Grenzenlos verliebt (Die Maverick Milliardäre 5) - Bella Andre - E-Book

Grenzenlos verliebt (Die Maverick Milliardäre 5) E-Book

Bella Andre

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Beschreibung

Wir stellen vor: die Maverick-Milliardäre – sexy Männer, die sich gemeinsam durch die Hölle nach oben gekämpft haben und nun alles besitzen, was man sich nur wünschen kann. Die Mavericks verlieben sich jedoch alle Hals über Kopf in unglaubliche Frauen und stellen dabei fest, dass wahre Liebe das Einzige ist, was bisher gefehlt hat … Daniel Spencer ist stolz auf die milliardenschwere Firma, die er aufgebaut hat, doch es gibt für ihn kaum etwas, das er mehr genießt, als etwas mit bloßen Händen herzustellen. Lake Tahoe hat all das zu bieten, wonach er sucht – das Haus, das er gerade für seine Familie und Freunde baut, kristallklares Wasser und üppige grüne Berge. Alles, bis auf die perfekte Frau, mit der all dies teilen kann. Bis Tasha Summerfield ihm buchstäblich in die Arme fällt. Als sie erfährt, dass ihre Familie sie praktisch ihr ganzes Leben lang angelogen hat, flüchtet Tasha aus San Francisco in die Berge. Als sie versucht, ihren Kummer dadurch zu ertränken, dass sie ihr baufälliges Häuschen wieder instand bringt, ist, sich in einen sexy Milliardär zu verlieben, das Letzte, was ihr vorschwebt. Doch als ein Unwetter wütet und sie sich in einer verzweifelten Notlage befindet, steht Daniel bereit und wartet mit offenen Armen. Tasha glaubt, dass Daniel eine Frau aus einer perfekten, liebevollen, eng verbundenen Familie wie seiner verdient. Doch wie soll sie einem Mann widerstehen, der so gutmütig und großzügig ist … und der mit seinem Werkzeuggürtel so richtig sündhaft aussieht? Je mehr Tasha von diesem Leckerbissen nascht, desto schwerer fällt es ihr, die Hoffnungen und Träume, von denen sie glaubte, dass sie für immer zerstört waren, zu unterdrücken. Doch wird die Wahrheit die beiden erlösen, als herauskommt, dass auch Daniel letzten Endes keine Bilderbuchfamilie hat? Oder wird sie die einzige Chance, die die beiden je hatten, zerstören? "Die Maverick Milliardäre"-Reihe Verliebt bis über beide Ohren   Liebe ist nur was für Mutige  Keine Angst vor der Liebe  Keine Chance gegen die Liebe Grenzenlos verliebt

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Beliebtheit




Grenzenlos verliebt

Die Maverick Milliardäre

Buch 5

Bella Andre & Jennifer Skully

Inhaltsverzeichnis

Bucheinband

Titelseite

Copyright

Über das Buch

Eine Anmerkung von Bella & Jennifer

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Epilog

Alle Bücher von Bella Andre in deutscher Sprache

Über die Autorin

Grenzenlos verliebt

Die Maverick Milliardäre 5

© 2019 Bella Andre & Jennifer Skully

Übersetzung Katrina Morgental – Language + Literary Translations, LLC

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Wir stellen vor: die Maverick-Milliardäre – sexy Männer, die sich gemeinsam durch die Hölle nach oben gekämpft haben und nun alles besitzen, was man sich nur wünschen kann. Die Mavericks verlieben sich jedoch alle Hals über Kopf in unglaubliche Frauen und stellen dabei fest, dass wahre Liebe das Einzige ist, was bisher gefehlt hat …

Daniel Spencer ist stolz auf die milliardenschwere Firma, die er aufgebaut hat, doch es gibt für ihn kaum etwas, das er mehr genießt, als etwas mit bloßen Händen herzustellen. Lake Tahoe hat all das zu bieten, wonach er sucht – das Haus, das er gerade für seine Familie und Freunde baut, kristallklares Wasser und üppige grüne Berge. Alles, bis auf die perfekte Frau, mit der all dies teilen kann. Bis Tasha Summerfield ihm buchstäblich in die Arme fällt.

Als sie erfährt, dass ihre Familie sie praktisch ihr ganzes Leben lang angelogen hat, flüchtet Tasha aus San Francisco in die Berge. Als sie versucht, ihren Kummer dadurch zu ertränken, dass sie ihr baufälliges Häuschen wieder instand bringt, ist, sich in einen sexy Milliardär zu verlieben, das Letzte, was ihr vorschwebt. Doch als ein Unwetter wütet und sie sich in einer verzweifelten Notlage befindet, steht Daniel bereit und wartet mit offenen Armen.

Tasha glaubt, dass Daniel eine Frau aus einer perfekten, liebevollen, eng verbundenen Familie wie seiner verdient. Doch wie soll sie einem Mann widerstehen, der so gutmütig und großzügig ist … und der mit seinem Werkzeuggürtel so richtig sündhaft aussieht? Je mehr Tasha von diesem Leckerbissen nascht, desto schwerer fällt es ihr, die Hoffnungen und Träume, von denen sie glaubte, dass sie für immer zerstört waren, zu unterdrücken. Doch wird die Wahrheit die beiden erlösen, als herauskommt, dass auch Daniel letzten Endes keine Bilderbuchfamilie hat? Oder wird sie die einzige Chance, die die beiden je hatten, zerstören?

Eine Anmerkung von Bella & Jennifer

Sobald wir damit begonnen hatten, über die Maverick-Milliardäre zu schreiben, wurde unser Posteingang von E-Mails überflutet, die alle dieselbe Frage beinhalteten – wann würde Daniel sein Happy End bekommen?

Es ist uns ein großes Vergnügen, Ihnen endlich die Geschichte zu liefern, auf die Sie gewartet haben. Wir haben es in vollen Zügen genossen, Daniel und Tashas Geschichte zu schreiben. Und auch der Schauplatz hat es uns angetan. Lake Tahoe ist ein wunderschöner Teil Kaliforniens, den wir sehr gerne besuchen.

Vielen Dank dafür, dass Sie unsere Mavericks unterstützen – und unseren Traum vom Schreiben. Wir hoffen, dass Sie ganz verrückt nach Grenzenlos verliebt sein werden!

Viel Spaß beim Lesen wünschen

Bella und Jennifer

P.S. Mehr von den Mavericks gibt es schon bald! Bitte abonnieren Sie unseren Newsletter zu Neuerscheinungen, um weitere Informationen zu erhalten. BellaAndre.com/Germany & JenniferSkully.com/Newsletter

KAPITEL 1

Der See war strahlend blau und vollkommen ruhig, als Daniel Spencer auf der hinteren Terrasse seines Refugiums in Tahoe stand. Der frische Duft der Berge lag in der Luft und er atmete tief ein, um dessen Süße in sich aufzunehmen. Er hatte sich Fallen Leaf Lake als Standort für sein Haus am See wegen der spektakulären Aussicht ausgesucht, wegen der schneebedeckten Berge in der Ferne, wegen des Dufts der Wildblumen, die gerade anfingen zu blühen und wegen des Friedens, der in all dem lag, weg von der Hektik und dem Lärm der Stadt.

Abgesehen von dem unaufhörlichen Klack eines Tackers, der die vollkommene Ruhe störte.

Seit seinem letzten Besuch vor etwa drei Monaten musste jemand in den heruntergekommenen Schuppen auf dem Hügel gezogen sein – die blauen Plastikplanen auf dem Dach waren neu, und ein kleiner, etwas älterer Truck hatte den Platz der rostigen Schrottkarre auf der kiesbedeckten Auffahrt eingenommen. Er hatte sich immer gut mit seinen Nachbarn verstanden, doch er konnte seinen Ärger über die Störung nicht wegschieben.

Seine Familie hatte Recht gehabt; er hatte ein paar Tage Auszeit dringend nötig, um sich zu erholen. Es war schon zu lange her, dass er in den Urlaub gefahren oder hier heraufgekommen war, um an dem Haus zu arbeiten. Wochenenden waren auch nicht in Frage gekommen, da sie zu einer endlosen Aneinanderkettung von Geburtstagsfeiern und Sportveranstaltungen und Grillfesten mit seinen Freunden mitsamt ihren Frauen oder Freundinnen und Kindern geworden waren.

Die anderen vier Mavericks – Will, Sebastian, Matt und Evan – hatten alle ihre Traumfrau gefunden. Eine Lebensgefährtin, mit der sie alles teilen konnten. Liebe und Verbundenheit und Intimität. In den letzten paar Monaten war Daniel bewusst geworden, dass ihn die Tatsache, dass er der einzige alleinstehende Maverick war, von der Gruppe isolierte.

Er war das fünfte Rad am Wagen.

Wills Hochzeit hatte Daniels Unruhe in Gang gesetzt – und Evans und Paiges Einweihungsfeier vor Kurzem hatte das tiefe Loch, das sich in seinem Inneren ausbreitete, nur vergrößert. Zu Beginn hatte er versucht, es mit Arbeit zu füllen und hatte dafür gesorgt, dass er kaum Zeit für irgendetwas anderes hatte – besonders nicht zum übermäßigen Nachdenken. Doch er musste zugeben, dass die Zusammenarbeit mit ihm in diesen letzten paar Monaten unerträglich geworden war, da er zu viel erwartete und alle anderen genauso sehr forderte wie sich selbst.

Und die ganze Zeit über konnte er nicht anders als sich zu fragen, wozu das alles gut war? Er hatte seine bettelarme Kindheit überwunden, um Top Notch DIY zu der weltweit führenden Heimwerker-Kette zu entwickeln, deren Filialen überall auf der Welt verstreut waren. Sein Gesicht war während seiner Heimwerker-Fernsehsendung, die wöchentlich ausgestrahlt wurde, auf Millionen von Bildschirmen zu sehen. Er hatte mehr Geld, als er überhaupt ausgeben konnte. Doch es fehlte da etwas.

Es fehlte da jemand.

Jemand, mit dem er all dies teilen konnte.

Mit 36 hatte Daniel so einige Freundinnen gehabt, doch er hatte nie die eine Frau gefunden, mit der er die perfekte Liebe und Beziehung teilen konnte, die er bei seinen Eltern gesehen hatte. Es war ihm nie kitschig vorgekommen, zu sagen, dass er sich die Art von Liebe wünschte, die seine Mutter und sein Vater gefunden hatten. Wer wollte letztendlich keine Beziehung, die so gut, so ganz ohne Kanten und Hürden war – zwei Menschen, die immer füreinander dagewesen waren, komme was wolle?

Seine Mutter, Susan Spencer, setzte den Maßstab. Als Erwachsener konnte Daniel ihre Stärke und ihre Weisheit klar erkennen, Eigenschaften, die er nicht immer wertgeschätzt hatte, als er noch ein Halbwüchsiger gewesen war, der sich an der Grenze zwischen Richtig und Falsch entlanghangelte. Damals hatte er auch nichts für den sachlichen Rat seines Vaters übriggehabt. Doch Daniel wusste es jetzt besser. Seine Eltern waren seine Felsen in der Brandung, seine Wegweiser. Sie kamen niemals ins Wanken, vermasselten nie etwas, obwohl sie sich für den Großteil ihres Lebens nur mit Mühe und Not über Wasser hatten halten können.

Ganz egal wie hart ihr Leben gewesen war, hatten sie nie die wichtigen Dinge aus den Augen verloren: Liebe, Familie, Loyalität. In dem besagten verdreckten Wohnviertel in Chicago, was der einzige Ort war, in dem sie sich es leisten konnten zu wohnen, hatten Bob und Susan Spencer seine Freunde aufgenommen – all die Mavericks – und obwohl jeder einzelne Junge selbst harte Zeiten durchgemacht hatte, hatte es keinem je an Liebe oder Zuwendung gefehlt.

Daniel hatte seine Familie im Sinn, als er die Pläne für sein Haus zeichnete. Es war nicht als Junggesellenbude gedacht – er stellte sich vor, wie er draußen mit seiner Frau und seinen Kindern in der Sommersonne zusammen spielte und wie sie bei Vollmond draußen in der Feuergrube zusammen Marshmallows grillten.

Bis jetzt war von außen alles fertig, von den Verzierungen abgesehen. Er hatte Strom und Rohrleitungen, ein gebrauchsfertiges Badezimmer und einen sorgfältig handgefertigten Kamin aus Flusskieseln. Der Kühlschrank, die Mikrowelle und die Kaffeemaschine auf der Arbeitsplatte waren die einzigen Geräte in der Küche, die funktionierten, doch er kochte all seine größeren Mahlzeiten sowieso auf dem Grill. Er hatte ein großes Bett für das Hauptschlafzimmer hergebracht, sodass er einen anständigen Platz zum Schlafen hatte, doch obwohl die Holzwände getrocknet waren, befanden sich dort, wo die inneren Türrahmen hingehörten, Löcher, und unbearbeitete Holzlatten lagen da, wo ein Fußboden hätte sein sollen. Das Haus war nichts weiter als eine Hülle für seine Träume.

Genauso wie sein Leben.

Er schüttelte seinen Kopf und verfluchte sich selbst dafür, dass er wieder in ein seelisches Loch gefallen war. Diese Woche Pause von seiner Arbeit sollte dazu dienen, ihm neue Kraft zu geben. Er war einige Stunden vor Sonnenaufgang aufgestanden, um auf seiner Fahrt von San Francisco hier herauf den Arbeitsverkehr zu vermeiden. Unterwegs hatte er es kaum erwarten können, mit der Arbeit zu beginnen. Jetzt, da er hier war, war es an der Zeit, dass er sich auf die Tatsache konzentrierte, dass er nicht nur mit so viel Glück wie kein anderer auf der Welt gesegnet war, da es um sein Unternehmen und sein Bankkonto mehr als gut stand und er außerdem all seine engen Freunde hatte, doch auch, dass, ganz egal, womit er zu kämpfen hatte, er es niemals so schwer haben würde, wie seine Eltern es gehabt hatten. Besonders nicht, während er, kurz vor dem Memorial-Day-Feiertag, am Ufer eines herrlichen blauen Sees stand und ein einwöchiger Urlaub vor ihm lag.

Er wusste genau, was ihm wieder Vernunft einbläuen würde – eine Arschbombe in den kühlen See. Das Eis und der Schnee, von denen das Wasser in den vergangenen paar Monaten bedeckt gewesen war, war gerade erst geschmolzen.

Er warf schwungvoll sein Flanellhemd von sich, zog seine Stiefel und Jeans aus und sprang gerade im hohen Bogen in das kristallklare Wasser, als ein Schrei plötzlich die morgendliche Ruhe zerriss.

* * *

Tasha Summerfield hatte nie daran geglaubt, dass einem, in dem Augenblick, in dem man kurz davor war zu sterben, das ganze Leben vor den Augen vorüberziehen konnte.

Jetzt glaubte sie daran.

Vor fünf Minuten war sie vorsichtig mit ihrem Werkzeug, das von ihrem Gürtel um ihre Hüften herum baumelte, auf das Dach hinaufgeklettert. Dem Wetterbericht zufolge sollte bis Freitag ein Gewitter aufziehen und die Plane, die sie befestigt hatte, um all die undichten Stellen abzudecken, hatte sich gelöst.

Ihre Dachkante neigte sich steil nach unten, was glücklicherweise bedeutete, dass der Schnee, der während des Sturms in der vergangenen Woche gefallen war, schon dabei war, herunterzugleiten, anstatt sich anzuhäufen. Unglücklicherweise erschwerte es ihr, eine gute Position einzunehmen, um die viereckigen Plastikplanen mit einem Tacker zu befestigen.

Als sie sich am Rand festhielt, war ihre Hand zu dicht an den Tacker geraten, der beinahe ihren Daumen durchbohrt hätte.

„Pass auf, Tasha.“

Sie hatte sich in den letzten drei Monaten viel zu sehr daran gewöhnt, Selbstgespräche zu führen, doch sie konnte entweder Selbstgespräche führen, als hätte sie nicht mehr alle Tassen im Schrank, oder aber wegen der unendlichen Stille absolut den Verstand verlieren.

Außerdem war alles besser, als an ihre Familie zu denken.

Sie hatte mit aller Macht die Gedanken an ihren Vater und Bruder aus ihrem Kopf verbannt und war gerade damit fertig, die letzte Ecke der Plane festzutackern, als ein Nachfüllpäckchen mit Heftklammern aus ihrem Werkzeuggürtel herausfiel, aufbrach und der Inhalt in alle Richtungen verstreut wurde.

Als sie nach ihnen griff, verfehlte sie sie nicht nur, sondern stürzte außerdem vom Dach, suchte mit ihren Händen nach Halt, fand aber keinen.

Und als der Film ihrer 27 Lebensjahre vor ihren Augen abgespielt wurde, stach eine besonders schreckliche Szene in leuchtenden Farben hervor.

KAPITEL 2

Vor drei Monaten …

Der Ausblick aus dem Bürofenster ihres Vaters war grandios. Die San Francisco Bay sah düster und gewaltig aus, als sich im Norden ein Sturm zusammenbraute. Tashas Bruder Drew stand am Fenster, seine Arme vor seiner Brust verschränkt, sein Gesicht eine angespannte Maske, die so finster wie der bleierne Himmel hinter ihm war. Drew war fünf Jahre älter als Tasha und hatte dasselbe schwarze Haar, das sie von ihrer Mutter geerbt hatten, doch seines war raspelkurz geschnitten, ganz nach Manager-Art wie das seines Vaters.

Vor dem wuchtigen Eichenschreibtisch saß Eric Whitcomb III, ein Partner von Lakeside Ventures neben ihrem Vater und Drew. Tasha war mit Eric seit einem Jahr liiert. Er hatte sie am Tag, als ihr Vater ihn ihr vorstellte, von den Socken gehauen – er war 39, charmant, gutaussehend und kultiviert. Sie kam sich wie eine Figur aus Downton Abbey vor, wenn sie mit ihm zusammen war. Umworben und begehrt von einem englischen Gentleman.

„Setz dich hin, Natasha“, wies sie Reggie Summerfield an.

Er war ein liebevoller Vater, doch er war auch ein Mann, der auf Anhieb Respekt einflößte, also legte sie ihre Handtasche ab und setzte sich ihm zugewandt auf das Sofa. Sogar, wenn er hinter seinem riesigen Schreibtisch saß, war ihr Vater ein stattlicher Mann, mit stahlgrauem Haar und Augen so dunkel, dass sie beinahe schwarz waren.

Sie spürte seinen Blick auf sich wie einen Scheinwerfer. Dieser Blick erinnerte sie an all die Male, in denen er sie in ihrer Kindheit in sein Büro gebeten hatte – wo auch immer ihr Zuhause zu diesem Zeitpunkt gewesen war – und ihr eröffnet hatte, dass sie wieder umziehen mussten. Mindestens einmal im Jahr, manchmal öfter, hatte sie von ihren Freunden, ihrer Schule, den Lehrern, die sie liebte, und jeglichen Clubs, denen sie sich angeschlossen hatte, fortgehen müssen. Puff – ohne Vorwarnung, einfach weg. Sie hatte aufgehört zu zählen, wie oft sie an einem neuen Ort von Null angefangen hatte.

Dasselbe Gefühl der Nervosität führte bereits dazu, dass sich ihr Magen zusammenzog, als sie fragte: „Ist etwas nicht in Ordnung?“ Sie war kein Kind mehr, also waren es nicht mehr die Ängste ihrer Kindheit, neue Freunde finden zu müssen, die sie dieses Mal in ihren Klauen hatten. Stattdessen handelte es sich um die Sorgen einer Tochter mit einem immer älter werdenden Vater, einem, der ihr alles bedeutete. War ihr Vater krank? War das der Grund, warum Drew und Eric auch hier waren? Könnte das der Grund dafür sein, dass ihr Bruder so ernst und traurig aussah?

„Wir lösen das Unternehmen auf“, sagte ihr Vater. „Du musst dich eine Weile lang bedeckt halten.“ Er zog den Stoff seiner maßgeschneiderten Hose hoch und schlug seine Beine übereinander. Er war kein Mann, der gewöhnlich nervös herumfuchtelte, doch sie konnte schwören, dass er genau das gerade tat. „Fahre in den Urlaub, wie du es schon immer wolltest.“

Sie wurde von einer Welle der Erleichterung durchflutet, da er sie nicht mit einer Krankheit überfallen hatte. Aber wovon redete er da? „Du machst Lakeside Ventures dicht? Warum solltest du das tun?“

„Wir müssen auch die Internetseite herunternehmen“, entgegnete er, anstatt ihre Fragen zu beantworten. Er spielte mit einem Kugelschreiber herum, was eine andere Geste war, die ihm nicht ähnlich sah. „Und es wäre am besten, wenn du auch dein Unternehmen zumachtest.“ Er unterlegte die Worte mit einem ominösen Fingertrommeln auf der Stuhllehne.

„Mein Unternehmen zumachen?“ Es war undenkbar – was würde sie ihren Kunden sagen? Sie gestaltete interaktive Internetseiten sowie Marketingmaterialien und war vor Kurzem in den Bereich der interaktiven Werbespots eingestiegen. Vor einem Jahr hatte sie ihr Vater beauftragt, die Internetseite für Lakeside Ventures aufzubauen. Das Unternehmen war im Begriff, Timesharing-Urlaube zu revolutionieren und sie war so glücklich gewesen, ein Teil davon zu sein, weil sich alles, was ihr Vater anfasste, in Gold verwandelte. Doch nun verlangte er von ihr, dass sie alles auslöschte, woran sie gearbeitet hatte, seit sie vor fünf Jahren ihren College-Abschluss gemacht hatte? „Warum sollte ich das tun? Die Internetseite ist gut.“ Wirklich gut, wenn sie das so sagen durfte.

„Die Internetseite ist fantastisch, Tasha.“ Es war das erste, das Drew gesagt hatte, um ihr den Rücken zu stärken. Drew durchbohrte seinen Vater mit seinen blauen Augen. „Sag ihr die Wahrheit, Dad.“

Eric, der ihrem Vater gegenübersaß, schnaubte, schüttelte seinen Kopf und schaute in alle Richtungen bis auf ihre. Ihr war, als sei er ein anderer Mann, als der, der akribisch ihr Valentinstag-Rendezvous für morgen Abend geplant hatte. Er hatte ihr gesagt, dass sie von einer Limousine abgeholt werden würde, und ihr ein Geschenk versprochen, das sie umhauen würde. Sie hatte sich ein kleines Samtkästchen ausgemalt … und hatte sich insgeheim gefragt, ob sie wirklich zu all dem, was Eric ihr anbieten würde, bereit war.

Was ihr Vater als Nächstes sagte, setzte ihren Erwägungen ein jähes Ende. „Gegen uns wurden Ermittlungen eingeleitet.“

Er hätte sie nicht mehr schockieren können, wenn er sie draußen vor dem Fenster des zwanzigsten Stockwerks von ihren Fersen hätte baumeln lassen. „Ermittlungen? Von wem?“ Sie konnte sich auf all das keinen Reim machen, hatte es von dem Moment an nicht gekonnt, als sie das Büro ihres Vaters betreten hatte und die Atmosphäre darin als genauso düster und stürmisch empfunden hatte wie die Aussicht draußen.

„Von der Regierung. Ihrer Ansicht nach handelt es sich um Betrug. Wir haben einfach noch nicht unsere Finanzmittel erhalten, und ein paar ängstliche Kunden stellen, was wir tun, in Frage.“

Die erste Lakeside-Ferienanlage – auf die viele weitere folgen sollten – befand sich in Nordkalifornien. Tasha hatte die Baustelle schon vorher besuchen wollen, doch ihr Bruder hatte sie davon überzeugt, dass sie zu viel damit zu tun hatte, an der hochmodernen Internetseite zu arbeiten – und damit, die Projekte ihrer anderen Kunden am Laufen zu halten – um sich jetzt schon frei zu nehmen. Auf der Grundlage der Fotos vom See und der umliegenden Wälder, die Drew und ihr Vater bereitgestellt hatten, zusammen mit den Plänen des Architekten, hatte sie mit einer anschaulichen Grafik dargestellt, wie die Ferienanlage aussehen würde, bis hin zu der Innenausstattung der einzelnen Ferienwohnungen.

Es war unmöglich, dass die Regierung ihren Vater oder ihren Bruder verdächtigten. Es musste ein schreckliches Missverständnis sein.

Sie würde alles, was in ihrer Macht stand, tun, um diesem falschen Verdacht Einhalt zu gebieten. Ihr Vater konnte nicht all das aufgeben, wofür er so hart gearbeitet hatte. Und sie konnten das Drew ganz sicher nicht antun. Er war so stolz gewesen, als ihr Vater ihn gebeten hatte, in das Familienunternehmen einzusteigen, als er die Highschool abgeschlossen hatte – sie erinnerte sich noch immer daran, wie sie zusammen gefeiert hatten.

„Wir können das geradebiegen, Dad“, sagte sie, während sie von der Couch aufsprang und ganz von dem leidenschaftlichen Ziel erfüllt war, dieses Unrecht wiedergutzumachen. „Wir geben den Investoren die Pläne. Ich präsentiere ihnen die Internetseite, zeige ihnen, wie wundervoll alles aussehen wird, wenn du erst einmal die ganze Finanzierung zusammenhast. Und wenn du sie zu der Baustelle mit hochnimmst, wo die Ferienwohnungen gebaut werden, wirst du wieder eine reine Weste haben, und wir können uns wieder dem Bau der Ferienanlage zuwenden.“

„Werde erwachsen, Tasha.“ Erics barscher Ton schnitt ihr das Wort ab und ließ ihre Bitten zu Staub verfallen. „Es wird Zeit, dass du ein paar Tatsachen ins Auge siehst.“

In den letzten fünf Minuten hatte auf Tasha mehr als eine Überraschung gewartet. Doch die größte von allen war der Wandel in dem Mann, mit dem sie zusammen war. Verschwunden war jetzt der samtige, britische Akzent, die Fassade des kultivierten Eric-Whitcomb-des-Dritten war nun durch einen glanzlosen, amerikanischen Klang ausgetauscht worden. Verschwunden waren die angenehmen Gesichtszüge, verdorben von seinem angespannten Mund, der zu einem hässlichen, höhnischen Grinsen verzogen war. „Dein Vater möchte, dass du untertauchst, also tu einfach, was er sagt, und mach, dass du aus der Stadt verschwindest, bis sich das Ganze legt.“

Sie starrte ihn wie betäubt an. Eric hatte immer so perfekt auf sie gewirkt, so nett, so fürsorglich. Doch sie entsann sich, dass er ihr nur einmal den Namen des sogenannten Anwesens seiner Familie genannt hatte. Und waren sie nicht immer mit ihren Freunden, anstatt mit seinen, ausgegangen?

Jetzt wurde ihr alles klar. Er war nicht der, der er vorgegeben hatte zu sein. Und er hatte offensichtlich ihren Vater und Bruder in irgendeine Form von faulen Machenschaften mithineingezogen.

Sie ging auf ihn los und war zum Angriff bereit, fest entschlossen, ihre Familie zu rächen. „Womit hast du meine Familie hinters Licht geführt?“

Eric lachte, ein unbarmherziges, schrilles Geräusch. Was sie nicht davon abgehalten hätte, sich auf ihn zu stürzen, hätte er nicht folgendermaßen nachgelegt: „Süße, dein Vater hat mich zu diesem Deal dazu geholt. Wir haben schon vorher bei ein paar Nummern zusammengearbeitet – ich war immer ausgezeichnet darin, die Rolle des charmanten Strohmanns einzunehmen.“ Er grinste breit wie ein Haifisch und setzte noch einmal seinen britischen Akzent auf. „Überaus überzeugend, wenn ich das so sagen darf.“

Ihr Bruder durchbrach die feindselige Anspannung, die zwischen den beiden schwelte. „Halt die Klappe, Eric.“

Eric knurrte wie eine gereizte Wildkatze. „Dann sag ihr, dass sie besser aus der Stadt verschwinden soll, bevor wir alle verhaftet werden. Ich will nicht, dass sie mit irgendjemandem redet.“

„Verschwinde.“ Die Stimme ihres Vaters bremste Erics Redeschwall abrupt. „Auf der Stelle.“

„Na gut. Ich gehe. Kümmert euch bloß um dieses kleine – “

Sie würde nie erfahren, bei welchem Schimpfwort Eric sie hatte nennen wollen, denn Drew stand plötzlich da, seine Hand um Erics Oberarm, und zerrte ihm vom Stuhl. Er warf Eric aus dem Büro und schlug die Tür hinter ihm zu.

Tasha wartete darauf, dass ihr Vater alles abstreiten würde. Sie wartete darauf, dass Drew dasselbe tun würde.

Doch niemand stritt irgendetwas ab.

Stattdessen war alles, was ihr Vater sagte: „Es wäre besser, wenn du für eine Weile verschwinden würdest.“

Verschwinden. Als hätte sie etwas falsch gemacht.

Oh Gott. All die Male, in denen sie umgezogen waren …

War das der Grund?

„Ist es wirklich wahr?“ Sie versuchte vergebens, ihre Stimme zu mehr als einem Flüstern anzuheben. Versuchte vergebens, dem Zittern ihrer Glieder Einhalt zu gebieten. „War die Ferienanlage nur ein einziger Schwindel?“

Ihr Vater stand von seinem Sessel auf. „Liebes –“

Ihr schauderte es. Dann richtete sie ihren Blick auf Drew, der noch immer bewegungslos neben der Tür stand.

„Es tut mir leid, Tash.“

Sie wandte sich ihrem Vater zu und fuhr ihn an: „Ihr habt meine Internetseite dazu benutzt, um Leute auszunehmen?“

Je lauter ihre Stimme wurde, desto leiser wurde die ihres Vaters. „Offiziell warst du nur eine Auftragnehmerin. Dir wird nichts passieren, Liebes.“

Sie wollte ihn anschreien und ihm untersagen, jemals wieder diesen Kosenamen zu benutzen.

Drew streckte seine Hand nach ihr aus, hielt sich jedoch selbst zurück, bevor er sie letztendlich berührte. „Aus diesem Grund wollten wir nicht, dass du zur Baustelle gehst. Sodass niemand mit dem Finger auf dich zeigen kann. Und ich habe dafür gesorgt, dass du nie die Fährte –“ Er hielt inne, zum Schweigen gebracht durch den Blick, den sein Vater ihm zuwarf.

Doch sie konnte kaum hören, was er sagte, da sich ihre Gedanken im Kreis drehten nach all dem, was sie gerade erfahren hatte. War das der Grund dafür gewesen, dass ihr Vater sie ermutigt hatte, Webdesign und -entwicklung zu studieren? Er musste das Potential ihrer Kenntnisse gesehen haben, ahnungslosen Opfern das Geld aus der Tasche zu ziehen und hatte einfach nur abgewartet, bis sich die perfekte Gelegenheit auftat.

Der perfekte Betrug.

Es war abscheulich.

„Es tut mir so leid, Tash“, sagte ihr Bruder noch einmal in einem bekümmerten Ton. „Ich habe nie gewollt, dass du verletzt wirst.“

Doch er war ein Teil von all dem gewesen. Sie beide hatten sie angelogen. Sie ausgenutzt. Sie musste ihre Gedanken ordnen, musste herausfinden, wie lange das schon vor sich ging. „Was meinte Eric damit, als er sagte, dass er dich und Dad von anderen Nummern kennt?“

Ihr Vater ergriff das Wort, bevor Drew die Gelegenheit dazu hatte. „Wir haben schon einmal mit Eric zusammengearbeitet, das ist alles. Nicht der Rede wert.“

Sie konnte es nicht fassen, dass er versuchte, sie abzuwürgen, als hätte sie keine Ohren, um zu hören, oder keinen Kopf, um zu denken. Aber vielleicht, kam es ihr plötzlich in den Sinn, hatte sie das nicht. Hätte sie ansonsten nicht die Lügen erkannt? Lügen, die vor einer ganzen Weile begonnen haben mussten, als sie noch ein kleines Mädchen war?

Sogar schon vorher.

„Er hat das Wort Nummer gebraucht“, sagte sie, und ihre Stimme wurde jetzt etwas kräftiger. Härter. „Nicht Projekt. Und er sagte, dass ich verhaftet werden könnte.“

Auf eine für ihn typische ausweichende Art sagte ihr Vater: „Niemand wird dich verhaften. Das haben wir doch schon erklärt.“

Während sie aufgewachsen war, hatte sie nie in Frage gestellt, wie ihr Vater sich die feudalen Apartments, die Luxusschlitten oder die Fünf-Sterne-Urlaube und ihre Privatschule hatte leisten können. Das Einzige, das sie wusste, war, dass er mit „Investitionen“ zu tun hatte, wie so viele der Väter ihrer Freundinnen. Sie hatte sich nie erlaubt, sich zu sehr darüber den Kopf zu zerbrechen, warum sie so oft wie aus dem Nichts die Koffer packen mussten und immer so viel zurückließen.

Doch jetzt, als die Scheuklappen von ihren Augen gerissen worden waren, wurde ihr bewusst, dass ihr Vater jedes einzelne Mal vor einem zwielichtigen Deal, den er gerade am Laufen hatte, davonlief.

Wie hatte sie nur so blind sein können?

„Bist du ein Schwindler?“ Sie musste es aus seinem Mund hören.

Er winkte ab. „Das ist solch eine Fehlbezeichnung.“

Bevor sie entgegnen konnte, dass das ein lächerlicher Kommentar war, fügte Drew hinzu: „Wir nehmen Leuten Geld ab, die zu blöd sind, etwas Vernünftiges damit anzustellen.“

Sie drehte ihren Kopf gerade genug, um ihren Bruder anzustarren. Er hörte sich an wie ein Papagei, der einen Satz wiedergab, den ihm jemand anderes beigebracht hatte. Ein Satz, den ihm ihr Vater beigebracht hatte.

„Wir vergreifen uns nie an alten oder schutzlosen Menschen“, fuhr Drew in einem Ton fort, von dem sie sicher war, dass Drew dachte, dass er vernünftig klingen musste. „Nur Menschen, die die Art von Reichtum, den sie haben, nicht verdient haben. Menschen, die einen großen Batzen Geld geerbt haben, für den sie nicht gearbeitet haben, oder Geld, das ihnen unrechtmäßig zugekommen ist.

Das konnte nicht ihr Bruder sein, den sie liebte und zu dem sie aufschaute, seit sie ein Kind war. Drews größtes Lebensziel war es gewesen, in das Unternehmen ihres Vaters mit einzusteigen und ihren Dad stolz auf ihn zu machen. Doch er hatte offensichtlich von dem großartigen Reggie Summerfield eine Gehirnwäsche erhalten und dachte nun, dass es in Ordnung war, zu stehlen, solange man von Leuten stahl, die das Geld nicht „verdienten“.

Nur damit ihr Vater aus seinem Sohn einen Kriminellen machen konnte.

Ihre Wut brodelte, kochte über und überwältigte sie, als sie ihren Vater anfuhr: „Ich kann nicht glauben, dass du das Drew angetan hast. Ich kann nicht glauben, dass du mir den Auftrag gegeben hast, eine Internetseite zu erstellen, sodass du leichtgläubige Menschen derartig austricksen kannst, dass sie dir Geld für nichts geben.“ Das hätte vielleicht das Schlimmste von allem für sie sein müssen, doch es waren die Verbrechen, die ihr auf einer persönlicheren Ebene angetan worden waren, die ihr die Galle überlaufen ließen. „Und dass du so etwas Widerwärtiges tun würdest, wie mich zu ermutigen, mich auf deinen Komplizen einzulassen!“

Sie war kurz davor, sich auf den teuren Holzfußboden zu übergeben … für den mit gestohlenem Geld bezahlt worden war.

„Liebes. Es ist nicht so schlimm, wie du denkst.“ Die Stimme ihres Vaters klang versöhnlich, schmeichelnd, als könnte er sie mit schönen Worten umstimmen.

„Ich habe dir vertraut.“ Weil sie ihre Familie waren, und von der eignen Familie sollte man eigentlich niemals verletzt werden.

Wie sollte sie jemals wieder jemandem vertrauen, wenn sie noch nicht einmal auf ihr eigenes Fleisch und Blut zählen konnte? Am schlimmsten war es, Drew zu verlieren. Das war so viel schwerer, als Eric zu verlieren. Kein Wunder, dass sie nicht gewusst hatte, wie sie auf den Gedanken einer kleinen Samtschachtel und eines Heiratsantrags reagieren würde. Irgendwo tief in ihrem Inneren musste ihr bewusst gewesen sein, dass ihr Freund auf keinen Fall echt sein konnte.

Doch sie hätte nie vermutet, dass auch ihr eigener Vater und Bruder nicht echt waren.

„Es ist ausgeschlossen, dass jemand irgendetwas davon auf dich zurückführen könnte“, sagte ihr Vater. Noch immer keine Entschuldigung. Keine Reue. „Aber es wäre besser, wenn du aus der Stadt verschwindest, bevor die Ermittler kommen, um dir Fragen zu stellen.“

Mehr konnte Tasha nicht aushalten. Sie würde es nicht ertragen können, sich noch eine Ausrede oder schreckliche Wahrheit anzuhören.

Nachdem sie einen letzten Blick auf ihren Bruder geworfen hatte – und ihren Vater dabei keines Blickes gewürdigt hatte – lief Tasha davon.

* * *

Sie lief immer weiter, bis sie auf die Abgeschiedenheit in den Bergen in South Lake Tahoe stieß, dann das heruntergekommene Haus zu einem spottbilligen Preis kaufte und hoffte, dass die Arbeit, es wiederherzurichten ihre Gedanken so sehr beanspruchen würde, dass sie sich mit nichts anderem beschäftigen konnten.

Während der letzten drei Monate hatte sie eine Dusche, eine Toilette und ein Waschbecken eingebaut. Sie hatte Strom, fließendes Wasser und hatte einen Holzofen installiert, sodass sie nicht erfrieren würde. Sie hätte das Internet abgestellt, um sich noch mehr vom Rest der Welt abzuschotten, doch als ihre Bruchbude um einiges mehr Renovierungsarbeiten benötigte als sie erwartete hatte, brauchte sie einen Computer, um sich Videoanleitungen über Zimmerei, Klempnerarbeiten, Elektroinstallationen und die Handhabung von Zement anzuschauen. Doch abgesehen von den Heimwerker-Videos, die sie sich anschaute, hatte sie ihre Existenz aus E-Mails, Facebook und allen anderen Social Media ausgelöscht, und verbrachte keine zusätzliche Zeit im Netz.

Seit sie San Francisco den Rücken gekehrt hatte, war sei nur einmal für ein paar Tage in die Stadt zurückgekehrt, um sich mit den Ermittlern zu treffen. Sie hatte nicht nur ihre Vergütung für die Gestaltung der Lakeside Ventures Internetseite zurückgegeben – sie würde niemals unrechtmäßig erworbene Gewinne behalten – sie hatte ebenso den Ermittlern alles, was sie über den Ferienanlagen-Schwindel wusste, mitgeteilt, was nicht viel war, angesichts der Tatsache, dass sie keine Ahnung hatte, wohin ihr Vater und ihr Bruder gegangen waren; sie waren wie vom Erdboden verschluckt. Zum Glück war es den Behörden es gelungen, die Geschäftskonten einzufrieren, auf denen beinahe der gesamte Betrag noch immer vorhanden war, sodass der Großteil der geprellten Investoren ihr Geld zurückbekommen würden.

Letztendlich hatten sie die Ermittler gehen lassen, da sie ihr glaubten, dass sie nichts von der wahren Natur des Ferienanlagen-Schwindels gewusst hatte. Doch in ihrem Herzen fühlte sie sich noch immer wie eine Verbrecherin, nicht nur wegen dieses Schwindels, sondern wegen all der Male, in denen sie die anderen dieser Sorte nicht hinterfragt hatte.

Während ihrer letzten Tage in der Stadt hatte sie die letzten ihrer Internetseiten-Verträge zu Ende gebracht und dann ihr Unternehmen aufgelöst. Sie vermisste das Brainstorming mit ihren Kunden, vermisste es, ihnen dabei zu helfen, ihre Visionen zum Leben zu erwecken, etwas zu entwickeln, das möglicherweise ihr Leben zum Besseren verändern konnte. Nach dem Verlust ihres Vaters, ihres Bruders und ihres Freundes hatte es ihr beinahe das Herz vollends gebrochen, ihr Unternehmen über den Haufen zu werfen. Doch sie konnte sich nicht gestatten, eine Verbindung jeglicher Art zur wirklichen Welt aufrechtzuerhalten.

Vor allem, weil sie überhaupt nicht wirklich gewesen war.

In diesen letzten paar Monaten hatte es ihr entsetzlich gefehlt, sich mit Menschen zu unterhalten, einfach mit irgendjemandem, ganz egal wem, daher zu plaudern. Abgesehen von Hallo und Wie geht es Ihnen mit den Kassierern in den Lebensmittel­geschäften und Baumärkten, hatte sie kein Gespräch von Bedeutung mit einer einzigen Person geführt, seit sie nach Tahoe gekommen war. Sie hatte keinen ihrer Freunde angerufen, bevor sie untergetaucht war, hatte einfach nur eine Gruppen-E-Mail verschickt, in der sie bekanntgab, dass sie überarbeitet war und eine Pause brauchte und sie deshalb für eine Weile fort sein würde – quasi für immer. Dann hatte sie ihr Handy weggeworfen, sodass sie nicht in Versuchung geraten würde, irgendjemanden anzurufen.

Sie vermisste ihre Freunde schrecklich. Doch wenn sie mit einem von ihnen in Kontakt treten würde, wie könnte sie ihm nur erklären, was für eine Idiotin sie gewesen war? Und was viel schlimmer war, wie könnte sie jemals die Schuld für die Leben, die zerstört worden waren, weil ihr nicht früher bewusst geworden war, was für ein Schwindel ihr Leben war, abbüßen?

Einsamkeit geschah ihr recht. Einsamkeit war ihre Strafe.

Das Haus war das einzige, das sie hatte. Das war jetzt ihr Zuhause, das einzige Zuhause, von dem sie sagen konnte, dass es ihres war, nach der rücksichtslosen Art, auf die ihr Vater für den Unterhalt von allen aufgekommen war. Sie hatte die reine Luft und den kühlen See. Mit der Zeit würde ihr vielleicht mehr zustehen, doch fürs Erste hatte sie dieses Exil in diesem kleinen Winkel der Welt gewählt, bis sie lernte, wie sie die Motive von Menschen besser beurteilen konnte. Bis sie sich eingebläut hatte, nichts für bare Münze zu nehmen. Bis sie verstehen würde, was mit ihr nicht stimmte, dass sie Menschen in Schutz nahm, anstatt der Wahrheit ins Auge zu sehen.

Sie war in dem Glauben gewesen, ein solch wundervolles Leben zu haben, einen fantastischen Freund, eine liebevolle Familie. Doch es war alles ein Schwindel gewesen. Selbst den positiven Erinnerungen konnte sie nicht trauen. Sie waren nichts als Illusionen. Nur dieser See, dieses Haus, diese reine, frische Luft und die Vögel, die laut über ihr in den Bäumen zwitscherten, waren echt.

So echt wie das Grauen, das sie durchfuhr, als sie von der Dachkante stürzte – ein Fall, der ihrem Körper mit Sicherheit so viel Schaden zufügen würde, wie ihre Familie ihrem Herzen zugefügt hatte.

KAPITEL 3

Daniel kam so schnell er konnte an die Oberfläche und beeilte sich, aus dem Wasser zu gelangen und in seine Jeans und Stiefel zu schlüpfen. Noch immer triefend nass und mit nacktem Oberkörper bezwang er den Hügel wie ein olympischer Sprinter, sodass seine Lungen kurz vor dem Bersten standen. Er konnte nicht langsamer werden, nicht nach dem Grauen, das er aus diesem Schrei herausgehört hatte. Eine Schreckensvision nach der anderen schoss ihm durch den Kopf. Ein Wanderer, der mit zwei gebrochenen Beinen am Grund einer Schlucht lag. Ein Schwarm Wespen um ihn herum. Oder schlimmer.

Er rannte um die Ecke des baufälligen Hauses und sein Herz schlug ihm bis zum Hals, als er sah, wie eine Person vom Dach baumelte und sich mit ihren Fingern an der krummen Dachrinne festklammerte. Die so langsam abrutschten.

„Lassen Sie nicht los“, rief er. „Ich hole eine Leiter.“ Zum Glück stand sie nur drei Meter von ihm entfernt, und er zerrte sie schnell herüber. „Strecken Sie ihr Bein aus, und Sie können Ihren Fuß darauf abstellen.“

Als sie sich nicht regte, wurde ihm klar, dass die Frau zu sehr von ihrer Angst gelähmt war, um seinen Anweisungen zu folgen. Er stieg die Sprossen hinauf, fasste sie um ihre Taille und zog sie an sich.

„Ich habe Sie.“ Er zog sie instinktiv näher zu sich, als würde er sich vergewissern, dass sie außer Gefahr war, noch einmal zu herunterstürzen. „Sie können die Dachrinne jetzt loslassen.“

Das Blech war so rostig, dass es eine Sekunde später weggekracht wäre. Sie hatte verdammt großes Glück, dass es nicht durch die Wucht des Sturzes heruntergerissen worden war.

Die Vorstellung davon, was hätte passieren können, war so blutig, dass er sich Mühe geben musste, um seine Stimme sanfter klingen zu lassen. „Nur zu, legen Sie Ihre Hände auf die Leiter.“

Doch sie klammerte sich noch immer hartnäckig an der Dachrinne fest, ihre Fingerknöchel ganz weiß.

„Es ist alles gut“, raunte er mit einer tiefen, beruhigenden Stimme dicht an ihrem dunklen Haar, das aus ihrer Baseballkappe fiel, wobei die Sonne ihren langen Zopf blauschwarz erstrahlen ließ. Sie wirkte in den Schichten ihres Overalls, in den sie eingehüllt war, so klein. „Ich lasse Sie nicht fallen.“

Schließlich löste sich ihr Griff, der sie beinahe ihre Fingerknöchel gekostet hätte, und während sie zitternd ausatmete, legte sie eine Hand auf die Leiter und ließ die andere folgen.

„Ich habe Sie“, sagte er noch einmal, als er sie zwischen sich und die Leiter klemmte. „Sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie denken, dass Sie soweit sind, ganz nach unten zu steigen.“

Sie gab ihm lange keine Antwort und sagte schließlich: „Ich bin soweit.“

Ihre Stimme war leise, melodisch und spielte die Begleitstimme zu dem Klopfen seines Herzens und dem Rauschen seines Bluts.

Sie nahmen vorsichtig eine Sprosse, dann die nächste, in Angriff, und er ließ seine Hand auf ihrer Taille liegen, während sie sich zusammen auf den Weg nach unten machten. Als sie zurück auf dem Boden waren, musste er sich dazu zwingen, sie loszulassen.

Noch nie zuvor hatte eine Frau diese Art von unmittelbarer Reaktion in ihm ausgelöst. Allerdings hatte er auch noch nie eine Frau, die an einer Dachkante hing, gerettet. Ein gewaltiger Adrenalinschub hatte ganz bestimmt etwas für sich.

Als sie vor ihm stand, sah sie nicht einmal annähernd so klein aus, wie sie oben auf der Leiter gewirkt hatte, nur ein paar Zentimeter kleiner als er. Der wallende Overall und der Werkzeuggürtel hatten sie im Vergleich winzig erscheinen lassen. Sie war Mitte zwanzig, schätzte er. Sie hatte hohe Wangenknochen, lange Wimpern, himmelblaue Augen und eine Figur, die zu zum Anbeißen war. Er konnte nicht anders, als sie auf eine Art anzusehen, für die ihm seine Mutter einen Klaps gegeben hätte. Vor allem wenn man bedachte, dass es ihm nicht zustand, sie anzuschmachten, während sie eindeutig noch unter Schock stand.

Sie hielt sich an einer Sprosse der Leiter fest, um ihr Gleichgewicht zurückzuerlangen. Mit zusammengekniffenen Augen sagte sie: „Ich weiß nicht, was passiert ist. In einem Augenblick war ich auf dem Dach und habe die Plane festgenagelt – und im nächsten habe ich mich verzweifelt an der Dachkante festgeklammert.“ Sie öffnete ihre Augen und sah zum Dach hoch. „Ich schätze, der Fall ist nicht ganz so tief und ich hätte es vielleicht gut überstanden, wenn ich heruntergefallen wäre, aber alles passierte so schnell, dass ich nicht klar denken konnte.“

Dann wandte sie sich zu ihm, und sowohl ihre Augen als auch ihr Mund waren weit aufgerissen, als ihr Blick von seiner nackten Brust zu seiner durchnässten Jeans wanderte, und dann gezielt zu einem Felsen, der drei Meter entfernt aus dem Boden ragte.

Er hatte ganz vergessen, dass er kein Hemd anhatte – oder dass seine Jeans an seinen Schenkeln klebte, als wäre sie eine zweite Haut. Das einzige, das gezählt hatte, war so schnell wie möglich zu ihr zu gelangen.

„Ich stehe hier und rede Unsinn“, sagte sie mit einer Stimme, die plötzlich etwas atemlos klang, „doch was ich wirklich sagen sollte, ist danke.“

Es gab ein gutes halbes Dutzend nette Dinge, die er zu ihr hätte sagen können, um ihr über den Schock, vom Dach gefallen zu sein, hinwegzuhelfen – angefangen mit Gern geschehen – doch als ihm der volle Umfang dessen, was hätte passieren können, schlagartig bewusst wurde, war er allem gegenüber, bis auf die Gefahr, in die sie sich so gedankenlos begeben hatte, blind.

„Sie hätten sich ein Bein brechen können.“ Seine Stimme klang barsch, als ihm bewusst wurde, dass er sie genauso gut auf dem Boden hätte vorfinden können. „Oder schlimmer, abhängig davon, wie Sie gefallen wären. Erstens hätten Sie nicht allein auf das Dach steigen sollen. Und zweitens hätten Sie sich absichern sollen. Ihr Dach ist verdammt steil. Warum haben Sie nicht auf jemanden gewartet – wenn nicht auf jemanden, den Sie angeheuert haben, dann einen Freund oder ein Familienmitglied – um Ihnen zu helfen, diese Arbeit zu verrichten?“

Er glaubte, zu sehen, wie für den Bruchteil einer Sekunde Kummer ihre meeresblauen Augen verdunkelte, bevor sie sich aufrichtete und sagte: „Ich habe es ganz gut selbst hinbekommen, dieses Haus wiederherzurichten, ohne dass mir jemand dabei geholfen hat.“ Ihr Gesichtsausdruck wurde zerknirscht, als sie zugab: „Zumindest bis heute.“

Er zwang sich, seinen Blick von ihr zu dem Haus zu lenken. „Ich dachte, dass dieses Haus abgerissen wird.“ Die Holzverkleidung war von der Sonne ausgebleicht, die Fensterrahmen hatten Risse, und die Veranda, die man von der anderen Seite des Hauses aus sehen konnte, war eingesackt wie eine alte Couch. Beim näheren Hinsehen bemerkte er jedoch, dass sie die morschen Holzlatten neben der Eingangstür ausgetauscht hatte.

Er konnte nicht fassen, dass irgendjemand dieses Haus kaufen würde. Er wusste nicht, ob er sie dafür bewunderte … oder ob er einfach nur glaubte, dass sie nicht mehr alle Tassen im Schrank hatte.

Als ob sie seine Gedanken lesen könnte, stemmte sie ihre Hände in die Hüften und sagte: „Ich kann es wiederherrichten.“

„Klar.“ Er meinte das unverbindlich, einfach ein Wort, das er zu einer schönen Frau sagen konnte, die in seiner Brust seltsame Dinge anstellte.

Doch sie nahm es als Herausforderung. „Offensichtlich arbeite ich noch am Dach. Aber ich habe viel am Innenbereich gearbeitet. Kommen Sie, ich zeige es Ihnen.“ Sie marschierte die Stufen der Veranda hinauf und nahm an, dass er ihr folgen würde.

Natürlich tat er das, wobei er ihren impulsiven Trotz – und ihre überraschend hinreißenden Kurven – mehr genoss, als er seit langem irgendetwas genossen hatte. Wenn er auch noch immer verärgert über sie war, weil sie ohne Sicherheitsleine aufs Dach hinaufgestiegen war.

Doch bevor er sich da wieder hineinsteigern konnte, bemerkte er plötzlich die Worte, die auf ihre Baseballkappe gestickt waren. „Muss ich mir Sorgen machen?“ Er deutete auf ihren Kopf.

Sie fuhr mit ihren Fingerspitzen über den Schriftzug und sprach laut aus, was auf der Baseballkappe stand: „Ersthelfer bei Zombie-Apokalypse.“ Sie zuckte mit den Achseln, als sei es eine vollkommen normale Kopfbedeckung, die sie da trug. „Vertrauen Sie mir, Sie werden mein Training zu schätzen wissen, falls jemals ein Zombie hier vorbeikommt.“

Sie konnte das Lächeln, das er nicht zurückhalten konnte, nicht sehen, als sie sich umdrehte.

Zum Teufel, ja, natürlich würde er ihr folgen. Seine Mutter hätte den Ausdruck hin und weg gebraucht. Aber wirklich, die Frau war zu verdammt hübsch, um nicht die Aufmerksamkeit jeden heißblütigen männlichen Wesens in ihrer Reichweite zu erregen.

Aber dann wiederherum, welche Art Frau kaufte ein Haus wie dieses? Der heißblütige Mann in ihm hielt sie offensichtlich für perfekt – doch in Anbetracht der Tatsache, dass sie ganz allein an einem Haus in den Bergen arbeitete, konnte er die Wahrscheinlichkeit, dass es da etwas Seltsames mit ihr auf sich hatte, nicht leugnen.

Vor allem, weil diesen Schuppen als ein Haus zu bezeichnen … großzügig war. Der Fußboden und die Wände waren kahl, bis auf ein freistehendes Spülbecken, eine provisorische, hölzerne Küchentheke, auf der eine Mikrowelle und ein Laptop Platz fanden, ein paar Kisten auf dem Boden, die mit Küchen-Krimskrams gefüllt waren, einer Luftmatratze in der Ecke neben dem Holzofen, einem Klappstuhl und einem Campingkocher. Der Küche an sich fehlten sowohl Küchengeräte als auch -schränke. Der einzige zweckmäßige Einrichtungs­gegenstand neben dem Spülbecken war ein Mini-Kühlschrank, in den Milch und Joghurt hineinpassten, aber nicht viel mehr.

„Der Kamin fängt an zu bröckeln, deshalb habe ich einen Holzofen eingebaut, der das Haus schön warm hält.“ Sie wedelte mit ihrer Hand, als wäre sie gerade dabei, ihm eine Auswahl funkelnder Diamanten zu präsentieren.

Sie hatte überraschend gute Arbeit dabei geleistet, die alten Steine herauszureißen und einen großen Holzofen mit einem vernünftigen Katalysator einzubauen. Er würde die Küche und das Wohnzimmer heizen und auch dem Schlafzimmer einen Hauch Wärme spenden.

Als sie seinen Blick auf die Luftmatratze bemerkte, stieß sie sie mit ihrem Stiefel an. „Sie ist überraschend bequem und sie hat sogar ihre eigene Luftpumpe. Das einzige Problem ist, dass, wenn es kalt ist, die Luft darin sich auch abkühlt, also brauche ich einen genauso großen Haufen Decken unter mir wie auf mir. Deshalb habe ich sie hier hineingezogen.“ Sie deutete mit einem Nicken in Richtung Schlafzimmer. „Und auch deshalb, weil da drin ein paar Löcher im Fußboden sind – na ja, vielleicht mehr als ein paar.“ Sie grinste ihn verlegen an. „Ich wollte mir nicht mitten in der Nacht einen Knöchel brechen.“

Ihre Stimme war wie Musik, von der er berieselt wurde, und er sagte nichts, um sie weiterreden zu lassen.

Sie wirbelte in der Mitte des Raums herum, wobei sie ihre Arme ausstreckte. „Ich habe im Innenbereich Isolierungsmaterial und Rigipsplatten angebracht, weil man stellenweise geradewegs durch die Holzwände hindurchsehen konnte, und nachts pfiff der Wind durch. Sie müssen selbstverständlich noch verspachtelt und verputzt werden, und dann kann ich sie streichen“, fügte sie hinzu, als schäme sie sich für die Kahlheit der Rigipsplatten. „Und einige der Holzdielen waren morsch, also habe ich sie ausgetauscht. Aber ich würde wirklich gerne einen anständigen Unterboden und Holzfußboden legen. Oder Laminat.“

„Holzfußboden“, schlug er vor, obwohl sie nicht um seine Meinung gebeten hatte.

Sie war nun so richtig in Fahrt und zeigte ihm, was sie zuwege gebracht hatte, wobei der Stolz einen rosa Schimmer auf ihre Wangen zauberte. Trotz seines ursprünglichen Eindrucks, dass das Haus eine Bruchbude war, war er nach ihrer Mini-Führung verblüfft, was sie alles geschafft hatte, so wie es aussah, ganz alleine.

„Wo haben Sie gelernt, das alles zu tun?“

Sie deutete auf einen Laptop. „YouTube-Videos und Heimwerkerprogramme. Es ist erstaunlich, was man im Internet so alles lernen kann. Ich habe herausbekommen, wie man eine Toilette und eine neue Dusche installiert, außerdem einen Waschtisch und ein Waschbecken. Ich muss nur noch die Fliesen legen. Dann ist da natürlich noch die Küche. Und das Dach. Aber ich muss auf beständigeres sonniges Wetter warten, bevor ich das in Angriff nehmen kann.“

„Sie haben all das alleine gemacht? Von Grund auf, ohne das Geringste darüber zu wissen?“

„Nun ja. Ich schaue mir nicht nur ein Video an, bevor ich ein neues Projekt beginne. Ich schaue mir einen ganzen Haufen an, weil jeder eine andere Technik verwendet. Wenn man sie alle miteinander kombiniert, klappt alles wie am Schnürchen.“

Ihr Lächeln haute ihn um. Schon wieder.