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Dieses E-Book entspricht 192 Taschenbuchseiten ... Emma ist es leid, nur Sex im Swingerclub zu haben. Nach einem Jahr intensivem Lustleben fehlt ihr schon bald der gewisse Kick. So kommt es, dass sie eine neue Herausforderung bei einem Pornofotografen sucht. Durch ihn erfährt sie dominante Tendenzen, erkennt aber auch, dass er nicht der Richtige für sie ist. Emma entschließt sich, Kontakt zu dem maskierten Mann aufzunehmen, den sie bei einem Gangbang kennengelernt hat und der ihr nicht mehr aus dem Kopf geht. Manuel ist ein klasse Typ, aber auch eine harte Nuss, die nicht einfach zu knacken ist. Schließlich tritt sie mutig und mit klopfendem Herzen in eine sagenhaft bizarre Welt ein. Mit Manuels Hilfe avanciert sie zu einer echten Domina. Schaffen sie es als dominantes Duo, Menschen mit extravaganten Wünschen zu beglücken? Diese Ausgabe ist vollständig, unzensiert und enthält keine gekürzten erotischen Szenen.
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Seitenzahl: 279
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Impressum:
Duo Dominant - wie werde ich eine Domina? | Erotischer SM-Roman
von Carrie Fox
1964 in Dinslaken geboren, verbrachte Carrie Fox ihre Jugend in Duisburg. Außer einer Eins in Deutsch zeichnete sich nie ab, dass sie einmal Romane schreiben würde. Ihr beruflicher Lebenslauf führte sie über eine handwerkliche Ausbildung in den Einzelhandel. Den privaten Ausgleich schaffte sie sich mit ihren Hobbys, dem Schreiben und dem Fotografieren. Zunächst publizierte sie über 50 wissenschaftliche Artikel in einer historischen Fachzeitschrift. Dann schlug sie einen neuen Weg ein und begann, von erotischen Abenteuern zu erzählen. Die Geschichten dazu entstanden aus Erzählungen im Bekanntenkreis und eigenen Erfahrungen sowie einem gehörigen Schuss Fantasie. Hierbei kam ihr auch ihre Erfahrung im Recherchieren und Führen von Interviews zugute, die sie sich bei der Arbeit für die wissenschaftlichen Artikel angeeignet hatte. Carrie scheut sich nicht, direkt einen Blick in die Szene zu werfen – sei es der Besuch bei einer Domina, ein Gespräch mit dem Inhaber eines Swingerclubs oder das Treffen mit einem berühmten Pornofotografen.
Lektorat: Marie Gerlich
Originalausgabe
© 2019 by blue panther books, Hamburg
All rights reserved
Cover: © alphaspirit @ shutterstock.com
Umschlaggestaltung: MT Design
ISBN 9783862778751
www.blue-panther-books.de
Tiefe Bedenken
Ihre Augenlider waren geschwollen. Auch das eiskalte Wasser, das sie sich mehrmals mit hohlen Händen ins Gesicht schüttete, brachte keine wesentliche Besserung. Emma legte ihre Hände aufs Gesicht und zog mit festem Druck an ihren Wangen, sodass die Augen geöffnet wurden und das Weiße um den Augapfel herum sichtbar wurde. Winzige rote Äderchen zeigten sich am Rand des Augenwinkels. Ihre Haare waren widerspenstig und ließen sich heute einfach nicht in Form bringen. Noch nie war es ihr passiert, dass sie dermaßen übernächtigt aussah. Sie stellte eine gewisse Blässe ihrer Haut fest. Dabei hatte der Sommer doch schon längst angefangen! Vielleicht sollte sie mehr an die frische Luft gehen, anstatt jedes bisschen Freizeit vor dem Computer oder im Silky Sexlife zu verbringen. Starker Kaffee würde sie jetzt bestimmt munter machen.
Emma setzte ihre Vorsätze gleich nach dem Frühstück in die Tat um. Sie ging raus in die kühle Luft des Morgens und fuhr mit dem Fahrrad die grünen Wiesen entlang, um den Kopf freizubekommen. Leise summte sie vor sich hin. Der Sonntagmorgen war frisch und sonnig und verlieh ihr bald eine gute Laune, die sich aus ihrem Innern heraus bis in ihre Fuß- und Fingerspitzen ausbreitete. Sie radelte sportlich, bis sie den unscheinbaren Feldweg erreichte, der in Richtung Wald führte. Der Weg war eigentlich nur für Traktoren bestimmt und holprig, aber das machte ihr nichts aus. Stöße von unten war sie ja gewohnt. Sie lächelte verschmitzt vor sich hin, als sie dabei an ihre Fickeskapaden ins Silky Sexlife dachte …
Sie liebte diese taufrischen Morgenstunden des Sommers, genoss die frische Luft, die ihr als Fahrtwind kühl ins Gesicht blies. Nahe dem Wald roch es besonders frisch, nach neu sprießenden Blättern und Kräutern, die am Rand des Dickichts wuchsen. Emma kam gelegentlich hierher, um zu entspannen oder nachzudenken. Heute galt es, zu überlegen, wie es weitergehen sollte. Sie stellte das Fahrrad ab, kickte den Radständer heraus und ließ das Gefährt am Wegrand stehen. Die Blätter des Gebüschs berührten ihre Beine. Die Zweige, die im Weg standen, drückte sie mit den Händen auseinander und tauchte in gebückter Haltung ins Unterholz. Als sie sich aufrichtete, eröffnete sich ihr ein wunderbarer Blick auf eine versteckte Lichtung. Kein Mensch fand hierher. Die Stelle war schwer zugänglich. Emma hatte sie zufällig entdeckt, als sie mit einem Typen, den sie im Internet kennengelernt hatte, einmal hier spazieren gegangen und vom Weg abgekommen war. Sie wunderte sich, wie schnell die Zeit vergangen war. Es kam ihr vor, als wäre es erst gestern gewesen, als er sich über sie hergemacht hatte und sie es genossen hatte, in freier Natur mit ihm zu vögeln.
Ein dicker Baumstamm lag schon viele Jahre an dieser Stelle. Er war teilweise mit weichem Moos bewachsen, das in der feuchten Frische des kühlen Morgens in einem satten Grün leuchtete und durch den morgendlichen Tau glänzte. Viele winzige Wasserperlen glitzerten auf der Oberfläche des üppig wuchernden Mooses und die kleinen Spinnweben, die sich im Geäst und auf dem Waldboden befanden, schimmerten silbern. Sanftes Licht gelangte durch die Baumkronen und die Büsche ringsherum auf den Stamm. Die Luft schien leicht neblig zu sein, denn die Feuchtigkeit der Nacht verdunstete hier unter den Büschen nicht so schnell. Die Stelle schimmerte eigenartig, wie verwunschen. Emma betrachtete staunend, wie der versteckte Ort im Unterholz in tanzenden Lichtreflexen erstrahlte. Sie fühlte sich an diesem Platz wie im Märchenwald. Es sah aus, als seien die winzigen Wassertröpfchen Feen, die im Licht tanzten.
Emma breitete ihre Regenjacke über dem Baumstamm aus und setzte sich. Der Ort fühlte sich magisch an und war zugleich doch so vertraut. Emma dachte an den damaligen Spaziergang. Wie ein Film tauchten die frivolen Gedanken aus dem Dunkel ihrer Erinnerung hervor. Es war ein heißer Sommertag gewesen. Sie und ihre neue Bekanntschaft waren erst kurz zusammen. Sie hatte ihn aus einem Chat gefischt und sich anschließend mit ihm getroffen. Sie hatten sich angesehen und wussten beide, dass es ein besonderes Abenteuer werden würde. Ihre Lust aufeinander war enorm. Die Gier stand ihm ins Gesicht geschrieben, ihr Verlangen nach ihm war kaum zu zügeln. Dann hatte er sie von hinten umarmt und sie ließ es gern geschehen, wie er sie an der Taille hielt und an ihrem Nacken küsste. Dann fuhr eine Hand an ihrem Körper hoch und spielte mit ihrem Busen. Durch das dünne Sommerkleid spürte sie jede Bewegung, als wären seine Finger auf ihrer Haut. Die andere Hand rutschte abwärts und glitt unter ihr Kleid. Flugs hatte er seine Finger in ihren Slip gesteckt. Er zog ihr das Höschen aus und öffnete seine Jeans. Sie erinnerte sich an das Zippen des Reißverschlusses, als stünde er neben ihr. Dann hatte er sie auf den Baumstamm geschubst und ihr das Kleid über den Po geworfen. Sie hatte sich mit den Händen auf der Rinde abgestützt und lustvoll seinen Schwanz erwartet. Ja, sie hatten es getrieben, hier auf diesem Baumstamm, der so anschmiegsam gewachsen war, dass sie sich während des Spiels mühelos auf ihn legen konnte. Hier draußen, an diesem ungewöhnlichen Ort, in freier Natur, war der Sex ein sinnliches Geschenk höchster Güte. Es war ein unvergessliches Erlebnis gewesen … Emma würde immer an dieses Ereignis denken, wenn sie das Unterholz betrat.
Sie erwachte aus ihrer Erinnerung wie aus einem Sekundenschlaf. Sonnige Strahlen drangen durch die Blätter der Bäume auf ihr Gesicht. Sie hatte den Kopf in den Nacken gelegt und träumte schöne Tagträume. Natürlich waren ihre Gedanken ausschließlich bei den Männern. Nicht nur bei ihrem Abenteuer im Wäldchen, sondern auch bei all den anderen, die nach ihm gekommen waren.
Ihre Gedanken schweiften erneut in weite Ferne ab. Erst ein Jahr war es her? Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor. Ihre allererste Begegnung mit einem Fremden im Swingerclub war etwas Besonderes gewesen und Emma wusste damals schon, dass sie diesen Mann und die damit verbundene erste Liaison nicht so schnell vergessen würde. Seine zarten Hände und sein Einfühlungsvermögen brachten sie dazu, mehr zu wollen. Randy hieß er. Leila, die Mitarbeiterin des Swingerclubs, hatte damals zu Emma gesagt, dass ihr sicher ein guter Anfang gelungen sei, und sie hatte recht damit. Denn Emma war bald so weit, dass sie nicht mehr darauf verzichten wollte, sich mit verschiedenen Herren im Silky Sexlife zu treffen. Einer nach dem anderen hatte Emma bestiegen und durchgefickt und je mehr Kerle es wurden, desto stolzer war sie. Es war, als wollte sie eine spezielle Sammlung an Erfahrungen anhäufen, wie andere Leute Briefmarken sammelten. Mit dem Unterschied, dass sich Emma lebendige Menschen nahm, jeder für sich etwas ganz Besonderes. Manche davon hätte sie am liebsten als Figur in eine wertvolle Glasvitrine gestellt, damit sie sich immer an diverse, besondere Sexpraktiken erinnern konnte. Emma wusste ziemlich genau, dass es Männer, die ihren Wunschträumen zu hundert Prozent entsprachen, gar nicht gab, aber die Hoffnung hatte sie dennoch nicht aufgegeben. Die Begegnungen mit Typen aus dem Internet endeten meist nach dem gleichen Schema: sich im Internet kennenlernen, im Club zum ausgelassenen Sex treffen und dann wieder loslassen und gehen. Eigentlich war der Swingerclub Silky Sexlife eine ganz glückliche Lösung. Emma hatte Sex, ohne sich verbindlich mit jemandem zusammenzutun. Alles war sehr seriös. Nichts von dem, was sie trieb, gelangte an die Außenwelt – es war, als lebte sie in einem sicheren Kokon. So konnte sie ihren sexuellen Ausgleich finden und hatte das Gefühl, begehrt zu sein. Das war sehr wichtig für sie, denn es steigerte ihr Selbstwertgefühl. Sie dachte an all die Männer, die ihr das Leben versüßten, wenn auch nur für eine Nacht. Die meisten hatten einen prägenden Eindruck auf sie hinterlassen, sie formten ihre Gedankenwelt und schärften ihre Sinne nach ausgiebigem Sex. Doch brachten sie alle, mal abgesehen von einem gewissen Sammelwert, einen Lebenssinn für Emma? Wohl kaum, denn alle tauchten zu Lusttänzen mit ihr auf und verschwanden genauso schnell wieder. Sie erinnerte sich an all ihre bisherigen Kurzaffären. Mikes Longdong, Sex auf Mallorca und den Gangbang … Aber war das alles in ihrem Leben? Sich zu vergnügen und alles mitzunehmen, was auf Sex ausgerichtet war? Emma fragte sich, ob es nicht besser wäre, einen Mann für sich zu beanspruchen, oder ob sie es dabei belassen sollte, sich sexuell auszutoben. Obwohl sie vom Swingerleben begeistert war, brannte tief in ihrem Innersten die Sehnsucht nach Zweisamkeit. Der Club war ihr zweites Zuhause geworden, aber … Was oder wer blieb ihr zum privaten Umgang übrig? War sie durch die Clubbesuche nicht eine verdammte Schlampe geworden, die sich – gierig auf Männerschwänze – alles einverleibte, was sich ihr bot? Wer in der Außenwelt wollte denn bitteschön so etwas? Sie bemerkte, wie sich ihre Wangen vor Scham rot überzogen und zu glühen begannen. Tiefe Selbstzweifel überkamen sie, aber sie dachte auch lächelnd daran, dass ihr all das zugänglich geworden war, wovon sie vorher nichts gewusst hatte.
Sie war wie ein Blumensamen gewesen. Am Anfang halb vertrocknet und klein, doch sobald er gegossen wurde, blühte er zu einer prächtigen Pflanze auf. War es in ihrem Swingerleben nicht auch so? Am Anfang hatte sie von nichts eine Ahnung gehabt, war kleinlaut und schüchtern gewesen. Je mehr die Männer sich aber um sie bemühten, sie verführten und sie sich dem heißen und feuchten Sex hingab, umso besser fühlte sie sich und umso ausgewählter gestaltete sie ihr Aussehen. Das Wachstum ihrer Kenntnisse und das Aufblühen ihres Selbstbewusstseins gaben ihr weiteren sexuellen Auftrieb. Sie spürte, dass es ihr guttat. Warum sollte sie es nicht auskosten? Sie war doch frei und ungebunden. Sie konnte tun, was sie wollte. Sie hatte so viel Lust in ihrem Kopf und ihr Körper verlangte förmlich nach ausgiebigem Sex. Ob es jemals aufhörte? Sie lächelte bei dem Gedanken, sich bis ins hohe Alter vergnügen zu können. Jedoch … Vielleicht bezeichnete man sie hinter vorgehaltener Hand schon als Nymphomanin? War sie wirklich schon so eine geworden, die niemals genug bekommen konnte? Sie hatte bemerkt, dass es im Club fast jeder auf sie abgesehen hatte. Man wollte sie, man begehrte sie … Oder war das alles nur Einbildung? Vielleicht begehrten die Männer sie gar nicht, sondern wussten, dass sich Emma sowieso jeden vornahm und es ein leichtes Spiel war, sie zu vögeln, weil sie es mit jedem trieb. Wie ein Schwertstich fuhr dieser Gedanke in ihr Herz. In diese Richtung sollte die Reise nicht gehen. Sie zweifelte plötzlich daran, dass sie den viel zitierten Spruch weiter ausleben wollte: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert.
Tief in ihrer Seele bildete sich der Wunsch nach einer echten und liebevollen Beziehung. Doch wie es derzeit aussah, blieb es für Emma stets eine Illusion, den Richtigen zu treffen. Das Alleinsein hatte zwar seine Vorzüge, vor allem wenn es um freie Entscheidungen ging, aber manchmal sehnte sie sich nach dem spießigen Familienleben zurück, das sie vorher gehabt hatte. Ihr größter Wunsch war ein Mann an ihrer Seite, der zu ihr passte. Aber keiner der bisher Getroffenen hatte die Qualitäten, die sie sich wünschte. Keiner von ihnen war zu einer Beziehung bereit oder geeignet und im Grunde spielte sie ja nur mit den Männern. Oder spielten die Kerle mit ihr? Klar, sie zum Abspritzen im Chat zu verführen, war eine lustige und gleichzeitig herausfordernde Sache, und sich im Club vernaschen zu lassen, weil alle sie haben wollten, war ein überaus erhabenes Gefühl. Aber trotzdem fehlte ihr in letzter Zeit der gewisse Kick. Die Premieren und Sensationen in Sachen Sex waren weniger geworden. Emma kannte bereits alles. Alle Stellungen, alle Themen. Manchmal wollte sie noch nicht einmal den Namen ihres Fickpartners wissen. Es war ihr egal geworden, denn sie wusste inzwischen, dass nichts Bestand hatte, was sie im Club kennenlernte. Es war ihr zur Gewohnheit geworden. War das schlecht oder gut? Leitete es sie vielleicht in eine Richtung, die sie nicht mehr beeinflussen konnte?
Gewohnheit … wie das klang… Plötzlich fiel ihr der Spruch ein, der als Orakel auf ein kleines Zettelchen geschrieben war, das sie aus Mallorca mitgebracht hatte: Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter. Sie musste auf sich aufpassen, das spürte sie nun in aller Deutlichkeit. Es schien, als würde sich der Sinnspruch weiter fortsetzen. Als wäre ihr Schicksal schon sehr nahe bei ihr. Sie konnte nur nicht erkennen, wie es aussah und was sie tun sollte. Die Selbstzweifel wurden plötzlich heftiger. Ihr Herz wurde schwer. Ihre Gewohnheiten sollten zu ihrem Charakter werden? Was sollte das bedeuten?
Sie ließ ihren Kopf nach unten sinken, atmete die Waldluft tief ein und versuchte, die Situation vernünftig zu überdenken. Sie versuchte abzuwägen, was ihr wichtiger war. Ein Leben in unendlicher Freiheit, in dem sie niemandem Rechenschaft darüber ablegen musste, was sie tat, warum sie es tat, wo und wie lange? Das bedeutete allerdings auch Einsamkeit. Ein neuer Mann an ihrer Seite hieße, sich wieder kümmern zu müssen, ihre eigenen Wünsche zurückzustecken, nicht mehr alles in vollen Zügen ausleben zu können. Andererseits – wäre eine Bindung vielleicht doch besser? Auch Liebe und Glück hingen daran, wenn eines Tages der Richtige käme. Ihre Gedanken tickten hin und her wie der Zeiger eines Metronoms, das den Takt ihres Lebens bestimmen wollte. Sie stand zwischen Sehnsucht und Gefühlskälte. Zwischen aufkeimender Vernunft und sexueller Gier. Die beginnende Gleichgültigkeit machte ihr zu schaffen. Sollte sie weiterhin das Mäuschen spielen, das auf verstecktem Weg ihr Glück in einem Etablissement suchte, das ja doch nur Schein war, oder sollte sie nun aufhören und sich wieder den realen Dingen im Leben widmen, die wirklich wichtig waren? So sehr Emma die Anonymität im Club schätzte, so wusste sie doch genau, dass all diese Männer nur einmal, höchstens zweimal mit ihr zusammentrafen und danach für immer verschwanden.
Alles schien sich im Kreis zu drehen. Ihre Gedanken bauten Türme auf, die sie mit ihren Überlegungen nicht mehr besteigen konnte. Emma kniff die Augen zusammen und schüttelte den Kopf, als wollte sie die Gedankentürme zum Einsturz bringen. Sosehr sie auch überlegte, sie kam zu keinem vernünftigen Schluss. Ein Kompromiss wäre eine Pause. Es würde ihr mit Sicherheit gut tun, Abstand zu nehmen und auszuruhen, damit sie wieder klar denken konnte. Für eine Weile ihr Hobby abzulegen, schien ihr zunächst am sinnvollsten zu sein. Ja, das war eine gute Zwischenlösung. So hatte sie viel Zeit, zu überlegen und gründlich zu überdenken, wie ihre nächsten Schritte aussehen sollten.
Emma sah hoch und blinzelte in die Sonnenstrahlen, die ihren Weg durch das Geäst gefunden hatten. Im goldenen Licht der Sonne sitzend, genoss sie die Wärme auf ihrem Gesicht und dachte daran, wie es wäre, für eine Weile enthaltsam zu leben. Plötzlich drängte sich Manuel in ihre Gedanken. Auch ihn hatte sie im Swingerclub kennengelernt, als sie ihre Gangbang-Party abgehalten hatte. Zunächst hatte er wie eine Statue alles beobachtet. Damals kam er ihr eine Spur zu arrogant und überheblich vor. Er war ein richtiger Kerl, ein willensstarker Mann mit einem perfekten Körper. Der Sex mit ihm war außergewöhnlich gut gewesen. Nie zuvor hatte sie Orgasmen mehrfach hintereinander erlebt und seine Methoden, sie von hart bis zart zu nehmen, waren einmalig faszinierend und schön. Keiner hatte es je besser gemacht. Wow. Konnte die Begeisterung für einen Mann jemals stärker sein? Er war die goldene Figur in ihrer imaginären Sammelvitrine. Seine Größe übertraf alle anderen Figuren, die sie in Gedanken dort abgestellt hatte. Doch auch Manuel hatte einen Haken. Seine Erklärung, er sei Besitzer eines SM-Studios, hatte ihr Angst gemacht. Sie fürchtete sich vor dem, was ihr unbekannt war. Wie so eine Folterhöhle von innen aussah, wollte sie gar nicht erst wissen. Aber Manuel war es auch, der sie darauf gebracht hatte, über ihre Situation nachzudenken. Er sagte, sie sei allein, mit allem, was sie liebte. Ja, es war wirklich so. Emma spann diesen Gedanken weiter und tatsächlich fiel es ihr wie Schuppen von den Augen, dass Liebe für sie nur eine Einbildung sein musste. Freunde? Wo waren ihre Freunde? Die Herren der Schöpfung aus dem Swingerclub waren nur Fickpartner, sonst nichts. Auch ihre beste Freundin Valentina ließ sich nicht mehr blicken, weil sie mit Enrico glücklich war und ihre Zeit anscheinend nur noch mit ihm verbringen wollte. Enrico hatte Emma damals gewarnt, jeder Mann, den sie fickte, würde ihre Frustration steigern. Emma fühlte sie bereits. Es tat weh wie ein aufkommender Husten und war gleichzeitig ein eigenartiges, seelenkränkendes Gefühl. Wo sollte das alles enden? Sie musste etwas gegen dieses schlechte Gefühl unternehmen. Die geplante Pause konnte nur richtig sein! Wenn Emma an Manuel dachte, verspürte sie Zuneigung, aber gleichzeitig auch eine Warnung ihres Unterbewusstseins. Etwas zog sie zu ihm hin, obwohl sie gar nicht zu ihm gehen wollte, und eine geheimnisvolle Macht bescherte ihr ein eigenartiges Glücksgefühl, wenn sie an ihn dachte. Und das Thema SM? Manuel praktizierte es beruflich. In ihrem Kopf formten sich brutale Muskelprotze mit schwarzen Masken und Fesselseilen in der Hand, die es auf sie abgesehen hatten. Der Gedanke an die Folterinstrumente, die sie mit dieser Szene verband, war zum Fürchten. Wer weiß, was Manuel mit ihr anstellen würde, wenn sie sein Revier beträte? Nein. Das war in diesen Minuten der unpassendste Gedanke. Emma verwarf die Idee, in seinem Studio vorbeizuschauen.
Sie tauchte aus ihrer Gedankenwelt auf, als sei sie aus dem tiefen dunklen Meer an die Oberfläche gespült worden. Oder war es die Erleuchtung, die sie getroffen hatte? Die Sonne schien hoch am Himmel. Vögel zwitscherten im Geäst und die Luft war frisch und warm. Sie hatte mehr als eine Stunde hier gesessen und nachgedacht. Sie erhob sich von dem uralten Baumstamm, klopfte sich Moos- und Holzreste von der Jeans, verstaute ihre Jacke auf dem Gepäckträger und schwang sich wieder auf ihr Fahrrad.
***
Emma drückte auf Löschen und klickte die ganzen Männer weg.
»Jetzt nicht mehr, ich muss davon loskommen«, sagte sie zu sich selbst und gestand sich ein, den verdammten Computer nicht ausgeschaltet lassen zu können. Es hatte ein gewisses Maß an Suchtpotenzial, das war unmissverständlich. Sie versuchte, sich zu erinnern, wie es früher gewesen war, als sie den Chat noch nicht gekannt hatte. Wie war sie früher Menschen begegnet? Und wo? Und wie sprach man einen Mann an, ohne Hintergedanken zu haben und an Sex zu denken? Plötzlich wurde ihr bewusst, wie tief sie schon in die virtuelle Welt eingetaucht war. Ihr hauptsächliches Leben neben der Arbeit spielte sich nur noch im Swingerclub ab. Sie war dabei, weltfremd zu werden, im richtigen Leben nicht mehr kommunizieren zu können und auch kein Interesse mehr daran zu haben, einem Mann zu begegnen, den sie nicht im Internet kennengelernt hatte. Der Computer hatte sie fest im Griff. Emma musste sich davon losreißen, es gab wohl keinen anderen Ausweg.
Wir sind alle gemeinsam allein, dachte sie traurig, als sie über die Männer im Club nachdachte. Heute hatte sie keine Lust mehr, die Kerle zu reizen, bis sie sich vor dem Bildschirm einen runterholten. Was sollte das Ganze überhaupt? Hatte es einen Sinn? Emma wusste ganz genau, was bei den Männern zu Hause vor dem PC abging, wenn sie es auf die Spitze trieb. Es war immer das Gleiche. Die Chats unterschieden sich kaum noch. Vielleicht, weil Emma bereits alles kannte. Sie konnte mittlerweile jede Antwort voraussagen.
Sie fuhr den Computer herunter und verließ lustlos ihren Sitzplatz. Erst einmal musste sie sich darüber klar werden, ob das Leben wirklich so schlecht war, wie es im Moment schien, oder ob sie nur eine Pechsträhne hatte, die keine Liebe zuließ. Okay, die Erfahrungen hatten auch etwas Gutes. Emma hatte viele sexuelle Besonderheiten kennengelernt und war vielem gegenüber toleranter geworden. Neigungen anderer Menschen – ob in sexueller Hinsicht oder als Lebensanschauung – konnte sie nun viel leichter akzeptieren. Vielleicht war das der Sinn in diesem Spiel, dass sie nicht mehr kleinkariert und spießig denken, sondern mit ihren Beobachtungen und Empfindungen über den Dingen stehen sollte. Sie wusste, dass sie nichts erzwingen konnte und dass das Schicksal nun einmal eigene Wege ging, denen sie einfach folgen musste. Hatte das Leben als Swinger sie etwa schon wie einen Stein abgehärtet? War sie widerstandslos geworden gegen ihre inneren Sehnsüchte nach wahrer Liebe? Aber was sollte sie tun, damit sie sich besser fühlte?
Henrys Sexy Models
Emma holte ihre Lieblingstasse aus dem Schrank. Sie war grasgrün, hatte ein Gesicht mit schwarzen Knopfaugen und eine seitlich herausgestreckte Zunge. Der nach Sex lechzende Gesichtsausdruck war sicher nicht beabsichtigt, aber Emma musste jedes Mal darüber schmunzeln. Sie goss sich kühlen Orangensaft ein und ging damit an den Küchentisch. Die Tageszeitung lag oben auf einem Stapel Zeitschriften und Emma blätterte lustlos darin herum. Beiläufig sah sie zum Fenster. Kleine weiße Wolkenfetzen eroberten das Blau des Himmels. Dann erkannte sie ein Wolkengebilde, das aussah wie ein lang gezogener Frauenkörper, der auf einem großen Kopfkissen lag. Erstaunt ging sie zum Fenster, um sich diese Wolkenfigur genauer anzusehen. Blauer Sommerhimmel leuchtete ihr entgegen, als sie es öffnete. Die Wolke bildete ballonartige Brüste, ein Kissen unter aufgequollenen Haaren, lange Beine und sogar fliehende Fußspitzen. Faszinierend. Emma lehnte sich ein wenig heraus und atmete tief ein. Ein leichter Windstoß berührte sie, als hätte er sich in ihren Haaren verfangen und wäre dann an ihr vorbeigerauscht. Eine Zeit lang konnte sie das Wolkenbild noch bewundern, dann löste sich das kurvenreiche Gebilde innerhalb von wenigen Sekunden auf.
Emma setzte sich wieder auf ihren Platz. Die Zugluft hatte eine Seite aufgeblättert. Stellenangebote. Wie langweilig. Sie nahm einen Schluck von dem kühlen Fruchtsaft und wollte gerade weiterblättern, als ihr eine Annonce auffiel.
»1000 Euro täglich«, stand dort geschrieben. Das konnte es doch gar nicht geben, oder? Sie las den gesamten Text. »Frauen ab achtzehn Jahren für Foto- oder Filmproduktion gesucht. Verdienst bis zu 1000 Euro täglich.«
Eine Telefonnummer stand neben einer Internetadresse. Emma schüttelte den Kopf. Unmöglich! Was sollte das für eine Tätigkeit sein, bei der man dermaßen massig Geld verdienen konnte? Dabei konnte es sich nur um Pornografie handeln. Sex sells! Diesen Ausspruch hatte sie schon öfter gehört. Mit Sex hatte sie mehr als genug Erfahrung. Ob es für eine andere Richtung, die ihr Leben bereichern und verschönern könnte, reichte? Emma wurde neugierig. Sie eilte mit der Zeitung an ihren Computer und öffnete Henrys sexy Models. Verschiedene Gesichter von Frauen waren zu sehen. Dann verschwanden die Gesichter wieder und auf dem schwarzen Hintergrund erschien in grellen, gelben Buchstaben der Text: »Sexy Models – die unschlagbare original Foto- und Filmseite von Henry.« Emma las gespannt weiter: »Für Anfänger und Profis. Egal ob ihr nur euer Taschengeld aufbessern möchtet oder ins Profimodelgeschäft einsteigen wollt. Alle Größen und Figuren bekommen bei uns die große Chance, Model zu werden. Überdurchschnittliche Verdienste sind möglich. Schickt uns ein Foto und macht einen Casting-Termin mit uns!«
Emma dachte darüber nach, welches neue Abenteuer sie durch so eine Annonce erleben könnte. Sie brauchte keine Taschengeldaufbesserung, sie wollte auch nicht ins Profigeschäft einsteigen. Aber es wäre der besondere Kick, den sie schon länger vermisste. Ein neues und erfrischendes Gefühl erfasste sie, als stünde sie vor einem metallenen Schiebetor, das eine große, lebensverändernde Überraschung verbarg. Es könnte ein Abenteuer der besonderen Art werden. Die vielen Models in den Modezeitschriften und im Fernsehen fielen ihr ein. Die hübschen Mädchen aus der Werbung. Selbst die unendlich vielen Pornodarsteller im Internet. Sie alle waren schlank und schön. Ihre Körper hatten scharfe Konturen und sie sahen immer elegant, grazil und makellos aus. Mit so einer Figur konnte sie natürlich nicht mithalten. Ihre Konturen entsprachen sicher nicht denen eines Models. Emma dachte darüber nach, was sie denn anzubieten hatte. Ihre Augen zum Beispiel waren groß, schön geformt und tiefbraun. Ihre Lippen waren feminin voll, weich geschwungen und lächelten viel. Sie hatte einen großen Busen, der sich sehen lassen konnte, und einen Hintern, der hoffentlich gefiel. Mit den Großen konkurrieren könnte sie damit sicher nicht, aber wer weiß, welche Türen ihr dieser Nebenjob öffnen könnte?
Emma lud ein Foto von sich hoch. Eines, auf dem sie im Halbdunkel des Silky Sexlife zu sehen war. Sie fand, dass ihre Figur auf diesem Bild gut getroffen war. Sie lehnte sich zurück und stellte sich vor, wie sie in einem Studio vor einem Fotografen posierte. Es lag nicht an der Aussicht auf einen Zusatzverdienst, dass sie sich ein Herz griff und eine Anfragemail zu Henrys sexy Models sendete. Vielmehr war es pure Neugier und die Gespannheit auf eine neue Situation, auf Unbekanntes und ein vielversprechendes Abenteuer. Vielleicht könnte sie sich einer anderen Welt nähern, in der es nicht mehr um körperlichen Sex, sondern um Fotokunst mit sexy Frauen und Mädchen ging. Vielleicht waren auch Männer darunter? Es wäre eine ganz neue Art, Sex zu entdecken. Schöne Körper zu sehen hatte einen gewissen Reiz – nicht nur auf die Männerwelt, auch Emma war brennend daran interessiert, sich mit schönen Menschen zu umgeben. Es hatte etwas Voyeuristisches an sich, solche Leute zu beobachten, aber wer war das nicht? Sicher war es ein besonderes Schauspiel. Sie selbst hatte sich im Silky Sexlife schließlich auch gern vorgezeigt. Also dürfte es ihr leichtfallen, sich vor einem Fotografen zu entblättern. Die Neugier auf die Szene in Sachen erotische Fotografie war groß. Auch wenn sie nur mal beobachten dürfte, was in diesem Studio vor sich ging – interessant wäre es allemal. Sie betrachtete die schönen Frauen, die sich auf der Internetseite von Henrys sexy Models präsentierten, und träumte von der Zukunft. Ob sie auch irgendwann einmal auf diesen Seiten zu sehen wäre? Emma wusste, dass sie nichts sonderlich Großartiges erreichen konnte, aber der Gedanke an einen kleinen Erfolg in den Reihen der Profis ließ sie nicht los. Wie der Fotograf wohl aussehen mochte? War er jung und sportlich? Oder älter und erfahren? Was müsste Emma überhaupt tun? Diese Fragen beschäftigten sie nachhaltig. Wie auf der Internetseite behauptet wurde, hatte jedes Girl eine reelle Chance, egal welche Körperform sie besaß. Ob er sich die Damen nach seinem eigenen Geschmack aussuchte oder nach einer Liste vorging, die Schönheit nach dem Zeitgeschmack vorgab?
Nach kurzer Zeit blinkte das Zeichen für eine neu eingegangene E-Mail. Die Antwort des Studios Henrys sexy Models kam prompt.
»Hallo Emma, bitte ruf uns kurz an. Herzlichst Carina.«
Es folgte eine Handynummer und Emma griff sofort zum Telefon. Eine seltsame Ungeduld hatte sich in ihr breitgemacht. Ihr Herz klopfte aufgeregt, als sie den Hörer des Telefons in die Hand nahm und die Nummer anwählte. Bei der letzten Zahl wartete sie gespannt auf das Tuten, das bald darauf erklang.
»Henrys sexy Models Filmstudios, du sprichst mit Carina, was kann ich für dich tun?« Eine freundliche, junge Stimme sprach am anderen Ende der Leitung.
»Hier ist Emma, ich sollte anrufen.«
»Hallo Emma. Henry möchte, dass ich einen Termin mit dir ausmache.«
»Oh, wirklich? Bin ich denn geeignet?« Emma freute sich und stieg nervös von einem Fuß auf den anderen.
»Es ist so, dass er verschiedene Typen von Frauen sucht, es kommt nicht unbedingt auf das Alter oder die Größe an.«
»Ach so.«
Es klang gut, was Carina sagte. »Für Castingtermine haben wir jeden Tag von vierzehn bis achtzehn Uhr geöffnet. Du musst in den Glasturm gehen. Wir sind im fünfzehnten Stock, komm morgen einfach vorbei.«
***
Emma überlegte, was sie anziehen sollte. Sie wusste nicht, was der Fotograf verlangte, aber sie konnte sich denken, dass sie in der Kategorie elegant bis sexy richtig sein würde. Sie hatte Make-up aufgetragen und das Gesicht mit losem Puder mattiert. Für unten drunter wählte sie ein verführerisches schwarzes Set, bestehend aus einem verspielten BH und einem knappen Slip. Passend zu ihrem hellblauen Etuikleid trug sie hellblauen Lidschatten und einen unauffälligen rosa Lippenstift auf. Das Kleid hatte einen Ausschnitt, der tief blicken ließ. Sie kombinierte es mit silbernem Schmuck und einem schmalen Glitzergürtel. Dazu zog sie blaue Pumps an und hängte sich eine kleine weiße Lackhandtasche über die Schulter. Noch ein Blick in den Spiegel … perfekt. Es sah gut aus, nicht zu nuttig und nicht zu brav. Genau dazwischen. Es könnte dem Fotografen gefallen.
Die Agentur lag etwa 150 km von ihrer Wohnung entfernt. Emma gab die Adresse in das Navigationsgerät ein und kam etwa zwei Stunden später am Ziel an.
In der Straße reihten sich Geschäfte aneinander, über jedem Eingang eines Gebäudes waren Lichtwerbungen angebracht. Der typische Großstadtlärm drang an ihre Ohren, bestehend aus fahrenden und hupenden Autos, klingelnden Radfahrern und Musik, die aus den Geschäften nach draußen drang. Der von Carina erwähnte gläserne Turm stand vor ihr wie eine riesengroße, eckige Glasvase. Emma spürte die erste echte Nervosität vor der unbekannten Situation und bestieg zögernd den Lift. Sie betätigte den obersten Knopf auf der metallenen Platte, um in den fünfzehnten Stock zu gelangen. Ihre Nackenhaare stellten sich auf. Nie zuvor hatte sie etwas Spannenderes erlebt. Beim Hinauffahren konnte sie die immer kleiner werdenden Menschen und Autos beobachten. Es ging hoch hinauf. Am Schluss waren alle Menschen dort unten millimeterklein wie ein krabbelndes Volk von Ameisen. Als der Aufzug anhielt, sie ausstieg und mit beiden Füßen auf dem mit Teppich ausgelegten Boden stand, schloss sich die Tür automatisch hinter ihr. Plötzlich war es still. Der grau melierte, dicke Teppichboden schluckte jeden Tritt und jedes Geräusch. Auch die Wände waren zum Teil mit Teppichboden beklebt. Die oberste Etage schien schallgedämpft zu sein. Hatte das einen besonderen Grund? Ihr Herz pochte und plötzlich befiel sie das Gefühl, wie in Trance gehandelt zu haben.
Was mache ich hier überhaupt?, fragte sie sich und überlegte, ob es richtig gewesen war, hierher zu fahren. Doch Emma hatte den weiten Weg auf sich genommen, um ihrer Neugier nachzugehen. Diese war viel zu groß, als dass sie sich noch einmal zur Umkehr hätte entschließen wollen. Zaghaft setzte sie ihren Weg fort und fand hinter der ersten Biegung eine Tür mit der Aufschrift Henrys sexy Models – Foto und Film.
Nervös legte sie eine Hand auf die große metallene Türleiste. Sie klopfte an, öffnete die Tür einen Spalt, dann ein Stück weiter und erblickte dahinter eine Theke, wie sie auch in Hotels oder Arztpraxen zu finden war.
»Guten Tag«, sagte sie schüchtern.
»Hallo, komm rein, wie kann ich dir helfen?« Zwei Damen saßen an der Rezeption, eine von ihnen blickte von ihrem Computer auf.
»Ich sollte heute vorbeikommen«, erwiderte Emma.
»Bist du zum ersten Mal hier?« Das musste Carina sein, ihre Stimme klang wie die am Telefon.
»Ja.«
Carina sah selbst wie ein Model aus. Sie lächelte und schaute sie mit großen blauen Augen an. Emma fand sie sehr sympathisch.
»Dann geh bitte dort drüben hin, da steht ein Tisch mit Anmeldeformularen, die füllst du bitte aus.« Carina nickte auffordernd.
»Ja, okay. Danke.« Emma ging durch den Warteraum auf den niedrigen Tisch zu, auf dem die Anmeldeformulare lagen, nahm eins, steckte es auf das Klemmbrett und setzte sich auf einen ergonomisch geformten Stuhl. Sie schlug ein Bein über das andere, um die Schreibfläche des Büroklemmbrettes besser stützen zu können.
Auf dem Briefkopf stand das Firmenlogo. Henrys sexy Models – Foto und Film. Es war aufdringlich in roter Schrift mit geschwungenen Buchstaben auf grellgelbem Untergrund geschrieben. Das Logo sprang direkt ins Auge. So scharf wie der Schriftzug war, ging es bestimmt auch hinter der großen Wand zu. Emma stellte sich vor, wie hinreißende, sexy Mädels hinter der Wand fotografiert wurden. Was hier produziert wurde, war nur zu eindeutig. Ganz oben rechts hatte das Logo des Fotografen einen blinkenden Stern, der den Eindruck einer strahlenden Leuchtreklame bei Nacht machte. Er verdeutlichte nur noch mehr, dass es hier vielleicht heißer zuging, als Emma sich vorstellen konnte.
Sie las die Zeilen auf dem Formular und füllte sie aus. Sie musste ihre Adresse angeben, Größe, Alter, Gewicht und die BH-Größe. Danach folgte das Interessengebiet. Sie stand vor der Wahl, drei rot unterstrichene Zeilen anzukreuzen. Dessous, Akt und Film. Emma fühlte sich ganz und gar nicht professionell und kreuzte zurückhaltend Dessous an. Sie konnte ja nicht wissen, was passieren würde, wenn sie Akt oder gar Film ankreuzte, und las weiterhin, dass sämtliche gemachten Bild-, Film- und Tonaufnahmen in den Besitz der Firma Henrys sexy Models übergingen und Emma keine Rechte daran hätte. Bei bestandenem Casting betrug das Stundenentgelt fünfundzwanzig Euro. Emma las sich das gesamte ausgefüllte Formular mit dem Kleingedruckten genau durch, bevor sie unterschrieb. Es war ihr bewusst, dass sie sich mit den Fotoaufnahmen plötzlich selbst im Internet erkennen könnte, aber das schien ihr nicht relevant, denn Hunderttausende, wenn nicht sogar Millionen von Pornobildern schwirrten durchs Netz. Wieso sollte man also gerade sie herausziehen sollen? Und überhaupt, wer aus ihrem Bekanntenkreis sollte danach suchen? Gerade dieser Gedanke, dass sie zwischen den vielen Tausend Sexmodels aufblitzen könnte, war Grund genug, sich jetzt erst recht vor der Kamera auszuziehen. Es war obszön. Emma lachte in sich hinein. Dieses Gefühl hatte sie auch gespürt, als sie zum ersten Mal ins Silky Sexlife