Ein närrischer Tod - Detlef Romey - E-Book

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Detlef Romey

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Beschreibung

Till Eulenspiegel weilte am Ende seines Lebens in Mölln. Gestorben ist er dort im Heilig Geist Hospital. Doch wenn ein Narr stirbt, gerade ein Narr, wie Till Eulenspiegel, der mit seinen derben Streichen eine Menge Leute den Spiegel vor die Nase hielt, der will vielleicht wissen, ob man auch um ihn trauert? Der Tod gewährte ihm die Gnade und am Ende ein Begräbnis, welches das Mittelalter noch nicht gesehen hat. Und doch läuft er noch immer in Mölln herum und der Reisende, der Mölln besucht, sollte Augen und Ohren offen halten...

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Veröffentlichungsjahr: 2014

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Detlef Romey

Ein närrischer Tod

Till Eulenspiegel in Mölln

Für meine Großväter Herbert Romey und Gustav Völtz.BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Ein närrischer Tod, Till Eulenspiegel in Mölln

Ein närrischer Tod

 

Allen großen Sagen und Legenden zum Trotz, diese vorliegende Historie geschah Anno 1350. Sie wurde nach den seltsamen Ereignissen mit schwarzer Tinte festgehalten.

Die im Lateinischen festgehaltenen Schriften lagen Jahrhunderte gut versteckt in der St. Nikolai Kirche zu Mulne, und handeln just vom Tod, mehr noch vom Leben.

Das Drama begann einst als Tragikomödie in dem kleinen Dorf Kneitlingen, bei Braunschweig, mit drei Taufen und es endete in einem verkommenen Krankenzimmer, im Hospital:

Zum heiligen Geist, in Mölln. Das Hospital war am Beginn ein Siechenhaus und wurde dann eine Badstube. Auch eine Kapelle befand sich in dem Gebäude. Auf dem Dach des Hospitals hockte ein hagerer, schwarzweißer, Kater.

Sein wehleidig miauendes Klagelied war weit über die Mauern Möllns zu hören. Ein Dachziegel rutschte ihm jedoch unter den schwarzen Pfoten weg und mit einem riesigen Satz sprang er auf eine Mauer und dann blitzschnell auf einen brüchigen Fenstersims. Dabei bröckelte just Lehm ab. Das Hospital schien in keinem guten Zustand zu sein.

Seine vielen schiefen Wände und verrußten Decken jammerten geradezu nach geistreichen Farben, denn das Grau überwog, sowie ziemlich schmierige Spuren von Fingern, Händen und Fliegendreck.

Die Wände waren außerdem mit vielen tiefen Rissen übersaht. Spuren von altem Stroh drangen schon durch die Ritzen.

Dort sammelten sich der Staub und der süße Geruch von längst Verstorbenen. Süß ist der Himmel, bitter die Hölle. Wer nicht wirklich von Leid und elender Krankheit gezeichnet war, wurde in der mittelalterlichen „Klinik“ mit tödlicher Sicherheit krank. Nur wenige gingen freiwillig hinter diese sterbenden Mauern. Und sollte der Ellenbogen leiden.

Allein deshalb, weil die Quacksalber in Mölln nicht allen Patienten die Badestube zugestanden, gerade mal den aller ärmsten unter ihnen. „Pfui Teufel und ein Amen.“ Das sagte ein Reisender, der Mölln besuchte.

Sich zu waschen galt zwar nicht gerade zu den alltäglichen Pflichten, doch im Hospital sollte es eigentlich regelmäßig vollzogen werden, wenn sich auch ein Großteil der Bürger davor ekelte.

„Igitt, Wasser, niemals“, hörte man immer wieder sagen und so erkannten sich die Möllner im Dunkeln schon am Geruch. Man stinkt, trinkt und bereichert sich an Gerüchten.

Ein Vorteil, gewiss, aber ein bazillenreicher allemal. Es waren keine leichten Zeiten.

Alt wurden die wenigsten Menschen und dann noch krank zu werden, das war ein Übel der schlimmsten Sorte. Heiliger Gichtbecher. „Schauderhaft, dieses Jahr 1350 und 1349 war nicht Buchstaben: ARG.E. Das Wort, ein Rätsel.

Das Mittelalter besser. Wie es wohl 1351 wird?“, schrieb ein junger Chronist und starb einige Wochen später an einer Seuche; der Pest. Seine letzten gab den zig Mittellosen nur wenig heilende Mittel. Die mittelalterliche Obrigkeit forderte jedoch immer höhere Steuern, auch um den ebenfalls Dauerleidenden

städtischen Haushalt der Stadt Mölln zu sanieren.

Das mehrstöckige Hospital, aus Fachwerk, stand nicht weit vom Stadtsee und roch an jenem Tag besonders stark nach Siechtum und nach Linsenbrei mit Knoblauch.

Aus irgendeiner Ecke drang ätzender Geruch von vergammelten aufgebrochenen Eiern. Frischer Hühnermist kam hinzu.

Ein sinnlicher Vorgeschmack auf die Ewigkeit und ein vortrefflicher Ort für Familie Ratte. Schmatz, schleck, Dreck. Die kleinsten Geschöpfe Gottes kennen das Wort Geschmacklosigkeit nicht, eher Heißhunger und einen gesunden obendrein. Dem Hospital angeschlossen war eine kleine Kapelle. Vor dem schlichten Altar betete zu Tagesbeginn eine scheinbar verwirrte greise uralte Frau den Himmel herbei.

Einige Tränen flossen über ihre Wangen. Sie murmelte

wie eine gurrende Taube. Doch so sehr sie die wenigen stillen Bekenntnisse ihres Glaubens herunter gurrte, die himmlisch heiligen und engelsgleichen Wesen zeigten sich

ihr nicht. Ihre Hoffnung war jedoch größer als ihr Glaube daran. Sie guckte deshalb immer wieder in alle Winkel der Kirche, doch nicht einmal der liebe Gott hielt es für nötig, ihr ein kleines Zeichen seiner Zuneigung zu senden geschweige denn ihr längst verstorbener Mann. „Gott hab ihn selig! Und hab Geduld, oh Herr!“

Ein Opfer der Braukunst. Sein Drang nach Bier war eine Legende. Er war leider einer von vielen und einer, der seinen Suff als Fügung Gottes betrachtete, prüfte er doch in seinem Auftrag nur die Qualität der Biere, gerade die Biere von hohem Alkoholgehalt. Rülps, Furz. Den Rest Bier tranken sogar die schnodderigen Gören der Gasse.

Diesen Standpunkt vertrat seine Witwe Minna bei jedem

Marktbesuch und es tröstete sie, dass Hopfen und Malz

auch hier in Mölln besonders gut gelangen und einige

Saufkumpane ihm folgten. Somit reduzierte sich das grobe Mannsvolk in Mölln und anderswo auf natürliche Weise.

„Der Dummheit größte Freude ist das Saufen und das

Raufen, denn Dummheit redet nicht, es tut nur schnaufen!“

Minna von Uetzen stammte aus einem recht verarmten

Adelsgeschlecht, was ihr in Mölln niemand glaubte. Sie war kleinwüchsig und relativ dürr. Das heißt, dass ihre Knochen nur noch mit Haut überzogen waren und sie eigentlich mehr Tod als denn lebendig aussah. Aschpfahl. Obendrein war sie mit einem Meer von Falten gesegnet. Ihre alten Tageskleider waren seit Jahren nicht gewaschen worden. Sie stanken, doch ihr war dies einerlei. Stinken tat es auf den sandigen Gassen und Straßen Möllns ohnehin, so dass sie selbst nicht mehr roch als alles andere, was auf den Straßen

landete. „Scheiße! Doch Dreck hält warm und schützt vor Mücken.“

Sie hockte still vor dem Altar. Für mittelalterliche

Verhältnisse hatte sie eigentlich zu lange gelebt und

jedermann betrachtete sie seit ihrer Ankunft als Aussätzige.

Ihre Gelenke schmerzten. Dagegen half Urin und damit

rieb sie täglich ein, wie ihr ganzes langes Leben schon. Den Dreck unter ihren ellenlangen Fingernägeln hatte sie seit Wochen nicht mehr gesäubert, aus gutem Grund. Sollte Gott nur ihre gefalteten Hände betrachten. Geschunden und von Hornhaut übersät. Sie ertrug ihre Armut mit einem gewissen Hochmut und hoffte klaglos auf Besserung im Paradies, wie alle in Mölln und im damaligen Mittelalter. Und das erwartete sie nur von Gott nicht vom Herzog oder dem beleibten eitlen Bürgermeister.

„Gott gibt, der Mensch nimmt. Und mehr als der da Oben! Amen und ein Tritt den Gleichgültigen!“

Hilfe lehnte sie schon allein deshalb ab, weil ihr die meisten Menschen ohnehin gehörig auf den Zeisig gingen, was natürlich auf Gegenseitigkeit beruhte. Obwohl Sie in den ersten Jahrzehnten ihres Lebens den Menschen Leben schenkte. Stolz war Minna nur darauf, dass sie über jedermann in der Stadt Mölln Bescheid wusste und dass Sie frischen Fisch mit den Fingernägeln von seinen Schuppen trennen konnte. Fingerschuppennagelhandwerk, nannte sie das.

Reden tat kaum jemand mit ihr, warum auch dachte sie, so käme sie wenigstens nicht in Betracht eine zu sein, die Geheimnisse ausplaudern wird. Sie selbst blieb in Mölln allen ein Geheimnis. Niemand wusste, woher sie kam und am allerliebsten hätte man es gesehen, dass Sie ins nahe Ratzeburg gegangen wäre. Die Inselstadt lag nicht weit von Mölln und war bei manchem Möllner verhasst. "Rattenburg", "Ratzetrug".

Weshalb ihr dennoch alles Wissenswerte zugetragen wurde, bleibt ein ewiges Geheimnis der Volksseele. Einzig der Sterbende aus dem Hospital, Kammer III. mochte die alte Minna. Warum, konnte er sich nicht sagen. Aber er wollte keine Hilfe. Sie besuchte ihn seit einigen Tagen und sie traf dabei auch auf dessen Mutter, Anne Wiebken. Diese erkannte sie nicht von früher, was ihr nur recht war, denn diese Mutter wollte einst ihren Sohn mit dem Knüppel schlagen, als er auf einem Seil gehen wollte. Minna konnte damals alles genau beobachten.

Rabenmutter. Küchenschabenmutter. Minna hatte sich in den frühen Morgenstunden in die Kapelle geschlichen. Sie wollte nicht, dass andere ihren Besuch sehen könnten. Keiner sollte wissen, dass sie für den

Kranken die Hände faltete und zu Gott sprach. Zu sehr hatte er der Stadt zugesetzt, was Minna wohlwollend zur Kenntnis nahm; waren ihr doch die hiesigen Heuchler und Amtspersonen ein Dorn im Auge. Dass Till sich nicht helfen lies, sah sie ein, denn sie selbst wollte ja auch von niemandem Hilfe. Alte und Verrückte müssen ihren Kopf selbst aus der Schlinge ziehen, alt sein wird einem nicht verziehen. „Alter ist eben eine Krankheit mit tödlichem Ausgang“, sagte Sie einmal. Viele Bürger verfolgten jeden ihrer schlürfenden Schritte mit Argusaugen. Wer sich mit diesem uralten kranken Geist gut stellte musste selber krank sein und bedurfte dringend einer Behandlung. „Wer alt ist, gehört weggeschlossen.

“ O-Ton vieler Bürger. Eine boshafte Nachbarin hielt Minna gar für Tills Ur-Ur-Ur-Großmutter. Eine böse Furzkröte.