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Prickelnd und romantisch: Dieses Katz-und-Maus-Spiel sprüht nur so vor Leidenschaft!
Alaun de Montisfryth bekommt den Auftrag, die walisische Grenze des britischen Königreichs zu sichern. Auf dem Weg dorthin will er an einem Turnier teilnehmen, das von den Erzfeinden seiner Familie auf Versallet Castle abgehalten wird. Eloise ist die verwitwete Herrin des Schlosses und nicht nur schön, sondern vor allem eigensinnig und blitzgescheit. Von Männern hat sie keine sehr hohe Meinung, und von Soldaten schon gar nicht. Als die beiden aufeinandertreffen, sprühen sofort die Funken. Montisfryn ist fasziniert von Eloises Schönheit und ihrer elektrisierenden Leidenschaft. Doch die hat sich geschworen, niemals wieder zu heiraten …
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Seitenzahl: 807
Buch
Nach dem Tod ihres Ehemannes kehrt die junge Lady Eloise in ihr Elternhaus zurück und wird auf Wunsch ihres Vaters Burgherrin von Versallet Castle. Als auf dem Schloss ein Turnier ausgerufen wird, findet sich Alaun de Montisfryn ein, und er hat nur eins im Sinn: sich für eine vor Jahren erlittene Schmach zu rächen. Als Prämie für den Sieg des Turniers verlangt er niemand anderen als die schöne und eigenwillige Eloise; sie soll ihn nach Montisfryn Castle begleiten und ihm künftig als Burgherrin dienen. Insgeheim hat er längst den Plan gefasst, sie zu seiner Ehefrau zu machen, weiß allerdings auch, dass Eloise in den vergangenen Jahren jeden Bewerber um ihre Hand energisch abgewiesen hat. Alaun kann das Turnier für sich entscheiden, und Eloise muss ihm wohl oder übel auf seine Burg folgen. Doch Lady Eloise denkt gar nicht daran, sich dem jungen Earl ohne Weiteres unterzuordnen. Inmitten hitziger Wortgefechte sprühen zwischen Alaun und Eloise jedoch bald die Funken, und die beiden sind in Leidenschaft zueinander entbrannt …
Autorin
Stephanie Laurens begann mit dem Schreiben, um etwas Farbe in ihren wissenschaftlichen Alltag zu bringen. Ihre Bücher wurden bald so beliebt, dass sie ihr Hobby zum Beruf machte. Stephanie Laurens gehört zu den meistgelesenen und populärsten Liebesromanautorinnen der Welt und lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Töchtern in einem Vorort von Melbourne, Australien.
Von Stephanie Laurens bereits erschienen
Ein feuriger Gentleman · In den Armen des Spions · Eine stürmische Braut · Ein süßes Versprechen · Ein widerspenstiges Herz · Stürmische Versuchung · Ein sinnliches Geheimnis · Triumph des Begehrens
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Stephanie Laurens
Duellder Sehnsucht
Roman
Deutschvon Jutta Nickel
Die Originalausgabe erschien 2013 unter dem Titel »Desire’s Prize« bei Svandek Management Proprietary Limited, Melbourne.
Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.
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1. AuflageCopyright der Originalausgabe © 2013 by Svandek Management Pty LtdPublished by Arrangement withSvandek Management Pty LtdCopyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2016 by Blanvalet in der Verlagsgruppe Random House GmbH,Neumarkter Str. 28, 81673 MünchenDieses Werk wurde vermittelt durch die LiterarischeAgentur Thomas Schlück GmbH, 30827 Garbsen.Redaktion: Sabine WiermannUmschlaggestaltung und -motiv: © Johannes Wiebel | punchdesign, unter Verwendung von Motiven von Chris Cocozzaund Shutterstock.comBS · Herstellung: kwSatz: DTP Service Apel, HannoverISBN 978-3-641-16050-0V001www.blanvalet.de
Widmung
Dieses Werk ist allen gewidmet, die ihren Beitrag zur E-Book-Revolution geleistet haben – Mark Coker und Smashwords, Amazon mit seiner KDP-Plattform und den anderen Händlern, die ihrem Beispiel gefolgt sind –, insbesondere aber all jenen Autoren, die mutig in diese aufblühende Welt geschritten sind und sie zu dem florierenden und sich ständig weiter entfaltenden Unternehmen geformt haben, das jetzt daraus geworden ist.
Besonderer Dank gilt den Autoren, die ihre Erfahrungen und ihr Wissen so großzügig mit mir geteilt haben – meinen Kollegen vom Authors Friends Loop sowie denen, die sich mit klugen Beiträgen und Kommentaren in Blogs zu Wort gemeldet haben. Eure Mitwirkung, egal ob groß oder klein, hat geholfen, dass dieses Buch meine Leser erreicht.
Warum? Weil für einen im Mittelalter spielenden Liebesroman, welcher von einer bekannten Autorin geschrieben wurde, deren Name mit historischen Romanzen der Regency-Ära gleichbedeutend ist, eine Publikation auf traditionellen Wegen nicht infrage kommen konnte.
So war es damals – und jetzt ist jetzt.
Mit aufrichtiger Wertschätzung für all die Menschen, die das »Jetzt« zu dem gemacht haben, was es ist.
Prolog
Versallet Castle, an der Grenze zwischen Hampshire und WiltshireJuni im zwölften Jahr der Herrschaft König Edward III. (1338)
Was für ein Dummkopf er doch war – ein geradezu erbärmlicher Dummkopf.
Wwumms!
Die Gewalt, mit der die Keule auf Alauns Lederschild traf, drohte ihn in die Knie zu zwingen. Wie benommen pumpte er Luft in die Lunge, zwang seine erschöpften Muskeln zum Gehorsam und riss sich hoch – genau rechtzeitig für den nächsten gewaltigen Schlag.
Krrrawumms!
Das Geräusch der Hiebe wurde eintönig, so regelmäßig prasselten sie auf ihn ein, und er konnte die Flut nicht aufhalten. Schweißtropfen bildeten sich unter der Kopfhaube seiner Rüstung und rannen ihm in die Augen. Blinzelnd brachte er sich für den nächsten herkulischen Schlag in Stellung und erhaschte einen Blick auf die Augen seines Gegners.
Henry de Versallet genoss es nach Kräften.
Henry war gerade vierzig Jahre alt geworden, stämmig, mit breiter Brust und Armen wie eine derb gehauene Eiche. Was er im Lauf der Zeit an Schnelligkeit und Wendigkeit eingebüßt hatte, machte er mit Geschicklichkeit mehr als wett. Es drängte ihn nicht, dem Kampf ein Ende zu setzen.
Wieder bebte Alauns Schild. Der Aufprall erschütterte die Schulterplatten. Fluchend wünschte er sich, klüger gehandelt zu haben. Er hatte den Kampf vorgeschlagen und darauf vertraut, dass sein Vorteil in Größe und Reichweite entscheidend sein würde. Doch stattdessen steckte Henry mitten in der Schlägerei seines Lebens und genoss sie in vollen Zügen; kein Zweifel, dass er hinter dem heruntergeklappten Visier seines Helms von einem Ohr zum anderen grinste.
Rrrummms!
Alaun schwanden die Kräfte, als er sich für den nächsten gewaltigen Hieb bereitmachte. Das Breitschwert hing ihm nutzlos in der Faust, denn er war zu schwach, es zu heben. Weil er wusste, dass Henry die Keule bevorzugte, trug er sowohl Schild als auch Kettenhemd, während Henry, der nur die stumpfe Spitze des Turnierbreitschwerts abzuwehren hatte, lediglich in Haubert und Wappenrock erschienen war. Ohne das zusätzliche Gewicht des gepanzerten Schutzschildes genoss der Mann einen beachtlichen Vorteil, vorausgesetzt, dass es auf Ausdauer ankam.
Und dafür hatte Henry gesorgt, indem er sich weigerte, den ersten Schlag zu führen, bis Alaun wild geworden war und es vor Ungeduld kaum erwarten konnte, endlich loszuschlagen. Und dann hatte die Keilerei begonnen.
Krrrach!
Alaun taumelte. Bei jedem anderen Mann hätte er sich längst ergeben. Aber wie hoch die Bestrafung auch immer ausfallen mochte, niemals konnte sie so hoch sein, als dass er einen de Versallet um Schonung angefleht hätte. Nie hatte er die lange währende, in mancher Hinsicht subtile Feindseligkeit jemals ganz verstanden, die seit Generationen zwischen ihren Familien schwelte – angefangen hatte es angeblich damit, dass die rein normannischen Vorfahren der de Versallet die de Montisfryth beleidigt hatten, indem sie behaupteten, deren Blut wäre mit irisch altnordischem, keltischem und sächsischem Blut vermischt. Seine Familie hatte erfolgreich gekontert und war von William dem Eroberer zum Lord des Grenzlandes ernannt worden – zu Herren über die Grenzregion, die innerhalb ihrer Domänen als allmächtige Herrscher auftreten konnten.
Rrrumms!
Schmerz schoss ihm den linken Arm hinauf; er biss die Zähne zusammen. Seine unkluge Herausforderung sollte ein unrühmliches Ende finden. Aber selbst wenn Henry den Hengst seines verstorbenen Vaters von Alaun gewinnen sollte – seinen Stolz konnte ihm niemand rauben.
Den Schlag, der ihn zu Boden brachte, sah er nicht, spürte ihn kaum. Plötzlich kippte der Horizont und drehte sich, dann hüllte der Staub der Kampfarena ihn ein. Gut, dass es bis zur Hochzeit noch ein paar Stunden dauert, war sein letzter zusammenhängender Gedanke, denn keine Lady und nur wenige Edelleute waren Zeugen der schmachvollen Niederlage.
Seliges Schwarz umfing ihn. Seufzend ergab er sich; die Ehre war unversehrt.
Die gepanzerten Beine weit gespreizt und die Keule in einer fleischigen Faust, starrte Henry de Versallet auf seinen reglosen Gegner. Erst als er sich überzeugt hatte, dass de Montisfryth keine weiteren Züchtigungen vertragen konnte, brummte Henry missbilligend und schob das Visier seines Helms hoch.
Er blinzelte durch den Sehschlitz und ließ den Blick über die Arena schweifen.
»He, Junge!«, brüllte er, als er ein erblasstes Gesicht entdeckte, das aus der Tracht der Montisfryth ragte, »komm her und kümmere dich um ihn!«
Der beschwörende Appell ließ nicht weniger als fünf blass gewordene Gefolgsleute der Montisfryth zu ihrem jungen Lord stürmen und sich um ihn bemühen. Schweigend dachte Henry, dass es in Ordnung ging, denn obwohl der Jüngling schlank und geschmeidig war, wog er mit Rüstung und allem Drum und Dran gewiss eine Tonne. Knurrend wandte Henry sich ab.
Der Vormittag war ausgesprochen zufriedenstellend verlaufen.
Er lächelte breiter, als sein Blick bis zum bewehrten inneren Bereich der Burg schweifte, die knapp zweihundert Yards vom Turnierplatz entfernt lag. Ja, der Vormittag war gut verlaufen, aber der Nachmittag würde allem die Krone aufsetzen.
Er zog sich die Handschuhe aus und gesellte sich zu seinem alten Freund Albert d’Albron am Eingang der Arena.
»War das wirklich nötig?« Albert, ein dünner, feingliedriger Schöngeist mit gegabeltem, schwarzem Bart, der in eine rot-grün karierte Houppelande gehüllt war, die in Falten um ihn herumwogte, betrachtete Henry resigniert und missbilligend.
»Kann man einen Tag besser anfangen als einem Jüngling Manieren beizubringen?« Henry reichte seinem Knappen den Helm, warf ihm die Handschuhe zu und atmete tief durch. Die Luft am Morgen war frisch und gewürzt mit dem Holzrauch, der aus den Hütten des Dorfes aufstieg. »Sieh nach Lord de Montisfryth und erstatte mir Bericht. Und vergiss nicht, den Hengst an dich zu nehmen.«
»Aye, M’lord.« Der Knappe grinste.
Henry kniff die Augen zusammen.
»Ich wünsche keine Schlägerei unter den Gefolgsleuten, hörst du.«
Schnaubend schlug Henry den Weg zur Burg ein.
»Das wäre wirklich das Letzte, was ich gebrauchen kann. Raufereien, die das Hochzeitsfestmahl stören. Elaine wird mir ohnehin schon genug zusetzen.«
Albert zog die Brauen hoch.
»Ich hatte nicht damit gerechnet, dass du es ihr erzählst.«
»Eigentlich hatte ich auch nicht die Absicht.« Henry zuckte, als er die Hand zur linken Schulter hob. »Aber ich will verflucht sein, wenn ich nicht ein wenig ihrer Zaubersalbe gebrauchen könnte.«
Albert zog die Brauen noch höher.
»Ich dachte, dass du ihm eine Lektion erteilt hast und nicht umgekehrt?«
Grimmig verzog Henry das Gesicht.
»Der verdammte Welpe hat so viel Schlagkraft im Arm, dass er für jeden Mann eine Herausforderung darstellt.« Henry grinste boshaft. »Ich bin heilfroh, dass ich ihn rechtzeitig erwischt habe.«
Um sie herum stieg der Morgennebel vom Fluss Bourne auf, waberte zu ihrer Rechten stetig südwärts und verflüchtigte sich, als sich die Sonne östlich hinter dem Fluss triumphierend über dem königlichen Wald von Clute erhob. Hinter ihnen lag der Turnierplatz in feierlichem Frieden, die Pavillons der wettstreitenden Ritter sahen aus, als hätte man auf dem grünen Abhang mit Edelsteinen besetzte Blüten gepflanzt. Erkennungsfahnen wehten in der Brise. Vor ihnen erhob sich Versallet Castle. Die Landbevölkerung lieferte die für die Festlichkeiten georderten Waren an, eilte pfeifend über die Straße, drängelte sich auf der Zugbrücke und strömte dann durch das Burgtor herein. Aus Respekt und Ehrfurcht schlugen sie einen weiten Bogen um ihren Lord.
»Was hast du mit dem Hengst vor?«
Alberts Frage klang beiläufig, Henrys Antwort dagegen nicht.
»Ich werde ihn als Zuchthengst einsetzen. Seit Jahren schon habe ich ein Auge auf ihn geworfen, aber de Montisfryth – der verstorbene – hätte ihn niemals hergegeben.«
»Aha!« Albert musterte seinen Freund mit zusammengekniffenen Augen. »In dir steckt Bosheit, Henry de Versallet. Mag sein, dass du den jungen de Montisfryth hast glauben lassen, er habe dich herausgefordert, aber du selbst hattest es doch die ganze Zeit schon im Sinn!«
Henry grinste, er fühlte sich mächtig geschmeichelt.
Albert schnaubte.
»Du solltest dich schämen. Zweifellos wirst du doppelt so lange im Fegefeuer schmoren wie alle anderen.«
»Nein, wohl nicht.« Henry grinste noch breiter. »Mit dem Gewinn, den ich aus dem Besitz eines Hengstes von Montisfryth schlage, stifte ich eine weitere Kapelle. Der Herrgott, so wurde mir versichert, gewährt Ablass bei solcherlei Taten.«
Wieder schnaubte Albert.
Der äußere Burghof summte und brummte vor Geschäftigkeit, als würden Ameisen einen Hügel versorgen. Der Fuhrmann hatte eine Menge Holz geliefert; Burschen eilten hin und her und luden die Stämme ab. Ein ganzes Heer von Frauen schrubbte die Kirchentreppe, damit sie bei der Hochzeit seiner Tochter hell erstrahlte und von der vornehmen Herkunft des Besitzers kündete. Henry betrachtete den Anblick mit unverhohlener Zufriedenheit.
»De Cannar hat deine Bedingungen also akzeptiert?«
Alberts Frage riss Henry aus seiner Zerstreuung.
»Oh, aye … endlich.« Henry nahm seinen Weg ins Burginnere wieder auf. »Die Einkünfte der Hälfte seiner Ländereien als Witwenerbe gegen das Brautgeld, das ich geboten habe.«
Alberts Brauen erreichten den Haaransatz.
»Er muss scharf darauf gewesen sein, das Bündnis abzusichern.«
»So scharf wie ein Sarazenenschwert.« Henry zog die Stirn kraus. »Der Mann hat es auf schnellen Aufstieg abgesehen und rechnet nicht damit, unterwegs sein Leben zu lassen. Ich würde sagen, ich habe mein Mädchen gut versorgt.«
»Und was ist mit Eloise? Heißt sie deine Entscheidung willkommen?«
Henry zuckte die Schultern.
»Eins muss ich meiner Lady lassen, sie hat das Mädchen niemals zu Dummheiten ermutigt, auch wenn sie darauf bestanden hat, dass ich Eloise in dieses gesegnete Kloster schicke. Hat mich ein kleines Vermögen gekostet, aber das Ergebnis war befriedigend.«
»Eloise kann sich also sicher fühlen, de Cannar besetzt die freie Stelle als Schwiegersohn bei den de Versallet, und du …« Albert brach ab. »Was hast du eigentlich davon, Henry?«
»Wenn ich das nur wüsste. De Cannar ist reich genug, aber seine Ländereien grenzen nicht an meine, und er ist Vasall von Warwick.« Knurrend verzog Henry das Gesicht, das sich gleich wieder aufhellte. »Vielleicht den Hengst von Montisfryth? Wer weiß, vielleicht will Gott mich für diesen Akt der Selbstlosigkeit belohnen, mit der ich meine Tochter so ausnehmend gut versorgt habe.«
Albert hustete.
Fünf Stunden später zählte Albert d’Albron zu den vielen Adligen, die auf Eloise de Versallets Hochzeitsfeier tanzten. In einem kunstvoll verzierten Stuhl in der Mitte des Tisches für die Lords, der in der Halle höher stand als die anderen Tische, saß Eloise, betrachtete den alten goldenen Hochzeitskelch ihres Vaters und zwang sich zu einem bedächtigen Schluck.
Das ausgelassene Gelage um sie herum erklomm neue Höhen. Die große Halle barst beinahe vor Gästen. Von der Feuerstelle in der Mitte stieg eine rauchige Dunstglocke auf, die die massiven Balken verschleierte. Düfte von üppigen Speisen und verschüttetem Wein überlagerten den Duft der frisch geschnittenen Binsen, auf denen extravagant und bunt wie Papageien gekleidete Gäste sich vergnügten und posierten.
Lärm übertönte den Schauplatz, so laut, dass die Klänge eines Dudelsackspielers und das rhythmische Dröhnen einer Handtrommel darin untergingen.
»Aye! Ein hervorragender Gewinn … dieser Hengst ist ein Schatz für das Gestüt! Bin gespannt, ob de Cannar sich auch so gut macht!«
Das Gebrüll ihres Vaters wurde mit schmutzigem Gelächter und glotzenden Blicken willkommen geheißen, denen Eloise keine Beachtung schenkte. Ihr Erzeuger befand sich in guter Verfassung, und sie fragte sich, ob ihre Heirat wirklich eine solche Großtat war. Der Ehevertrag war ihr zwar erklärt worden, aber trotzdem musste sie noch auskundschaften, welchen Gewinn ihr Vater verbuchen konnte. Irgendetwas war dabei herausgesprungen, so viel war sicher. Es mochte sein, dass sie seine Tochter war; und doch hatte er ihr niemals Anlass gegeben zu glauben, dass sie irgendetwas anderes war als eine Last, eine Abhängige, für deren Auskommen er einzustehen hatte.
Vielleicht lag es daran? Mit ihrer Hochzeit wäre er ihrer ledig und würde mit den durch Wolle reich gewordenen de Cannar ein Bündnis schließen.
Aber all dies spielte keine große Rolle mehr, da sie Raoul de Cannar heute geheiratet hatte. Eloise fing den Blick ihrer Mutter auf. Elaine of Montrose, Lady de Versallet, saß neben ihrem Lord. Ihr ruhiges Gesicht verriet nicht, dass sie die zunehmend derben Bemerkungen verstand, die ihr um die Ohren schwirrten. Auch Eloise war beherrscht, als sie das Lächeln ihrer Mutter erwiderte, ehe sie es sich erlaubte, den Blick zu den Rittern, Knappen, Ladys und Jungfern schweifen zu lassen. Manche tanzten, andere plauderten, es war wie ein unbeständiger, mit Juwelen durchwirkter Teppich, der in der Halle ausgelegt war.
Schon bald würde es Zeit, sich zurückzuziehen.
Sie unterdrückte einen Schauder und führte sich aufs Neue die Gründe vor Augen, mit denen sie sich ihrem Schicksal ergeben hatte. Als Tochter eines Adligen hatte ihre Hochzeit den de Cannar genutzt. Außerdem erhielt er ihre beachtliche Mitgift und das Recht, seinen Samen in ihren Körper zu pflanzen, während sie Sicherheit sowie Rang und Ansehen gewann, was für eine Lady von edler Geburt alles bedeutete.
Oder bedeuten sollte. Unglücklicherweise musste sie sich davon noch überzeugen. Aber als sie aus dem Kloster Claerwhen zurückgekehrt war, in dem sie in den vergangenen fünf Jahren gelebt hatte, war sie vor vollendete Tatsachen gestellt worden – der Vertrag war bereits unterzeichnet, ihre einzige Aufgabe hatte darin bestanden, den für sie vorgesehenen Teil zu unterschreiben.
»Zögern ist ganz natürlich«, hatte ihre Mutter gesagt, »aber nach allem, was wir wissen, wird de Cannar dir ein guter Ehemann sein. Er hat die Ländereien seines Vaters geerbt. Außerdem habe ich gehört, dass er nicht unbedingt unattraktiv sein soll.« Ihre Mutter hielt inne, um einen Faden abzuschneiden. »Mit sechsundzwanzig ist das eine vernünftige Empfehlung«, fügte sie hinzu, »und wer weiß? Mit der richtigen Führung könnte er sich vielleicht genauso gut entwickeln wie dein Vater.«
Eloise hatte gelächelt und ihr Los mit Gleichmut, wenn auch nicht gerade begeistert angenommen – bis sie Raoul de Cannar vor zwei Tagen persönlich gegenübergetreten war. Ihr anfängliches Unbehagen hatte sich erheblich verstärkt, und ihre Mutter, als Eloise sie darauf angesprochen hatte, hatte nicht ohne Mitgefühl zugehört. Aber auch wenn Elaine ihrer Tochter versichert hatte, dass de Cannar seine Ehefrau mit allem gebührenden Respekt behandeln würde, fühlte sie sich unbehaglich.
Eloise zwang sich zu einem weiteren Schluck Wein.
In dem Stuhl, der passend zu ihrem geschnitzt war, lungerte Raoul de Cannar herum. Sein Körper war mächtig wie der eines Kriegers, was nicht einmal der blaue Samt seiner eleganten Jupon verdecken konnte. Raoul antwortete auf den derben Scherz eines seiner Ritter und nutzte die Gelegenheit, als der Ritter sich seiner Braut zuwandte. Raouls dunkles, scharf geschnittenes Gesicht wäre einem Satyr gerecht geworden: Seine Augen waren von einer Farbe, die keine Farbe war, als er sie zusammenkniff und seine neue Errungenschaft begutachtete. Und als er zuschaute, wie sie einen Schluck trank, kräuselte sich das Ende seiner dünnen Lippen.
Eloise gab sich heiter und gelassen. Ihr bereitwilliges Lächeln war das einer jungen Ehefrau, der ihre neue Stellung gefiel. Ihre Haltung war makellos, genau wie ihre Gesichtszüge, weich, und die elfenbeinfarbenen Wangen hatte kaum je ein Sonnenstrahl berührt. Keine Falte zog sich störend über ihre vollendet breite Stirn, und trotz ihrer Jugend waren ihren Lippen ein einziges Versprechen. Nicht einmal der elegante Bogen ihrer dunklen Brauen gab ihre innere Anspannung preis.
Raoul lächelte breiter. Er wusste um besagte Anspannung, denn ihre Augen verrieten sie. Dunkel, schimmernd, unergründlich, sprach zu viel Klugheit aus ihnen, wenn sie die Welt mit viel zu klarem Blick betrachteten, als dass dieser Blick zu einer ahnungslosen Unschuld hätte passen können. Groß und weit, hätten sie so verletzlich aussehen sollen wie bei einer Ricke. Die erschreckende Lebhaftigkeit ihres Blicks hinterließ beim Beobachter den Eindruck unerforschter Abgründe.
Ein kurzer Schauder huschte störend über Raouls attraktives Gesicht. Seine Lippen zuckten, und hätte Elaine of Montrose seine Miene sehen können, wäre sie erschüttert gewesen. Aber Raoul hatte dafür gesorgt, dass weder Eloise noch ihre Mutter ihn je unverstellt gesehen hatten. Keinesfalls durfte er das Ziel gefährden, Eloise de Versallet zur Ehefrau zu nehmen. Der Hochmut aller weiblichen Wesen vom Stamm der Montrose war sprichwörtlich im Königreich. Auch Eloise hatte ihn an sich – als schwer zu fassende Eigenschaft, die sich in ihrer Körperhaltung offenbarte, an der Neigung ihres Kopfes, an dem würdevollen Schwung ihrer schmalen Hüften.
Stolz – der Stolz der Frauen.
Raoul dürstete es danach, ihn zu zerschmettern.
Sanft beugte er sich vor und fuhr mit der Fingerspitze über Eloises Hand, die sich um den Hochzeitskelch geschmiegt hatte.
Eloise erschrak nicht, sie hatte sich trotz der Starre, die sie gepackt hatte, gut im Griff.
Sie wandte sich Raoul zu.
»Ja, Lord?«, fragte sie mit ängstlichem Blick und hochgezogenen Lippen.
Blasse, fast durchsichtige Augen hielten ihren Blick fest.
»Wie wäre es, Frau?«
Als sie keine Antwort gab, griff Raoul nach dem Hochzeitskelch und nahm ihn ihr aus der Hand. Mit einem Blick, der sie völlig aus der Fassung brachte, leerte er den Kelch in einem Zug, stellte ihn beiseite und erwiderte ihr Lächeln.
»Zeit, sich zurückzuziehen. Verabschiede dich von der Lady, deiner Mutter, und komm.«
Jetzt war Eloise klar, dass ihre diffusen, unbestimmten Ängste nicht grundlos waren. Die Kälte im Blick ihres Mannes eröffnete die Aussicht auf ein Entsetzen, das sie nicht begreifen konnte, das sie aber über die Maßen ängstigte. Aber niemals würde sie ihre Angst zeigen, weder ihm noch irgendeinem anderen Mann; mit einer Würde, die ihr gar nicht bewusst war, neigte sie den Kopf.
»Wie Ihr wünscht, Lord.«
Als Eloise sich wegdrehte, um den Blick ihrer Mutter aufzufangen, verhärtete sich Raouls Miene. Trotzdem lächelte er gut gelaunt, als die Ladys sich mit hellem Lachen von seiner Seite stahlen. Begierig und lärmend schlossen sich die Männer um ihn.
Eloise ließ sich die Treppe hinaufführen und lauschte dem Geplauder der Ladys ihrer Mutter und der hochgeborenen Gäste, die eingeladen waren, dem Ritual beizuwohnen.
Sie stand schweigend im Brautgemach, als ihr der Kopfschmuck abgenommen, das lange Haar entflochten und gebürstet wurde, ehe ihr das Brautkleid – ein goldbesticktes, mit Hermelin, Perlen und Seidenborte abgesetztes Übergewand – ausgezogen wurde. Als Strumpfbänder und Strümpfe abgerollt wurden, gab es Gekicher – welches aber erstarb, als ihr das Hemd ausgezogen wurde und sie nackt, groß, schlank mit noch nicht voll entwickeltem Körper im Gemach stand.
Ihr fünfzehnter Geburtstag lag gerade einen Monat zurück. Zwar hatten ihre Knochen aufgehört zu wachsen, die Konturen ihres Körpers mussten allerdings noch weicher werden. Schmerzlich war sie sich ihres jungerwachsenen Körpers bewusst. Sanfte Röte färbte ihre Wangen. Dann wurde ihr ein feines Nachtgewand aus Leinen, bestickt von ihrer Mutter, über den Kopf gestülpt und nach unten gezogen.
Sanfte Hände drängten sie ins große Bett, das mit Federbetten hoch aufgepolstert und mit Satin und Fell bedeckt war. Eloise bewegte sich wie in einem Nebel, als wäre all das, was vor sich ging, weit von ihr entfernt. Es mochte sein, dass der in den Augen ihres Ehemannes lauernde Albtraum sie nicht packen konnte, wenn sie sich an diese Zuflucht für ihre Seele klammerte.
Die Berührung ihrer Stirn durch die Lippen ihrer Mutter, der unerwartete Anblick von Tränen in deren Augen zwang sie auf den Boden der Tatsachen zurück. Sie brachte ein schwaches Lächeln zustande.
Krachend wurde die Tür aufgestoßen.
Chaos brach im Brautgemach aus, als eine Horde betrunkener Ritter ihren Ehemann, der nichts als ein Hemd und seine Brouche anhatte, die Treppe hinauftrug. Es war unübersehbar ihre Absicht, ihn neben ihr abzusetzen, doch zu ihrem Erstaunen befreite er sich und drängte mit Unterstützung ihres Vaters die ruppige Menge aus dem Zimmer, die Ladys eingeschlossen.
Der Tumult verflüchtigte sich. Raoul stand mit dem Rücken an die Tür gelehnt, schob den Riegel vor und richtete sich auf.
Seine blassen Augen entdeckten Eloise, die sich sittsam in die Kissen gelehnt hatte.
Raoul sorgte dafür, dass seine Lippen sich grausam kräuselten. Er musste nicht länger darauf Rücksicht nehmen, dass die geplante Hochzeit auch tatsächlich stattfand. Jetzt gehörte Eloise ihm – er würde sie zähmen, er würde sie brechen.
Mit kaltem Blick musterte er sie, knüpfte den Gürtel seiner Brouche auf und zog die hineingestopften Falten seines Leinenhemdes heraus. Er schmiss die Kleidung zur Seite und stapfte nackt durch das Zimmer. Knapp einen Yard vor dem Bett blieb er stehen – die Hände auf den Hüften, die Füße breit, die Beine gespreizt.
Eloise schaffte es nicht, den Blick von ihm zu reißen. Mit vier Brüdern und der Bewirtschaftung einer Burg, die voller männlicher Krieger steckte, hatte sie nackte Männer in Hülle und Fülle gesehen. Aber nur wenige waren so erregt gewesen wie Raoul de Cannar – und keiner so bedrohlich. Sie zwang ihren Blick nach oben, über seine breite, mit einem Pelz aus schwarzem Haar bedeckte Brust, höher bis zu seinem harten Kiefer, auf dem ein dunkler Schatten lag, und seinem geringschätzigen Lächeln. Seine Augen waren so kalt wie Winternebel.
»Raus aus dem Bett.«
Seine Worte klangen wie aus Stahl; der Befehl duldete keinen Widerspruch. Eloise gehorchte, genauso, wie sie es am selben Nachmittag geschworen hatte, schlüpfte unter den Decken hervor und stand vor ihm. Mühsam hielt sie den Kopf hoch.
Damit war ihr Schicksal besiegelt.
Hinter Raouls dunkler Fassade wallte Zorn auf. Aber er hatte gelernt, sich zu beherrschen und seine Gefühle zu verbergen. Jeder Instinkt drängte ihn, mit den Fingern in die üppigen mahagonifarbenen Locken einzutauchen, die sich über Eloises Rücken ergossen, ihr das Nachtgewand vom Leib zu reißen und sie so ungestüm zu nehmen, wie er es wünschte. Ihre Schreie würden zu hören sein, aber niemand würde eindringen, nicht einmal ihre Familie, diese hochmütigen de Versallet. Die Befriedigung wäre großartig – die Vorstellung war ungemein verführerisch.
Aber Raoul brauchte diese Allianz. Falls ihre Familie jemals erfuhr, dass er sie misshandelt hatte, würde er nicht die militärische Unterstützung erhalten, auf die er zählte; man würde ihn hängen lassen. Dafür hatte er nicht sein halbes Vermögen aufs Spiel gesetzt.
Er tauchte in die dunklen Abgründe von Eloises Augen ein und gestattete es sich, dass seine Gesichtszüge sich vor einer Lust verzerrten, die er nicht länger verbergen musste.
»Zieh das aus.«
Eloise blinzelte und gehorchte, zwang ihre Finger an die Schnürbänder. Die Spannung, die den dunklen, vor ihr aufragenden Körper ergriff, war mit Händen zu greifen. Raoul rührte sich nicht, als sie sich den feinen Stoff über den Kopf zerrte und auf das Bett legte. Innerlich zitternd, drehte sie sich wieder zu ihm und schaute ihn an, blass, gefasst und mit einem Blick, der in weite Ferne gerichtet war.
Raoul warf ihr einen Blick zu, den er gleich darauf kühn abschätzend an ihr hinunterschweifen ließ.
Eloise hielt sich stolz, die eleganten Knochen ihrer Schultern und die langen Gliedmaßen zeichneten sich unter ihrer zarten Haut ab. Die Brüste waren klein, nurmehr eine Andeutung dessen, was sich noch entwickeln sollte. Ihre Taille zeichnete sich über den Hüften ab, nicht unbedingt schmal, sondern vielmehr unfertig. Der lange Schwung ihrer Schenkel war mit geschmeidigen Muskeln versehen; sie war so groß wie alle anderen Frauen auch. Alles in allem hatte sie eine jungenhafte Figur, und trotzdem auch ausgesprochen weiblich.
Raoul gefiel der Anblick ganz außerordentlich. Aus seinem Lächeln sprach viehische Vorfreude.
»Dreh dich um«, befahl er und hob den Blick.
Eloise gehorchte.
Hinter ihr herrschte Schweigen.
Ihre Sinne prickelten wie verrückt, versuchten, Raouls Absichten zu erspüren. Der Anblick ihres mädchenhaften Körpers hatte ihn noch mehr erregt, falls das überhaupt möglich war. Sie musste sich anstrengen, ihre Gliedmaßen nicht erzittern zu lassen – und weiterzuatmen –, und doch weigerte sie sich, ihrer Angst nachzugeben.
Harte, schwielige Hände schlossen sich um sie und nahmen ihre Brüste gefangen.
Eloise unterdrückte Schauder und Erschütterung.
Raoul massierte sie mit festem Griff, ehe er ihre Knospen mit Daumen und Zeigefinger einfing und kniff. Sie zuckte zusammen. Noch ehe sie sich für eine Bemerkung entscheiden konnte, ließ er ihre Knospen wieder los, umschlang ihre Brüste und drückte sich an sie.
Geräuschvoll atmete sie ein. Mit einer mächtigen Bewegung stieß er die Hüften gegen sie, stieß seine Männlichkeit hart und heiß in die Spalte an ihrem Hintern.
Zu ihrer Erleichterung trat Raoul zurück. Rasch atmete sie tief ein. Seine Hände bewegten sich; eine Hand ließ er sinken und spreizte sie über ihrem Bauch. Mit der anderen packte er sie im Nacken und zeichnete mit der rauen Fingerspitze langsam eine Spur an ihrem Rückgrat hinunter.
Eloise riss die Augen auf. Schloss die Lider. Ballte die Hände zu Fäusten, fest, aber doch zittrig, und zwang sich, die Berührung ihres Ehemannes zu ertragen.
Nüchtern und kalt liebkoste Raoul das weiche, elfenbeinfarbene Rund am Rücken seiner Frau, erforschte es gründlich. Er verzog die Lippen zu einem satyrartigen Grinsen. Sie würde ihn gut bedienen. Von ihr würde er nicht nur seine Erben empfangen, sie würde ihm auch großes Vergnügen bereiten. Zufrieden schaute er auf und bemerkte ihren angespannten Kiefer. Seine Augen strahlten.
Kalt lächelnd ließ er sie los.
»Geh ins Bett.«
Eloise tat, wie ihr geheißen wurde. Sie griff nach der Decke, aber Raoul umrundete das Bett und nahm sie ihr weg.
»Noch nicht. Ich will dich ansehen.«
Eloise legte sich steif in die Kissen zurück und fragte sich, ob sie es wohl wagen durfte, die Augen zu schließen. Raoul streckte sich neben ihr aus und stützte sich auf einen Ellbogen, um sie zu untersuchen. Nach einer langen, gründlichen Inspektion hob er den Kopf und warf ihr einen durchdringenden Blick zu, ehe er sich aufs Bett sinken ließ.
»Schlaf jetzt.«
Langsam drehte Eloise den Kopf. Er lag auf dem Rücken, hatte einen Arm über den Kopf und den anderen über den Unterleib gelegt. Die Vorsicht gebot, dass sie widerspruchslos gehorchte. Trotzdem musste sie einfach fragen, konnte es nicht ertragen, unwissend zu bleiben.
»Es ist Euer Wunsch, erst zu schlafen?«
Er hob den Arm. Sein Blick suchte ihren, dann legte er sich zurück und deckte das Gesicht wieder mit dem Arm ab.
»Heute Nacht will ich dich nicht nehmen. Ich habe beschlossen, dich erst zu unterrichten.«
»U… unterrichten?«
»Ich bin ein fordernder Liebhaber. Ich werde dich lehren, was ich erwarte, bevor ich dich nehme.«
Eloise lehnte sich ebenfalls zurück und starrte auf den Baldachin. Mehr und mehr dämmerte es ihr, dass sie, wenn sie nur die Wahl gehabt hätte, ihre Jungfernschaft viel lieber heute Nacht verloren hätte, da ihr klar war, dass ihre Mutter sich morgens erkundigen würde. Morgen sollten sie nach Cannar Castle aufbrechen, zusammen mit vielen Untergebenen, ungeachtet dessen, ob er ihr Vergnügen bereitet hatte oder nicht.
»Das reicht nicht. Was ist mit den Laken?«
Ihre gefasst gestellte Frage riss Raoul aus seiner Versunkenheit. Kurz darauf erhob er sich seufzend, durchquerte das Zimmer bis zu der Stelle, wo sein Knappe die Kleidung für den nächsten Tag abgelegt hatte, und fand sein Gürtelmesser. Auf dem Rückweg zum Bett bemerkte er den Singvogel auf einer Sitzstange.
»Bestens.«
Sekunden später war der Vogel tot.
Eloise unterdrückte einen Schrei, rutschte wieder in die Kissen und schaute entsetzt zu, wie ihr Ehemann den tropfenden Tierkadaver so hielt, dass das Blut kunstvoll auf die Laken spritzte.
»Da.« Raoul eilte zum Fenster, riss die Fensterläden auf und schleuderte den toten Vogel hinaus in die Dunkelheit.
Eloise befürchtete, an ihrem Herzschlag zu ersticken. Sie schaute zu, wie Raoul zur Truhe hastete und ein Handtuch herauszog, mit dem er Hände und Messer abwischte. Mühsam atmete sie durch und mahnte sich, dass sie Singvögel eigentlich noch nie hatte ausstehen können, jedenfalls keine gefangenen. Als Raoul ins Bett zurückkehrte, hatte sie ihre Reaktion so weit unterdrückt, dass sie sich entspannt hinlegen konnte, auch wenn sie die hellroten Flecken auf den Laken mied. Sie verzichtete darauf, ihm weitere Fragen nach seinen Absichten zu stellen.
Als er schweigend in die gleiche Stellung fiel wie zuvor, riskierte Eloise es, die Augen zu schließen. Es war von größter Wichtigkeit, ihr inneres Zittern in den Griff zu bekommen.
Raoul hatte die Fensterläden offen gelassen. Die kühle Brise, die ins Zimmer wehte, bescherte ihr eine Gänsehaut. Eloise schlug die Augen auf und erspähte die Decken durcheinander am Fußende des Bettes. Halb sitzend streckte sie die Hände nach ihnen aus.
»Noch nicht. Ich bin noch nicht fertig.«
Fertig? Eloise schaute Raoul an. Die Hand an seinem Unterleib hatte er auf seine dicke, längliche Männlichkeit gelegt und bewegte sie rhythmisch an der Schwellung auf und ab. Einen Moment lang starrte Eloise ihn einfach nur an, bis ihre Wangen flammend rot wurden.
Raoul linste unter dem Arm zu ihr hinüber und beobachtete sie mit glühendem Blick.
Sie starrte auf den Baldachin.
Raoul lachte. Das harsche Geräusch zersplitterte die Stille und echote durch die Kammer. Seine Hand verließ den Unterleib und griff nach ihrer, zögerte aber.
»Dreh dich um.«
Eloise gehorchte.
Raoul grinste kalt, als er die Hand wechselte und diejenige, mit welcher er sich die Augen abgedeckt hatte, jetzt an seinen Unterleib führte, während er mit der rechten Hand den köstlichen Hintern seiner Ehefrau packte. Sie erstarrte noch mehr, wehrte sich aber nicht. Er spürte das Fleisch an seinen harten Fingern, schloss die Augen und widmete sich seiner Lust.
Ihre roten Wangen drückten sich in die Kissen. Schweigend ertrug Eloise seine Lust. Er tat ihr nicht weh, aber seine tastenden Finger erfüllten sie mit Scham. Sogar als er tief aufstöhnte und sich erleichterte, ließ er sie nicht los, sondern setzte sein Spiel fort, bis er sich schließlich befriedigt umdrehte und einschlief.
Eine Kerze nach der anderen erlosch. Selige Dunkelheit erfüllte das Zimmer. Trotzdem sollte es noch Stunden dauern, bis Eloise in den Schlaf sank.
Eine einzige Frage hatte ihren Geist beherrscht.
Was war das für eine Ehe, die sie führten?
1
Versallet CastleEnde August, neun Jahre später
»Bei allen Heiligen! Was spricht gegen Tanzjungfern?« William de Versallet, breit wie der Hintern eines Schlachtrosses und genauso kompromisslos wie das Tier, stellte den Fuß auf den Wehrgang und starrte seine Schwester an.
Eloise starrte zurück.
»Ich versuche zu gewährleisten«, verkündete sie trocken, »dass die Feierlichkeiten zu Ehren deiner Hochzeit in passender Atmosphäre stattfinden.«
»Atmosphäre?« William sah aus wie vom Donner gerührt. »Mit der Atmosphäre der jungen Tänzerinnen ist alles in Ordnung. Sie sind das, was Männer erwarten.«
»Aye … das, was Männer erwarten. Aber was ist mit den Ladys?« Eloise wirbelte zu der Frau herum, die hinter ihr stand.
»Was glaubst du wohl, was deine Ehefrau von Tanzmädchen hält?«
William betrachtete das blasse Kind mit dem süßen Gesicht, das er einen Monat zuvor geheiratet hatte.
Plötzlich fand sie sich mitten in einem Streit wieder, wie er für die Versallet typisch war. Obwohl sie keine Versallet war, sondern eher zu den Schüchternen unter den Sterblichen gehörte. Julia rang die Hände. Wie ein erschrockenes Rehkitz starrte sie zu ihrem riesigen Ehemann hinauf.
William lächelte unverbindlich.
»Julia, du hast doch nichts dagegen, dass heute Abend beim Bankett Tanzmädchen auftreten, oder?«
Blicke aus blauen Augen schossen von einem sturen Versallet zum anderen. Julia blinzelte.
»Ich … das heißt …« Sie schluckte. »Wenn es Euer Wunsch ist, Mylord.« Unterwürfig senkte sie den Kopf.
Eine ganze Weile starrte Eloise auf diesen gesenkten Kopf, auf den blonden Haarschopf, der durch Julias Schleier schimmerte. Sie widerstand dem Impuls, mit den Zähnen zu knirschen, und mahnte sich, die Finger zu entspannen, die sie zur Faust geballt hatte, ehe sie sich wieder ihrem Bruder zuwandte. Kalt erwiderte sie seinen Blick.
»Ich werde Sir John anweisen, die Truppe anzuheuern, die sich gerade im Außenhof der Burg aufhält.«
William strahlte.
»Gut.« Grinsend fügte er hinzu: »Du wirst nicht enttäuscht sein.«
Eloise warf ihm einen scharfen Blick zu. Lachend polterte er davon.
Mit zusammengepressten Lippen drehte Eloise sich zu ihrer Schwägerin.
»Julia, mal ganz ehrlich, wenn du dir hier in der Burg, die eines Tages dir gehören wird, einen Namen machen willst, dann solltest du langsam anfangen, dich auch wie die Lady des Anwesens aufzuführen. Du weißt doch sehr wohl, dass es dir nicht gefallen wird, die Männer dabei zu beobachten, wie sie die Tänzerinnen anglotzen und begrabschen.«
Julia hob das Gesicht, das so entwaffnend sanft war, dass noch nicht einmal der Teufel persönlich hätte zornig bleiben können.
»Oh, aber … wenn es meinem Lord doch gefällt …«
Eloise schnaubte nur sanft und verzichtete auf weitere Vorhaltungen. Es war sinnlos, mit Julia zu schimpfen. Sie würde sich von William rücksichtslos überrollen lassen, solange es der leichteste Weg für sie war, und in späteren Jahren würde sie nörgeln und sich beklagen, dass er ihren Wünschen nicht gerecht geworden war. Aber Julias Zukunft war allein deren Sache – Eloise hatte eine Burg zu bewirtschaften.
»Ich muss Sir John finden.« Ihre Anordnung würde Sir John Mattingly, den Truchsess ihres Vaters, nicht überraschen. Eloise verließ die Burgseite des Wehrganges, aber statt zur Treppe zu eilen, lief sie zur Nordwestecke, dorthin, wo die fernen walisischen Hügel sich hinter der aufsteigenden Ebene von Salisbury verbargen.
Julia folgte schüchtern.
»Du schaust oft in diese Richtung. Was siehst du dort?«
»Dort liegt mein altes Konvent.«
»Claerwhen?«
»Ja … in den Schatten der Black Mountains, im Tal von Dore.«
»Betest du um Unterstützung?«
»Nein.« Eloise lächelte trocken. »Nur um Stärke.« Und tatsächlich auch um Geduld, was dieser Tage aber oft das Gleiche war.
»Du hast Jahre dort verbracht, nicht wahr? Ich meine, nachdem dein Ehemann gestorben war.«
»Aye, es war meine Zuflucht.« Ein Ort, wo sie gesunden und reifen konnte. Sich von ihrer Ehe erholen, die nurmehr einen einzigen Monat gedauert und endlich ein Ende gefunden hatte, als die Heiligen sich ihrer erbarmt und sie auf die einzig mögliche Weise aus dem Fegefeuer erlöst hatten. In Windeseile war Raoul de Cannar vom Antlitz dieser Erde getilgt worden. Es hatte sie befreit – so umfassend befreit, wie eine Frau überhaupt nur frei sein konnte. »Ich war wohlhabend und verwitwet. Es gab viel, was sie mich lehren konnten, und ich war begierig darauf zu lernen.«
Auf diese Weise konnte sie frei bleiben und doch die Kontrolle über ihr Leben zurückgewinnen.
Sie lehnte sich an die Festungsmauer und ließ den Blick über den Horizont schweifen.
»Es ging auch um mein Leibgedinge. Den Unterhalt, der mir als Witwe gezahlt wird. Die Familie meines Mannes hat versucht, ihn mir streitig zu machen, aber Claerwhen ist mir zu Hilfe geeilt.«
Angesichts eines richterlichen Erlasses und der Strafandrohung des Kanzleigerichts hatten die de Cannar kapituliert. In den vergangenen neun Jahren hatte Eloise die Hälfte des jährlichen Gewinns der ausgedehnten Ländereien erhalten. Da der Bruder, der Raoul nachgefolgt war, ein beachtliches Talent in geschäftlichen Dingen bewiesen hatte, war ihr angehäufter Reichtum fast schon legendär – sehr zum Missfallen der de Cannar.
Es war fast so viel, dass es sie den Monat, den sie mit Raoul verbracht hatte, vergessen ließ.
Ihre Miene wurde ausdruckslos, und sie richtete sich auf.
Julia schaute sie immer noch mit gerunzelter Stirn an.
»Aber du musst doch noch sehr jung gewesen sein … Haben deine Eltern gar nicht den Wunsch verspürt, dass du hierher zurückkehrst?«
»Aye, doch, das hatten sie.« Aber Eloise war zu ängstlich gewesen, das Wagnis einzugehen – das Wagnis, wieder heiraten zu müssen und als Bauernopfer zu dienen, um eine neue Allianz zu schmieden. »Aber es war mein Wunsch, mich in die Ruhe des Klosters zurückzuziehen.«
Julia blickte sie schüchtern an.
»Du musst ihn sehr geliebt haben.«
Eloise antwortete nicht.
»Und du bist erst zurückgekehrt, nachdem deine Mutter gestorben war?«
»Nein, nicht sofort. Aber als mein Vater mich aufgesucht und um meine Rückkehr gebeten hat, konnte ich nicht ablehnen.«
Was sie immer noch überraschte. Der Tod ihrer Mutter vor fünf Jahren hatte alles von Grund auf verändert. Eloise hatte bereits angefangen, ihre fortdauernde Anwesenheit auf Claerwhen zu hinterfragen. Stille und Frieden hatten sich zu Eintönigkeit gewandelt; eine merkwürdige innere Unruhe hatte sich ihrer bemächtigt. Ihre Ausbildung war lange beendet, und es gab nichts, was ihre Leere füllen konnte. Aber selbst dann noch hatte sie die schriftlichen Bitten ihres Vaters und ihres Bruders ignoriert. Bis ihr Vater eingetroffen war – unangekündigt. Und als sie gesehen hatte, wie tief der Tod ihrer Mutter ihn berührte und wie ernst seine Bitte war, konnte sie sich nicht länger verweigern … sie musste nach Versallet Castle zurückkehren.
»Seither bist du Burgherrin.« Julia ließ es klingen wie das siegestrunkene Ende eines Märchens.
Eloises Miene verhärtete sich, als sie den Kopf senkte. Trotz Williams Ehe und obwohl ihr Vater vor zwei Jahren wieder geheiratet hatte, war sie die Burgherrin von Versallet geblieben.
Eine Tatsache, die sie keineswegs mit Freude erfüllte – weder Emma, die neue Lady de Versallet, noch Julia mit ihrer rehkitzartigen Furcht konnten ihrem Vater und den vier Brüdern die Stirn bieten. Ihr hingegen gelang es, und sie tat es auch. Es mochte sein, dass sie die eine oder andere Schlacht verlor, wie etwa die an diesem Morgen, aber alles in allem gelang es ihr, die Burg nach ihren Wünschen zu bewirtschaften.
Wie ihre Mutter es sich gewünscht hätte.
Elaine of Montrose hatte ganz bestimmte Vorstellungen gehabt, die sie oft und klar äußerte – etwa, wie oft es dem männlichen Teil der Gattung erlaubt sein sollte, Amok zu laufen, ehe die ernüchternde Hand einer Lady eingriff. Eloise hatte festgestellt, dass sie mit Leib und Seele Tochter ihrer Mutter war.
»Sobald du bereit bist, die Zügel zu übernehmen«, warf sie mit Blick auf Julia ein, »werde ich sie dir mit Freude in die Hand drücken.«
»Oh! Nay!« Aufgeregt riss Julia die Augen auf. »Du machst das alles ganz … ganz außerordentlich … nein, niemand will, dass du aufhörst.«
Eloise verzog das Gesicht. Julia sagte die Wahrheit. Ausnahmslos alle, von ihrem Vater bis zu den Leibeigenen auf den Feldern, wandten sich an sie und würden sich weit mehr als sie über einen unfähigen Ersatz ärgern.
»Eines Tages wird es geschehen. Es ist, wie ich dir heute früh gesagt habe: Du musst lernen, deine Männer zu führen. Genau wie Emma. Ich gestehe ein, dass sie oftmals dickköpfig sind, aber wenn du darauf beharrst, finden sie sich mit deiner Führung ab.«
Eloise lehnte sich an die Festungsmauer und blickte Julia streng an.
»Es mag mühsam sein, aber du musst es tun. Es ist der einzig wahre Maßstab für das Gelingen einer Ehe.« Ihre Mutter war die rechte Hand ihres Vaters gewesen, und um den Teufel um das Recht an seiner Seele zu betrügen, hatte er sie immer auf Händen getragen.
»Aber es ist doch gar nicht notwendig.« Julia lächelte besänftigend. »Solange du hier bist, läuft alles glatt.«
Eloise biss sich auf die Zunge. Es musste etwas geschehen. Leider war es ihr unmöglich geworden, auf der Burg zu leben, ohne Burgherrin zu sein. Vielleicht war es sogar an der Zeit, nach Claerwhen zurückzukehren?
Sie straffte den Rücken und schaute auf das Treiben im Burghof hinunter, während sie über den Wehrgang schlenderte. Julia folgte ihr.
Nein, diesmal konnte Claerwhen nicht die Antwort sein, jedenfalls nicht dauerhaft. Sie war nicht aus dem Holz für das Kloster geschnitzt; so viel war ihr klar. Leider hatte sie es Raoul zu verdanken, dass ihr die einzig andere Laufbahn, die ihr als Adlige offenstand, mittlerweile versperrt war.
Einst hatte sie davon geträumt, Lady einer Burg zu sein, mit einer Schar Kinder um sich herum und einem starken Ehemann an ihrer Seite.
Die Träume waren zu Staub zerfallen.
Brüsk schüttelte sie den Kopf und richtete ihren Schleier.
»Komm schon, ich muss Sir John finden.«
Zusammen eilten Julia und sie zur Treppe. Im Vorbeigehen nickten sie den Wachen zu. Eloise führte den Weg nach unten an.
Sie hatte geschworen, dass kein Mann je wieder den Platz ihres toten Ehemannes einnehmen sollte.
Die geschwungenen Lippen zeigten, dass ihr Sarkasmus zurückkehrte. Es war ihr nicht schwergefallen, sich an ihren Schwur zu halten, der ihr im Laufe der Jahre vergnügliche Stunden beschert hatte.
Raouls persönliche Hinterlassenschaft für sie.
An einer Schießscharte blieb sie stehen, schaute nach unten und holte entschlossen Luft. Sie zwang ihren Geist, die Erinnerungen loszulassen, die sie immer noch verfolgten, und dachte stattdessen über die Belustigung nach, die sie an dem fortgesetzten Interesse an ihr als Braut empfand, und der verblüfften Enttäuschung, für die sie in vielen Männeraugen so gern sorgte.
Mitten im Hof erspähte sie ihren Vater, der sich seinen Weg durch das geschäftige Treiben bahnte und nach rechts und links in bellendem Tonfall Befehle ausstieß. Sein bedrängter Truchsess trippelte hinter ihm her. Eloise rückte außer Sicht und stieg weiter die Treppe hinunter.
Um ihrem Erzeuger gerecht zu werden, musste sie sich eingestehen, dass er sie nie ernsthaft gedrängt hatte, sich wieder zu verheiraten. Ebenso wenig wie ihre Brüder. Zwar sprachen sie das Thema immer wieder an und präsentierten auch passende Bewerber, aber sie musste nur den Kopf schütteln, und schon zogen die Männer sich zurück. Sie waren zwar irritiert, nahmen es aber hin.
Julia murmelte eine Entschuldigung, trennte sich von ihr und eilte in Richtung Sonnenzimmer.
Eloise lächelte trocken und trat in die Halle. Vermutlich glaubten ihre Brüder, dass sie ihr einen Gefallen erwiesen, sämtliche heiratsfähigen Männer vor ihr antreten zu lassen, die sie nur auftreiben konnten. Sie begriffen nicht, wie sie ein zölibatäres Leben verkraften konnte. Nein, ihre armen Männerseelen, innerlich getrieben von einem kaum zu bändigenden Drang, verstanden einfach nicht.
Eloise hingegen konnte ihre Brüder gut verstehen. Sehr gut sogar.
Ihr war klar, dass die Dirnen auf der Burg ihre Dienste nicht auf die unter Waffen stehenden Männer der de Versallet beschränkten, sondern hin und wieder auch von ihren Herrn nachgefragt wurden. Da weder Emma noch Julia zu Protest neigten, durfte sie selbst es auch kaum wagen, Widerspruch einzulegen. Außerdem waren ihr Vater und ihre Brüder schließlich auch nur Männer.
Männer. Eloise erkannte durchaus an, dass sie im umfassenderen Plan der Schöpfung nützlich sein konnten. Aber aus ihrer Sicht waren sie größtenteils überflüssig, denn es gab nur sehr wenig, wozu sie tatsächlich zu gebrauchen waren. Und doch gehörte es zu den Aufgaben von Frauen in ihrer Stellung, auch die Marotten der Männer zu pflegen, was heute zu bedeuten hatte, Tanzmädchen einzuladen.
Oben auf den Stufen des Burginneren blieb sie stehen und sah, dass ihr Vater immer noch mit seinem Truchsess sprach. Anstatt sich von ihrem Gebieter eindringlich verhören zu lassen, welche ihrer Pflichten sie bereits erledigt hatte, rief sie einen Pagen heran.
»Richte Sir John aus, dass ich wünsche, die Tanztruppe anzuheuern, die im Außenhof der Burg wartet.« Gedankenverloren zupfte sie die Jupon des jungen Pagen zurecht und rückte ihm den Hüftgürtel gerade. »Zum üblichen Honorar. Wir brauchen die Mädchen, sobald der letzte Gang abgetragen ist.«
»Aye, Lady.« Ergeben lächelnd ließ der Page ihre Fürsorge über sich ergehen und strahlte sie an, als sie ihn schließlich mit einem Nicken entließ.
Eloise schaute zu, wie er sich durch die Menge schlängelte. Die Hände auf die Hüften gestützt, ließ sie den Blick über den lärmenden Burghof schweifen. Das Turnier, das ihr Vater zur Feier der Hochzeit seines ältesten Sohnes angekündigt hatte – die Hochzeit war einen Monat zuvor in der Burg von Julias Vater vollzogen worden –, sollte am nächsten Tag beginnen. Nachmittags sollten die Gäste eintreffen; das Abendbankett hatte sie bereits organisiert. Die Zimmer waren vorbereitet, das Mittagsmahl war serviert und abgeräumt worden. Es gab nichts mehr zu tun oder zu überwachen.
Eloise schaute in die Sonne und schätzte, dass es kurz nach Mittag sein musste. Es behagte ihr nicht, mit Emma und Julia im Sonnenzimmer zu sitzen und in aller Ruhe zu sticken, bis der Lärm der eintreffenden Gäste sie rief.
Eloise ließ ein letztes Mal den Blick schweifen und ging hinein.
Zwanzig Minuten später war sie in unscheinbares Braun gekleidet und zwängte ihren Zelter durch den Hinterausgang. Vater und Brüder hatte sie gemieden; die Männer würden darauf bestehen, dass sie die gesamte Eskorte mitnahm, auch wenn ihr Ausritt nicht weit führte. Ihr graubraunes Gewand sah dem von Händlertöchtern so ähnlich, dass sie das Tor passieren konnte, ohne angesprochen zu werden. Ihr auffälliges Haar hatte sie unter einem schlichten Kopftuch und Schleier verborgen. Der Zelter verriet natürlich ihre Stellung, aber sie wollte ja auch niemanden hinters Licht führen, sondern einfach nur kein Aufsehen erregen. Den Wachen am hinteren Tor war sie so gut bekannt, dass ihr keine Fragen gestellt wurden.
Eine Brücke aus Holzbohlen bildete eine Furt über den Graben und ermöglichte es den Bauern, die Waren leichter in den äußeren Hof zu schaffen. Nur wenige Minuten, nachdem sie die Burg verlassen hatte, war Eloise in schnellem Tölt auf dem Reitweg unterwegs, der Richtung Süden am Bourne entlangführte und die Ausläufer des Waldes streifte.
Es gab einen weiteren, eher handfesten Grund für ihre unscheinbare Kleidung. Ihr war eingefallen, dass der Schweinehirt die Burg verlassen hatte, um seine Tiere zusammenzutreiben. Die Hauptherde mit den fetten Schweinen war wie jedes Jahr üblich zur Mast in den Wald getrieben worden. Für die Kinder der Burg, die dem Schweinehirten heute helfen sollten, war das Schweinetreiben ein Spiel; es würde Gelächter geben und jede Menge unschuldiger Raufereien.
Eloise war überzeugt, dass sie, sobald sie auf die Herde gestoßen war, auch einen Grund zum Mitspielen finden würde.
Mitten im Wald, wo das Geäst der alten Eichen sich über ihren Köpfen verflocht, trotteten ein paar Reiter hinter drei schwankenden Fuhrwerken her.
»Da.« Alaun de Montisfryth, der erste Earl of Montisfryn, zeigte auf die Stelle, wo der Flusslauf sich zu einem tiefen Teich weitete.
»Bestens.« Der Reiter neben ihm verrenkte sich den Hals, um genau hinsehen zu können. »Süßwasser. Wir sollten uns den Staub abwaschen.« Roland de Haverthorne warf seinem Cousin einen Blick zu.
»Den Staub der Straße. Und zufällig auch den von deinem Gedächtnis?«
Alaun brummte.
Die Gruppe stieg aus dem Sattel und band die Pferde nahe am Teich fest. Es dauerte nur wenige Minuten, bis alle zehn Ritter sich ausgezogen hatten und in das klare Wasser gesprungen waren. Die Knappen hasteten umher, sammelten die hingeworfene Kleidung ein und legten die Rüstung ihrer Herren aus.
Mit geschmeidigen, kräftigen Zügen schwamm Alaun bis in die Mitte des Teichs, tauchte unter und wieder auf und schleuderte sich das nasse Haar aus dem Gesicht. Das Wasser kühlte seine sonnengewärmte Haut. Der Ritt von Amesbury bis zu diesem Ort war anstrengend gewesen; unterwegs hatten sie die Fuhrwerke und Schlachtrösser überholt, die bereits vor Sonnenaufgang aufgebrochenen waren. Und jetzt, wo Alaun seine Truppe um sich versammelt hatte, war er sorgsam darauf bedacht, dass sie auch einen spektakulären Anblick boten, wenn sie durch die Tore von Versallet Castle ritten.
Er schaute sich um und stellte fest, dass die Knappen hinter ihnen herumlungerten.
»Ihr auch.«
Der Befehl wurde zwar missbilligend aufgenommen, aber trotzdem unverzüglich befolgt. Kopfschüttelnd registrierte Alaun das Zögern, mit dem Bilder, sein persönlicher Knappe und Veteran bei zahlreichen Feldzügen, sein kurzes Gewand abstreifte.
»Warum nur muss ein Mann erst zum Ritter geschlagen werden, ehe er gerne ein Bad nimmt?«
»Das wissen allein die Heiligen«, erwiderte Roland und schwamm an ihm vorbei. »Aber vergiss nicht, dass die armen Kerle die halbe Nacht wach geblieben sind und unsere Rüstungen auf Hochglanz poliert haben. Vielleicht solltest du ihnen eine Pause gönnen.«
»Was? Und das Bankett verpassen?«
»Und all die Aufregungen.«
»Welche Aufregungen?«
»Was fragst du? Die Aufregung, die du verspürst, wenn du jemanden herausforderst oder überwältigst oder was auch immer du im Kopf hast, um es dem alten Henry Hardnose heimzuzahlen, dass er dich vor neun Jahren in den Staub geprügelt hat.« Roland wartete mit halb geschlossenen Lidern gespannt darauf, wie sein Cousin auf den Spott reagieren würde.
Aber Alaun schnaubte nur und drehte sich auf den Rücken.
»Es ist doch nur ein Turnier.«
»Ah, verstehe. Nicht mehr als das übliche Allerweltsturnier, das für dich rein zufällig so anziehend ist, dass du deine lang erwartete Heimreise aufschiebst … die Heimreise auf deine Ländereien, die auch nach deiner Aufmerksamkeit schreien, wie du nur allzu gut weißt. Und all das, obwohl du, besser gesagt: wir, in der jüngsten Vergangenheit eine ganze Handvoll Turniere zu bestreiten hatten und ein ganzes Jahr der Belagerung in Gesellschaft eines Königs verbringen mussten, der schon auf dem Weg zu seiner Garderobe nach einer Lanze zu greifen pflegt.«
Gelächter schallte über das Wasser.
»So schlecht ist Edward nun auch wieder nicht.«
»Darf ich dich an deine Worte erinnern, wenn die nächste königliche Einberufung dich ereilt? Was glaubst du, wie lange es dauert, bis unser geschätzter Souverän an diese schönen Ufer zurückkehrt?«
Alaun stöhnte auf, hielt die Augen aber geschlossen.
»Nur um meine Neugierde zu befriedigen«, ließ Roland sich vernehmen, als sein Lehnsherr schwieg, »wirst du de Versallet herausfordern?«
Alaun seufzte.
»Warum plage ich mich nur mit dir herum, Roland?«
Alaun drehte sich um und fing Rolands Blick auf, ehe er kehrtmachte und zum Ufer zurückschwamm. Roland folgte. Als sie sich erhoben und das Wasser an ihnen hinunterrann – an Körpern, die durch einen nahezu zwei Jahre währenden Feldzug gestählt worden waren, ganz zu schweigen von den Jahren zuvor – erwiderte Alaun:
»Ich habe nicht vor, de Versallet herauszufordern. Ich weiß noch nicht mal, ob ich überhaupt eine Meldung zu den Wettkämpfen abgeben darf.«
Roland nahm seinem Knappen, der, ebenfalls nackt und tropfend, herbeieilte, das Handtuch ab. Dieser Tage musste Alaun sich häufig von Turnieren erholen, denn seine Erfahrung und außerordentliche Kraft hatten einen gefürchteten Gegner aus ihm gemacht, was selbst für die höchsten Ränge des Ritterstandes galt. Niemand, der noch bei Verstand war, würde ihm ins Auge blicken und ihn einen Feigling nennen. Und doch hätte Roland geschworen, dass ihre derzeitige Reise allein dem Wettkampf diente.
Vor mehr als einem Jahr waren sie nach Frankreich abgereist, und erst vor vier Tagen wieder in England gelandet. Als Earl of Montisfryn und Herrscher des Grenzlandes hatte Alaun sich den meisten der jüngeren Feldzüge des Königs angeschlossen, wobei der jüngst zurückliegende Feldzug keine Ausnahme bildete. In Crécy hatte das Banner der Montisfryth links von der Standarte Edward of Woodstock, des Prince of Wales, geflattert, und die mit der Schlacht des Prinzen betrauten Befehlshaber hatten eigens Alaun dazugerufen. Als kurz auf ihre Einberufung die nächste, fast gleichlautende erfolgt war – und zwar vom Vater des Prinzen, Edward III., einem alten, wertgeschätzten Freund, hatten sie wieder mitten im Getümmel gesteckt.
ENDE DER LESEPROBE