Ein Prozent ist genug - Jorgen Randers - E-Book

Ein Prozent ist genug E-Book

Jorgen Randers

4,5

Beschreibung

Die Fronten sind verhärtet: hier die Anhänger des Degrowth, die negative Wachstumsraten für unverzichtbar halten – dort die Mehrheit der Wachstumsgläubigen, die noch immer von zweistelligen Zuwächsen träumt. Radikale Rhetorik und Konzepte scheinen mehr denn je nötig zu sein, um sich Gehör zu verschaffen. Doch gibt es wirklich keine Lösungen dazwischen? Für Jorgen Randers und Graeme Maxton ist es höchste Zeit, Realitäten anzuerkennen und Denkblockaden zu überwinden. In 'Ein Prozent ist genug' stehen die Industrieländer, deren Wirtschaft kaum noch wächst im Mittelpunkt. Der aktuelle Bericht an den Club of Rome räumt auf mit dem Mythos der Alternativlosigkeit und präsentiert einen Maßnahmenkatalog für überfällige Reformen in Politik und Wirtschaft: für den Umbau unserer sozialen Sicherungssysteme, für menschenwürdige Arbeitsplätze und einen Klimaschutz, der der Wirtschaft nutzt.

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Jorgen RandersGraeme Maxton
EINPROZENTIST GENUG
Mit wenig Wachstumsoziale Ungleichheit, Arbeitslosigkeitund Klimawandel bekämpfen
Der neue Bericht an denClub of Rome
Aus dem Englischenvon Gabriele Gockel und Sonja Schuhmacher,Kollektiv Druck-ReifCartoons von Øystein Runde
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2016 oekom verlag MünchenGesellschaft für ökologische Kommunikation mbHWaltherstraße 29, 80337 München
Der Titel des englischen Originals lautet: »Reinventing Prosperity: Managing Economic Growth to Reduce Unemployment, Inequality and Climate Change« (Greystone, Kanada).
Übersetzungslektorat: Uta RugeKorrektorat: Maike SpechtUmschlaggestaltung: Jorge Schmidt, MünchenLayout und Satz: Reihs Satzstudio, Lohmar
E-Book: SEUME Publishing Services GmbH, Erfurt
Alle Rechte vorbehaltenISBN: 978-3-96006-131-1
Wir danken der Stiftung »Forum für Verantwortung« für die großzügige Förderung dieser Publikation.

Inhalt

Liste der Boxen
Liste der Abbildungen
Liste der Tabellen
Geleitwort
Vorwort
KAPITEL 1Zwei drängende Probleme der reichen Welt
KAPITEL 2Die traditionelle Lösung: Wirtschaftswachstum
KAPITEL 3Die alte Methode funktioniert nicht mehr
KAPITEL 4Fortschreitende Automatisierung
KAPITEL 5Andere Bedrohungen für das heutige Wirtschaftssystem
KAPITEL 6Die Sackgasse: Das Scheitern des marktradikalen Denkens
KAPITEL 7Die Stürme vor uns
KAPITEL 8Eine neue Perspektive
KAPITEL 9Dreizehn leicht realisierbare Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit, Ungleichheit und Erderwärmung
KAPITEL 10Die Mehrheit entscheiden lassen
KAPITEL 11Lasst die arme Welt wachsen
KAPITEL 12Die Welt retten
KAPITEL 13Die kommende große Schlacht
Anmerkungen
Literatur und Quellen
Dank

Liste der Boxen

1  Was ist »marktradikales Denken«?
2  Was ist Kurzsichtigkeit?
3  Was ist Wirtschaftswachstum?
4  Warum glauben die meisten Menschen, Wirtschaftswachstum sei gut?
5  Was ist Wohlergehen?
6  Führt Wirtschaftswachstum zu mehr Wohlergehen?
7  Führt Wirtschaftswachstum zu einer Steigerung des BIP pro Kopf?
8  Warum schauen Firmeninhaber ausschließlich auf das Gesamt-BIP, während sich Beschäftigte eher für das BIP pro Kopf interessieren?
9  Steigt mit dem Wirtschaftswachstum auch immer die Zahl der Arbeitsplätze?
10  Reduziert Wirtschaftswachstum immer die Ungleichheit?
11  Ist es möglich, Wirtschaftswachstum zu schaffen, indem man es den Menschen ermöglicht, sich mehr Geld zu leihen?
12  Warum bringt es nichts, Geld zu drucken und es den Reichen zu geben?
13  Was ist Arbeitsproduktivität und wie verhält sie sich zum BIP pro Kopf?
14  Welche wirtschaftlichen Folgen hat eine zunehmende Automatisierung?
15  Was ist der Abhängigkeitsquotient?
16  Welche Folgen hat das Altern für die Wirtschaft?
17  Warum glauben die Leute, dass höhere Geburtenraten das Problem einer alternden Bevölkerung lösen?
18  Die größten Herausforderungen, vor denen die reiche Welt steht
19  Greifbare Lösungen für die Probleme der reichen Welt
20  Welche Kriterien müssen erfüllt sein, damit wir uns den Herausforderungen stellen?
21  Was ist notwendig, um einen Planeten des Wohlstands zu schaffen?
22  Dreizehn Vorschläge zur Verminderung der Arbeitslosigkeit, der Ungleichheit und der Erderwärmung
23  Welche Auswirkungen hat eine Verkürzung der Jahresarbeitszeit?
24  Welche Auswirkungen hat die Anhebung des Renteneintrittsalters?
25  Welche Auswirkungen hat es, wenn aus unbezahlter Arbeit bezahlte Arbeit wird?
26  Welche Vorteile hat eine Anhebung der Arbeitslosenunterstützung?
27  Ist es möglich, mehr Arbeitsplätze zu schaffen, indem man den Reichen etwas wegnimmt und es den Armen gibt?
28  Wie können (grüne) Konjunkturpakete die Wirtschaftsleistung und die Beschäftigung erhöhen?
29  Was ist grünes Wachstum?
30  Was bedeutet Rohstoffknappheit?
31  Ist es in einer modernen Gesellschaft möglich, allen Bürgern ein garantiertes Einkommen zu bezahlen? Und wenn ja, wie hoch könnte es sein?
32  Welche Indikatoren werden gegenwärtig gemessen und welche neuen Indikatoren sollten hinzugefügt werden, um einen sanften Übergang zu einer besseren Welt hinzubekommen?
33  Was bedeutet der Übergang vom Marktradikalismus zu einer modifizierten Marktwirtschaft?

Liste der Abbildungen

1  Das Bevölkerungswachstum verlangsamt sich
2  Die wirtschaftliche Gesamtleistung (BIP) wird langsamer wachsen
3  Die Wachstumsraten beim BIP pro Kopf entwickeln sich unterschiedlich
4  Das durchschnittliche verfügbare Einkommen wird sich unterschiedlich entwickeln
5  Die Ungleichheit wächst, vor allem in den USA
6  BIP-Anteil des primären Sektors sinkt
7  BIP-Anteil des sekundären Sektors sinkt
8  BIP-Anteil des tertiären Sektors wächst
9  Die Wachstumsrate des BIP pro Kopf (in % pro Jahr) verlangsamt sich
10  Wahrscheinliche künftige Wachstumsraten beim BIP pro Kopf
11  Der Abhängigkeitsquotient bleibt niedrig
12  Der weltweite Energieverbrauch wird 2040 seinen Höhepunkt erreichen
13  Der Energieverbrauch pro Kopf wird sich weltweit langsam annähern
14  Die weltweiten CO2-Emissionen werden 2030 ihren Gipfelpunkt erreichen
15  Die Emissionen pro Kopf werden am Ende abnehmen
Quellen:  Abb. 1–4, 11–15: Jorgen Randers (2012): 2052, Chelsea Green, Vermont.Abb. 5: U.S. Census Bureau, Current Population Survey, Annual Social and Economic Supplements. https://www.census.gov/hhes/www/income/data/historical/inequality/.Abb. 6–10: Future of Planet Earth project, DNV-GL, Høvik, Norway, 2016.

Liste der Tabellen

1  Die Auswirkungen rapiden Wirtschaftswachstums, 1820 vs. 2001
2  Bevölkerung, in Millionen

Geleitwort

Erstmal ein Schreck. Menschen sind nicht lernfähig. Sie »stecken den Kopf in den Sand«, wie man es (fälschlich) dem Vogel Strauß nachsagt. Menschen setzen auf Wirtschaftswachstum auch dort, wo es mehr Schaden als Nutzen bringt. Kurzfristig gewiss ein bisschen mehr Nutzen, aber langfristig viel mehr Schaden.
Jorgen Randers hat seit Jahren diese bittere Einschätzung des Menschengeschlechts. Er war Koautor des berühmten Club of Rome-Berichts Die Grenzen des Wachstums von 1972. Fast alles ist so eingetreten, wie damals projiziert. Die ökologische Situation des Planeten hat sich seit 1972 dramatisch verschlechtert. Und wir rasen mit jährlich 80 Millionen zusätzlichen Erdbewohnern auf acht Milliarden zu.
Nix gelernt. Weiter so. Wachstum, Wachstum, Wachstum. Ein suizidales Programm.
Aber Professor Jorgen Randers und sein wunderbarer Koautor Graeme Maxton, Generalsekretär des Club of Rome, bleiben nicht im Pessimismus stecken. In diesem neuen Bericht halten sie sich nicht mit der nötigen, aber nicht vorhandenen Opferbereitschaft auf. Sie formulieren neue Wege. Die nützen der jeweiligen Mehrheit, während sie die Superreichen belasten. Dafür muss man wissen, dass das Wachstum der vergangenen 30 Jahre in der Hauptsache die Reichen reicher gemacht hat. Die Zahl der Abgehängten, Notleidenden und Perspektivlosen hat gleichzeitig zugenommen. Außer in China, das »über Nacht« zum Industrieland Nummer eins geworden ist – zu Lasten zahlreicher Entwicklungsländer und mancher älterer Industrieländer, die eine böse Phase der Deindustrialisierung durchmachen.
Die Autoren zeigen, wie die Ideologen der freien Märkte (bei denen die Starken gewinnen, die Schwachen verlieren) in den letzten dreißig Jahren die Politik und die Wissenschaft erobert haben. Sie zeigen, wie die Staaten immer hilfloser wurden. Und sie zeigen auch, dass man deshalb längst noch nicht resignieren muss.
Dreizehn Vorschläge haben sie zusammengetragen, die man lokal oder national und eines Tages vielleicht auch global verwirklichen kann und das mit einer demokratischen Mehrheit im Rücken. Das Leitmotiv ist eine »Sozialpolitik der Umverteilung«, auch bezüglich des Arbeitsvolumens – und dazu die zugehörige Steuerpolitik, um die Umverteilung zu finanzieren. Des Weiteren enthalten die Vorschläge einen wirksamen Anreiz für geringe(re) Kinderzahlen. Auch eine Stärkung der Gewerkschaften ist gefordert sowie ein kleines Stück Protektionismus für Arbeit und Umwelt, eben dort, wo der pure Freihandel massive Schäden anrichtet.
Reinventing Prosperity ist der englische Titel des Buches: »Neuerfindung des Wohlstands«, könnte man sagen. Es geht jedenfalls um Erhalt und Mehrung des Wohlstands, nicht um dessen Zerstörung!
Ist das alles Traumtänzerei? Muss nicht sein. Die Verärgerung über die Raubzüge und Kungeleien der Mächtigen ist allgegenwärtig. Leider bricht sie sich heutzutage Bahn in der Unterstützung absurder Demagogen. Was daher dringend aufgebaut werden muss, ist eine weltweite Bewegung für Gerechtigkeit und Langfristigkeit, die sich auch gegen den Kurzfrist-Egoismus wendet. Das kann aber nicht gelingen, wenn es kein einigermaßen stimmiges Konzept gibt. Das Konzept braucht eine vernünftige Balance zwischen Staat und Markt, zwischen Langfrist und Kurzfrist, zwischen Solidarität und Individualismus.
Der Club of Rome freut sich über diesen neuen Bericht, weil er eine Vielzahl guter Ansätze für ein derart stimmiges, ausbalanciertes Konzept liefert. Wir wünschen uns eine breite Diskussion über das Buch. Viel Zeit bleibt unserer Welt nicht mehr, um ihre Hochgeschwindigkeitsfahrt zu beenden! Die Mauer kommt näher …
Emmendingen im Breisgau, August 2016Ernst Ulrich von Weizsäcker,Ko-Präsident des Club of Rome
Stockholm, August 2016Anders Wijkman,Ko-Präsident des Club of Rome

Vorwort

Vieles auf der Welt muss uns Sorgen machen, das fängt an mit der anhaltend hohen Arbeitslosigkeit und der sich verschärfenden Ungleichheit, geht weiter zur fortgesetzten Ressourcenerschöpfung, zur wachsenden Umweltverschmutzung bis zum rasanten Artensterben und zur weitverbreiteten Armut.
Das größte Problem ist jedoch der schleichende, durch Menschen verursachte Klimawandel. Wenn nichts geschieht, um die globale Erwärmung zu bremsen, wird sich der Fortschritt in fast allen Bereichen menschlicher Tätigkeit im Lauf der kommenden 50 Jahre verlangsamen, weil sich zunehmend beängstigende Klimaereignisse häufen – und Schlimmeres wird folgen.
Leider wird im Moment nahezu nichts unternommen, um dieses Problem anzugehen.
Die Menschen reagieren nicht, weil sie nicht wagen, das existierende Wirtschaftssystem infrage zu stellen und weil sie die wirtschaftlichen und sozialen Folgen von Veränderungen fürchten. Sie glauben, dass die nötigen Schritte zur Reduktion von Treibhausgasen das Wirtschaftswachstum beschneiden könnten. Sie meinen, ein geringeres Wirtschaftswachstum würde der reichen Welt mehr Arbeitslosigkeit bescheren und einen Großteil der armen Welt noch auf Jahrzehnte zum Elend verurteilen, wodurch wiederum die Ungleichheit zunähme – ohnehin schon ein großes Problem. Statt also den Übergang in eine saubere, nachhaltigere Welt in Angriff zu nehmen, setzen die Menschen alles daran, das Wachstum anzukurbeln, weil sie glauben, damit würden neue Arbeitsplätze geschaffen und der Lebensstandard steigen, obwohl in Wirklichkeit die Ungleichheit wächst und die Klimaprobleme immer größer werden. Sobald es mehr Arbeitsplätze gibt und die Leute wohlhabender sind, so denken sie offenbar, kann die Gesellschaft anfangen, den Klimawandel zu stoppen.
Wenn wir zeigen könnten, dass dieses Hindernis überwindbar ist – so unsere Überlegung –, wenn wir also den vermeintlichen Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum, Arbeitsplätzen und Gleichheit aufbrechen könnten, dann würde sich diese Einstellung ändern. Wenn wir zeigen könnten, dass es möglich ist, Arbeitsplätze zu schaffen, den durchschnittlichen Lebensstandard anzuheben und die Ungleichheit zu verringern – sogar ganz ohne Wirtschaftswachstum –, dann könnten wir das Haupthindernis aus dem Weg räumen, das die Menschen davon abhält, die gegenwärtige Entwicklung zu stoppen.
Darum geht es in diesem Buch: wie man in der entwickelten Welt die Arbeitslosigkeit senkt und die Kluft zwischen Arm und Reich verringert und gleichzeitig den Klimawandel verlangsamt, die Ressourcenverschwendung vermindert und das Artensterben bremst. Es geht darum, wie man dafür sorgt, dass jeder ausreichend bezahlte Arbeit oder Einkommen für ein gutes Leben hat. Es geht darum, wie der Übergang in eine saubere, nachhaltigere Welt gelingt, ohne dass Menschen dabei auf der Strecke bleiben.
Viele unserer Empfehlungen sind unkonventionell und manche werden zweifellos für Kontroversen sorgen. Da sie oft den derzeitigen politischen und wirtschaftlichen Tendenzen zuwiderlaufen, stoßen sie vielleicht auf reflexhafte Ablehnung. Man muss sich ein bisschen Zeit zum Nachdenken nehmen, um zu sehen, dass unsere Vorschläge einen besseren Weg in die Zukunft weisen und eine machbare Option zur Anhebung des durchschnittlichen Lebensstandards überall auf der Welt darstellen.
Wir möchten auch erklären, warum unser Buch Ein Prozent ist genug heißt. Diesen Titel haben wir aus drei Gründen gewählt.
Erstens muss sich die reiche Welt, wie wir ausführen werden, an geringere Wachstumsraten gewöhnen. Daran lässt sich auch durch Absenken der Leitzinsen ins Bodenlose, monetäre Lockerung und andere wirtschaftspolitische Maßnahmen nichts ändern. Statt zu jammern, wenn Regierungen und Zentralbanken das Wachstum nicht auf über ein Prozent pro Jahr anheben können, sollten wir uns damit zufrieden geben. Ein Prozent ist genug.
Der zweite Grund, warum wir sagen, dass ein Prozent ausreicht, besteht darin, dass eine solche Selbstbeschränkung nötig ist, um mit der Zerstörung aufzuhören, welche die Menschheit auf dem Planeten anrichtet, und den Schaden zu beheben. Wenn auch nur ein Prozent der Arbeit und des Kapitals weltweit von klimaschädlichen (»schmutzigen«) Sektoren in klimafreundliche (»saubere«) Sektoren verlagert würde, könnten wir die globale Erwärmung unter 2 Grad Celsius – die akzeptierte Schwelle – halten. Traditionell investiert die Gesellschaft weltweit rund ein Prozent des Gesamtwerts ihrer Waren und Dienstleistungen (BIP) in die Energieversorgung – also hauptsächlich in Kohle, Erdöl und Erdgas. Wenn ein weiteres Prozent in den Energiesektor flösse – und zwar in die Energiegewinnung durch Sonne, Wind, Wasser und Biomasse mit günstiger CO2-Bilanz –, dann würde in zehn Jahren die Prognose für unser Klima ganz anders aussehen als heute. Würden wir das zusätzliche eine Prozent über eine Generation hinweg in Erneuerbare investieren, wäre das Klimaproblem gelöst.
Der dritte Grund ist die Ungleichheit. Während der Occupy-Proteste in den Vereinigten Staaten und anderswo forderten viele auf ihren Protestschildern ein Wirtschaftssystem für die 99 Prozent. Denn mittlerweile ist die Konzentration des Reichtums so weit vorangeschritten, dass ein Prozent der Bevölkerung so viel besitzt wie der Rest der Welt zusammengenommen.
1    Was ist »marktradikales Denken«?
Marktradikales Denken zielt auf individuelle Konsumsteigerung, Wettbewerb und Freihandel. Gemeinsames Handeln gilt hingegen als ineffizient, und hohe Steuern sowie ein starker Staat stellen diesem Denken zufolge eine Gefahr dar. Die Steigerung der Wirtschaftsleistung (BIP) wird für wichtiger gehalten als die Steigerung der Produktivität pro Kopf (BIP pro Einwohner). Marktradikale meinen, dem Gemeinwohl sei am besten durch eine Steigerung des BIP gedient, und spielen die Tatsache herunter, dass dies oft stärker den Interessen der Reichen dient als denen der Armen. Schließlich fördert der Marktradikalismus kurzfristiges Denken, indem durch hohe Diskontsätze künftige Kosten und Erträge menschlicher Tätigkeit ausgeblendet werden.
Wir meinen, das muss sich ändern, und mit dieser Haltung sind wir nicht allein. Deshalb richten sich die politischen Empfehlungen in unserem Buch auf die Bedürfnisse der 99 Prozent und sollen dazu dienen, das wirtschaftliche Gleichgewicht Schritt für Schritt zu ihren Gunsten zu verschieben – ohne dabei instabile Verhältnisse zu riskieren. Mit anderen Worten, wir meinen, die oberen ein Prozent haben genug. Kurzum: Ein Prozent ist genug – in vieler Hinsicht.
Als Verständnishilfe für die theoretischen Grundlagen, auf denen unser Buch aufbaut – um zu zeigen, dass wir uns auf ein in sich konsistentes Theoriegerüst stützen –, haben wir mehrere Kästen in den Text eingefügt – mit kurzen Antworten auf Fragen, die sich Leserinnen und Leser vielleicht stellen.
Diese Kästen sind jeweils dort platziert, wo die Frage erstmals aufgeworfen wird. Aber vielleicht kommen Ihnen bestimmte Fragen an ganz anderer Stelle in den Sinn; dann können Sie mithilfe der Liste der Boxen die Antwort suchen.
Viele der hier vorgestellten Ideen eignen sich also dazu, das allgemeine Wohlergehen und den Lebensstandard in der reichen Welt zu heben. Wir glauben, dass ein Haupthindernis dafür im »marktradikalen Denken« liegt (siehe Box 1).
2    Was ist Kurzsichtigkeit?
Kurzsichtigkeit ist die Neigung, die kurzfristigen Folgen einer Entscheidung – was sie in den kommenden Stunden, Wochen oder Jahren für Menschen bedeuten könnte – stärker zu betonen als ihre für die Gesellschaft langfristigen Konsequenzen, die sich in den nächsten Jahrzehnten, vielleicht sogar erst in der Zeit nach den heute lebenden Generationen, ergeben können.
In der Wirtschaftstheorie, und häufig auch in der Praxis von Unternehmen und Regierungen, entscheiden sich Menschen in der Regel für das Ergebnis mit dem höchsten Kapitalwert oder Nettogegenwartswert (NGW). Der NGW ist die Summe aller künftigen Kosten und Erträge einer Entscheidung, die auf ihren heutigen Wert diskontiert wird. Dabei wird davon ausgegangen, dass ein Ertrag in der Zukunft weniger wert ist als heute. So ist es beispielsweise besser, einen Geldbetrag heute zu erhalten als morgen. Das heißt, 10.000 Euro heute sind mehr wert als 10.000 Euro in einem Jahr. Der Grund hierfür ist, dass Sie die 10.000 Euro, die Sie heute besitzen, in ein Unternehmen investieren oder zur Bank bringen und Zinsen kassieren könnten. Angenommen, Sie gewinnen auf diese Weise 10 Prozent im Jahr, hätten Sie in einem Jahr 11.000 Euro. (Der Einfachheit halber lassen wir die Inflation unberücksichtigt.)
Wirtschaftswissenschaftler in Privatfirmen und Regierungen verwenden zur Berechnung des Nettogegenwartswerts den sogenannten »Diskontsatz«. Wenn wichtige Entscheidungen anstehen, wie der Bau eines neuen Flughafens, wird der Diskontsatz meist ziemlich hoch angesetzt – inflationsbereinigt bei rund 10 Prozent pro Jahr, und zwar auch deshalb, weil es zahlreiche andere Verwendungszwecke für die benötigten Finanzmittel gibt.
Um den Gesamt-NGW für ein Vorhaben zu ermitteln, werden aus jedem Jahr die diskontierten Nettoerträge (Einnahmen minus Kosten) addiert, und wenn die Kosten für den Bau des Flughafens heute geringer sind als die gesamten diskontierten Einnahmen über die Lebensdauer des Projekts, hat es einen positiven NGW und gilt als »rentabel«. Nach Meinung der konventionellen Wirtschaftstheorie ist es also sinnvoll, hier zu investieren und den Flughafen zu bauen.
So zu planen, hat jedoch verschiedene beunruhigende Konsequenzen. Es bedeutet, dass die Erträge, die nach einem Zeitraum von 30 Jahren hereinkommen, kaum noch ins Gewicht fallen, und je weiter sie in der Zukunft liegen, desto geringer werden sie heute veranschlagt. Das liegt daran, dass Erträge, je weiter sie in der Zukunft liegen, desto stärker diskontiert werden, und somit entsteht der Eindruck, sie seien wenig wert.
Die Folge ist, dass auch künftigen Kosten fast kein Wert beigemessen wird. Wenn Menschen heute etwas tun, was die Umwelt in 50 Jahren schädigt, dann werden die Kosten heute bei fast null angesetzt. Rechnet man mit 10 Prozent pro Jahr, so beläuft sich ein Schaden von einer Million Dollar in 50 Jahren, nach dieser finanzwirtschaftlichen Logik, heute auf nur 9400 Dollar.
Die Verwendung von hohen Diskontsätzen in Wirtschaft und Gesellschaft ist einer der Hauptgründe, warum dringend benötigte Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels so schwer durchzusetzen sind, solange die Alternative lautet, entweder mehr Wirtschaftswachstum zu schaffen oder nichts zu tun.
Uns ist schmerzlich bewusst, dass marktradikales Denken von den meisten Bürgern der reichen Welt voll und ganz oder wenigstens teilweise unterstützt wird, von denen also, die sich mehr für kurzfristige Konsumsteigerung als für das Wohl heutiger und künftiger Generationen interessieren. In dieser Kurzsichtigkeit sehen wir ein weiteres erhebliches Hindernis, das überwunden werden muss (siehe Box 2).
Wenn wir zaubern könnten, würden wir der Kurzsichtigkeit in den Märkten, in der Politik und in der Bevölkerung insgesamt ein Ende setzen. Leider sind wir keine Zauberer. Aber wir haben uns sehr intensiv mit den Wirtschaftswissenschaften, den Klimawissenschaften und der menschlichen Entwicklung beschäftigt. In diesem Buch beschränken wir uns auf 13 Empfehlungen, die nicht nur langfristig eine bessere Welt schaffen, sondern der Mehrheit der Menschen auch kurzfristig unmittelbare Vorteile bringen können. Mit anderen Worten, wir sprechen nur Empfehlungen aus, die politisch realisierbar sind, und zwar auch in Gesellschaften, in denen Leute mit einem kurzsichtigen Weltbild das Sagen haben.
Wir wünschen Ihnen informative und anregende Lektüre und hoffen, dass Sie angeregt werden, am gemeinsamen Aufbau einer besseren Welt mitzuwirken.
Europa, August 2016Graeme Maxton und Jorgen Randers
Bitte beachten Sie: Die in diesem Buch dargestellten Ansichten sind die der Verfasser und obwohl viele unserer Kollegen beim Club of Rome sie teilen, handelt es sich nicht um die Ansichten des Club of Rome.

KAPITEL 1Zwei drängende Probleme der reichen Welt

Zwei der drängendsten Probleme, vor denen diemoderne reiche Welt gegenwärtig steht, sind anhaltendeArbeitslosigkeit und wachsende Ungleichheit.
Seit Beginn der 1980er Jahre wächst in der reichen Welt die Kluft zwischen Arm und Reich.1 Angesichts des fast durchgängig starken Wirtschaftswachstums in den letzten 30 Jahren gibt diese Entwicklung Rätsel auf. Wirtschaftswachstum sollte einst dazu dienen, Ungleichheit zu verringern. Durch den sogenannten Trickle-down-Effekt hätten die Ausgaben der Reichen sozusagen durch eine ökonomische Filteranlage in die Taschen der Armen sickern sollen, die Bevölkerung insgesamt hätte gestärkt und der Lebensstandard für alle angehoben werden müssen.
Doch Millionen Menschen in der reichen Welt leben heutzutage unter ähnlichen Bedingungen wie im viktorianischen England. In den Vereinigten Staaten gelten 49 Millionen Menschen – bei einer Gesamtbevölkerung von 320 Millionen – als arm.2 In Europa ist jeder Siebte von Armut betroffen,3 in Osteuropa, Spanien und Griechenland jeder Fünfte – vor allem aber Frauen, Alleinerziehende und Kinder. Zählt man die Menschen mit sehr geringem Einkommen hinzu, stellt man fest, dass ein Viertel der Bevölkerung in der entwickelten – reichen – Welt gegenwärtig »von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht« ist. Das sind fast 200 Millionen Menschen. Während die Kluft zwischen Arm und Reich wächst, ist auch die Arbeitslosigkeit in der gesamten reichen Welt gestiegen und hält sich hartnäckig auf hohem Niveau. Besonders schlimm trifft es die unter 25-Jährigen, aber auch Millionen Baby-Boomer zwischen 50 und 70 stehen ohne Einkommen, Rente, Pension oder Arbeitschancen da. Ebenfalls erheblich zugenommen hat die Zahl der Unterbeschäftigten, die gern mehr arbeiten möchten, aber keine Vollzeitstelle finden.
In einer Epoche beispiellosen globalen Wohlstands und nach so vielen Jahrzehnten gesunden Wirtschaftswachstums dürfte das eigentlich nicht sein. Jahrzehntelang haben Wirtschaftswissenschaftler den Menschen erklärt, das Gegenteil sei zu erwarten. Sie versichern uns immer wieder, Wirtschaftswachstum bringe Arbeitsplätze, höhere Einkommen und einen höheren Lebensstandard. Tut es aber nicht.
Was um alles in der Welt ist da los?
Die internationale Entwicklungsorganisation Oxfam liefert eine schlichte Erklärung. Es gab eine »Machtübernahme«4 durch die Reichen.5 Oxfam wirft den fettesten Geldsäcken vor, sie hätten das politische System manipuliert, um unfaire Spielregeln zu ihren Gunsten einzuführen, um weniger Steuern zu zahlen, weniger Vorschriften zu beachten und dabei kaum noch Kontrollen befürchten zu müssen. Die Folge ist, dass sich Reichtum und Einkommen – anders als allgemein vermutet – von unten nach oben verlagert haben, die Entwicklung also in die falsche Richtung läuft.
Das muss sich ändern, wenn es besser werden soll. Die Reichen werden sonst immer reicher werden, weil das heutige Wirtschaftssystem so angelegt ist. Die Verfechter der freien Marktwirtschaft behaupten gern, sie fördere eine egalitäre Gesellschaft. In Wirklichkeit hat sie, wie wir zeigen werden, eine Gesellschaft hervorgebracht, die einem riesigen Casino gleicht, in dem das Ergebnis zugunsten der Reichen manipuliert wird.
In seinem bahnbrechenden Buch Das Kapital im 21. Jahrhundert hat der französische Ökonom Thomas Piketty vorhergesagt, dass ein Großteil der entwickelten Welt, wenn sich nichts ändere, allmählich wieder in Zustände wie im 19. Jahrhundert zurückfallen werde, in eine Zeit, da Fabrikbesitzer, Unternehmer und Bankiers über den Großteil des Reichtums verfügten und alle anderen ums Überleben kämpften. Er sieht eine Welt kommen, in der die Mittelschicht in den reichen Ländern praktisch verschwindet.
Das wirft eine grundsätzliche und beunruhigende Frage auf. Waren die wenigen Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg, in denen sich der Abstand zwischen Arm und Reich stark verringerte, etwa eine Anomalie, die durch besondere Umstände zustande kam? Kann es sein, dass die natürliche Ordnung der Dinge eher die der Vergangenheit ist und die in der Menschheitsgeschichte vorgeherrscht hat, dass nämlich eine winzige Minderheit fast den gesamten Reichtum unter ihrer Kontrolle hatte, während die große Mehrheit bitterarm war?
Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten. In den vergangenen 70 Jahren erschien uns eine reiche, von der Mittelschicht dominierte Welt naturgegeben und richtig. Historisch ist sie jedoch eine Ausnahme. Zu keiner anderen Zeit innerhalb der letzten 2000 Jahre gab es eine Mittelschicht in dieser Größenordnung.
»Die Vergangenheit frisst die Zukunft«, wenn es in der wirtschaftlichen Entwicklung keinen radikalen Kurswechsel gibt, so lautet die Prognose Pikettys. Und die wenigen Jahrzehnte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in denen die Mittelschicht ein relativ behagliches Leben führte, werden als ein interessantes, aber vorübergehendes soziales Phänomen in die Geschichtsbücher eingehen.
Piketty sieht die Lösung in einer globalen Kapitalsteuer. Die Zusammenarbeit zwischen den Steuerbehörden der Länder müsse sich verbessern, damit sie Daten über Einkommen und Vermögen austauschen können. Auch fordert er ein gerechteres Steuersystem, das es Regierungen ermöglicht, in die Infrastruktur und die Bildung zu investieren. Die Besteuerung soll laut Piketty dazu dienen, Reichtum umzuverteilen und mehr soziale Gerechtigkeit zu schaffen.
Diese Vorschläge sind jedoch schwer umsetzbar. Schließlich müssten die Politiker der reichen Welt dann genau das Gegenteil dessen tun, was sie in den letzten 30 Jahren getan haben: Sie müssten ihre größten Geldgeber und ihre mächtigsten Bürger höher besteuern.
Andere Wirtschaftswissenschaftler regen an, mehr in die Infrastruktur zu investieren, um auf diese Weise Arbeitsplätze zu schaffen und Wohlstand umzuverteilen; die Rechte am geistigen Eigentum zu lockern, um mehr Menschen die Chance zu geben, neue Technologien und Ideen zu nutzen; und das Bildungssystem dahingehend zu reformieren, dass mehr junge Leute zur Gründung eines Unternehmens fähig sind.
Allerdings rührt keine dieser Lösungen an das grundlegende Problem. Durch den Bau neuer Straßen und Tunnel oder durch Unternehmensgründungen werden natürlich Menschen aus der Arbeitslosigkeit befreit und können ein Einkommen erzielen. Aber es ändert nichts Grundlegendes an einem System, in dem Reichtum nach und nach von der Bevölkerungsmehrheit an die Reichsten abfließt, wie wir noch ausführen werden.
Solche politischen Maßnahmen laufen lediglich auf eine zeitweilige Verbesserung hinaus, sie helfen den Armen, mehr zu verdienen, und den Arbeitslosen, irgendeine Arbeit zu finden. Langfristige Veränderungen werden damit nicht erzielt.
Wir glauben, dass die Lösung sehr viel radikaler sein muss. Um ihre derzeitige Situation zu überwinden, müssen die Länder der reichen Welt schrittweise ihr Wirtschaftssystem verändern, und zwar mit geschickten Methoden, die die Probleme nach und nach beheben. Sie müssen sich von der Ideologie lösen, die individuelle Freiheit, freie Märkte und Freihandel predigt und den Einfluss des Staates bagatellisiert. Stattdessen sollten sie Gesellschaft und Wirtschaftssystem so gestalten, dass beides dem Wohlergehen breiter Bevölkerungsschichten dient. Märkte und Handel dürfen nicht länger unreguliert bleiben, sondern sie müssen aktiv gesteuert werden. Regierungen sollten zudem »die richtige Größe« haben – das heißt, sie sollten klein genug sein, um effizient zu arbeiten, aber auch groß genug, um die Aufgaben erfüllen und die Herausforderungen meistern zu können, die vor ihnen liegen.
Allerdings stellt sich ein zusätzliches Problem. Um zu funktionieren, benötigt das derzeitige Wirtschaftssystem einen Ressourcendurchsatz – also Ressourcenverbrauch –, der unaufhörlich wächst. Das ist in der DNA des Systems angelegt. Die Menschen müssen immer mehr konsumieren und die Hersteller immer mehr produzieren, um einen Anstieg der Arbeitslosigkeit zu verhindern und das Fortbestehen des derzeitigen Systems zu sichern.
In diesem Prozess aber nimmt die Menge der emittierten Treibhausgase zu, die das Klima unseres Planeten verändern. Der Klimawandel ist bereits so weit fortgeschritten, dass sich in den kommenden Jahrzehnten die globalen Wettermuster verschlechtern und die Meeresspiegel steigen werden, und zwar unabhängig davon, was gegenwärtig dagegen unternommen wird.
Jeder Versuch, das Wirtschaftswachstum zu steuern und die Schädigung der Umwelt zu verlangsamen, drosselt aber gewissermaßen den Treibstoffzufluss, der den Wirtschaftsmotor am Laufen hält. Eine sich abkühlende Konjunktur führt zu steigender Arbeitslosigkeit und damit zu noch mehr Ungleichheit und Armut.
Somit hat das derzeitige Wirtschaftssystem die entwickelte Welt in eine sich immer schneller drehende Tretmühle gezwungen und treibt die Gesellschaft sozial und ökologisch in eine Richtung, die wenig Hoffnung lässt. Und jeder herkömmliche Versuch, den Gang der Dinge aufzuhalten, macht die Lage nur noch schlimmer. Mit anderen Worten, konventionelle Lösungen können weder gegen Ungleichheit noch gegen Arbeitslosigkeit (oder den Klimawandel) etwas ausrichten. Dasselbe gilt für eine Reichensteuer, eine Anhebung der Infrastrukturausgaben oder Anreize für junge Unternehmer.
Unsere Schlussfolgerung lautet, dass wir unkonventionelle Lösungen brauchen, die für die Mehrheit der Bevölkerung attraktiv sind, sodass sie den notwendigen Wandel mitträgt.
Die Vorschläge in diesem Buch liefern solche Lösungen. Ihre Umsetzung würde das Wohlergehen aller erhöhen und zugleich Arbeitslosigkeit und Ungleichheit vermindern; sie bieten also unmittelbare Vorteile für die Mehrheit. Dass sie zufällig auch die Folgen des Klimawandels mildern (ihn aber nicht rückgängig machen), mag für viele nur ein Nebeneffekt sein; für uns aber ist dieser Aspekt keineswegs nebensächlich.
Die Vorschläge sind der Grund, warum wir dieses Buch geschrieben haben.

KAPITEL2Die traditionelle Lösung: Wirtschaftswachstum

Traditionell gilt Wirtschaftswachstum als der beste Weg,um Arbeitslosigkeit und Ungleichheit zu vermindern.
Wo auch immer in der Welt Sie leben, fast überall ist Wirtschaftswachstum so etwas wie eine Konstante geworden. Seit über 30 Jahren betrachten Geschäftsleute, Regierungen und Politiker das Wirtschaftswachstum als ihr Hauptziel. Medienberichte und -kommentare beschäftigen sich unaufhörlich damit. Taxifahrer, Banker und Wirtschaftswissenschaftler finden kaum noch ein anderes Gesprächsthema. Wie ist es möglich, das Wachstum anzukurbeln? Warum ist das Wachstum in diesem Quartal zurückgegangen? Wann wird sich die Konjunktur erholen?
Wirtschaftswachstum liegt uns anscheinend kollektiv im Blut. Kaum zu glauben, dass es nicht immer so war.
An diesem Punkt ist die Erklärung angebracht, dass wir, wenn wir von Wirtschaftswachstum sprechen, eine Steigerung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) meinen. Das BIP ist ein Maß für die Leistung einer Volkswirtschaft. Es ist der Wert aller Güter und Dienstleistungen in einem Land oder einer Region in einem bestimmten Zeitraum (in der Regel ein Kalenderjahr). Es ist die Gesamtheit der Aufwendungen an Arbeit, Kapital, Rohstoffen und Energie, wobei Doppelzählungen möglichst vermieden werden müssen. (Damit meinen wir, dass Zwischenerzeugnisse zweimal gezählt werden. Zum Beispiel fließen alle Bauteile eines Autos in den Wert des Autos ein. Sie tauchen aber auch im Umsatz des Teileherstellers auf. Würde man beide Angaben ins BIP aufnehmen, würde der Wert doppelt gezählt und damit das gemeldete Niveau wirtschaftlicher Tätigkeit ungerechtfertigt aufgebläht.)
3    Was ist Wirtschaftswachstum?
Bedauerlicherweise wird im wirtschaftlichen Kontext das Wort »Wachstum« häufig ohne weitere Differenzierung verwendet, was weltweit für unnötige Verwirrung sorgt. Man sollte sich immer präzise ausdrücken und erklären, was da genau wächst, ob es die Wirtschaft ist (das Bruttoinlandsprodukt insgesamt, also das BIP) oder zum Beispiel die Nachfrage, der Konsum, das BIP pro Kopf. Auf die Unterscheidung kommt es an, weil sich diese Variablen nicht parallel entwickeln. Wenn etwa der Konsum zunimmt, heißt das nicht unbedingt, dass auch die Wirtschaft wächst. Wichtiger noch, diese Variablen tragen nicht gleichermaßen zum Wohlergehen der Menschen bei.
Wenn Sie klares Denken fördern wollen, benutzen Sie niemals das Wort »Wachstum« allein. Erklären Sie, was da wächst!
Wirtschaftswachstum ist die Steigerung des Gesamtprodukts einer Volkswirtschaft in einem gewissen Zeitraum und wird in der Regel in Prozent pro Jahr angegeben. Das Gesamtprodukt ist der Marktwert aller in einem Land in einem bestimmten Zeitraum hergestellten Güter und Dienstleistungen abzüglich der Kosten für Vorleistungen (wie etwa Rohstoffe) unter Berücksichtigung des Handels. Die Zahl, die sich daraus ergibt, heißt Bruttoinlandsprodukt (BIP). Das BIP misst die Wertschöpfung in einem Land über einen bestimmten Zeitraum hinweg. Wirtschaftswachstum ist dasselbe wie Anstieg des BIP.
Da der Großteil (etwa zwei Drittel bis drei Viertel) des Gesamtprodukts reicher Länder aus Konsumgütern und Dienstleistungen besteht, wird Wirtschaftswachstum meist mit Konsumsteigerung in Verbindung gebracht – nicht zuletzt, weil die Medien irrtümlicherweise dazu neigen, Wirtschaftswachstum mit Konsumwachstum gleichzusetzen. Aber das trifft nicht immer zu. In Kriegszeiten zum Beispiel beobachten wir oft ein beeindruckendes BIP-Wachstum, weil die Produktion von Kriegsgerät enorm steigt, während der Konsum zurückgeht, weil für die Herstellung von Konsumgütern und Dienstleistungen weniger Arbeit und Kapital bereitsteht.
Viele Menschen vergessen, dass das BIP das Niveau der Aktivität in einer Volkswirtschaft misst, nicht aber das Glück oder den Lebensstandard. Das BIP nimmt zweifellos zu, wenn mehr Konsumgüter und Dienstleistungen erzeugt werden, aber es wächst auch, wenn Gefängnisse gebaut und Gefängniswärter eingestellt werden, wenn Kriegsschiffe in See stechen und Kanonen abgefeuert werden, wenn Verkehrsunfallopfer behandelt und nach Flutschäden Deiche ausgebessert werden.
Ein besonders wichtiges Beispiel für eine Tätigkeit, die das BIP wachsen lässt, ohne das Wohlergehen zu verbessern, sind die Reparatur- und Anpassungsmaßnahmen, die als Reaktion auf den Klimawandel nötig werden.
Eine recht grobe Methode zur Schätzung des BIP besteht darin, die Gesamtausgaben in einer Volkswirtschaft zugrunde zu legen. Dabei addiert man den privaten Konsum (alle von den Bürgern gekauften Güter und Dienstleistungen), die Ausgaben der öffentlichen Hand (alle von Regierungen und Kommunalverwaltungen gekauften Güter und Dienstleistungen), Investitionsausgaben (von Unternehmen und öffentlicher Hand gekaufte Produktionskapazitäten und Infrastruktur) sowie die Nettoausgaben für Importe (Kosten von Importen abzüglich der Exporteinnahmen). Damit erhält man den geschätzten Geldwert des BIP. Geld dient als gemeinsamer Nenner, eine einfache Methode, die aggregierten Güter- und Dienstleistungsströme zu erfassen.
Wenn das BIP steigt, wächst die Wirtschaft. Ein höheres BIP erfordert in der Regel mehr Arbeit und das bedeutet mehr Arbeitsplätze und mehr Lohnzahlungen. Folglich haben die Menschen mehr Geld, um es auszugeben, was zu höherem Konsum führt. Firmeninhaber machen höhere Gewinne und die Börsenkurse steigen. Es werden mehr Steuern entrichtet und die Regierung kann mehr Straßen und Schulen bauen.
Wenn der Konjunkturmotor stottert und das BIP sinkt, ist das meistens ein Zeichen dafür, dass sich etwas ändern muss. Vielleicht sind bestimmte Wirtschaftssektoren zu schnell expandiert oder die Menschen haben sich zu viel Geld geliehen, die Immobilienpreise sind zu schnell gestiegen oder Unternehmen haben es versäumt, in neue Technologien zu investieren, und sind deshalb nicht mehr wettbewerbsfähig.
Wenn dies geschieht, greift zuweilen der Staat ein. Vielleicht werden die Zinsen gesenkt, damit es für Investoren attraktiver wird, neue Projekte in Angriff zu nehmen, oder die Zinsen werden angehoben, um den Immobilienmarkt zu dämpfen. Oder man fördert die einheimische Industrie, um sie wieder wettbewerbsfähig zu machen. Oder der Staat tut auch gar nichts.
Denn schließlich ist eine moderne Marktwirtschaft – dank Adam Smiths berühmt-berüchtigter unsichtbarer Hand1 – weitgehend selbstregulierend. Wenn die Immobilienpreise zu hoch sind, werden sie irgendwann von selbst wieder auf ein vernünftiges Niveau sinken. Wenn die Leute sich zu viel Geld geliehen haben, werden sie schließlich ihre Schulden zurückzahlen oder Insolvenz anmelden. Wenn Firmen gar nicht mehr konkurrenzfähig sind, gehen sie in Konkurs.
Der gute »Aufwärts«-Trend des Wirtschaftszyklus führt zu einer Steigerung von Produktion und Investitionen. Das bringt höhere Gewinne, höhere Steuereinnahmen, höhere Aktienkurse und mehr Arbeitsplätze. Mehr Arbeitsplätze wiederum heizen den Konsum an.
Der schlechte »Abwärts«-Trend des Zyklus wirkt umgekehrt. Wenn Menschen zu viele Schulden haben, geben sie weniger aus und zahlen ihre Kredite zurück. Weil sie weniger kaufen, füllen sich die Lagerhallen, also fahren Fabriken ihre Produktion zurück. Die Gewinne sinken, es wird weniger investiert. Die Aktienkurse fallen, die Arbeitslosigkeit steigt, und der Staat nimmt weniger Steuern ein. Die Abwärtsspirale setzt sich manchmal über Jahre fort, bis das Ungleichgewicht, das die Abkühlung verursacht hat, behoben ist und das System wieder ins Gleichgewicht kommt.
Sobald das Gleichgewicht wiederhergestellt ist, beginnt der Zyklus von vorne und das Wachstum setzt wieder ein. In der Regel wiederholt sich der Zyklus alle vier bis acht Jahre, und solange der Gesamttrend nach oben geht, solange es langfristiges Wachstum gibt, ist alles in Ordnung.
Um zu verstehen, was in ihrer Volkswirtschaft geschieht, beobachtet die Gesellschaft das BIP, und so ist die Erzeugung von Gütern und Dienstleistungen zum wichtigsten Maß der gesellschaftlichen Entwicklung geworden. Aber das BIP wurde keineswegs zu diesem Zweck berechnet. Simon Kuznet war der Architekt der US-amerikanischen volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung und kam 1934 auf die Idee, das BIP zu messen; er warnte davor, es als Indikator für den allgemeinen Fortschritt zu nutzen. Das BIP wurde vielmehr für die Regierung Roosevelt entwickelt, weil man demonstrieren wollte, dass die US-Wirtschaft genügend Kriegsmaterial produzieren und trotzdem die Verbraucher auf einem gesunden Niveau mit Gütern und Dienstleistungen versorgen kann. An eine Steigerung des BIP als Ziel moderner Gesellschaften hat man dabei nicht gedacht.
Aus diesem Grund konzentriert sich das BIP ausschließlich auf Leistung und Produktion und nicht auf die Lebensqualität oder das Wohlergehen der Menschen.
In den letzten Jahrzehnten ist die Bedeutung des BIP stetig gewachsen und die meisten Menschen meinen, Wirtschaftswachstum sei etwas Gutes, es sei nicht nur notwendig, sondern entscheidend. Sie glauben, wachsende Leistung führe zu einem höheren durchschnittlichen Lebensstandard. Das liegt daran, dass ihnen versichert wird, es gebe einen Trickle-down-Effekt; der Reichtum, der durch erhöhte Produktion geschaffen werde, verteile sich in der ganzen Gesellschaft und die Kluft zwischen Arm und Reich werde damit geschlossen. Und man sagt ihnen, schnelleres Wirtschaftswachstum werde mehr Arbeitsplätze schaffen und die Arbeitslosigkeit senken. Und weil die Leute all das glauben, wird es zu einer Heiligen Kuh. Dabei wird nicht nur für richtig gehalten, dass das gesellschaftliche Ziel Wachstum um jeden Preis sein muss. Auch stellt kaum jemand die Annahmen infrage, die dieser Forderung zugrunde liegen, nämlich was eigentlich mit einem Wirtschaftswachstum gewonnen ist.
Wie wir zeigen werden, waren diese Annahmen von den 1950er bis zu Beginn der 1980er Jahre weitgehend zutreffend, aber seither hat sich die Lage verändert. Das Streben nach wachsender Produktionsleistung hat in Wirklichkeit die Ungleichheit vergrößert, zu höheren Arbeitslosenzahlen geführt und gleichzeitig die Umwelt geschädigt. Überdies hat es dafür gesorgt, dass in zahlreichen Industrieländern eine wachsende Zahl von Menschen in Armut lebt.
Wir werden in den folgenden Kapiteln erklären, wie und warum es dazu gekommen ist. Im Moment wollen wir eine der ersten Annahmen betrachten, von denen man sich trennen muss, wenn man verstehen will, was geschieht: die Prämisse, Wirtschaftswachstum sei in jedem Fall etwas Positives.
4    Warum glauben die meisten Menschen, Wirtschaftswachstum sei gut?
Die Menschen glauben, Wirtschaftswachstum sei für die Gesellschaft von Vorteil, weil herkömmliches Wirtschaftswachstum – das heißt die Steigerung des gesamten Outputs an Gütern und Dienstleistungen in einem bestimmten Zeitraum – historisch zu Einkommenssteigerungen, höherer Beschäftigung und einer sicheren Altersversorgung für die meisten geführt hat. Bis ein anderes Wirtschaftssystem bewiesen hat, dass es all dies besser kann, wird herkömmliches Wirtschaftswachstum wohl das unbestrittene Ziel bleiben – obwohl es nicht immer das allgemeine Wohlergehen der Menschen steigert (zum Beispiel, wenn die Erhöhung der Produktivität zu vermehrter Umweltverschmutzung und Verkehrsbelastung führt).
Wirtschaftswachstum ist in vielerlei Hinsicht positiv. In der Regel führt es zu vermehrten Investitionen und damit zu mehr Arbeitsplätzen, wodurch wiederum die Einkommen steigen. Aber Wirtschaftswachstum ist nicht immer sozial förderlich. Was die Gesellschaft in das Wirtschaftswachstum einrechnet, ist oft sogar schädlich, während das, was nicht berücksichtigt und folglich ignoriert wird, häufig lebenswichtig ist.
Wenn jemand ein neues Haus baut, wird damit Wirtschaftswachstum erzeugt – ein Zuwachs des BIP. Stürzt das Haus wegen Pfusch am Bau ein, wird der Verlust nicht in die Rechnung einbezogen, weil der Einsturz weder menschlichen Einsatz noch Ausrüstung oder Ressourcen erfordert hat. Er vermindert das BIP nicht. Ein Abriss hingegen steigert das BIP, weil er Arbeit und Ausrüstung erfordert – wie der Hausbau.
Auch wenn es auf den ersten Blick nicht plausibel erscheint, sind gewaltige Stürme, wie etwa Hurrikan Sandy, der 2012 Teile der Karibik und die amerikanische Ostküste verwüstete, gut fürs Wirtschaftswachstum. Die Zerstörung, die sie anrichten, wird ignoriert, während der Leistungszuwachs durch den Wiederaufbau Wirtschaftswachstum erzeugt.
Wenn die Gesellschaft ein Gefängnis baut, trägt das zum BIP bei. Wenn Menschen Regenwälder niederbrennen und Ölpalmen anpflanzen, steigt das BIP. Ebenso schafft das Ausräumen von Atommüll aus kontaminierten Flächen Arbeitsplätze und vermehrt das BIP. Folglich fördern die Inhaftierung möglichst vieler Menschen, großflächige Umweltzerstörung und Aufräumarbeiten nach Störfällen im Kernkraftwerk das Wirtschaftswachstum.
Eine Mutter oder ein Vater, die ein Kind aufziehen, schaffen kein Wirtschaftswachstum – ein Kind großzuziehen, trägt nichts zum BIP bei. Wenn aus einem Kind ein nützliches Mitglied der Gesellschaft wird, wenn es dank seiner Eltern ein Gefühl für Moral entwickelt und gute Manieren lernt, ist das kein Wert im Sinne des BIP. Wird das Kind aber gegen Lohn von einem Kindermädchen versorgt oder lernt es in einer Schule Lesen und Schreiben, wächst das BIP.
Unter dem BIP-Aspekt ist die Natur nur das wert, was man aus ihr herausholen oder was man auf ihr bauen kann, weil alles einen monetären Wert erhalten muss, ehe es Eingang ins BIP findet. Wenn also Menschen in Flussauen Häuser bauen oder mit Frachtschiffen über Meere fahren, die einst von Eiskappen bedeckt waren, wächst das BIP und Wirtschaftswissenschaftler und Journalisten sind entzückt, weil die neuen Häuser und der Handel Wirtschaftswachstum schaffen. Der Wert der zerstörten Feuchtgebiete und Polareiskappen wird hingegen nicht berechnet.
Auch Ungleichheit fließt nicht ins BIP ein. Wenn in einer Volkswirtschaft die Produktion steigt, aber der gesamte Gewinn in die Taschen der Reichsten fließt, die gerade mal ein Prozent der Bevölkerung ausmachen, spiegelt sich die ungleiche Verteilung des finanziellen Ertrags nicht im BIP wider. Auch sagt das Wirtschaftswachstum nichts über Gesundheit und Glück der Menschen aus. Beim BIP zählt nur, dass die Wirtschaft wächst.
Um deutlich zu machen, wie wenig hilfreich die Berechnung des BIP sein kann, wies der französische Historiker Alfred Sauvy2 einmal darauf hin, dass ein Mann, der seine Putzfrau heiratet, das BIP seiner Nation senkt. Seine Frau wird weiterhin das Haus putzen, aber sie bekommt dafür keinen Lohn mehr, also fließt ihre Arbeit nicht mehr ins BIP ein. Ihre Tätigkeit gilt als ökonomisch irrelevant.
Auch wenn wir es heute kaum glauben können, aber es ist keineswegs normal, dass die Gesellschaft in den letzten 30 Jahren den Fokus auf das Wirtschaftswachstum gelegt hat. Denn es war nicht immer so. Zudem ist die Wachstumsrate der Wirtschaft in den Industrieländern im selben Zeitraum beispiellos. Zwischen 1980 und 2007 haben die Länder der reichen Welt eine in der Menschheitsgeschichte nie dagewesene schnelle und anhaltende Phase des Wirtschaftswachstums erlebt.
Das Wirtschaftswachstum anzutreiben, gilt heute als Norm, obwohl es in den vergangenen 2000 Jahren meist überhaupt kein Wirtschaftswachstum gegeben hat. Nach dem Niedergang des Römischen Reichs um 400 n. Chr. sind mehrere Jahrhunderte lang die Volkswirtschaften Europas sogar geschrumpft.3 Zwischen dem Jahr 1000 und dem Beginn des 18. Jahrhunderts wuchsen sie nur um 0,3 Prozent pro Jahr (gemessen an der Kaufkraftparität pro Kopf), was nach heutigen Maßstäben einer Rezession gleichkommt. In diesen 800 Jahren gab es natürlich Fortschritt. Die Bevölkerung wuchs und es gab viele Neuerungen in Technik und Wissenschaft. Aber die Veränderungen gingen im Vergleich zu heute so langsam vor sich, dass die Menschen es kaum merken konnten.