Egal was wir auch tun - Anna-Theresia Dersch - E-Book

Egal was wir auch tun E-Book

Anna-Theresia Dersch

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Beschreibung

"Du hast mir genommen, was mir am liebsten war. Jetzt werde ich dir Selbiges nehmen. Ich beobachte dich, egal wohin du gehst. Egal was du machst. Egal wen du triffst." Als der Ex-Häftling Kaden Travis die Pferdetrainerin Kayla Riley nach einem Job fragt, hat er nur eines im Sinn. Sein Pferd Bastard. Das würde auch so bleiben, wäre da nicht diese unbeschreibliche Anziehung, die Kayla auf ihn ausübt und ihm komplett den Verstand raubt. Jedoch holt ihn seine dunkle Vergangenheit ein und Kaden muss sich entscheiden: Seine Liebe zu Kayla oder ihre Sicherheit?

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Für Oma Rosi

Danke für deine Unterstützung und Liebe.

Ich habe dich ganz doll lieb.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1.1: Kayla

Kapitel 1.2: Kaden

Kapitel 2.1: Kayla

Kapitel 2.2: Kaden

Kapitel 3.1: Kayla

Kapitel 3.2: Kaden

Kapitel 4.1: Kayla

Kapitel 4.2: Kaden

Kapitel 5.1: Kayla

Kapitel 5.2: Kaden

Kapitel 6.1: Kayla

Kapitel 6.2: Kaden

Kapitel 7.1: Kayla

Kapitel 7.2: Kaden

Kapitel 8.1: Kayla

Kapitel 8.2: Kaden

Kapitel 9.1: Kayla

Kapitel 9.2: Kaden

Kapitel 10.1: Kayla

Kapitel 10.2: Kaden

Kapitel 11.1: Kayla

Kapitel 11.2: Kaden

Kapitel 12.1: Kayla

Kapitel 12.2: Kaden

Kapitel 13.1: Kayla

Kapitel 13.2: Kaden

Kapitel 14.1: Kayla

Kapitel 14.2: Kaden

Kapitel 15.1: Kayla

Kapitel 15.2: Kaden

Kapitel 16.1: Kayla

Kapitel 16.2: Kaden

Kapitel 17.1: Kayla

Kapitel 17.2: Kaden

Kapitel 18.1: Kayla

Kapitel 18.2: Kaden

Kapitel 19.1: Kayla

Kapitel 19.2: Kaden

Kapitel 20.1: Kayla

Kapitel 21.1: Kaden

Kapitel 21.1: Kayla

Kapitel 21.1: Kaden

Kapitel 22.1: Kayla

Kapitel 22.2: Kaden

Kapitel 23.1: Kayla

Danksagung

Kapitel 1.1

Kayla

„Kayla! Kommst du bitte mal?” Ich hörte meinen Bruder nach mir rufen. Genervt verdrehte ich die Augen und legte die Bürste weg.

„Ich bin gleich wieder da, meine Schönheit. Bleib brav hier stehen”, flüsterte ich dem Pferd ins Ohr, dann lief ich in Richtung des Haupthauses. Dort wartete mein Bruder Brian bereits auf mich.

„Du willst noch einen Mustang kaufen?”, fragte er, mit einem Flyer des örtlichen Gefängnisses in der Hand. Es war wieder die Zeit im Jahr, in der die Mustangs, die in einem Programm von Häftlingen ausgebildet wurden, auf einer Auktion verkauft wurden.

Seine zusammengepressten Lippen bedeuteten mir bereits, dass er nicht sonderlich begeistert von meiner Idee, eines der Tiere zu kaufen war. Aber das war er nie. Daher hatte ich bereits damit gerechnet.

„Ja. Falls du es vergessen haben solltest, verdienen wir irgendwann damit unser Geld”, sagte ich schulterzuckend und blickte über die Schulter zu meinem Pferd, aber die Stute stand wie erwartet ruhig am Anbindeplatz.

„Du solltest lieber noch weitere Pferde für die Ausbildung aufnehmen. Damit verdienen wir wesentlich mehr Geld als mit deinen Plänen für diese Wildpferde”, tadelte er mich, als wäre ich ein kleines Kind. Auch wenn ich wusste, dass er Recht hatte, konnte ich mich nicht von meinem Plan distanzieren. Ich wollte mit den Mustangs Wanderritte anbieten.

Bisher war dieses Vorhaben allerdings von wenig Erfolg gekrönt. Aber ich würde, sobald ich mal Zeit übrig hatte, etwas Mühe investieren und meine Webseite ausbauen. Auf dieser würde ich dann vor allem meinen Ausbildungsbetrieb vertreten, aber auch die Ritte mit den Mustangs anbieten.

„Ich bilde ja auch noch Jungpferde aus. Die Mustangs nehmen doch nicht mal Boxen weg”, verteidigte ich mein Vorhaben. Mein Bruder schüttelte genervt den Kopf.

„Wir haben kein Geld für einen weiteren Dauergast. Du hast in den letzten drei Jahren fünf Mustangs gekauft. Wie willst du denn mit der Arbeit hinterherkommen?“, noch immer waren seine Lippen zu einem Strich zusammengepresst. „Du hast sechs Ausbildungspferde und dann noch einige Mustangs, die darauf warten, eine ordentliche Ausbildung zu genießen. Wobei ich bei letzterem noch nicht an einen Erfolg glaube.” Seine restliche Mimik sprach allerdings eine andere Sprache. In seinen Augen konnte ich sehen, dass er mich trotz allem verstand.

„Wenn ich erst Gäste habe, dann wird es sich herum sprechen. Brian, es gibt keine besseren Pferde für sowas. Wirklich nicht! Schau dir meine Lacy an.” Energisch drehte ich mich um und zeigte auf die Stute, die gerade versuchte an einige Grashalme zu gelangen, was aufgrund der Stricklänge nicht so funktionierte, wie sie es sich wünschte.

Ihr helles, weißrotbraunes Fell glänzte in der Sonne und erschien für das menschliche Auge beinahe wie ein blasses rosa. Nur ihre Vorderbeine waren zur Hälfte in ein leuchtendes Rotbraun getaucht.

„Ja, du liebst deine Lacy. Aber müssen es denn immer mehr von den Tieren werden? Wir hatten uns darauf geeinigt, dass du nach Lacy keine weiteren Pferde kaufst ... Sie und Bacley sollten eigentlich reichen. Ein Pferd für dich, eins für mich. Und viele junge Pferde, die uns nicht gehören, aber von dir ausgebildet werden. Wir hatten nie über eine Herde Wildpferde geredet.” Brians Stimme ließ keinen Zweifel daran, dass er es leid war, diese Diskussion immer wieder aufs Neue mit mir zu führen. Es war jetzt das fünfte Mal, dass wir über dieses Thema stritten.

Bei meinem ersten Mustang hatte er nichts dagegen gehabt. Da hatte er mich sogar unterstützt. Wenige Monate vor dem Kauf von Sparkles, war mein damaliges Reitpferd gestorben. Danach hatte ich lange nach einem neuen Pferd gesucht, aber keins gefunden.

„Nur den einen Mustang noch. Danach liege ich dir nie wieder mit einem neuen Pferd in den Ohren!”, flehte ich ihn an. Er wusste doch, dass ich ein Nein nicht akzeptieren würde, also konnte er doch direkt nachgeben, oder nicht?

„Ich denke darüber nach.” Dann ging er zurück ins Haus, ohne sich ein weiteres Mal zu mir herumzudrehen. Kopfschüttelnd ging ich zurück zu meiner Stute. Sie hatte die Anstrengung aufgegeben, nach Gras zu angeln und stand nun wieder mit gesenktem Kopf am Anbinder und döste vor sich hin. Ein warmes Gefühl machte sich in mir breit, während ich das Tier betrachtete. Ich war so froh, dass sich meine junge Stute so gut auf dem Hof eingelebt hatte. Ich hatte sie letztes Jahr auf der Auktion gekauft. Gerade in der Anfangszeit hatten wir so unsere Probleme gehabt.

Zunächst hatte sie sich strikt geweigert, mit mir zu kooperieren. Immer wieder hatte sie sich losgerissen und anschließend Touren durch die Umgebung gemacht. Mittlerweile hatte sich das Gott sei Dank gelegt und sie war zum besten und entspanntesten Reitpferd geworden, das ich mir vorstellen konnte.

„Du bekommst einen weiteren wilden Kumpel, das schwöre ich dir”, flüsterte ich dem zarten Pferdemädchen ins Ohr, wobei ich ihr eine Hand auf den Hals legte. Erschrocken zuckte sie unter meinen Berührungen zusammen und blickte mich vorwurfsvoll an. Wie konnte ich es mir auch erlauben, sie aus ihrem Dösen herauszureißen? So viel zum Thema des allzeit aufmerksamen Fluchttiers. Sie horchten ja nicht einmal mehr auf ihre Umgebung. Ich gehörte eindeutig nicht, zu den leichtfüßigen Menschen, eigentlich hätte Lacy mich hören müssen.

„Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken”, sagte ich und tätschelte ihr den Hals, bevor ich damit fortfuhr sie zu putzen.

Energisch zog ich die weiche Bürste über ihr Fell, bis ich kaum noch etwas von dem Staub sah, der sich darin abgelagert hatte. Lupenrein würde ich meine Pferde nie bekommen. Ich fragte mich ja schon, wie viele Leute ihre Schimmel und Schecken für WesternShows und Rodeos so blütenrein bekamen.

„So, ich hole schnell deinen Sattel und dann machen wir uns auf den Weg”, sagte ich, klopfte der Stute im Vorbei gehen auf den Hintern und ging schnell mein Leder zeug holen. Das Kopfzeug legte ich mir auf die Schulter, damit ich den schweren Sattel mit beiden Armen tragen konnte. Bei Lacy angekommen, wuchtete ich den Westernsattel auf ihren Rücken. Nachdem ich den Gurt locker um ihren Bauch befestigt hatte, zog ich ihr das schwarze Knotenhalfter über und warf die Zügel über ihren Hals. Gemeinsam schlenderten wir zum Reitplatz, wo ich den Sattelgurt nachzog und aufsaß.

„So, mein Mädchen. Wir machen auch nicht lange, versprochen”, sagte ich zu ihr, dann ließ ich sie einige Runden Schritt laufen, damit ihre Muskeln warm und locker wurden. Nachdem ich das Gefühl hatte, dass sie warm war, lenkte ich sie vom Platz herunter.

Ein Stück die Zufahrt zum Haupthaus herunter hatte ich mir einen kleinen Parkour mit kleinen, natürlichen Hindernissen und verschiedenen Böden gebaut, auf denen ich die Trittfestigkeit meiner Berittpferde schulte.

Für meine Mustangs war das allerdings mehr Spielerei als ernsthafte Arbeit. Sie hatten Jahre ihres Lebens wild und eigenständig in einer ungnädigen Gegend verbracht. Ihnen war es egal, ob sie ihren Reiter nun über ebenen Boden trugen oder über Stock und Stein. Trotzdem sah ich jedes Mal wieder, dass es auch den Mustangs Spaß machte, auf diesem Platz zu arbeiten.

Lacy hatte heute wohl entweder zu viel oder zu wenig Spaß, denn kaum hatte ich den Trail erreicht, begann die Stute unruhig zu tänzeln. Energisch trieb ich sie an, vorwärts zu gehen und ehe ich mich versah, stand sie auf den Hinterbeinen.

„Lacy! Stell dich gefälligst nicht so an! Du machst das jetzt schon fast ein Jahr lang. Ich bin einmal runtergefallen, weil du mich überrascht hast. Das passiert nicht nochmal!”, schimpfte ich mit dem Pferd, das mittlerweile wieder mit allen vier Hufen auf dem Boden angekommen war, nur um direkt wieder die Vorderbeine in die Luft zu werfen.

Als sie danach keine Anstalten mehr machte erneut zu steigen, drückte ich probehalber meine Waden gegen die Seiten des Pferdes. Als ob nie etwas geschehen wäre, trabte sie an und schüttelte schnaubend den Kopf.

„Das findest du also lustig? Weißt du was? Dann gehen wir eben ausreiten und machen ein wenig Ausdauertraining für dich.” Also lenkte ich die Stute in Richtung Tor, das ich vom Pferd aus öffnete und ließ Lacy, nachdem ich das Tor wieder geschlossen hatte, in einen entspannten Galopp fallen.

Als wir zurück auf den Hof kamen, war das Pferd nassgeschwitzt. Zufrieden klopfte ich ihr den Hals, dann stieg ich ab und nahm den Sattel mit dem dicken Pad herunter. Anschließend führte ich sie auf den Platz und fragte einige Übungen der Bodenarbeit ab. Erst als sie aufgehört hatte zu schnaufen, entließ ich sie zurück auf die Koppel, wo sie von ihren Herdenmitgliedern brummelnd begrüßt wurde.

Am liebsten hätte ich mir direkt den Nächsten von ihnen geschnappt, aber es wäre wohl nicht schlecht, ein wenig Zeit in meine Ausbildungspferde zu investieren. Diese waren in geräumigen Boxen unter gebracht und ich bemühte mich, dass sie jeden Tag lange auf der Weide stehen konnten.

Allerdings hatte ich auch so schon genug mit der Pflege von allen Tieren zu tun, weshalb ich bereits seit Längerem überlegte, eine Hilfskraft einzustellen. Bei Brian stieß diese Bitte auf taube Ohren. Seine Begründung war immer die Gleiche. Das Geld; es war immer das fehlende Geld.

Kapitel 1.2

Kaden

„Kaden, raus aus den Federn. Oder willst du heute nicht Ponyreiten gehen?”, tönte eine laute Stimme, während meine Zellentür aufgeschlossen wurde. Harry, der Wächter, grinste mich freundlich an, als er sah, dass ich bereits fertig gekleidet vor meinem Waschbecken stand und Zähne putzte.

„Geh frühstücken. Danach geht es los.” Harry ging und ließ die Tür zu meiner Zelle offenstehen. Nachdem ich fertig war, ging ich nach unten in den Speisesaal, wo ich mich an der Essensausgabe anstellte. Hinter mir stand Blaze, einer der jüngsten Insassen. Er redete mit keinem hier, aber soweit ich gehört hatte, war unsere Geschichte recht ähnlich. Zumindest saßen wir aus dem gleichen Grund hier drinnen. Ich schenkte dem Jungen ein müdes Lächeln. Starr, ohne irgendeine Regung in seinem Gesicht, blickte er mir in die Augen, bevor er sich abwandte und seine Morgenration entgegennahm. Auch ich sah nun wieder nach vorn und wartete darauf, dass die Schlange wieder vorrückte. Als ich schließlich meinen Kaffee entgegengenommen hatte, suchte ich mir einen Platz bei einigen weiteren Männern, welche zusammen mit mir im Mustangprogramm waren.

Nachdem wir mit dem Essen fertig waren, gingen wir, begleitet von zwei Wärtern, zum Ausgang, wo unsere Hände in Ketten gelegt wurden.

Voller Vorfreude stieg ich in den Bus, der uns zu einer kleinen Ranch ganz in der Nähe bringen würde. Auch wenn es für die meistens Menschen nicht sonderlich verlockend wirkte, trotzdem von Stacheldraht umgeben zu sein, freute ich mich jeden Tag aufs Neue dort anzukommen. Denn auf der Ranch hatte ich wenigstens ein Gefühl von Freiheit.

Als der Bus hielt, stiegen meine Mithäftlinge und ich aus und ließen uns die Handschellen abnehmen, um anschließend in den Stall zu gehen.

Wie jeden Tag begannen wir damit die Boxen auszumisten, bevor wir auf die Koppel gingen, um unsere Pferde zu holen. Als ich an den Zaun kam und mein Schecke mich erblickte, kam er brummelnd auf mich zugelaufen.

„Hey Kumpel.” Sanft rieb ich ihm die fellige Nase, bevor ich ihm sein Halfter überzog und ihn mit zum Reitplatz nahm, auf dem bereits einige Andere mit dem Training begonnen hatten. Wie gewohnt war es ein wildes Durch einander. Wir waren zwanzig Männer, die hier mit den Mustangs arbeiteten. Wenige hatten ihre Tiere bereits gesattelt, die meistens standen einfach nur neben ihren Pferden.

Die Tiere sollten lernen, dass es nicht schlimm war, in der Nähe eines Menschen zu sein. Ich ließ meinen Blick kurz über die anderen Männer schweifen. Wir alle hatten in unserem Leben kleinere oder größere Fehler gemacht, ansonsten wären wir nicht hier. In meinem Fall waren es viele kleine Dinge, die mich hierher gebracht hatten.

Es war nun neun Jahre her, dass ich verhaftet und anschließend verurteilt worden war. Wahrscheinlich war ich auch einer der Wenigen, der seiner Zeit im Gefängnis etwas Gutes abgewinnen konnte. Aber das war auch erst so, seit ich in das Mustangprogramm aufgenommen wurde.

Ohne dieses Programm wüsste ich nicht, was aus mir werden würde, wenn ich in wenigen Tagen hier rauskam. Viele der anderen Männer, die hier arbeiten, würden mir zustimmen.

In diesem Programm lernten wir eindeutig mehr als die Ausbildung von Pferden und das Reiten. Die Pferde brachten uns Geduld bei. Es war geradezu so, als hätten wir nicht nur die Pferde gezähmt, sondern sie auch uns.

„Wollt ihr beiden den anderen nur zuschauen oder wollt ihr noch arbeiten?”, hörte ich eine tiefe, belustigte Stimme.

Neben uns war Levis Jones aufgetaucht. Der alte Rancher war für die Mustangs verantwortlich und betreute uns bei der Arbeit mit ihnen, indem er uns Schritt für Schritt anleitete. Die nächste Aufgabe mit den Pferden durften wir immer erst machen, wenn Jones uns dies ausdrücklich erlaubte.

In meinem Jahr hier hatte sich einer meiner Kollegen getraut, auf eigene Faust weiterzuarbeiten. Die Tirade, die daraufhin von Jones folgte, hatte uns alle vor weiteren Alleingängen abgeschreckt.

Wir hatten Jones noch nie so aufgebracht erlebt. Im Nachhinein hatte er mir allerdings anvertraut, dass er einfach Angst gehabt hatte, dass einem seiner Schützlinge etwas passieren könnte.

„Wir wollen auch noch arbeiten. Nicht wahr, Basta?” Eigentlich hieß der Wallach Bastard. Den Namen hatte ich ihm gegeben, da ich am Anfang des Projektes noch keine Ahnung hatte, was es mir letztlich bringen würde.

Ich hatte damals nur wegen der Aussicht eine weitere Haftverkürzung teilgenommen. Außerdem hatte der Kerl versucht mich zu beißen, weil ich ihm zunahegekommen war.

Es hatte einiges Zureden von Jones gebraucht, bis ich verstanden hatte, dass ich bei dem Wallach mit Druck nicht weiterkommen würde. Ich musste mir immer wieder selbst sagen, dass ich mehr als genug Zeit hatte mein Pferd für den Verkauf fertig zumachen.

„Dann mach dein Pferd fest und fang an zu satteln. Ich will schauen, wie weit ihr beide seid. Basta soll nächste Woche vorgestellt werden.”

Ich nickte wortlos und presste die Lippen zusammen. Seit ich angefangen hatte, mit Basta zu arbeiten, wusste ich, dass er verkauft werden würde.

Wann es so weit war, bestimmte Jones und vor einigen Wochen hatte er mich zur Seite genommen, um mir genau diese Nachricht zu überbringen.

Ein paar der Häftlinge hatten ihre Familien gebeten, ihre Pferde zu kaufen, damit sie die Tiere wiedersehen konnten, sobald sie hier herauskamen.

Dieses Glück würde ich nicht haben. Seit ich meine Heimatstadt verlassen hatte, hatte ich mich nicht mehr bei meinen Eltern gemeldet. Nicht, dass sie es nicht selbst versucht hätten, aber ich hatte es jedes Mal abgeblockt. Ich kraulte Basta kurz hinter dem Ohr, dann holte ich Sattel und Trense.

Nachdem ich alles an meinem Pferd angebracht hatte, führte ich ihn auf den Sandplatz, wo ich nachgurtete und aufsaß.

Nach einigen Runden im Schritt, trabte ich an und schließlich ließ ich Basta eine halbe Bahn galoppieren. Noch immer durchschoss mich das Adrenalin, wenn wir in den Galopp wechselten. Wahrscheinlich würde sich das auch nicht mehr ändern, bis er verkauft wurde.

Ich war unglaublich stolz auf die Arbeit von Basta und mir. Wir ritten heute zum achten Mal frei, ohne dass Jones uns vom Boden führte und dafür machte der Mustang seinen Job verdammt gut.

Ich parierte Basta in den Stand durch, beugte mich nach vorn und kraulte ihm zufrieden am Schopfansatz. Dabei versuchte ich mir das Gefühl, wie meine Finger durch das dichte Langhaar glitten, einzuprägen.

„Irgendwann, mein Kleiner. Irgendwann galoppieren wir draußen über eine Wiese”, versprach ich ihm. Dabei war ich mir bei zwei Dingen sicher. Zum einen, dass Basta mich nicht verstand, zum anderen, dass ich ihn, nachdem er verkauft war, niemals wiedersehen würde. Denn wie wahrscheinlich war es, dass Basta an eine Person verkauft wurde, bei der ich mich weiter um ihn kümmern durfte?

Zufrieden mit dem Ergebnis des heutigen Tages stieg ich ab und führte ihn vom Platz herunter. Erneut band ich ihn an, sattelte ab und zog ihm sein Knotenhalfter an. Da wir noch Zeit hatten, setzte ich mich unter einen Baum und ließ Basta am langen Strick grasen.

Erst kurz vor der Abfahrt zurück ins Gefängnis brachte ich das Pferd zurück auf die Koppel. Nachdenklich setzte ich mich auf den Holzzaun und beobachtete die Herde von Pferden. Obwohl sie alle der gleichen Rasse angehörten, sahen sie so unterschiedlich aus. Die einen waren muskulös und breit gebaut. Dann waren da Pferde wie mein Basta. Jones meinte, er stände hoch im Blut. Als er das zum ersten Mal sagte, bekam er von mir nur einen fragenden Blick zugeworfen. Mittlerweile wusste ich, dass er damit sagen wollte, dass mein Pferd wohl einige Vollblüter unter seinen Vorfahren hatte, was sich in seinem schlanken und drahtigen Körperbau widerspiegelte. Ich mochte es, ihn in seiner Herde zu beobachten. Die Muskeln des Pferdes spielten unter seinem dunkelbraunen Fell. Die kleinen, weißen Flecken an seinem Bauch, sowie seine Blesse, leuchteten in der Sonne. Seine Mähne und der Schweif waren heller als der Rest seines Fells. Er gab ein schönes Bild ab und er sah so unglaublich zufrieden aus, wenn er den Kopf in die Höhe warf und mit seinen Herdenmitgliedern spielte. Gerade als das Geräusch des Tors zu hören war, durch das unser Bus einfuhr, kam Basta nochmal zu mir und ich lehnte meine Stirn gegen seine.

„In einer Woche sind wir beide hier raus. Aber ich kann dich nicht mitnehmen. Ich hoffe, dass dein neuer Besitzer dich gut behandelt”, flüsterte ich und legte die Hände auf seinen Mähnenkamm.

„Travis! Komm, wir müssen euch die Handschellen anlegen”, hörte ich eine Stimme vom Eingang. Schweren Herzens ließ ich den Wallach zurück und machte mich auf den Weg.

Genau einen Tag nach der Versteigerung der Mustangs würde auch ich wieder frei sein. Durch einen Handel mit dem Staatsanwalt, bei dem ich ihm einige Namen meiner damaligen Kollegen genannt hatte, konnte ich eine Strafmilderung erreichen können. Ebenso durch das Programm mit den Mustangs.

Ich konnte es noch immer kaum glauben, dass ich bald wieder frei und nicht mehr von Stacheldraht umgeben sein würde. Meinen nächsten Geburtstag würde ich draußen feiern. Obwohl ich erst vor einem Monat achtundzwanzig geworden war, freute ich mich jetzt schon darauf. Auch wenn ich noch keine Ahnung hatte, was ich tun wollte.

Ich hatte mir einfach noch keine Gedanken gemacht, da der Tag lange Zeit in weiter Ferne gelegen hatte. Auch jetzt fühlte es sich noch immer so an. Wahrscheinlich würde ich es erst richtig realisieren, wenn ich mit meiner Tasche in der Hand vor der Justizvollzugsanstalt stehen würde.

Vielleicht würde ich dann nach Basta suchen. Andererseits konnte es auch nicht schaden, wenn ich mir eine Wohnung und einen Job suchte, eine Frau kennenlernte und sesshaft wurde. Vielleicht würde ich ja doch noch eine Familie gründen? Aber wer wusste das schon. Das letzte Mal, dass ich einer Frau nah gewesen war, war neun Jahre her. Genau eine Nacht, bevor ich verhaftet wurde. Damals war ich quasi noch ein Kind gewesen, so jung und naiv. Ich dachte, mir würde die Welt zu Füßen liegen. Aber die Geschehnisse, die kurz darauf folgten, hatten mich eines Besseren belehrt. Ich hatte den falschen Leuten mein Vertrauen und meine Gefolgschaft geschenkt.

Kapitel 2.1

Kayla

Es war das Wochenende der Versteigerung. Mein Plan sah so aus, dass ich aus dem Haus sein wollte, bevor mein Bruder aufwachte.

Als ich allerdings am Samstagmorgen in die Küche kam, hatte mein Bruder bereits eine Kanne Kaffee gekocht. Sehr lange konnte er noch nicht wach sein, denn der Kaffee hatte offensichtlich noch nicht seine Wirkung entfaltet. Mit verschlafenen Blick sah er mich an und nippte kurz an seiner Tasse.

„Nicht mehr als fünftausend Dollar”, meinte er mürrisch, ohne mir einen guten Morgen zu wünschen. Begeistert fiel ich ihm um den Hals. Dabei verschüttete er fast seinen Kaffee und gab einen grummelnden Laut von sich.

„Ich warne dich, Kayla, wenn du mehr ausgibst, bin ich weg. Dann kannst du selbst gucken, wie du den Hof am Laufen hältst”, drohte er und sah mich grimmig an.

„Ich verspreche es dir.” Überschwänglich drückte ich ihm einen Kuss auf die Wange und ging nach draußen.

Wie jeden Morgen begann ich damit, die Pferde zu versorgen. Immerhin waren sie mein Job auf dem Hof, während Brian sich um die Finanzen kümmerte. Wie immer schweiften meine Gedanken ab, während ich die Pferdeäpfel aus dem Stroh sammelte.

Normalerweise ging ich in dieser Zeit den Trainingsplan für den Tag im Kopf durch. Heute war ich jedoch mit meinen Gedanken die ganze Zeit bei meinem möglichen neuen Pferd. Ich dachte über jede Variable nach, die mir in den Sinn kam.

Würde es eine Stute oder ein Wallach werden? Welche Farbe würde es haben?

Nach der zweiten Auktion hatte ich es aufgegeben, die Pferde nach äußerlichen Kriterien kaufen zu wollen. Am Ende ging ich sowieso immer mit einem ganz anderen Pferd von dem Gelände, weil ich mich von der Aura der jeweiligen Tiere hatte überzeugen lassen. Mittlerweile kaufte ich Pferde nur noch nach Gefühl. Und natürlich achtete ich auch darauf, dass sie gesund waren und einen anständigen Körperbau hatten.

Durch diese Gedanken abgelenkt, brauchte ich heute etwas länger als sonst. Nachdem die Schubkarre wieder geleert am Anfang der Stallgasse stand, ging ich zu den Koppeln, um dort ein letztes Mal nach dem Rechten zu sehen und Heu und Wasser zu überprüfen.

Anschließend ging ich zurück ins Haus. Als ich durch die Tür kam, hörte ich bereits das Tippen der Tastatur aus dem Büro, in dem mein Bruder arbeitete. Da ich ihn nicht stören wollte, lief ich stumm an der Tür vorbei in das danebenliegende Bad.

In automatisierten Handgriffen schloss ich ab, ging zur Dusche und drehte das warme Wasser auf. Die Zeit, welche die Dusche brauchte, um warm zu werden, nutzte ich dafür, mir meine Stallklamotten vom Körper zu pellen. Ich wollte bei der Auktion wenigstens einen Hauch von Seriosität ausstrahlen. Dies würde ich weiß Gott nicht tun, wenn ich nach Mist stank und Stroh in den Haaren hängen hatte.

Wenige Minuten später stieg ich aus einem dichten Wasserdampf zurück ins Bad. Durch das beinahe heiße Wasser war meine Haut gerötet und meine kupferroten Haare hingen in dunklen, nassen Strähnen auf meiner Haut.

Die Fahrt vom Hof bis zum Parkplatz des Gefängnisses dauerte nicht lange. Nachdem ich meinen Wagen dort abgestellt hatte, ging ich zielstrebig auf den Eingang der Auktionsarena zu.

„Kayla, schön dich zu sehen. Willst du bieten oder nur schauen?”, fragte mich Jones, der Betreuer des Programms und ein langjähriger Freund der Familie. Mit einem herzlichen Lächeln strich er sich das lichter werdende, graue Haar aus der Stirn.

„Bieten. Ein letztes Mal, vermute ich”, sagte ich und erwiderte sein Lächeln. Es tat gut, ihn mal wieder zu sehen. Ich sollte ihn bald wieder zum Essen zu uns nach Hause einladen.

„Sicherlich. Das hast du die letzten vier Mal auch schon gesagt”, sagte Jones lachend und legte mir seine große, schwielige Hand auf die Schulter.

„Du hast ja recht. Ich musste es Brian trotzdem versprechen.” Ich zuckte mit den Schultern, als wäre es eine Nebensächlichkeit. Aber Jones wusste es genauso wie ich, dass dem nicht so war.

Er verstand meine Liebe zu diesen Tieren besser als jeder andere. Immerhin war er auch derjenige gewesen, der mich auf die Idee gebracht hatte, hier nach dem richtigen Pferd für mich zu suchen.

„Wie die letzten vier Male?”, fragte er mich und seine braunen Augen funkelten schelmisch.

„Das mag sein. Aber langsam sehe ich es ja selbst ein, dass ich genug zu tun habe. Ich habe nur für meine Lacy ausreichend Zeit. Ich werde mich wahrscheinlich nach einer Aushilfe umsehen. Falls du also jemanden kennst, der für wenig Geld viel Arbeit verrichtet, immer her damit”, scherzte ich und nahm meine Bieternummer, die 195, entgegen.

„Sehen wir uns später noch?“, fragte ich Jones und trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. Hinter mir befanden sich noch einige Leute, die ebenfalls Bieternummern haben wollten und ich wollte den Betrieb nicht allzu lange aufhalten.

„Wahrscheinlich nicht, aber ich melde mich die Tage bei euch“, verabschiedete sich Jones und ich machte mich auf den Weg zur Bietertribüne.

Aufgeregt wartete ich darauf, dass die ersten Pferde vorgestellt wurden. Immer wieder blickte ich zum Einlass, durch welchen die Pferde von einem Freiwilligen in das ovale Innere der Arena geführt wurden. Als es endlich losging, wuchs meine innere Anspannung nochmal um ein Vielfaches.

Ich beobachtete jedes Pferd genau, das in die Arena gebracht wurde. Die meisten der Tiere gefielen mir auch verdammt gut, aber da war nie dieses bestimmte Gefühl. Diese Gewissheit, dass es das richtige Tier für meine Herde war. Gegen Ende der Auktion, gerade als ich schon beinahe die Hoffnung verloren hatte, wurde ein hübscher dunkelbrauner Wallach mit heller Mähne und wenigen weißen Flecken am Bauch in den Ring geführt.

Es war wie Liebe auf den ersten Blick. Obwohl ich daran nur bei Pferden glaubte. Aber dieses Pferd hatte mit nur einem schnaubenden Kopfschütteln, bei dem seine blonde Mähne durch die Luft flog, mein Herz erobert. Auch wenn er gerade etwas nervös war und die Muskeln unter seinem schwarzbraunen Fell zum Zerbersten angespannt waren, erkannte ich, dass er mit etwas Übung ein gelassenes Pferd werden würde. Perfekt für das Wanderreiten.

„Als Nächstes sehen wir einen circa zehn Jahre alten Wallach, genannt Bastard. Sportlich, vermutlich mit Arabereinschlag. Solide in Schritt, Trab und Galopp eingeritten. Neigt allerdings zum Beißen. Das Startgebot liegt bei fünf hundert Dollar”, tönte die Stimme von Jones durch die Lautsprecherboxen. Sofort schoss meine Bieternummer nach oben. Ebenso die vieler anderer. Mein Kampfgeist war geweckt. Und so warf ich mich frohen Mutes in den Bieterkampf. Dem Mann, der schräg vor mir saß, schien es nicht anders zu gehen. Ab dreitausend Dollar war es ein Kampf zwischen ihm und mir.

Irgendwann achtete ich nicht mal mehr darauf, wie viel Geld ich geboten hatte. Ich wollte gewinnen. Ich wollte dieses Pferd um jeden Preis haben. Triumphierend blickte ich nach vorn, als sich meine Karte als Einzige hob.

„Fünftausendfünfhundert zum Ersten. Zum Zweiten. Keine weiteren Gebote? Fünftausendfünfhundert zum Dritten! Verkauft an 195.”

Ich schluckte. Bereits jetzt spielte sich das Donnerwetter, dass ich von Brian zu erwarten hattte, lebhaft in meinem Kopf ab. Dem schenkte ich allerdings kaum Beachtung, denn ich war viel zu euphorisch über den Kauf. Schnell erhob ich mich, um zum Schalter zu gehen, wo ich der zuständigen Dame meine Kreditkarte reichte, um die fünftausendfünfhundert Dollar zu begleichen. Am liebsten wäre ich sofort zu dem Pferd gegangen, aber damit musste ich noch eine Weile warten. Einladen konnte ich Bastard erst, wenn alle anderen Pferde ebenfalls ihre neuen Besitzer gefunden hatten und sich ihre Trainer von ihnen verabschiedet hatten. In meinen Gedanken vermied ich tunlichst das Wort Häftling. Es klang so abwertend. Zumal die Männer wirklich einiges geleistet hatten. Allein wegen der guten Vorarbeit mit den Tieren hatten sie sich den Titel Trainer redlich verdient.

„Miss Riley?”, fragte der Wärter, welcher die Pferde nach draußen brachte. Ich meldete mich und trat mit einem breiten Lächeln auf den Lippen vor. Lieblos drückte er mir den Strick in die Hand. Kurz blickte ich Bastard an und tätschelte ihm den Hals. Ich wollte ein Gefühl dafür bekommen, wie seine Stimmung in diesem Moment war. Als er sich aber soweit entspannt gab, machten wir uns auf den Weg zum Hänger. Je weiter wir uns vom Tor entfernten, desto öfter blickte sich der Wallach um. Auch wenn ich dieses Verhalten bei jedem meiner Mustangs hatte beobachten können, brach es mir heute noch immer das Herz. Sie wollten zurück zu ihren Freunden und dem Menschen, der ihnen gezeigt hat, dass von uns Zweibeinern keine Gefahr ausging. Es war unverständlich für die Pferde, dass sie nun zu jemand anderem gehörten.

Meine hervorstechendste Sorge in diesem Moment war allerdings das Verladen auf den Hänger. Lacy hatte mir da vor zwei Jahren Probleme bereitet, weshalb ich dabei mittlerweile einen größeren Wert auf Sicherheit legte. Seitdem verlud ich vor allem mit Handschuhen und am liebsten in abgesicherten Gelände. Leider war letzteres hier nicht zu gewährleisten.

Auch Bastard war der Hänger nicht geheuer. Nach einer kurzen Diskussion betrat er allerdings die Rampe, ging ins Innere des Anhängers und mümmelte genüsslich am Heu, das ich noch gestern Abend in ein Netz gestopft hatte. Auch auf der Fahrt nach Hause verhielt sich der Wallach ruhig, was mich aufatmen ließ.

Langsam fuhr ich auf den Hof und kam vor dem Stall zum Stehen. Als ich das Tier auslud, hatte es bereits angefangen zu dämmern. Die erste Nacht würde er in einem Paddock verbringen, der durch Alupanels begrenzt war, damit er sich über Nacht etwas akklimatisieren konnte.

Am nächsten Morgen würde ich ihn, zusammen mit Bacley, dem Pferd meines Bruders, auf eine kleinere Koppel stellen. Ich wollte das neue Pferd nur ungern ganz allein in eine neue Herde geben.

„Ich sehe schon, du bist erfolgreich gewesen. Ein hübscher Kerl.” Brian kam vom Haupthaus zu mir herüber geschlendert. Anerkennend blieb er in einiger Entfernung stehen und musterte das Tier, bevor er näherkam und ihm vorsichtig den Hals tätschelte. Bastard ließ sich das gern gefallen und senkte seufzend den Kopf.

„Und nett noch dazu! Sieh ihn dir nur mal an!”, sagte ich begeistert und Brian nickte zufrieden.

„Aus dem wird noch was. Wie viel mehr hast du für ihn bezahlt?”, fragte er mich und sah mir mit einer hochgezogenen Augenbraue in die Augen. Da hatte er mich kalt erwischt. Beschämt senkte ich den Kopf.

„Fünfhundert über dem Limit”, gab ich zu und Brian lächelte sanft.

„Die Fünfhundert sollten gerade noch so drin sein”, sagte er und legte mir einen Arm um die Schultern. Erleichterung durchflutete mich, dass er mir nicht böse war, weil ich mich über seine Anordnung hinweggesetzt hatte. Gemeinsam gingen wir zu den Paddocks, wo mein Brian bereits alles für den Neuankömmling vorbereitet hatte.

„Wie sieht deine weitere Abendplanung aus?” Neugierig sah Brian mich an und ich wurde direkt rot.

„Ich will noch zu James”, sagte ich und fuhr mir verlegen durch die Haare.

„Heißt das, das mit euch beiden wird etwas Festes?”, fragte er mich und machte den Versuch, sein Missfallen an dieser Beziehung zu verschleiern.

Ich schüttelte den Kopf. Aus James und mir würde niemals etwas Festes werden. Außer im Bett passten wir nicht zusammen. Ich lebte für meine Pferde und er hatte Angst vor den Tieren. Er liebte die Stadt und ich konnte mir kein anderes Leben, als das auf der Farm vorstellen. Allerdings war ich mir nicht sicher, ob ihm das so bewusst war wie mir.

Später am Abend hatte ich meinen Wagen bei James abgestellt. Wir hatten uns zusammen mit meiner besten Freundin in einer Bar verabredet.

Patricia wartete bereits auf uns, als James mir die Tür zu dem Laden aufhielt.

„Hey! Kayla, es tut so gut, dich zu sehen!”, sagte sie, als sie mich umarmte. Stürmisch erwiderte ich die Umarmung und seufzte erleichtert. Auch wenn ich erst fünfundzwanzig und Patty bereits fünfunddreißig war, machte uns der Altersunterschied nichts aus.

„Stimmt. Es ist viel zu lange her. Ich habe so viel auf dem Hof zu tun, das glaubst du mir nicht”, sagte ich lachend und meine beste Freundin schob mir ein Glas Wein hin. Dankend nahm ich es entgegen und setzte es mir an die Lippen.

„Hallo Patty”, begrüßte auch James sie und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Als ich sah, wie ihre Augenbrauen zuckten, wusste ich, dass sie den Drang, die Augen zu verdrehen, unterdrückte. Sie kam zwar mit James klar, aber beste Freunde würden sie wohl nie werden.

„Du, Kayla. Meinst du Gwenny könnte bei dir ein bisschen Reitunterricht bekommen? Seit Neustem scheint es wohl wieder cool zu werden zu reiten.”

Gwenny war Pattys Tochter. Als sie geboren worden war, war Patty gerade neunzehn Jahre alt gewesen, aber immerhin war sie noch immer mit Gwens Vater zusammen und hatte mit ihm noch zwei weitere Kinder bekommen.

„Ich denke, das sollte kein Problem sein. Sparkles wird ihr eine gute Lehrerin sein. Schick sie am besten an einem Wochenende mal vorbei. Da habe ich nur mit der Stallarbeit zu tun und die Berittpferde haben Pause”, bot ich an und das Grinsen auf Pattys Gesicht wurde noch viel breiter.

„Nun, ich denke, wir haben genug über Pferde geredet. Wie geht es deinem Mann, Patty? Warum ist er heute nicht mitgekommen?”, unterbrach uns James, wofür er einen bösen Blick von uns beiden erntete. Er sollte doch eigentlich wissen, dass meine beste Freundin und ich uns einmal über alles austauschen mussten, bevor er sich zu Wort melden konnte.

„Wir haben heute keinen Babysitter bekommen, also muss er zuhause bleiben und die Kinder hüten“, sagte Patty kühler als vorher. Kurz legte ich ihr eine Hand auf den Arm, um ihr zu signalisieren, dass sie ruhig netter zu James sein konnte. Er meinte es ja nicht böse, sondern wollte einfach nur mit ins Gespräch involviert werden.

„Gwenny ist sechzehn, sollte sie nicht auf ihre beiden kleineren Geschwister aufpassen können?”, fragte James angesäuert und verschränkte die Arme vor der Brust. Vor ihm wurde ein Glas Wasser abgestellt, das er mit einem kurzen Nicken in Richtung des Kellners zur Kenntnis nahm.

„Kann sie, aber sie ist heute Abend selbst bei einer Freundin. Kayla, wie wollen wir das denn mit den Reitstunden regeln? Also geldmäßig?”

„Wenn sie mir an dem Tag, wo sie reitet, vorher im Stall hilft, ist das okay. Eine Aushilfe könnte ich gut gebrauchen. Vor allem die Bezahlung mit Reitstunden kommt mir zugute, da ich schon mehr als gewollt für das neue Pferd bezahlt habe”, erzählte ich und neben mir fing James gelangweilt an zu stöhnen. Das war mittlerweile fast ein Automatismus bei ihm. Sobald es auf das Thema Pferde kam, wurde er quengelig, wie ein kleines Kind.

„Ruhig, du Bürohengst! Du siehst Kayla öfter als ich, also will ich nichts hören”, maßregelte Patricia James, welcher zwar die Augen verdrehte, sich aber eines Kommentars enthielt.

„Erzähl mir von deiner neusten Errungenschaft”, bat meine beste Freundin interessiert und stützte ihr Kinn auf ihre Hände. Dann begann ich ihr von meinem ersten Eindruck von Bastard zu erzählen. Immer wieder wurden ihre Augen groß, aber sie unterbrach mich nicht. Als ich ihr dann noch einige Bilder zeigte, die ich bei der Vorstellung in der Arena gemacht hatte, war es um sie geschehen.

„Ein wirklich schöner Kerl. Wir müssen dringend mal wieder zusammen ausreiten, Kayla. Vielleicht komme ich einfach mal mit, wenn Gwenny Reitunterricht hat”, sagte sie verträumt und bestellte uns noch einen Wein.

Kapitel 2.2

Kaden

„Du musst Basta jetzt weitergeben.” Jones hatte mir von hinten eine Hand auf

die Schulter gelegt. Vorsichtig griff er nach dem Strick, um welchen ich meine Hand fest geballt hatte.

„Ich habe Angst, Jones”, gestand ich leise und tätschelte Basta am Hals. Dieser schnaubte entspannt und ließ den Kopf sinken. Der Wallach schien zu wissen, wie er mir den Abschied noch schwerer machen konnte, als er ohnehin schon war.

Auch wenn ich ihn nach seiner Vorstellung im Ring noch einmal zurückbekommen würde, damit ich einige letzte Minuten und vielleicht Stunden mit Basta verbringen konnte.

„Er hat keine. Also sei du auch ganz beruhigt. Die meisten Leute, die heute hier sind, kenne ich, sie werden deinem Basta ein gutes Zuhause geben.”

Ermutigend klopfte er mir auf die Schulter.

„Das ist es nicht, wovor ich Angst habe”, sagte ich leise und ließ den Strick los. Jones nickte wissend und ich trat von meinem Pferd und ihm weg. Am liebsten hätte ich mich jetzt in meiner Zelle verkrochen und in Selbstmitleid gebadet. Trotzdem zog es mich ans Gatter, so sehr es mir auch widerstrebte. Ich musste die Person sehen, die meinem Basta ein neues Zuhause geben würde.

Ich wollte wissen, wie er oder sie aussah und mir wenigstens aus der Ferne ein beschränktes Bild über den Charakter dieses Menschen machen. Nicht, dass ich letztlich etwas am Verkauf hätte ändern können. Egal, wie sehr mir der Käufer missfiel, verkauft war verkauft. Ich hatte keinen Einfluss darauf.

„Als Nächstes sehen wir einen circa zehn Jahre alten Wallach, genannt Bastard. Sportlich, vermutlich mit Arabereinschlag. Solide in Schritt, Trab und Galopp eingeritten. Neigt allerdings zum Beißen. Das Startgebot liegt bei fünfhundert Dollar”, moderierte Jones und blickte immer wieder ins Publikum.

Sofort gingen mehrere Schilder in die Höhe. Das erste war die 195 gewesen. Zu dieser Bieternummer gehörte eine junge Frau, die schlicht mit TShirt und einer abgewetzten Jeans gekleidet war. Auf den ersten Blick erschien sie mir freundlich. Ihr Gesicht war aufmerksam auf meinen Basta gerichtet. Gern wäre ich näher zu ihr gegangen, um mir diese Frau genauer anzusehen.

Aber das würde mir nicht möglich sein. Trotzdem schrie irgendetwas in mir, dass ich wollte, dass sie Basta ersteigerte.

Im Sekundentakt wurde der Preis nun erhöht und mein Magen drohte sich umzudrehen. Basta war mein Pferd. Mit einem Mal bereute ich es, sämtlichen Kontakt zu meiner Familie abgebrochen zu haben. Ansonsten wären sie nun sicherlich hier und würden versuchen, mir meinen Traum von einem weiteren Leben mit meinem Pferd zu ermöglichen.

„Fünftausendfünfhundert zum Ersten. Zum Zweiten. Keine weiteren Gebote? Fünftausendfünfhundert zum Dritten! Verkauft an die 195.” Mein Magen krampfte sich zusammen, dann blickte ich mit verschwommenem Blick zu der Frau. Ich atmete einmal tief durch, schüttelte den Kopf und ging zum Ausgang, um Basta wieder entgegenzunehmen.

Liebevoll strich ich dem Wallach über die Blesse. Danach führte ich ihn zurück zur Weide. Die Pferde sollten sich nach dem Stress während der Versteigerung nochmal die Beine vertreten und ein wenig mit ihren Freunden rennen dürfen. Immerhin wurde heute die Herde auseinandergerissen. Nachdem alle Pferde versteigert waren, kam Jones zu uns.

„Es wird Zeit, Jungs. Wenn ihr wollt, könnt ihr euch noch von euren Pferden verabschieden“, sagte er ruhig. Ich nickte, drehte mich um und rief Basta zu mir. Beim Klang meines Pfiffs riss der Wallach seinen Kopf in die Höhe und kam zu mir getrabt.

„Wir sehen uns wieder, mein Junge”, flüsterte ich ihm zu, während er seinen Kopf an mich schmiegte. Liebevoll sortierte ich ihm die Haare, die ihm in die Stirn fielen.

„Kayla wird sich gut um ihn kümmern”, sagte plötzlich Jones hinter mir. Müde drehte ich mich zu ihm um. Es beruhigte mich ein wenig, dass er die Frau kannte. Ich glaubte Jones, wenn er mir sagte, dass sie nett war.

„Wenn du das sagst”, erwiderte ich matt und konnte nur mit Mühe die Tränen unterdrücken, welche sich ihren Weg in meine Augen gebahnt hatten. Hätte man mir vor neun Jahren gesagt, dass ich mal wegen einem Pferd heulen würde, hätte ich diese Person ausgelacht.

„Sie sucht übrigens eine Aushilfe. Das Gehalt ist zwar nicht das Beste, aber ich bin mir sicher, sie würde dir zusätzlich einen Schlafplatz und Essen bereitstellen”, merkte er an. Sofort wurde ich hellhörig. Allein die Vorstellung ließ ein warmes Kribbeln in meiner Magengegend wachwerden.

„Du denkst, sie würde mich einstellen?”, fragte ich nun und spürte dabei, wie die Hoffnung meinen Körper belebte.

„Ich kenne das Mädchen, seit sie ein Kind ist. Wenn du dich nicht wie der letzte Idiot aufführst, hast du gute Chancen den Job zu bekommen.” Väterlich klopfte er mir auf die Schulter und wollte bereits gehen, als ich ihn zurückhielt.

„Sag ihr nichts. Ich will nicht, dass sie mir gegenüber voreingenommen ist.” Ich konnte es nicht gebrauchen, dass ich allein auf meine Vergangenheit reduziert wurde.

Ich hatte diese dunklen Zeiten hinter mir gelassen, hatte mich verändert und ich wollte definitiv nicht mehr in meine damaligen Umstände zurück.

„Junge, was du da vorhast, ist eine schlechte Idee. Eine sehr schlechte.” Besorgt sah Jones mich an, aber er wusste wahrscheinlich, dass ich mich nicht umstimmen lassen würde. Nachdem er mich ein letztes Mal stirnrunzelnd gemustert hatte, ging er.

Gemeinsam sahen Bastard und ich ihm hinterher. Ich wusste, dass Jones recht hatte. Tief in mir drinnen war das für mich vollkommen logisch. Aber gleichzeitig sträubte sich vieles in mir, fremden Menschen meine Vergangenheit anzuvertrauen.

„Wir werden uns wiedersehen. Versprochen”, flüsterte ich in das Ohr des Pferdes und eine Träne rann über meine Wange. Der Wallach schnaubte und ich machte mich daran, ihm sein Halfter überzuziehen. Dabei zitterten meine Finger so sehr, dass ich es nicht beim ersten Anlauf schaffte, den entsprechenden Riemen über seine Nüstern zu ziehen.

Auf dem Weg zur Schleuse wurden meine Schritte mit jedem Meter schwerfälliger. Der dort stehende Wächter betrachtete mich einen Moment, dann griff er nach dem Strick. Kurz zog er daran, aber ich fühlte mich noch nicht bereit, Basta gehen zu lassen.

Ein letztes Mal strich ich ihm über die Stirn.

„Wir sehen uns wieder“, flüsterte ich erneut und ließ den Strick los. Mit geballten Fäusten wandte ich mich von dem Pferd ab und ging, ohne mich noch einmal umzudrehen, in den Stall.

Kapitel 3.1

Kayla

„Na los mein Kleiner. Zeig mal, was du kannst!”, motivierte ich eines meiner Ausbildungspferde. Der junge Appaloosa hatte Probleme mit seiner Trittfestigkeit unter dem Reiter. Deshalb trainierte ich diese auf meinem Trail vom Boden, bevor ich es morgen zum ersten Mal von seinem Rücken aus probieren würde.

In dem Moment in dem ich das Pferd gerade über eine ebene Fläche, auf der mehrere, halb vergrabenett Steine lagen, blieb das Tier unvermittelt stehen und riss den Kopf in die Luft. Ohne auf seine Füße zu achten, lief Apache einige Schritte nach vorn, stolperte mit den Vorderbeinen und rutschte gleichzeitig mit einem Hinterbein weg.

So gut wie möglich manövrierte ich das Tier auf eine freie Fläche, auf der er immer wieder unruhig sein Gewicht verlagerte. Wenige Sekunden später erkannte ich auch warum.

Ein Motorrad kam den Weg entlanggefahren und blieb auf der Höhe von mir und dem Pferd stehen. Das Jungpferd an meiner Hand hatte sich unterdessen spontan dazu entschieden zu flüchten und ich musste ganzen Einsatz bringen, um ihn davon abzuhalten.

„Du kleiner Drecksack! Wirst du wohl hierbleiben! Du hast wirklich schon viel schlimmere Dinge gesehen! Es ist nur ein verdammtes Motorrad!”, schimpfte ich. Dabei achtete ich kaum auf den Mann, der gerade den Motorradständer ausgeklappt hatte und sich näherte. Allerdings ließ er den Helm auf, was den Wallach noch nervöser machte.

Innerlich verdrehte ich die Augen. Vielleicht hatte dieser Mann aber auch einfach keine Ahnung von Pferden. Dann konnte ich es ihm nicht übelnehmen.

„Wären Sie so freundlich und würden dem Angsthasen hier ihr Gesicht zeigen?”, fragte ich gepresst und stemmte mich mit meinem ganzen Körpergewicht gegen den Zug, den das Tier auf Halfter und Strick ausübte.

„Natürlich”, antwortete mir eine angenehm tiefe Stimme und ich hörte das Klicken des Kinnverschlusses. Augen blicklich hielt das Pferd in der Bewegung innett trat einige Schritte auf den Neuankömmling zu und schnupperte an ihm.

„Kayla Riley.” Ein wenig atemlos hielt ich ihm meine Hand hin, nachdem ich mir sicher war, dass die Panikattacke des Pferdes abgeklungen war.

„Kaden Travis”, stellte er sich vor und nahm meine Hand, die in seiner beinahe unwirklich klein wirkte.

„Freut mich sehr. Kommen Sie, ich will Apache zurück auf die Weide bringen. Dann sehen wir weiter, wie ich Ihnen behilflich sein kann”, sagte ich und bedeutete ihm, mir zu folgen.

„Mein Motorrad?”, fragte er und blieb unschlüssig stehen. Freundlich schien dieser Kaden Travis zu sein. Vor allem, wenn er sich darum sorgte, dass sein Motorrad auf einer kleinen, wenig besuchten Ranch wie unserer im Weg stehen könnte. Vielleicht wollte er es aber auch nicht einfach so allein hier stehen lassen.

„Das können sie ruhig dort lassen. Da stört es niemanden.” Stumm folgte er mir, bis ich den Appaloosa auf die Weide entlassen hatte. Während ich mich auf den Holzzaun stützte, sah ich meinen Gast an.

„Also, was führt sie her?”, fragte ich und blickte von dem Mann zu den Pferden. Auch er musterte die Tiere und ich hatte kurz Zeit, mir sein Profil anzusehen.