in den Ohren rauschen hörte, trotz des anhaltenden Gegackers der Hühner, die noch wegen des Wagens, dem Aufprall und der unerwarteten Besucherin in ihrem glitzernden Outfit höchst aufgeregt waren.
„Naja“, sagte sie langsam, „bis jetzt keine. Ich bin aber sehr entschlossen.“
Er lachte laut auf. Es klang rostig, ohne einen Funken Freude.
„Entschlossenheit wird weder den Hühnerstall fertigbauen, noch den Zaunpfahl ersetzen. Ich brauche jemanden, der tatsächlich die Arbeit machen kann, die er für mich erledigen soll.“ Guter Gott, er konnte es nicht fassen, dass er tatsächlich hier stand und mit ihr ihre Eignung diskutierte. „Sie können nicht meine neue Landarbeiterin sein.“
Einen Augenblick sah sie bestürzt aus, als sie zuerst ihn und dann seine Anzeige in ihrer Faust fixierte. Er konnte beinahe die Windungen in ihrem hübschen Kopf arbeiten hören, bevor sie nickte, als hätte sie eine Entscheidung getroffen.
„Sagen Sie mir etwas, das Sie erledigt haben möchten und ich mache es. Sofort jetzt, hier vor Ihnen, damit Sie sehen können, dass es mein Ernst ist.“ Sie sah ihm gerade ins Gesicht. „Ich will diesen Job, Grayson.“
Beim Klang seines Namens auf ihren Lippen, ihre leicht rauchige Stimme, die die Vokale ein wenig länger klingen ließ als die anderen Buchstaben, klemmte sich sein Magen eng zusammen. Es gefiel ihm nicht, wie er auf sie reagierte.
Es gefiel ihm nicht, dass er überhaupt reagierte.
Er sah betont auf ihre Schuhe. „Wollen Sie sagen, dass Sie in diesen Schuhen auf meiner Farm arbeiten wollen?“
Sie blickte auf ihre glitzernden High Heels, als hätte sie vergessen, dass sie sie trug. Wie, fragte er sich, konnte sie sie denn vergessen, wenn ihre Füße sie doch mörderisch schmerzen mussten?
Sie zuckte die Achseln. „Gewiss. Also, was wollen Sie, dass ich erledige?“
Er machte ein finsteres Gesicht, während er den Blick über sein Anwesen schweifen ließ, um etwas zu finden, das sie erledigen konnte, ohne dass sie sich dabei verletzte, da er keine Zeit vergeuden konnte, um sie zu einem Arzt zu bringen. Es sah jedoch so aus, als würde die halbe Stunde Verzögerung zu einer Stunde werden. Mindestens.
* * *
Bei der ersten Gelegenheit würde Lori dem Jungen im Krämerladen ihre Meinung sagen. Warum hatte er sie nicht informiert, dass Grayson nicht nur jung, sondern auch noch einer der bestaussehenden und männlichsten Typen war, die ihr je unter die Augen gekommen waren?
Sie hatte natürlich nicht gefragt, aber sie konnte garantieren, dass sie diese wichtigen Details nicht zu erwähnen vergessen hätte, wenn der Sandwich-Macher ein Mädchen gewesen wäre.
Nur, es hatte nichts zu bedeuten, dass er gut aussah, oder? Schließlich hatte sie mit Männern abgeschlossen.
Abgeschlossen.
Sie vertraute ihnen nicht mehr, nicht einem einzigen Mann, mit dem sie nicht bereits verwandt war. Sie betrogen, manipulierten, sie waren alle Mistkerle. Trotzdem war es nicht einfach, sich an all das zu erinnern, wenn sie vor einhundert Kilo Muskeln stand, durchdringenden braunen Augen und einer kantigen, mit dunklen Stoppeln großzügig übersäten Kinnlinie, über die jede Frau bei Verstand mit den Fingerspitzen streichen wollte, bevor sie sich vorbeugte für einen Ku…
Lori schüttelte gewaltsam den Gedanken aus ihrem Kopf. Okay, vielleicht hätte sie in dem Augenblick, in dem sie einen Blick auf den prachtvollen Grayson geworfen hatte, sofort in ihren Wagen steigen und auf Teufel komm raus davonfahren sollen. Nachdem sie ihre Versicherungsdaten für den kaputten Zaun abgegeben hatte, natürlich. Aber sie hatte das Gefühl, dass jedes Wort aus seinem Mund eine Herausforderung war.
Und Lori war noch nie fähig gewesen, einer Herausforderung zu widerstehen.
„Also“, sagte sie, „was steht als Nächstes auf Ihrer Liste?“
Gerade als sie die Frage stellte, beschloss ein Huhn an einem der Glitzersteine an ihren Schuhen zu pecken. Sie versuchte, dem Huhn aus dem Weg zu gehen, aber es folgte ihr und peckte noch heftiger an ihrem Fuß.
„Heben Sie die Henne auf und bringen Sie sie in den Stall.“
Sie wusste, dass er ihr wohl einen bösen Streich spielen wollte und glaubte, dass sie das vermasseln würde, aber wie schwer konnte es wohl sein, ein Huhn aufzuheben?
„Klar, kein Problem.“
Als Lori sich hinhockte und nach dem kleinen Körper griff, war das Huhn so darauf konzentriert, den Glitzerstein an ihrem Schuh zu fressen, dass sie keinerlei Schwierigkeiten hatte, die Hände um seine Mitte zu legen. Aber als sie gerade das Tier hochheben wollte, sah es sie alarmiert an, gackerte sein Missfallen, entwand sich ihren Händen und begann in die entgegengesetzte Richtung zu rennen.
Sie überlegte nicht, bevor sie ein Schimpfwort murmelte, aufstand und die Henne verfolgte. „Komm her, du“, sagte sie in einem absichtlich beruhigenden Ton, der aber mit einiger Frustration gefärbt war. „Es ist Zeit, in deinen Stall zurückzukehren.“
Als sie keinen Meter mehr vom Huhn entfernt war, wartete sie, bis es sich auf etwas konzentrierte, das in der Auffahrt kroch, bevor sie nochmals nach ihm griff. Aber das Tier war diesmal schlauer, und noch bevor sie seine Federn mit der Hand berühren konnte, stieß es einen lauten Schrei aus und flatterte halb und halb lief es von ihr davon.
Lori strich die Haare aus ihren Augen. Sie schwitzte bereits und vorne quer über ihr Top und an ihren Strumpfhosen klebte Schmutz. Aber sie war weit davon entfernt aufzugeben. Oh nein. Wenn Grayson glaubte, das würde genügen, um sie in die Wüste zu schicken, dann irrte er sich gründlich.
Sie nahm bereits die Verfolgung des Huhns wieder auf, als Grayson ihr den Weg versperrte. „Ich kann nicht zulassen, dass Sie sie noch mehr verschrecken, als Sie es bereits getan haben. Es bringt ihren Legezyklus durcheinander.“
„Ich wollte sie nicht verschrecken“, protestierte Lori und fühlte sich sofort schuldig, weil sie die Eierproduktion der Henne dauerhaft geschädigt hatte.
Er bückte sich, um die Henne aufzuheben, aber anstatt nach ihrem Schwanz oder den Flügeln zu greifen, formte er mit den Händen ein sanftes V an jeder Seite ihres Körpers und hob sie auf. Eine Hand hielt er fest unter der Henne, mit der anderen drückte er sie eng an seinen Körper, während er sie in den Stall trug.
Nun, dachte sie ziemlich irritiert, er hätte ihr sagen können, wie man das machte, bevor sie das Leben der Henne vermasselte. Während er ihr den Rücken zuwandte, bückte sie sich und griff nach einer weiteren Henne. Dieses Mal lief es anders – und viel besser, als sie das Tier hochhob und zum Stall hinübertrug.
Grayson drehte sich um, als sie gerade das Huhn hineingeben wollte. „Was zum Teufel machen Sie da?“
Sie hielt auf der Stelle inne und zog das Huhn etwas enger an ihre Brust. Die Wärme des plumpen Körpers trug dazu bei, den Stich seines wütenden Blicks zu mildern.
„Ich glaubte, Sie wollten alle Hühner drin haben“, sagte sie leise, um ihre gefiederte Freundin nicht zu verängstigen. „Wollen Sie das nicht?“
„Ja“, stieß er hervor, aber sein Blick wurde noch finsterer und mitnichten freundlicher. „Wie haben Sie sie hochgehoben?“
War das nicht offensichtlich? „Ich hab zugesehen, wie Sie es gemacht haben.“
Sein verärgerter Blick wanderte von ihr zum Huhn und es tat ihr ein bisschen leid, das Tier hierin verwickelt zu haben.
„Gut. Geben Sie sie in den Stall und sammeln sie dann die übrigen ein. Ich muss nachsehen, wie arg Ihr Wagen meinen Zaun beschädigt hat.“
Dieses Mal war es Lori, die Graysons zu breiten und viel zu muskulösen Rücken finster anstarrte. Von wegen ein Dankeschön zu hören oder vielleicht ein bisschen Lob, wie leicht es ihr gelungen war, die Dinge mit den Hühnern auf die Reihe zu kriegen. Es war, dachte sie, eine gute Erinnerung daran, dass es nie eine clevere Idee war, etwas zu tun, um einem Mann zu gefallen.
Ihr Frust ihm gegenüber hinderte sie aber nicht daran, das Huhn sanft zu behandeln. Auch nicht das ganze nächste Dutzend. Obwohl sie jetzt wusste, wie sie vorgehen musste, bedeutete das leider nicht, dass die Hühner deshalb Lust hatten zu kooperieren. Und sie musste zugeben, dass ihre Heels nicht absolut das beste Schuhwerk für einen matschigen, mit Kies bedeckten und mit Gras bewachsenen Boden waren, da die Absätze ständig im Rasen versanken. Zum Glück entdeckte sie einen Plastikteller mit etwas, das wie getrocknete Maiskörner aussah, an dem die Hühner außerordentlich interessiert zu sein schienen. Als sie den Teller hochhob und die „Leckerbissen“ schüttelte, war sie richtig hingerissen davon, wie die restlichen Hühner im Eiltempo in den Hühnerstall gerannt kamen.
Alle bis auf eine, verflucht. Sie reagierte weder auf die Leckerbissen noch darauf, wie sich all ihre übrigen Hühnerfreundinnen verhielten.
Nachdem die Henne ihr zum hundertsten Male ausgewichen war, kickte Lori ihre Schuhe weg und nutzte mit erneuerter Entschlossenheit die im jahrelangen lautlosen Gleiten über die Bühne gesammelte Erfahrung, um das Huhn zu verfolgen.
„Aha! Hab ich dich!“, rief sie aus, als sie die Henne endlich fest und sicher in den Armen hielt. Das Huhn stieß einen dazu passenden Laut aus, der sie laut auflachen ließ. „Hattest du Spaß, mich an der Nase herumzuführen, was?“
Sie hatte schon fast den Hühnerstall erreicht, als sie aufsah und bemerkte, dass Grayson sie mit einem so schockierten Ausdruck anstarrte, dass sie mit dem Huhn in den Armen beinahe gestolpert wäre.
„Was ist los?“ Sie blickte zu ihren Füßen hinunter. „Ist eine Schlange da im Gras?“ Sie konnte den Schrecken in ihrer Stimme nicht unterdrücken und blieb reglos stehen.
„Nein“, sagte er schnell, „da ist keine Schlange.“
„Gott sei Dank.“ Sie stieß scharf den Atem aus. Von den 20 Minuten Hühnerjagd nach ihrem Nachtflug und einer durchwachten Nacht war sie jetzt total erschöpft. Sie ging weiter zum Hühnerstall und setzte ihre nackten Füße nur nach einer sorgfältigen Prüfung des Bodens vor ihr nieder. „Ich geb sie nur in den Stall und dann können Sie mir sagen, was ich als Nächstes tun soll.“
Als Nächstes? Sie wollte, dass er ihr sagte, was sie als Nächstes tun sollte?
Sich schleunigst von seinem Anwesen – und aus seinem Leben – verziehen und ihr Lachen mitnehmen, das sollte sie als Nächstes tun. Das hätte er sich zumindest wünschen sollen.
Aber aus einem unerfindlichen Grund, den Grayson nicht verstehen konnte, schaffte er es nicht, sie in ihren Wagen zu stecken und sie aufzufordern abzuhauen. Obendrein hatte sie nach ihrem kläglichen Start tatsächlich mit den Hühnern gute Arbeit geleistet und es wäre nicht richtig gewesen, sie dafür zu bestrafen.
Sie schloss die Tür des Hühnerstalls zum letzten Mal, ging dann direkt zum Wasserschlauch und wusch die Hände, bevor sie sie an den Hüften abwischte und sich dann zu ihm umdrehte. Dummerweise zog dies seine Aufmerksamkeit zurück zu ihrer spektakulären Figur. Von der diese in Wirklichkeit nie abgewichen war. Sein Herz würde zu schlagen aufhören müssen, bevor er die Tatsache ignorieren konnte, ein echtes Pin-up-Girl in Fleisch und Blut auf seiner Farm zu haben.
Eines, das seine neue Landarbeiterin sein wollte.
Verflucht, er musste einen Weg finden, wie er sie dazu bringen konnte abzuziehen, bevor sie ihm noch tiefer unter die Haut ging, als es bereits der Fall war. Denn sogar in ihrem lächerlichen Aufzug, der jetzt schmutzverschmiert war, sah sie immer noch herzzerreißend schön aus. Und seine Frauenkenntnis sagte ihm, dass sie enorm pflegeleicht war, wenn es um Schmutz und Tiere ging. Warum flippte sie nicht wegen des Zustands ihrer Kleidung aus, wegen der zerrissenen Strümpfe und der Tatsache, dass ihre Heels jetzt voll nasser Erde und Grasflecken waren? Es musste ganz eindeutig etwas schrecklich schiefgelaufen sein in ihrem Leben, wenn sie glaubte, dass das hier eine Verbesserung war.
Es war leider auch nicht schwierig, in ihr den Drang zu sehen, ihr altes Leben hinter sich zu lassen und einen Neuanfang irgendwo zu machen, wo sie nie jemand suchen würde.
Denn genau das hatte er gemacht, als vor drei Jahren seine Frau gestorben war. Und in den letzten 36 Monaten war seine Farm in Pescadero sein Zufluchtsort vor der Vergangenheit und vor den Gedanken daran gewesen, was seiner Frau geschehen war … oder seine Rolle dabei.
Verdammt, er wollte nicht, dass diese Frau glaubte, es bedeutete ihm etwas, aber er musste es wissen. „Sind Sie irgendwie in Gefahr?“
„Gefahr?“ Sie sah ihn an, als wäre dies die eigenartigste Frage der Welt.
„Verstecken Sie sich vor jemandem, der versucht, Ihnen Schaden zuzufügen? Ist das der Grund, weshalb Sie hier sind?“
Eine Gefühlswallung überquerte kurz ihr Gesicht, bevor sie sie mit einem Lächeln verbarg, das ihn keine Sekunde überzeugte. „Nein, natürlich nicht.“
Sie bewegte sich wie eine Primaballerina, sogar als sie den Hühnern hinterherjagte, war aber offensichtlich keine Schauspielerin, weil sie um die Bohne nicht lügen konnte.
„Müsste ich dann also mit einem wütenden Ehemann oder Freund rechnen, der hier mit einem geladenen Gewehr auftaucht und wissen will, was ich mit seiner Frau mache?“
„Nein.“ Sie schrie das Wort fast, bevor sie tief Atem holte – so dass es ihm schwerfiel, den Blick nicht auf ihre Brust zu senken. „Ich bin nicht in Schwierigkeiten. Niemand ist hinter mir her. Ich will nur einfach einen Job auf Ihrer Farm.“
„Warum?“
Dieses Mal zögerte sie nicht, bevor sie sagte: „Weil es lustig zu sein scheint.“
Okay, sie wollte ihm eindeutig nicht die Wahrheit sagen. Aber obwohl er keinen Augenblick glaubte, dass die Arbeit auf einer Farm der Traum ihres Lebens sein könnte, war er ziemlich zuversichtlich, dass sie keinen wütenden Kerl auf den Fersen hatte.
Aber sie musste weg. Und er hatte genau den richtigen Plan, damit das gelang.
„Ich muss sehen, wie Sie ein paar der grundlegenden Arbeiten im Farmhaus erledigen.“
Eines musste er ihr zugutehalten – obwohl sie mit Sicherheit wusste, welche Arbeiten er meinte, nämlich solche die Klobürsten und Mopps erforderten – ließ sie ihr Lächeln nicht kippen.
„Klingt super“, sagte sie, obwohl es unstrittig alles andere war, aber anstatt ihm in das Haus zu folgen, fügte sie hinzu: „Und wenn ich die Arbeit gut mache, geben Sie mir dann den Job?“
Dickschädel war keine ausreichende Beschreibung für dieses Mädchen. Er bemühte sich, nicht allzu viel Respekt für ihre Entschlossenheit zu empfinden und betrachtete sie ein paar Augenblicke eingehend. Ihre Fingernägel waren lang, und obwohl jetzt Schmutz unter ihnen war, so waren sie doch schön manikürt und ihre Hände waren weich und glatt. Er würde all seine 400 Hektar Land wetten, dass sie kein Stäubchen Putzarbeit in ihrem ganzen Leben gemacht hatte. Mit diesen Beinen und einem solchen Körper war sie wohl die verhätschelte Geliebte irgendeines reichen Mannes gewesen.
„Wenn Sie es schaffen, die ganze Liste der Arbeiten im Haus zu erledigen“, sagte er so leichthin, wie er es zuwege brachte, denn bei der Vorstellung, dass Lori im Bett eines anderen Mannes, nackt und atemlos war und in dessen Armen kam, krampfte sich sein Magen plötzlich zusammen, „können Sie den Job auf Probe haben.“ Er wandte sich ab, bevor sie seine Reaktion auf sie sehen konnte.
„Auf Probe?“
Er warf ihr über die Schulter einen Blick zu. „Ein Schritt nach dem anderen, Lori. So wollen wir es angehen, bevor ich weiß, ob ich auf Sie zählen kann.“
„Sie können auf mich zählen“, sagte sie mit fester Stimme, während sie jäh an ihm vorbei und in sein Wohnzimmer rauschte. Und dann gab sie plötzlich kleine erfreut-überraschte Laute von sich.
„Oh schau sie dir nur an.“ Lori lief hinüber zur alten räudigen, verlotterten Scheunenkatze, die nahe dem Ende ihres neunten Lebens war. „Ist sie nicht schön?“
„Sind Sie sicher, dass wir dieselbe Katze sehen?“ Ehrlich gesagt war er erstaunt, dass Lori sogar imstande gewesen war, zu sehen, dass es ein Weibchen war.
„Sie kann Sie hören, wissen Sie“, sagte sie tadelnd und fügte hinzu: „Wie heißt sie denn?“
Er wollte Lori daran erinnern, dass sie sich um die Stelle als Landarbeiterin bewarb und nicht als beste Freundin, die den ganzen Tag mit ihm plaudern würde. Er liebte verflucht nochmal die Einsamkeit. Er hatte bereits bemerkt, dass sie nicht aufhörte zu fragen, wenn er eine ihrer sinnlosen Fragen nicht beantwortete.
„Mo.“
Sie hob eine Augenbraue. „Ihre Katze heißt Mo?“
„Stimmt.“
Sie wandte sich wieder der Katze zu und murmelte zärtlich, während sie sie streichelte: „Wie kann man einem so hübschen kleinen Mädchen einen so hässlichen Jungennamen geben?“ Sie sah finster zu ihm auf. „Wie einer von diesen hässlichen Komikern, den Three Stooges, obendrein!“ Sie konzentrierte sich wieder auf die Katze. „Du hast auf mich gewartet, dass ich hierher komme, damit ich dir ein wenig Liebe geben kann … und einen schönen Namen.“
Liebe. Das Wort traf ihn hart mitten in seinen Solarplexus, dass ihm die Luft aus den Lungen wich. Er glaubte, er hätte vor langer, langer Zeit die Liebe gekannt, aber er hatte keinen Schimmer, was Liebe wirklich war. Er wusste nur mit Sicherheit, dass sein Leben ohne sie besser war.
Seine Stimme war strenger als nötig, als er sagte: „Sie werden meine Katze nicht umtaufen.“
Es war aber, als könnte sie ihn nicht hören … obwohl er wusste, dass sie ihn sehr wohl gehört hatte, weil er keine zwei Meter von ihr und der Katze entfernt war.
„Ich habe den perfekten neuen Namen für dich!“ Sie sah so aufgeregt aus, dass die Katze tatsächlich ihren müden Kopf hob und sie anblinzelte. „Zuckerbohne.“
Grayson weigerte sich zu denken, dass irgendetwas an all dem niedlich war. „Mo“, wiederholte er. „Es heißt Mo.“
„Es ist eine Sie. Und ihr Name ist Zuckerbohne.“ Sie beugte sich vor, um Küsse auf den Kopf der Katze zu drücken und begann sofort zu niesen.
„Sie haben eine Katzenallergie.“ Die Feststellung klang wie eine Anschuldigung. Er sagte sich, dass es ihm egal war, wenn er zu barsch zu ihr war. Er wollte sie sowieso nicht hier haben.
„Nein, hab ich nicht.“ Sie nieste wieder, aber streichelte weiter die Katze. „Ihr Haus muss staubig sein.“
Das stimmte nicht, aber er sagte: „Wie gut, dass Saubermachen zu den Aufgaben meines Landarbeiters zählt, nicht wahr? Ich zeige Ihnen, wo die Reinigungsutensilien sind, damit Sie beginnen können.“
Die Erwähnung der Putzarbeiten schien ihr einen Dämpfer zu geben, aber anstelle von der Katze wegzugehen, fragte sie: „Wie alt ist sie?“
Er hatte lange genug mit Stieren gearbeitet, um zu wissen, dass es manchmal einfacher war zu warten, bis sie zu ihm kamen, anstatt zu versuchen, sie in die Besamungsbox zu drängen. Er lehnte sich an den Türpfosten und versuchte nicht wahrzunehmen, wie hübsch Lori aussah, wie sie mit gekreuzten Beinen auf dem Boden saß und die Katze streichelte. Wenn die Sonnenstrahlen, die durch das Fenster strömten, gerade richtig auf ihre Haare schienen, dann leuchteten die glänzenden dunkelbraunen Strähnen in ebenso vielen Rottönen wie die Blätter eines Ahornbaums im Herbst.
„Alt.“
Ihr Ausdruck änderte sich bei seiner kurz angebundenen Antwort nicht. Sie wich nicht zurück, noch sah sie besonders verärgert über ihn aus. Irrationalerweise wollte er jetzt sehen, was er tun konnte, um eine Reaktion von ihr zu bekommen.
„Wie alt?“
„Ich weiß nicht.“
„Also, wann haben Sie sie bekommen?“
„Ich fand sie in der Scheune, als ich die Farm kaufte.“ Da er wusste, dass die Frage noch kommen würde, fügte er hinzu: „Vor drei Jahren.“ Er blickte auf das Tier hinunter, das sich in sein Herz geschnurrt hatte, obwohl er sich weigerte, je wieder eines zu haben. „Sie wollte nicht weggehen.“
„Sie haben Glück, dass sie bei Ihnen geblieben ist.“
„Glück?“ Darüber musste er lachen, ein raues, zerrissenes Lachen ohne eine Spur von Freude. „Sie frisst nur Nassfutter, spuckt Haarknäuel so groß wie Tennisbälle aus und erledigt ihr Geschäft praktisch überall.“
„Ich hatte nie ein Haustier.“
Loris Schmollmund ließ ihre Lippen noch einladender zum Küssen aussehen. Machtlos fragte er sich unwillkürlich, wie sie wohl schmecken würde, wenn er mit der Zunge über ihre volle Unterlippe strich. Was würde sie tun, wenn er leicht in das Fleisch biss? Würde sie an seinem Mund zittern und stöhnen?
Er musste sich gewaltsam diese sinnlichen Gedanken aus dem Kopf schlagen, bevor er sich darauf konzentrieren konnte, was sie gerade sagte. „… Mom sagte immer, dass mit acht Kindern fertigzuwerden schon mehr als genug war.“
„Sie haben sieben Brüder und Schwestern?“
Mist, er hatte eigentlich nichts Persönliches fragen wollen, aber die Frage war ihm vor Überraschung über ihre Worte einfach über die Lippen gekommen. Wenn sie all diese Geschwister hatte, warum war keiner hier und zerrte sie zurück in ihr wirkliches Leben?
Sie lächelte von ihrem Schneidersitz zu ihm auf, während sie weiter die Katze liebkoste und wieder fühlte er die wunderschöne Kraft ihres Lächelns in jeder seiner Zellen.
„Sieben Geschwister und ein ganzes Rudel von Cousins. Ich habe ziemlich überall Familie.“
Das Wort Familie schlug an sein Herz, als hätte sie ein stark angespanntes Gummiband losgelassen, genauso wie vorhin, als sie über Liebe sprach.
Was zum Teufel machte er da? Er durfte nicht den Fehler machen, sie glauben zu lassen, dass sie Freunde sein würden. Wenn sie es durch den verbleibenden Tag schaffte, dann würde sie nicht lange bleiben. So schnell, wie sie hereingeweht war, würde sie wieder hinauswehen. Er durfte nicht den Fehler machen, eine Zuneigung zu ihr aufkommen zu lassen.
Deshalb musste er auch verhindern, dass Lori zu irgendetwas hier eine Zuneigung fasste.
„Mo wird bald sterben“, sagte er in einem sachlichen Ton. „Wirklich bald.“
Lori sah mit großen Augen zu ihm auf und zog dann die Katze sofort auf ihren Schoß, was ein Schnellfeuer von Niesanfällen auslöste. Natürlich war die gute alte Mo so alt und müde, dass sie kaum auf das laute Geräusch reagierte und sich tiefer in Loris Arme schmiegte.
„Wie können Sie das über Ihre eigene Katze sagen? Es ist, als hätten Sie überhaupt kein Herz.“
So wollte er es. Kein Herz zu haben, bedeutete, dass ihn nichts mehr verletzen konnte.