Ein Motorrad kaufen Roulette spielen Im Mittelmeer segeln - Torsten Ewert - E-Book

Ein Motorrad kaufen Roulette spielen Im Mittelmeer segeln E-Book

Torsten Ewert

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Beschreibung

Als 18jähriger sich in Szene setzen, ein Motorrad kaufen, durch Kneipen bummeln, ein Spielkasino besuchen, Roulette spielen, Frankreich entdecken, ein Segelboot im Mittelmeer mieten, zwei havarierte Mädchen mitnehmen, in Monaco ankern, auf Korsika landen, Schiffsunglück, Rückkehrnach Paris.

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„Entscheidungen spiegeln deinen Charakter und deine Erfahrungen wieder.“

Für Wolfgang

Torsten Ewert

Ein Motorrad kaufen Roulette spielen Im Mittelmeer segeln

Das hat Tom mit 18 so gewollt

Roman

© 2023 Torsten Ewert

Covergrafik von: Depositphotos,

Windrose,Roulette,Motorrad

Druck und Distribution im Auftrag des Autors:

tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: Torsten Ewert, Hammstr. 46, 52222 Stolberg, Germany.

Inhaltsaltsangabe

Cover

Widmung

Titelblatt

Urheberrechte

18ter Geburtstag

Schule

Heimfahrt

Bewerbung

Roulette

Seevagabunden

Korsika

Schiffbruch

Nizza

Route Napoleon

Ende

Nachtrag

Ein Motorrad kaufen Roulette spielen Im Mittelmeer segeln

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Titelblatt

Urheberrechte

18ter Geburtstag

Nachtrag

Ein Motorrad kaufen Roulette spielen Im Mittelmeer segeln

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18ter Geburtstag

In ein paar Tagen, der Kalender des Jahres im Sommer 1962 gab es vor, würde sich mein 18. Geburtstag ereignen. Mir war das im Grunde genommen gleichgültig. Aber ich konnte den Tag nicht ignorieren. Die familiäre Tradition erwartete ein Fest.

Deshalb geriet ich ganz gegen meine Gewohnheit ins Grübeln was diesen Geburtstag besonders auszeichnete. Irgendwelche Veränderungen konnte ich an mir nicht feststellen, und auch mein ganzes Drumherum blieb wie es war. Davon zu berichten würde nur Langweilen. Es gab nichts Spannendes womit ich hätte auftrumpfen können.

Ganz anders konnten einige meiner Freunde damit prahlten, dass an ihrem 18ten der Führerschein auf dem Gabentisch lag. Erstmals im Leben durften sie an diesem Tag ein Auto fahren. Das hatte mir sehr imponiert. Da ich aber über kein Auto verfügte, sah ich keinen Sinn darin ihnen nachzueifern. Ich musste mir schon etwas anderes einfallen lassen, dachte ich.

Nicht dass ich allzu viel Wert darauf legte, an diesem Tag auf einen Erfolg in meinem noch jungen Leben hinzuweisen. Aber es wäre schön etwas zu präsentieren, einen Joker, der in einer Diskussion gewürdigt werden könnte. Es hätte mir geholfen, das Image eines bislang gedanken- und planlosen Jungen zu verbessern.

Bislang war ich nur auf die profane Idee gekommen, mit ein paar neuen Jeans und einem farbenfrohen Hemd auf meine Lässigkeit hinzuweisen und beim Tanzen zu späterer Stunde eine gute Figur abzugeben.

Von den Gästen würde Vater fehlen, der in der südamerikanischen Pampa als Ingenieur am Bau einer Straße schuftete. Er war nach eigener Aussage anscheinend unabkömmlich, scheute vielleicht die Strapazen transkontinentaler Flüge. Dafür hatte ich Verständnis. Gleichzeitig ersparte er sich Reisekosten und ich könnte ihn bitten, je nach seiner Großzügigkeit, mir einen Teil davon zu überweisen. Eine einfache finanzielle Transaktion gegenüber dem Reiseaufwand, dachte ich.

In der Ausgestaltung des Festes war nicht ich, sondern Mutter die wichtigste Person. Sie würde sich nicht lumpen lassen alles zu arrangieren und die Dekoration herzurichten. Ein exzellentes Buffet zu erstellen war ihr ein Bedürfnis und Berufung. Frohgemut und stets guter Laune ging sie an die Sache heran, scheute keine Mühe und Kosten.

Ihr zur Seite stand Onkel Karl, der sich gerne als nachahmenswertes Vorbild präsentierte und Mutter zuliebe wohlwollenden Vaterersatz spielte. Seine kantigen Gesichtszüge passten zu seinem autoritären Gehabe, dem ich nichts abgewinnen konnte. Er war reich genug spendabel zu sein, mir fast jeden Wunsch zu erfüllen, knauserte jedoch. Er liebte es darauf hinzuweisen, dass ein Jeder nur das Potential nutzen müsste, das in ihm schlummerte. Dann könnte er es weit bringen. Ich hatte das meinige noch nicht entdeckt.

„In deinem Alter war ich bereits ein hoffnungsvoller Einzelhandelskaufmann“, pflegte er stolz zu sagen.

Allein die Vorstellung es ihm gleich zu tun schockte mich.

Wichtig seiner Meinung nach war es jede Deutsche Mark zweimal umzudrehen, am besten gar nicht auszugeben, sondern gewinnbringend anzulegen. Letztere Fähigkeit hatte er zweifellos eindrucksvoll entwickelt, während ich über die Löcher in meinen Händen nachdachte, durch die das Geld rutschte. Er könnte mir ein paar Goldmünzen schenken, dachte ich. Sicherlich warfen sie irgendwann Rendite ab, wenn ich sie nicht vorher verprasste.

Mit weiteren Verwandten und Erwachsenen, netten und angenehmen Menschen, gedachte ich während des Festes einige freundliche Worte zu wechseln. Zur Stimmung würden vor allem meine jugendlichen Gäste beitragen, ohne dass eine der eingeladenen Mädchen bislang mehr als ein Auge auf mich geworfen hatten. Sollte dies während der Feier geschehen, wäre es wohl das größte Geschenk für mich.

Willst du dies oder etwas anderes erreichen, musst du dich in Szene setzen, selbstbewusst und souverän sein, dachte ich. Da kommst du nicht drumherum. Das wäre die beste Werbung geachtet und geliebt zu werden. Allein der Blick in mein chaotisches Zimmer gab einen Seelenzustand wieder, der dieser Wunschvorstellung widersprach.

Zu einem verantwortungsvollen Leben gehört Ordnung, dachte ich, und die wollte ich augenblicklich beweisen. Als erstes meinen Schreibtisch derart herrichten, dass er zu einer sinnvollen Arbeit Platz bot. Als Ablage verstaubter Druckerzeugnisse und nicht akzeptablem Schreibwerkzeug verfehlte er seinen Zweck. Ab in den Müll mit dem unnötigem Kram, dachte ich und begann mein Werk. Mutter würde glücklich sein, mich beim Aufräumen zu erleben. Doch inmitten meines tatendurstigen Sichtens und Wegwerfens stockte ich bereits nach kurzer Zeit. Ein Hochglanzprospekt kam unter dem Stapel vergilbter Papiere zum Vorschein und weckte mein Interesse. Sicherlich schon einmal, ansonsten hätte ich es nicht aufbewahrt. Normalerweise werfe ich die von mir verachteten und zumeist verlogenen Reklameprodukte sofort in den Papierkorb und ärgere mich über die Verschwendung an Material und geistiger Verausgabung. Aber in diesem Falle fesselte mich erneut die Ästhetik der abgebildeten Motorräder. Ich vergaß die Zeit.

Gleichzeitig erwachten Erinnerungen an die gemeinsame Fahrten mit Vater auf seinem robusten Motorrad, an den Zauber unbeschwerten Fahrens durch die Natur.

„Steig auf mein Sohn, wir fahren nach Irgendwo,“ pflegte er in Vorfreude zu sagen, verpasste mir Motorradhelm und -brille und wir bretterten los.

„Das Leben kann dir viel bieten wenn du nur aus einer Laune heraus handelst, ein Ziel ist nicht immer vonnöten.

So landeten wir je nach Zufall auf der mit Wildblumen bestandenen Wiese eines Flusses oder inmitten eines fröhlichen Dorffestes und waren glücklich.

Sein erstes Auto im Tausch gegen das Motorrad machte diese Touren zunichte. Ich langweilte mich auf der Hinterbank und kein Fahrtwind erfrischte mehr mein Gesicht.

Wahrscheinlich aus Trotz erwarb ich deshalb mit 16 Jahren ein Moped, um tatendurstig alte Freude zu genießen. Doch das altersschwache Gefährt versagte alsbald seinen Dienst.

Noch melancholisch verhaftet und beim Anblick der abgebildeten Motorräder inmitten des vermüllten Schreibtisches, suchte ich nach einem Ausweg weiterzumachen. Die Phantasie erlöste mich. Wie Phönix aus der Asche erwuchs vor meinen Augen das Abbild eines funkelnagelneuen Motorrades. Das wollte ich haben.

Bereits am anderen Tag folgte ich der Adresse der Broschüre und betrat die Stille einer Kathedrale voller Motorräder. Vorsichtig bewegte ich mich durch die ausgestellten Heiligtümer, die Auge und Herz betörten. Das hier waren gegenüber früher alles Wunderwerke mit zahlreichen Einzelheiten, die das Fahren zu einem göttlichen Vergnügen machten. An den blankpolierten spiegelnden Tanks brach sich das Licht. Die wuchtigen Motorblöcke verrieten Kraft, die auf pechschwarze Reifen mit exzellenter Bodenhaftung übertragen wurde. Goldfarbene Veredelungen und chromblitzende Accessoires schmückten die Modelle. Technische Daten auf kleinen Täfelchen vermittelten Hochachtung, mehr noch der Preis.

In einem dagegen nüchternen Büroraum lümmelte der anzunehmende Hohepriester dieses Heiligtums, blickte kurz auf, ließ mich gewähren. Ich schlenderte langsam durch die Reihen der ausgestellten Maschinen, wägte ab und war mir meiner finanziellen Grenzen bewusst.

Meine Vermutung bestätigte sich, dass der einzige neben mir noch anwesende Mensch auch der Verantwortliche war. Wie ein Schatten heftete er sich alsbald an mich, um mir pflichtgemäß sein Evangelium zu verkünden, mich zum Kauf zu bekehren, seinen Klingelbeutel zu füllen. Sein Äußeres, blankpolierter Schädel, gestutzter Mund-und Kinnbart, asketisch schlanke Figur in dunklem Anzugtuch, unterstrichen seine missionarische Aufgabe. Die eng aneinander stehenden Augen und der leicht geöffneten Mund mit den kräftige Zähne verrieten aggressive Dynamik. Ich war auf der Hut.

„Hallo junger Freund, kann ich Ihnen behilflich sein?“, eröffnete er gespielt leger die Offensive.

„Schöne Motorräder“ erwiderte ich, so wie jemand ganz nebenbei schönes Wetter sagt, weil ihm sonst nichts einfiel, und er in Ruhe gelassen werden wollte. Seine Anbiederung provozierte meine Ablehnung.

„Ihr junger Freund möchte noch etwas herumspazieren, aber noch haben wir nicht Freundschaft geschlossen“, stopfte ich ihm das Maul.

Ein Missionar, und insbesondere wenn noch ein Verkäufer in ihm steckt, gibt so schnell nicht auf. Seinem resignativen Rückzug folgte wenig später ein pädagogischer Angriff als wir nach meinem Rundgang wieder aufeinandertrafen.

„Lassen Sie sich einmal unverbindlich in die Welt des Motorrades einführen. Ich kann ihnen viel Interessantes dazu sagen.“

Schön und gut, dachte ich, lass ihn reden, sehr wahrscheinlich brauchte ich ihn noch. Ein Motorrad hatte mein Interesse geweckt. Eine pechschwarzes schnittiges einzylindriges Viertaktmodell mit 18 PS und 130 km/h schnell bestach durch schlichte Eleganz und wurde als Angebot der Woche in einer Preisklasse von 2000 DM angepriesen. Ich war begeistert.

Zunächst aber noch hörte ich geduldig dem gewieften Motorradspezialisten zu, der glückselig in seinen Ausführungen schwelgte. In einem wohl durchdachten zickzack konfigurierten Parcours folgten wir der Spur der immer schneller werdenden Zweizylinder.

Zum Schluss standen wir, wie der Verkäufer mit Stolz erfüllter Brust verkündete, vor dem schnellsten momentan zu habenden deutschen Motorradmodell, dessen Spitzengeschwindigkeit bei 170 km/h lag. Ehrfurchtsvoll, die Hände fast zum Gebet gefaltet, legten wir eine Schweigeminute ein.

Danach wurde es Zeit sachlich zu werden. Dachte ich. Auch der Preis vermittelte Respekt, hatte sich im Verlauf der ausgestellten Modelle wie auch der Zylinder inzwischen verdoppelt.

Ich sagte es meinem Begleiter, und er hatte Verständnis für mich.

„Auf alle Modelle gewähre ich einen Rabatt. Sie dürfen aber auch für ihre Bedürfnisse ganz unverbindlich eine Probefahrt unternehmen.“

Leider fehlte mir noch der Führerschein, dachte ich, nickte, verschwieg es aber.

Weder wollte ich mit Höchstgeschwindigkeit über die Autobahn brettern, noch teures Geld für einen weiteren Zylinder ausgeben. Der Einzylinder war genau das Richtige, um tagtäglicher zum Kreuzzug durch Stadt und Umland zu dienen.

„Ich kaufe, heute, wenn wir uns einigen können.“

„Nur zu.“

„Sie sprachen von Prozenten.“

„Ganz gewiss doch.“

Wir begannen zu feilschen. Sei frech, dachte ich, verlange 20%. Mein Gegner verdrehte die Augen, die kurzfristig himmelwärts rutschten. Dann sammelte sich sein Augenpaar um pfeilgenau auf meins zu treffen. 10% kam seine Gegenoffensive. Ich lachte, er auch. Was soll ich sagen, nach einigem Geplänkel schafften wir das, wie es zu diesem Spiel gehörte. Wir einigten uns auf 15%.

Jetzt erst fiel ihm auf, das er noch gar nicht wusste was ich kaufen wollte. Ich tat als wüsste ich es auch noch nicht. Aber den Ring, an dem ich ihn führen wollte, hatte er schon in der Nase.

„Ein letzter kurzer Rundgang. Ich will ganz alleine die Entscheidung treffen.“

„Sie habens aber drauf“, seufzte er.

Gut, dass er dies glaubte, dachte ich, dann würde er es auch verkraften, wenn ich bei meinem Wunschmodell stehen bliebe und ihm unmissverständlich erklärte, „die will ich.“

Sein langes Gesicht wurde noch länger als er meine Absicht erfuhr.

„Das ist unser Einstiegsmodell und wird bereits wie sie dem Verkaufsschild entnehmen können zum Sonderpreis angeboten.“

„Auch auf einen Sonderpreis sind Prozente möglich.“

„Der Sonderpreis ist aber eine Ausnahme“, beharrte er.

„Ausnahmen bestätigen die Regel, das lass ich gelten,“ kam mein Konter, „aber ihren Wortbruch nicht. Sie sagten ausdrücklich Prozente auf alle Modelle.“

Das haute ihn um. Aber rasch hatte er sich wieder im Griff.

„Kommen sie mit.“

Vor meinem Wunschobjekt angelangt griff er nach dem Preisschild um mit seinem schwarzen Markenkugelschreiber ausgeschwungen plus 15% Rabatt hinzuzufügen.

„Sieht so ein Wortbruch aus?“

Donnerwetter, dachte ich, dieser Mann hat Ehrgefühl. Zu meinem Glück hatte ich es in Frage gestellt.

Er hielt mir die Hand hin. Ich schlug ein. Wir fanden einander plötzlich sympathisch, konnten tatsächlich Freunde sein, dachte ich.

Mein Coup erfüllte mich mit Stolz. Das wird der Knaller beim Geburtstagsfest werden. Ich kannte niemanden der ähnliches gewagt hätte.

Als mir die Maschine mitten in der Geburtstagsfeier überbracht wurde, mit einem riesigen Ballon voller Flitter und der Zahl 18 mittendrin, sah ich überall nur riesengroße erstaunte Augen, die in sprachloser Verwunderung dem momentanen Zauber einer ihre Sinne übersteigenden Erscheinung erlagen. Wie mich brachte auch sie ein Motorrad aus der Fassung. Nüchtern betrachtet war es nur ein etwas aus der Zeit gefallener Alltagsgegenstand, der auch als Hobby zu dienen vermochte. Kaum, dass sie sich von der Überraschung erholt hatten, prasselte ein Sprachgewitter hernieder, das nur die Unsicherheit ihres noch zu fassenden Urteils widerspiegelte. Mit einem Wort, sie fühlten sich überfordert, mir spontan zu meinem eigenen Geburtstagsgeschenk aufrichtig zu gratulieren.

Zunächst untereinander und dann mir gegenüber überschlugen sich die Meinungen, deren Grundtenor übereinstimmend die Richtung nahm, mich für verrückt zu erklären. Einige der Gäste versuchten mich psychologisch-analytisch zu ergründen, unterstellten mir einen nicht kompensierten Minderwertigkeitskomplex, ein hemmungsloses Geltungsbedürfnis oder sogar Größenwahn, während andere ganz einfach verächtlich-pragmatisch die Unsinnigkeit und die Gefahren des Motorradfahrens in der heutigen Zeit heraufbeschworen. Mir war es im Grunde genommen egal was sie dachten. Es verwunderte mich nur, dass sie so dachten, mir mein Geschenk nicht gönnten, weil sie selber nie auf so eine Idee verfallen wären.

Immerhin hatte ich die Geburtstagsgesellschaft in Schwung gebracht, erklärte allen, dass ich ganz und gar völlig normal sei, wie auch das Motorradfahren an sich. Derart beschäftigt ihnen den Wind aus den Segeln zu nehmen, kehrte allmählich Ruhe ein, und zögerlich noch meldeten sich die Bewunderer.

„Motorradfahren ist geil.“

Andere verstiegen sich dahingehend zu bekunden, „no risk, no fun“.

Der Kreis der anerkennenden Befürworter nahm deutlich zu, die fachsimpelnd das Gerät umstanden, anfassten und sogar eigene Anekdoten über Motorradfahren zum Besten gaben.

Es war schon erstaunlich wie fast alle, so ganz zum jetzt beruhigtem Gegensatz, derart emotional aufgeputscht gewesen waren. Wahrscheinlich hatte das absolut Unvorhersehbare sie so aus der Fassung gebracht. Der spontane Mob ist eine gefährliche Sache, dachte ich. Aber ich hatte erreicht was ich wollte: Aufsehen erregen.

Der Rest meiner Geburtstagsfeier verlief im Sinne des Üblichen. Auch wenn der oder die Andere/r mein Motorrad anhimmelten, mir selber wurde dies Glück von einem der Mädchen nicht vergönnt. Mit Molly, so taufte ich das Motorrad, fand ich aber dennoch eine erste große Liebe.

Am nächsten Tag nahm Mutter mich ins Gebet. Sie wusste woher das Geld zum Kauf stammte. Es war das über ein Jahrzehnt angelegte Sparguthaben von Onkel Leo, über das ich ab 18 verfügen durfte. Onkel Leo, ein passionierter Bergsteiger und eine echte Frohnatur, mit dem ich mich immer prima verstanden hatte, war bereits vor einigen Jahren verstorben und hätte sicherlich seine Freude an meinem abenteuerlichen Kauf gehabt, Mutter nicht. Für sie war es nicht einsichtig, dass ich Geld in alberner Nostalgie für ein gefahrenträchtiges Motorrad verprasste.

„Es wäre besser gewesen, statt einem platten Konsumrausch zu folgen, das schöne Geld demütig bescheiden für deine zukünftige Bildung anzulegen. Von der könntest du nicht nur kurzfristig sondern lebenslang profitieren. Ein Auslandsaufenthalt mit kultureller Erfahrung und erlernen einer Fremdsprache wäre zum Beispiel möglich gewesen. Das hätte deinen geistigen Horizont erweitert.“

Diesen zweifelte sie bei mir an, dachte ich.

„Auch hättest du eine schöne Rücklage für ein späteres Studium gehabt.“

Derart weit vorauszuschauen war mir noch gar nicht in den Sinn gekommen.

„Warum in aller Welt ein Zweirad, das einzig allein nur deinem Ego zugute kommt?“

„Aber gerade das habe ich doch so gewollt.“

Sie war sprachlos.

„Einen größeren Kindskopf als dich gibt es nicht.“

Das wiederum machte mich nachdenklich.

In der Folgezeit freundete ich mich in leidenschaftlicher Hingabe mit Molly an, machte sie mir zur treuen Gefährtin.

Wer, wenn nicht ein Motorradfahrer, erlebt das beglückende Gefühl im Fahrtwind sich mit der vorbeiziehenden Natur verbunden zu fühlen, die Kraft einer intensiven Beschleunigung körperlich zu spüren, mit einer Maschine eine Einheit zu sein. Es hebt dich heraus aus der Masse der Menschen, beflügelt die Seele, macht dich glücklich.

Eine derartige Liebe verführte jedoch auch. Sie wollte erlebt und ausgereizt werden. Eine sorglose Kühnheit meine Fahrkünste nach glücklich bestandener Führerscheinprüfung unter Beweis zu stellen hatte mich ergriffen.

Die imponierende Inschrift auf einem Flugzeugschuppen, There are bold pilots and old pilots but very little old bold pilots, hatte ich zwar gelesen, aber auch wieder vergessen.

In einer mit zügiger Geschwindigkeit scharf angeschnittenen Spitzkurve und in gekonnter Schräglage rutschte mir die Maschine wegen einer nicht vorhersehbaren Nässe mit Blättern unter dem Hintern weg und zersemmelte an einem Baumstamm. Allerdings ohne mich. Ich hatte den Lenker rechtzeitig losgelassen. Aber der von mir überholte Autofahrer hätte mich fast überfahren. Leichenblass entstieg er seinem Fahrzeug, und anscheinend unter Schock wollte er immerzu wissen wie es mir ging. Der Kerl war ungeheuer aufgeregt. Ich hatte aber einfach keine Lust auf ihn einzugehen, weil ich merkte, dass es ihn psychisch erwischt hatte, und er nicht mehr richtig bei Verstand war. Körperlich war ihm nichts passiert, während ich auf der Straße saß und mir alles weh tat.

Kaum zu glauben was für ein Aufstand entstand. Polizei- und Rot- Kreuz Wagen bahnten sich im Blaulichtgezucke den Weg. Uniformierte rannten herum und brüllten Kommandos, während sich nach und nach Neugierige ansammelten. Das war vielleicht ein Spektakel, und alles drehte sich um mich und den Geschockten. Mit heulendem Signalton, der ihn dann vollends fertig machte, fuhren sie uns ins nächste Krankenhaus, wo sie mir den angebrochenen Unterschenkel eingipsten auf den das Motorrad kurzfristig gefallen war. Ein Psychologe interessierte sich für mich. Ich mich aber nicht für ihn. Deshalb verwies ich ihn an den durchgedrehten Autofahrer. Der hatte ihn bitter nötig, dachte ich.

Zuhause, und alle die ich kannte, haben sich wieder einmal fürchterlich aufgeregt, nur wegen eines verletzten Beines und eines kaputten Motorrades. Salbungsvoll malten sie aus, dass ich froh sein könnte, nicht tot zu sein, ein Organspender oder schwerbehindert. War ich aber nicht, und darum erübrigte sich diese Diskussion mit der sie sich nur wichtig machen wollten. In Wahrheit waren sie doch nur zu feige, zu sagen, „selber Schuld du Dussel, das haben wir kommen gesehen. Irgendwann bringst du dich noch um.“ Das hätte ich ihnen abgenommen.

Im Alltagsleben hingegen interessieren sie sich nicht die Bohne für dich, und kaum einer sagt, „wie schön, dass du lebst, lass uns etwas unternehmen, eine Spazierfahrt.“

Die Geschichte mit dem Motorrad erzähle ich deshalb, weil sie haargenau mein Dilemma wiedergibt. Auch wenn ich kurzfristig dachte, souverän zu sein und erfolgreich gehandelt zu haben, wurde mir postwendend der Spiegel eines hoffnungslosen Grünschnabels und törichten Versagers vor die Nase gehalten. Das war nicht gerade beglückend, auch wenn ich dann, um mich nicht aufzugeben, ganz einfach darüber hinwegsah.