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1940 in Wien geboren, verleben Walter Johann Frese und sein jüngerer Bruder die ersten Kinderjahre in Wien und in Klietz, bis die Rote Armee in Österreich einmarschiert und es die beiden Jungen mit der Mutter 1945 zu Verwandten nach Sachsen verschlägt. Die Nachkriegskleidung, das Obst in Omas Stube und der Kirchgang am Sonntag sind nur einige von vielen Kindheitserinnerungen, von denen der Autor einnehmend zu berichten weiß. Aus der Perspektive des jungen Heranwachsenden entsteht ein plastisches Bilde der Lebensverhältnissen in der DDR der Fünfzigerjahre. Nach der Rückkehr des Vaters aus der Kriegsgefangenschaft beginnt eine mehr oder weniger unbeschwerte Jugend in der freien Natur. Die ersten Liebeserfahrungen, Jugendstreiche, die oft mit Prügel vom Vater endeten, Anekdoten aus der Schulzeit und seinen Lehrjahren zum Friseur folgen. 1959 muss Walter zur NVA, die Armee der DDR. Nachdem Ausscheiden aus der Armee geht Walter nach Ost-Berlin und gründet dort eine Familie. Mittlerweile ist er Friseurmeister und nimmt an internationalen Meisterschaften teil. Was die Missstände in der DDR betrifft, so nimmt Walter Frese nie ein Blatt vor dem Mund und hat dennoch keine Nachteile dadurch. Die Wiedervereinigung empfindet er als ein Einverleiben der DDR. Mit Schilderungen über seine aktive Sportzeit und der Zeit nach der Pensionierung, die Walter Frese sehr aktiv gestaltet, klingt dieser sehr abwechslungsreich Lebensbilderbogen aus.
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Dieses Buch widme ich meiner leiben Nati Frau Renate Frese in Dankbarkeit
Walter Frese und Walter Johann Frese
ist die gleiche Person.
Ich wurde als uneheliches Kind
mit dem Namen Walter Johann Kormesser geboren.
Durch die Anerkennung der Vaterschaft
erhielt ich den Namen Walter Johann Frese.
Ich habe in meiner Kindheit durch meine Nachlässigkeit
den Zweitnamen Johann weggelassen.
Im Personalausweis und in den wichtigen Dokumenten
steht auch: Walter Johann Frese.
Walter Johann Frese
Berlin, den 26.11.2011
Ein gebürtiger Wiener in Deutschland
Geburt in Wien
Erlebnisse in Klietz
Kontakt nach Diensdorf und kleine Erlebnisse
Nachkriegskleidung
Der erste Schultag
Das Schulschwänzen
Das Obst in Omas Stube
Der Kirchgang am Sonntag
Omilein
Das Kreiselspiel
Der Einkauf
Muttis Geburtstag
Meine liebe Mutter Maria
Der Badespaß
Erlebnisse aus der Zeit in der Uferstraße Nr. 15
Das Erlebnis mit den Kirschen
Kinderjahre nach dem Krieg
Schweinetrog
Der Ziegenbock Hansi
Die Kuh Resi
Die Aalfete
Ein Bett im Kornfeld
Das Hechtestechen
Die Bierflaschenjagd
Das Indianerspiel
Die Reibselsuppe
Das Hufebeschlagen
Die Milchkanne
Kleine zusammengefasste Erlebnisse
Die schwarze Dorle
Klaus-Dieter und der Brennereischornstein
Opa und seine kleinen Hunde
Sirup kochen
Das Vogelnest
Das Eissegeln
Oma Labs
Die Geldbörse
Schneewittchen und die sieben Zwerge
Einige Erinnerungen aus Diensdorf
Die Nacht bei Mädi
Die Kartoffelkäferplage
Wir sammeln für den Frieden
Das Zeugnis
Das Ziegenreiten
Herr Jeanin
Frau Andrees und kleine Erlebnisse
Der Geburtstag
Drei junge russische Soldaten
Der Neulehrer
Der Schuh
Schulkamerad Dietus
Die Frau des Arztes
Das Transformatorenhäuschen
Das Liebespaar
Das Scheibenschießen
Die Rettung
Der Gummiknüppel
Der 1. Mai 1950
Der Kontrollgang und seine Folgen
Geschichten, die das Leben schrieb
Der Boxkampf
Die Enttäuschung
Opa Schwierschke
Die Notlüge
Die Fische und die Krebse
Ingrid das Goldengelchen
Einzug im Fischerhaus bei Familie Daske
Die Schülerkur in Ahlbeck 1954
Die Blesshuhn- und Haubentauchereier
Die Konfirmation
Der geplatzte Besuch
Die Tauben
Das Motorrad
Mein Vorbild
Die Entenjagd
Der Tote im See
Der Streich mit Frau G
Der Fischzug auf dem Scharmützelsee 1956
Der Kaltwellwickler
Die zwei Wetten
Das Kreissportfest der Berufsschulen in Fürstenwalde
Die Wette mit der Brille
Die tolle Geschäftsfrau aus Fürstenwalde
Der Kunde
Die Auflehnung und ihre Folgen
Die Kaninchenjagd
Der Pilztag
Der Kampf gegen den Eintritt in die PGH
Der Schneespaß und seine Folgen
Die Reise nach Wien
Die Perücke
Jugendliebe, Liebeskummer
Jugendschmerz
Das Motorrad und die Fahrprüfung 1958
Die NVA-Zeit: Erlebnisse und Folgen
Erntezeit, Armeezeit und der Besuch der Wiener
Die gute Tat von Kamerad Franz
Begegnung mit Bärbel Wachholz
Zwischen den Panzern
Das Telefonkabel
Die Armeezeit
Meines Bruders Rückkehr
Mein lieb Mütterlein
Der letzte Krankenhausbesuch bei meiner Mutti
Die Beerdigung und die Entlassung von der NVA
Mein Leben in Berlin
Die Wettkämpfe in Budapest, Ljubljana und Moskau
Da war doch noch etwas
Der Kaufmann aus Berlin
Das Malheur mit der Haarfarbe
Die Bekanntschaft mit Herrn R. Hahnemann
Einen Pudel färben
Erlebnis mit Fritz
Nette Geste eines Autors
Eine gute Erinnerung an Heinz Quermann
Das Schwulenpaar
Die Begegnung mit Herrn Köfer
Die zwei Wunder
Mein neues Leben in Kaulsdorf
Kleine Gedankengänge zurück
Gedanken nach der Wende
Am Horizont, dort ist mein Engel in Blond
Erlebnisse aus meiner aktiven Sportzeit
Die Elster Jaco
Die Sportfreunde
Der faule Kompromiss
Der Gummibaum
Kleine Urlaubserlebnisse nach der Wende
Mein Leben, mein Wirken und meine Erlebnisse
Danksagung an das gesamte Team vom Schloss Biesdorf
Die ehrenamtliche Arbeit und die damit verbundene Verantwortung
Symbol des Friedens
Unser Besuch auf Gut Aiderbichl
Zeitzeugenpreis Berlin-Brandenburg 2013
Ostereierrolle
Der Eisenbahnwagen
Der Hahn
Der kleine Rehbock
Eine Kinderferientour
Familie Enskat
Mein Vorbild
Kindheit und Heute
Mondspaziergang
Ausstellung in der Alten Schulscheune
Was gab es noch von 2012 bis 2017
Ich war ihre Jugendliebe
Später Gruß (für Renate Z.)
Anika, die schöne Nackte
Omi Anni Lenz
Kleiner Igelmann
Wildschweinunfall
Wildunfall
Hacki
Mein alter Sportfreund Kalle Wendorff
Wriezener Tage
Die Sonntagsreise nach Wriezen
Hüft-OP
Betrachtung
Ein anderer Sommer
Sommerwind
Sonntag am Fenster
Fußbad
Pappelflöckchen
Für das Krankenhauspersonal
Dienstagmorgen
Abschied
Hoppegartener Tage
Aus dem Fenster
Ein Tag im Regen
Erlebnis
Gewitternacht
Die Reha
Rehakur
Einst ein berühmtes Kamel
Kleines Katzentier
Der Sommer ist da
Die erste Woche
Ein kleiner Hund
Abendliche Beobachtungen
Kleiner Star
Ein kritischer Tag
Was mich bewegt
Du schöner kleiner Rehbock
Besuchertag
Fensterspruch
Ein Kuckuck
Wildschweine
Bleistift und Papier
Das Eichhörnchen
Eine Liebe ohne Ende
Mutter Maria
Für den Zeitzeugenpreis
Auf einen Besuch beim Eichenbaum in Diensdorf
Du alte Kiefer am Diensdorfer Hafen
Die Gasthäuser in Diensdorf-Radlow
Redebeitrag am 28.04.2017
Für Gustav Adolf „Täve“ Schur
Rosi Sonnenburg zum achtzigsten Geburtstag
Joanna Jambor
Weihnachtssingen auf der Burg Storkow 2018
Bescherung am See
Heiligabend 2017
Schneeflockentanz
Du schönes Heimatland
Öffentlicher Auftritt in Wendisch Rietz
Musikstunde in der Görsdorfer Kirche
Maria durch einen Dornenwald geht
Die Suche nach den Urkunden
Rentner-Weihnachtsfeier am 08.12.2019
An Frau Ravva
Adventsingen am 15.12.2019
Weihnachtsfeier der AWO Wendisch Rietz
Weihnachtssingen auf der Burg Storkow 2019
Veranstaltung am 04.03.2020 in Bad Saarow
Nachtrag zum 04.03.2020
Meine Reise zum Geburtshaus nach Wien
Mein liebes Mutterherz
Mein achtzigster Geburtstag am 27.03.202 0
Glückwunsch zum achtzigsten Geburtstag
Der Erlengrund
Corona 1
Corona 2
Die fünfzigste Ausstellung
Der Tiefschlag mit einundachtzig Jahren
Onkel Fritz
Sportlicher Werdegang
Die weise Lehrerin
Nachwort
Schlusswort
Ein Geschenk von meinem Bruder Klaus-Dieter zum 75. Geburtstag
(mein Leben, mein Wirken und meine Erlebnisse)
Es war das Jahr 1939, viele junge Mädchen zwischen achtzehn und zwanzig Jahren wurden von Wien nach Klietz geschickt, um im militärischen Werk zu arbeiten. Hier lernte der Werkmeister Walter Frese Maria Kormesser kennen und sie verliebten sich. Ich wurde gezeugt. Da mein Vater noch verheiratet war, ging meine Mutter nach Wien zurück, dort erblickte ich am 27.03.1940 in der Senefelder Gasse 55 im zehnten Bezirk die Welt. Mein Name war Walter Johann Kormesser, also der Mädchenname meiner Mutter. Obwohl die Eltern meiner Mutter dagegen waren, einem verheirateten Mann zu folgen, fuhr sie mit mir einige Wochen später nach Deutschland, hin zum Ort Klietz. Sie bekam eine Dienstwohnung in Form eines Einfamilienhauses mit Grundstück. Hier richteten sie sich ein. Vaters erste Ehe wurde Monate später geschieden, so dass meine Eltern am 01.02.1941 heirateten. Mein Vater war stolz, dass ich ein Junge geworden war, aber nach Berichten meiner Mutter, obwohl sie das zweite Mal schwanger war, trieb sich Vater mit anderen Chefs rum, sie machten Herrenabende mit anderen jungen Frauen. Das hat sie sehr getroffen. Sie erfuhr es von einem der anwesenden Männer, da er es nicht mit ansehen wollte, was sich Vater dort erlaubte. Meine liebe Mutter stellte Vater zur Rede, der sich in Ausflüchte manövrierte, aber versprach, sich mehr um Mutter zu kümmern. Nach der Geburt meines Bruders, Klaus-Dieter, führte Vater trotzdem mit Herrn Frank und Konsorten seine Herrenabende mit jungen Frauen durch. Einer der Herren muss etwas unternommen haben, denn Vater wurde kurzerhand in den Krieg eingezogen, bis er in englischer Gefangenschaft landete. Meine liebe Mutter pendelte in den Kriegsjahren mit uns beiden Kindern zwischen Wien und Klietz.
Weihnachten 1939 hatten meine Eltern im Heidekrug in Klietz eine Wohnung. Dort trug sie mich schon unter ihrem Herzen. Davon zeugen die Bilder von Weihnachten und Neujahr. Da sie aber noch nicht verheiratet waren, fuhr meine Mutter im März 1940 nach Wien zu ihren Eltern. Hier wurde ich am 27.03.1940 in der Senefelder Gasse 55 geboren, meine Mutter blieb mit mir in Wien, als ich geboren wurde. Daher kam mein Vater vom 25.04. bis 15.05.1940 nach Wien, um Urlaub zu machen. Hier versöhnten sich Opa und Vater, denn Opa war dagegen, dass meine Mutti mit meinem Vater den Bund fürs Leben eingehen wollte. Mein Vater war zu diesem Zeitpunkt noch verheiratet, aber lebte nicht mehr mit seiner Ehefrau zusammen. Doch auf das Drängen meiner Mutti gab schließlich mein Opa nach, und es wurden schöne Urlaubstage für meine Eltern. Da ich ein Junge war, verwöhnte mich mein Vater, denn ich war sein ganzer Stolz. Auch mein Opa war stolz auf seine Tochter und auf mich. Das belegen die vielen schönen Bilder aus Wien. Aber der Urlaub ging zu Ende, so traten wir gemeinsam, Vati, Mutti und ich, Mitte Mai die Reise nach Klietz an. Die erste Ehe meines Vaters wurde geschieden, so konnten meine Eltern am 01.02.1941 heiraten. Dadurch bekamen sie eine Wohnung in Form eines Einfamilienhauses in Klietz, in der Trübenstraße Nummer 4. Meine liebe und allerbeste Mutti war immer stolz, wenn sie aus meinem Mund den kindlichen Wiener-Dialekt hörte. Besonders wenn Erwachsene mich sprechen hörten. Das sagte sie mir immer und immer wieder. Es hielt bis zu ihrem Tode 1960. Doch leider ging dieser Dialekt langsam zum Berliner-Dialekt über.
Nun war mein Bruder im Anmarsch, der am 24.10.1941 geboren wurde. Einige Kinderjahre verlebten wir abwechselnd in Wien und Klietz, wo Mutti mit uns hin und her fuhr. Nach dem Einmarsch der Roten Armee haben wir Klietz verlassen. Der Weg wurde in meinem ersten Buch beschrieben. Jetzt beginne ich mit dem zweiten Buch.
Geburtsurkunde von Walter Johann Frese
Sohnemann 14 Tage alt
mit Mutti
mit Opa aus Wien
Ich im Kinderwagen
Opa und Mutti
Vati und Mutti
Opa und Vati
AUF DEM KAHLENBERG
IN WIEN
Opa
Opa und Mutti
Opa aus Wien mit Pferd
Mutti und Vati
Mutti und Walterle
Mutti
Vati
Mutti mit Onkel Hans, Bruder, Onkel Franz, Mann von Tante Resi, Tante Resi, Opa und Oma aus Österreich, Bose Ingrid und Vetter Hansi, mein Bruder Klaus-Dieter
Blick auf Wien
Riesenrad am Prater
Mutti mit Walterle
Walterle 3 Monate alt
Walter 6 Monate alt
Walter 6 Monate alt
Mutti
Vater
im ‚Alten Heidekrug`1940
Mutti und Walterle
In Klietz waren wir, mein Bruder Klaus-Dieter und ich, für kurze Zeit alleine zu Hause, da machten wir beide uns in der Küche zu schaffen, indem wir die Wasserhähne aufdrehten, aber nicht mehr zubekamen, so dass in der Küche das Wasser flutete.
Wir hatten unseren Spaß, aber dann kam unsere liebe Mutter und beendete den Horror. Sie hatte viel zu tun.
Jetzt kam die Zeit, wo die ersten Vorkämpfer der Roten Armee in Klietz eintrafen. Sie vergewaltigten auch die Frauen. So musste ich miterleben, wie ein russischer Offizier uns, meinen Bruder und mich, hoch sitzend auf einem Pferd im Garten hin und her jagte. Schreiend und so schnell ich konnte lief ich ins Haus, sah, wie fünf Soldaten über meine Mutter herfielen, sie je einen Arm greifend sowie je einer an den Beinen auseinanderzogen, der fünfte wollte auf sie raufstürzen, aber meine Mutter spuckte ihm ins Gesicht. In diesem Moment kam der Offizier herein und schrie die Soldaten an. Aber sie ließen Mutti nicht los, da schoss der Offizier mit der Pistole in die Zimmerdecke.
Ich, immer noch schreiend: „Mutti, Mutti!“ Meine Mutter spuckte weiter, der Offizier schrie jetzt seine Soldaten lauter an und fuchtelte mit seiner Pistole herum, so dass die Soldaten meine Mutter losließen und aus dem Zimmer gingen. Dann sprach der Offizier mit sanfter Stimme zu meiner Mutter, er komme abends wieder, aber alleine. Meine Mutter weinte, die Tränen liefen ihr über die Wangen herunter. „Ist doch alles Karascho“, sprach er sanft, verabschiedete sich und verschwand. Kurze Zeit später ging meine Mutter mit uns beiden Kindern zwei Häuser weiter, dort wohnte ein Nachbar, der der Roten Armee nahestand, so dass er keine Probleme mit den Soldaten hatte. Meine Mutter flehte diesen Nachbar an, uns doch zu beschützen. Erst lehnte dieser Nachbar ab, dann musterte er uns von oben bis unten, sah uns weinen, und Mutters Flehen ließ sein Herz weich werden, er sprach: „Kommt ins Haus.“ Meine Mutter sagte, sie hole nur die wichtigsten Sachen, und ließ uns beim Nachbarn. Sie kam danach gleich zurück. Wir wurden oben in der Dachkammer mit anderen Leuten, alles Frauen und Kinder, eingepfercht und verschlossen, wir hörten noch Geräusche, es wurde ein Schrank vor die Kammertür gestellt. So blieben wir bis zum anderen Tag im Versteck. Dann kam der Nachbar, sagte: „Es ist vorbei, die Rote Armee ist weitergezogen.“ Wir waren froh, an der frischen Luft zu sein, denn unsere Hosen waren nass durch das Einpullern, wir konnten ja nicht das Wasser so lange halten. An unserem Grundstück angekommen, sahen wir, dass Fensterläden zersplittert waren, die Fensterscheiben eingeschlagen, sie waren alle kaputt. Die Kleidung und das Kinderspielzeug fanden wir zerstreut auf dem Hof. Aber als wir in die Wohnung kamen, sahen wir die Zerstörung dort, vieles war aus dem Fenster geworfen worden von den Soldaten der Roten Armee in dieser Nacht. Ich kann mich genau erinnern, die Teller und die schöne Milchkanne und andere Sachen lagen zerstreut im Garten. Der Offizier hatte wohl aus Verärgerung und Wut, weil meine Mutter nicht da gewesen war, die Zerstörung vorgenommen mit seinen Soldaten, oder es war eine neue Truppe vorbeigezogen. Für uns war es erstmal egal, Mutti räumte wieder, soweit es ging, auf. Im Jahr 1945 mussten wir umziehen, denn die Häuser mussten geräumt werden, so kamen wir nach Neuermark. Während der Fahrt mussten wir anhalten, da eine Gruppe von Soldaten der Roten Armee den Wagen durchsuchte, und ein Fahrrad wurde abgeladen. Die Soldaten versuchten mit dem Rad zu fahren, was ihnen aber nicht gleich gelang. Plumps, da lag wieder einer der Soldaten. Bis sie sich gegenseitig halfen. Einer stieg aufs Rad, der andere hielt das Gleichgewicht am Gepäckständer, und so hatten sie ihre Freude. Wir durften dann weiterfahren, nach Neuermark. Hier wohnten wir ein Jahr, Mutti verdiente sich ihren Unterhalt bei einem Bauern, so hatten wir immer etwas zu essen.
Von Neuermark nahm Mutti Kontakt zu Opa Frese auf. Sie wollte unbedingt erfahren, ob es genehm wäre, mit Sack und Pack nach Diensdorf zu kommen, andernfalls müsste Mutti mit uns nach Wien ziehen. Sie wollte wieder näher an die Verwandtschaft heran. Es dauerte nicht sehr lange, da erschien Onkel Eberhard, der in Berlin bei Schenker & Co. arbeitete. Er besprach mit meiner Mutti den Umzug nach Diensdorf. Eines Tages war es dann so weit, alles an Möbeln und Vaters Motorrad wurden auf das Transportfahrzeug geladen. Erst ging die Fahrt nach Berlin, dort wurde nochmals umgeladen auf ein anderes Fahrzeug, da das erste Auto defekt war. Am anderen Morgen ging es von Berlin in Richtung Diensdorf, wo wir im Juli 1946 gegen Mittag ankamen. Alle Verwandten, ob Onkels, Tanten, Opa oder Oma, halfen, den Wagen zu leeren. Mein Vetter Wolfgang, der schon beim deutschen Opa wohnte, zeigte mir ein Grundstück, das der Familie Rutmann gehörte, wo schöne, saftige Birnen am Baum hingen, von denen wir dann naschten. Das war meine Ankunft am ersten Tag. Wir, Mutti, mein Bruder Klaus-Dieter und ich, zogen in eine kleine Stube, die einen Kachelofen hatte. Gefrühstückt wurde in der Küche, wo sich alle trafen: Opa, Oma, Onkel und Tante. Die Toilette war auf dem Hof. Es war ein Plumpsklo. Das war unser neues Domizil in Diensdorf. Mutti machte sich im Stall nützlich, denn Opa hatte ein Pferd, eine Kuh und ein Schwein sowie jede Menge Hühner mit einem Hahn. Dieser Hahn griff mich ständig an oder er flog mir auf den Kopf, so dass Opa ihn letztendlich geschlachtet hat. Schön war es auch, dass viele Kinder ringsum hier wohnten, so konnten wir viel spielen. Auch sahen wir Kinder, wie Soldaten der Roten Armee ein Schaf töteten. Oft waren wir beim Bauer Dormann am See, wo die jungen Soldaten der Roten Armee waren. Sie hielten sich im Kahn auf und fragten, ob wir Madgas hatten, wegen fi…, fi…; dabei schauten sie uns an, womit wir nichts anzufangen wussten. Sie lachten dabei herzlichst und laut. Ich darauf: „Was soll der Quatsch?“ Einer der Soldaten stülpte mir seine breite Mütze auf, die natürlich meinen Kopf verschlang, inklusive meiner Ohren. Da war das Gelächter groß, aber ich war stolz wie Bolle, lachte sogar mit. Ich durfte die Mütze auch behalten, der Soldat schenkte sie mir. So kam die Zeit im September, und die Einschulung begann für mich. Mutti bekam die Arbeitsstelle als Putzfrau im Gemeindeamt. Sie war sehr froh darüber, da es im Haus schon Spannungen gab, die immer wieder von Oma ausgingen, nur Opa hielt zu meiner Mutti, er brachte frühmorgens heimlich das Holz für den Kachelofen, durch das Fenster von der Hauptstraße aus. Oma durfte davon nichts wissen. Am Tage wurden die Aale geschlitzt, die von der Roten Armee aus Fürstenwalde kamen, so war immer zu tun. Abends die Kuh melken und die Tiere füttern, so waren Mutti und Tante Ella stets den ganzen lieben langen Tag beschäftigt. Da meine Mutti eine hübsche junge Frau war, fing der Bürgermeister an, sie zu umgarnen, er versuchte ständig, ihr nachzustellen, dabei benutzte er Argumente wie „Ich bin doch auch verheiratet, und es braucht keiner etwas zu erfahren“. Mit sehr viel Charme vom Bürgermeister und dem Gedanken im Hinterkopf, was Vater ihr schon in ihrem jungen Leben angetan hatte, sowie den Spannungen mit der Oma ließ sich Mutti auf eine Liaison ein. Um das zu verheimlichen, besorgte er eine Wohnung, zwei Häuser entfernt von seiner. Es war das Grundstück Uferweg 15. Aber eine Gefahr bestand dennoch, denn Onkel Eberhard und Tante Ilse wohnten im Uferweg 16. Unsere Wohnung war eine schöne Wohnung, wir wohnten in der unteren Etage, die obere war belegt mit Fritz’ Junge und seiner Frida. Eines Nachts wurde ich wach und bemerkte, wie vom Fenster des Schlafzimmers ein Krückstock mit der Biegung nach unten an der Wand herunterglitt. Ich weckte Mutti gleich. Ich sagte ganz aufgeregt, da war eben ein Krückstock, sie aber sagte zu mir: „Walter, du hast geträumt, bist davon wach geworden, du schwitzt ja so.“ Ich aber sagte stotternd: „Nein, ich habe Angst, es war ein Krückstock.“ Meine Mutti machte das Licht an, dann schob sie das kleine Fenster zu und versuchte mich zu beruhigen, was aber lange dauerte. Jedes Mal, wenn ich später anfing darüber zu reden, nahm sie mich zärtlich in ihre Arme und streichelte mich. Viele Jahre später bohrte ich bei meiner Mutti nach und sprach mit ihr über diesen Vorfall. Sie gestand mir alles und sagte beschwörend, dass sie die Liaison mit dem Bürgermeister nach dem nächtlichen Vorfall sofort beendet hat. Er aber tröstete sich gleich mit einer anderen Frau aus Diensdorf, die mir auch bekannt war. Meine Mutti hörte sofort auf als Putzfrau im Gemeindebüro. Sie fand eine neue Stelle bei Familie Gelford, gleichzeitig war sie froh, dass die Liaison so im Sande verlief, auch durch meine Hilfe, mit der Entdeckung in der Nacht. So hatte sie doch einen gewissen Abstand, bis Vater von der Gefangenschaft zurückkam.
Haus am Uferweg 15
Ja, es war schon eine Zeit,
unsere Kleidung wurde geweiht.
Wir Kinder mit Leibchen und Gummiband,
wo der Strumpf am Strumpfhalter Halt fand.
So hatten wir Wärme im Winter verspürt,
es hat zu keiner Erfrierung geführt.
Die Strumpfbänder sahen nicht gut aus,
aber wir machten uns nichts daraus.
Aus Schlafdecken wurden lange Hosen gemacht,
sie wärmten uns – wir haben gelacht.
Ein Pullover von Mutti wurde geteilt,
daraus wurden für uns Kinder zwei gefeilt.
Dann ab zum Nachbarort,
angekommen dort,
haben wir uns fotografieren lassen im Schnee,
Mutti hübsch wie eh und je.
Es war ein kalter Winter bei eisigem Frost,
sahen trotzdem gut aus, bei karger Kost.
Haben uns nach dem Krieg durchgeschlagen,
eine Erinnerung für Vater
in der Gefangenschaft wollt ich sagen.
So sah er uns
und seinen Nachbarort zum Diensdorfer Land,
die er auch mit seiner Kindheit verband.
Hier bin ich groß geworden,
aufgewachsen mit Freude und kleinen Sorgen.
Immer noch zieht es mich oft
nach Diensdorf-Radlow am Scharmützelsee,
weil es mir guttut und ich die Veränderung
in meiner Heimat und meinem Traumland seh.
Mutti, Klaus und Walter in Pieskow
Gerade mal knappe zwei Monate in Diensdorf, kam die Zeit der Einschulung. Natürlich freute ich mich darauf, eingeschult zu werden, zumal mir die größeren Jungs, die schon in die Schule gingen, erzählten, es gebe eine große Schultüte. So wurde ich an diesem genannten Tag geweckt mit den Worten „Heute ist dein großer Tag, heute gehst du zur Schule“. Die Freude war aber umso größer, als ich die Schultüte bekam. Gerade mal hundert Meter war der Weg, den ich mit Oma, Tante Ella und meiner Mutti bis zur Schule ging. Die anderen Schüler waren auch schon dort. Jeder wurde auf seinen Platz begleitet, wo er dann immer sitzen sollte. Unsere Lehrerin Frau Enskat begann zu sprechen, das war schön und klang wie Musik in den Ohren, ich war so begeistert davon, dass ich es nie vergesse. Sie brachte eine Puppe, die den Namen Susi bekam und natürlich jeden Tag mit uns die Schule besuchte. Frau Enskat erklärte uns Schülerinnen und Schülern, dass wir Susi jeden Morgen mit „Guten Morgen, Susi“ begrüßten. Dazu sangen wir jeden Morgen das Lied „Guten Morgen, guten Morgen, die Nacht ist vorbei, wir wollen singen, tanzen und springen und fröhlich sein“. Weiter versprach Frau Enskat: „Immer wer Geburtstag hat, kann sich ein Lied wünschen.“ (Vorweggreifend: Ich habe mir immer das Lied „Im Märzen der Bauer die Rösslein einspannt“ gewünscht.) Als die Ansprache vorbei war, sagte Frau Enskat zu uns: „Jetzt könnt ihr aufstehen und gehen, ich wünsche euch noch einen schönen Tag.“ Ich wollte aber nicht, ich sagte: „Wir wollen doch rechnen und schreiben“, und fing an zu weinen und stand nicht auf. Alle, Frau Enskat, Mutti, Tante Ella und Oma, redeten auf mich ein: „Morgen kommst du ja wieder, dann kannst du lernen und fleißig sein.“ Ich aber wollte davon nichts wissen. Als man mir sagte: „Die anderen Kinder lachen dich aus, weil du weinst“, bin ich dann enttäuscht aufgestanden und traurig nach Hause gegangen.
Auf halbem Weg zur Schule kam doch mein Vetter Wolfgang auf einen Gedanken und sprach zu mir: „Walter, komm, wir drehen einfach um und gehen heute nicht zur Schule.“ – „Ach, das können wir doch nicht machen“, war meine Antwort. Weiter sagte ich: „Das kommt raus, wenn wir nicht zur Schule gehen.“ „Nein“, sagte Wolfgang, „das wird so gelöst, dass es keiner bemerkt.“ – „Gut, und wo willst du dann hin?“, war meine Frage. „Ganz einfach“, kam es aus Wolfgangs Mund. „Wir gehen zu Opa auf den Heuboden. Da können wir uns doch gut ausruhen.“ So ließ ich mich überreden und auch bei mir kam die Lust auf, wieder mal etwas anzustellen, das dann ein Geheimnis für uns blieb. Schwups eine kurze Drehwendung vom Schulweg in den Wald gegenüber der alten Schule in Diensdorf, über die Hauptstraße, die nach Glienicke bzw. nach Radlow führte. Kurz geguckt wie ein paar Strolche, die wir jetzt eben wurden, um unseren Plan zu erfüllen. Kein Auto oder Pferdegespann bzw. Radfahrer war zu sehen. Schnell über die Hauptstraße in den Wald und vom hinteren Eingang auf den Friedhof bis zu Opas Gartentür. Durch den Garten mit der Schulmappe auf dem Rücken, um von da aus zum Schlachthaus zu gelangen. Hier angekommen, lehnten wir gemeinsam die Leiter unter der Heubodenluke an. Weit und breit war keine Menschenseele auf dem Hof und der Hauptstraße zu sehen. Gut war auch, dass an dieser Hauswand kein Fenster war, so waren wir uns sicher, dass uns keiner sehen konnte. Jetzt kletterte Wolfgang hurtig die Sprossen hinauf, öffnete die Luke und begab sich sofort in den Heuboden hinein. Von oben gab er mir ein Zeichen, ihm zu folgen, was ich dann auch tat. Wupp, wupp, wupp, war ich die Sprossen hoch und hinein ins Heu, die Schulmappe vom Rücken abgelegt mit einem leisen Gekicher sowie einem innerlichen Triumph. Wir glaubten jetzt, etwas Großartiges vollbracht zu haben. Dann wurde im Heu eine Mulde gebaut, die jeder etwas verschieden gestaltete. Danach legten wir uns hinein. Wir quatschten eine Weile, bis ich einschlief. Wolfgang muss auch eingeschlafen sein. Wie lange unser Schlaf andauerte, konnten wir nicht feststellen, da wir keine Uhr bei uns trugen. Jedenfalls als ich aufwachte, bekam ich ein schlechtes Gewissen und auch die Reue machte sich bei mir breit, so dass ich meinem Vetter Wolfgang auf die Nerven ging. Er in seiner ruhigen Art besänftigte mich mit den Worten „Siehst doch, Walter, keiner hat etwas bemerkt und wird auch nichts davon erfahren“. Immer und immer wieder schaute ich zur Luke und manchmal auch hinaus. Aber es war alles so still und bei Opa musste auch keiner gewesen sein, denn es kam niemand auf den Hof. So verbrachten wir aus meiner Sicht eine lange Zeit auf dem Heuboden, die für mich immer langweiliger wurde. Ich hatte einfach keine Freude mehr daran, was wir dort taten. Zu blöd kam mir auf einmal alles vor, so hörte ich nicht mehr auf Wolfgangs beruhigende Worte und machte mich mit meiner Schulmappe auf dem Rücken zu den oberen Sprossen der Leiter auf. Just in dem Moment, als ich auf der Leiter stand, kamen die ersten Mädchen aus meiner Schulklasse vorbei und sahen mich auf der Leiter mit meiner Schulmappe. Da kicherten sie und gaben ihren Kommentar ab mit den Worten „Schulschwänzer, Schulschwänzer“, und das nicht mal so leise. Oh, war mir das peinlich. Ich bekam einen roten Kopf, sauste herunter von der Leiter und ab in den Stall. Nun waren wir doch von unseren Mädchen erwischt worden. Mein Vetter Wolfgang kam zu mir in den Stall und versuchte mich zu beruhigen. Aber mein Vorwurf war: „Nun siehste, jetzt haben sie uns doch ertappt. Morgen haben wir in der Schule großen Ärger.“ Er aber: „Nah, dann bleiben wir morgen auch hier, gehen nicht in die Schule.“ – „Nee, nee“, war meine Antwort, „es wird morgen zwar schwer sein, aber da müssen wir durch.“ – „Na gut, gehen wir wieder zur Schule, ist auch besser so“, sagte Wolfgang und fing an zu lachen. Die ganze Nacht habe ich gegrübelt, was sage ich in der Schule? Dabei immer vor Augen unsere Puppe Susi, die jeden Tag an unserem Unterricht teilnahm, was wird sie sagen? Am anderen Tag fragten die Jungs, was gestern mit uns los gewesen war. Sie hatten von den Mädchen erfahren, dass Wolfgang und ich mit unseren Schulmappen auf dem Rücken vom Heuboden gekommen waren. Aber die Jungs sahen es nicht so schlimm. Die Mädchen konnten das Lästern noch kurz für sich verbuchen. Aber Frau Enskat setzte dem Spuk ein Ende, nachdem sie mit mir gesprochen und ich ihr ein festes Versprechen gegeben hatte, nicht noch einmal die Schule zu schwänzen. Natürlich wurde ich auf dem Schulhof und auch in der Schulklasse noch ständig gehänselt, was Strafe genug für mich war.
Klaus und Walter
Walter 1954, vierzehn Jahre alt
Als kleine Kinder fühlten wir uns in Omas Wohnzimmer sehr wohl. Doch wir durften nur mit den Erwachsenen hineintreten, oder Oma nahm uns mit auf ihr Zimmer. Dieser Wohnraum besaß eine Balkontür, die gleichzeitig als Fenster diente. Denn sie war mit zwei großen Flügeltüren ausgestatten. Alle Möbel im antiken Stil gehalten, ja, sie verzauberten das Zimmer. Herrlich anzusehen war Omas Wohnzimmerschrank, der wunderbare und stilvolle Schnitzereien an der Vorderseite besaß und eine Zimmerwand ausfüllte. Der Diwan mit rotem Bezug, dazu die Sessel mit Holzschnörkeleien an den Lehnen, sie waren auch rot bezogen. Es war schon eine Augenweide, den roten Salon zu betrachten. Dazu kam die Anrichte mit den vielen Pokalen, die mein Opa in seiner sportlichen Laufbahn als Radrennfahrer und Kegler bei Sturmvogel Glienicke errungen hatte. Hierfür wurde er später als Ehrenmitglied ausgezeichnet. Hinzu kam noch der riesige, massive Tisch mit seinen Stühlen, die auf der Sitzfläche gepolstert waren. Eben auf diesem Tisch stand eine schöne große Obstschale, mit einer Birne, einem Apfel, Weintrauben und Pflaumen gefüllt. So nutzte ich eines Tages, als keiner in der Stube war, die Gelegenheit, mich heimlich ins Zimmer zu schleichen. Ich nahm die schöne Birne und biss hinein. Oh weh, das Fleisch der Birne war sehr hart, sie gab geringfügig nach. Bei richtiger Betrachtung stellte ich nun fest, dass sie aus Wachs bestand. Des Weiteren war zu sehen, dass ich nicht der Erste gewesen war, der den Versuch unternommen hatte, diese herrlichen Prachtstücke zu vernaschen. Sie wiesen schon einige Zahnabdrücke auf, was mir im ersten Augenblick nicht aufgefallen war. Alle Obstsorten waren so gekennzeichnet. Als ich noch am Beobachten war und die natürlichen Einbisse am Obst bestaunte, hörte ich Geräusche im Flur. Sofort ahnte ich, dass Oma kam, daher öffnete ich die Balkontür und verschwand über den Balkon zum Hof, um nicht gesehen und ertappt zu werden. Es hätte sonst Ärger gegeben, da ich ohne Erlaubnis im Zimmer gewesen war. Ich verduftete mich zum Hof, da lief mir mein Vetter Wolfgang in die Arme. Mein Gespräch begann mit dem Birnenerlebnis und dass ich flüchten musste, da Oma gekommen war. Wolfgang fing an laut zu lachen, er krümmte sich dabei sogar. Dann sagte er zu mir: „Du warst nicht der Erste und wirst auch nicht der Letzte sein, der das schöne Obst vernaschen wollte“, und weiter fragte er mich: „Hast du noch alle Zähne im Mund? Denn bei meiner Attacke war ein Milchzahn locker, so konnte der Schaden in Grenzen gehalten werden. Meine Enttäuschung war genauso groß wie deine, Walter.“ Ich konnte meinem Vetter nur beipflichten. Wir liefen dann vom hinteren Hof zum Wald, um uns dort noch etwas auszutoben. So hatte der Tag für uns noch einen guten Abschluss parat, den wir in vollen Zügen genießen konnten.
Schön war es immer wieder, wenn wir, Oma, Tante Ella und ich, am Sonntag zum Gottesdienst gingen. Als kleiner Junge fand ich es wunderbar, in meiner Schule dem Herrn Pfarrer zuzuhören, wenn er aus der Bibel vorlas. Dazwischen kamen die Abschnitte, wo meine Lehrerin Frau Enskat auf dem Klavier die Kirchenmusik spielte. Viele ältere und auch jüngere Frauen kamen zum Gottesdienst. Natürlich waren die Herren der Schöpfung mit einem Anteil vertreten. Dazu kamen die Kinder, so dass gesagt werden kann, dass es zu dieser Zeit viele Kirchgänger der evangelischen Konfession gab. Daher war meine Oma froh und stolz, dass ich zum Gottesdienst mitkam. Denn Opa und Onkel Willi waren dagegen. Sie fanden diesen Gang sinnlos. Die katholischen Kirchgänger mussten jeden Sonntag nach Bad Saarow zum Caritas-Heim fahren. Meine Mutti gehörte einige Zeit dazu, bis es Vater geschafft hatte, sie davon abzubringen, in den Gottesdienst zu gehen. Er war dagegen. Seine Meinung war, diese Herren der Kirche lügen nur das Blaue vom Himmel und seien unglaubwürdig. Ich durfte noch einige Zeit mit Oma zum Gottesdienst gehen. Er wurde durch den Besuch des Herrn Pfarrer bei meinem Vater abrupt beendet. Mein Vater verwies den guten Mann vom Hof. Ich staunte nicht schlecht, als mein Vater mir meine Geburtsunterlagen und den Taufschein im zwanzigsten Lebensjahr übergab. Ich musste feststellen, dass ich in Wien am 14.04.1940 in der Favoritenstraße Nr. 75 evangelisch getauft worden war. Bis zur Heirat meiner Eltern im Februar 1941 hatte ich den Namen Walter Johann Kormesser getragen.
Nach dem Gottesdienst in Diensdorf bildeten sich verschiedene Gruppen und machten noch ein Pläuschchen vor den Gebäuden, der Schule und der Scheune, um das Neueste aus dem Dorf zu verbreiten. Danach gingen die Leute nach Hause, um ihre Kaffeestunde abzuhalten. Einige Männer jedoch kehrten in die Fischerhütte ein, um ihre Bierchen zu schlucken. Ich habe nicht vergessen, was meine Oma nach dem Kirchgang und zu anderen Gelegenheiten mir immer wieder sagte: „Walterle, die Menschheit vernichtet unseren schönen Planeten. Es gibt Menschen, die keine Rücksicht nehmen in puncto Erhaltung unserer Erde.“ Oma hatte also schon in den vierziger und fünfziger Jahren erkannt, wie es um unseren Planeten stand. Ich frage mich jetzt, sind wir nicht schon so weit? Meine Sinne sagen mir, es bedarf jetzt schnell einer Korrektur im Umgang mit der Erde.
Oma, Onkel Alwin und Vater