Ein tierischer Fall für den Kommissar - D.G. Ambronn - E-Book

Ein tierischer Fall für den Kommissar E-Book

D.G. Ambronn

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Beschreibung

Auf Gut Ruserberg stirbt ein Arbeiter bei einem Unfall. Zwei Tage später wird ein Parlamentsmitarbeiter in seiner Kieler Wohnung erschossen. Gibt es da möglicherweise einen Zusammenhang? Kommissar Jörgensens Nachforschungen unter Schleswig-Holsteins Politikern wären halb so kompliziert, käme ihm nicht eine ominöse junge Dame in die Quere, die vorgibt, nur eine harmlose Urlauberin zu sein, und was nach und nach ans Licht kommt, entpuppt sich als Stoff, aus dem man Satiren macht.

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Das Buch

Auf Gut Ruserberg stirbt ein Arbeiter bei einem Unfall. Zwei Tage später wird ein Parlamentsmitarbeiter in seiner Kieler Wohnung erschossen. Gibt es da möglicherweise einen Zusammenhang?

Kommissar Jörgensens Nachforschungen unter Schleswig-Holsteins Politikern wären halb so kompliziert, käme ihm nicht eine ominöse junge Dame in die Quere, die vorgibt, nur eine harmlose Urlauberin zu sein, und was nach und nach ans Licht kommt, entpuppt sich als Stoff, aus dem man Satiren macht.

Der Autor

D.G. Ambronn wurde am 3. Juli 1955 an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste geboren. Er studierte Anglistik, Germanistik und Philosophie in Kiel und lebt auch heute noch im Norden, sofern er nicht gerade auf Reisen ist.

Mit Dass du in Venedig wärst veröffentlichte er 2020 seinen ersten Roman, eine Hommage an Venedig und die Liebe. Es folgten weitere Romane und Sammlungen von Erzählungen und Kurzgeschichten.

Weitere Bücher von D.G. Ambronn

Dass du in Venedig wärst (Roman) Margherita und der dunkle Widerschein der Welt (Roman):

1. Teil: 1939-1940

2. Teil: 1941

Und was ist mit Rosemarie? (Ein Kieler Kriminalroman)

Unbezähmbare Gezeiten. (Ein Kieler Kriminalroman)

Eine irische Winterreise und andere Erzählungen und Kurzgeschichten

Ein Reigen Erzählungen und Kurzgeschichten

Ausgewählte Erzählungen und Kurzgeschichten Großdruck

Venezianische Vesper (Erzählung)

Hinweis:

Dies ist ein Roman. Die Personen und Ereignisse in diesem Buch existieren nur in der Fantasie des Autors. Übereinstimmungen mit der Wirklichkeit sind rein zufällig.

Dies gilt auch für die tatsächliche Arbeitsweise der Kriminalpolizei in Kiel oder anderswo. Ähnlichkeiten sind zwar hier und da möglich, aber nicht zwangsläufig.

Triggerwarnung:

Dieses Buch könnte auf Vegetarier und Veganer verstörend wirken, da in ihm Menschen und andere Lebewesen vorkommen, die sich von tierischem Eiweiß ernähren.

Damit wir keine unmündigen Kinder mehr seien, ein Spiel der Wellen, von jedem Wind einer Lehre hin und her geworfen durch das trügerische Spiel arglistiger Menschen, mit dem sie uns in die Irre führen wollen.

Brief an die Epheser 4,17

(Kiel; Quelle: OpenStreetMap)

PERSONEN

Monique Meurisse unternimmt eine Reise in den echten Norden,

Florian „Floh“ Schnabel ist vorsichtig, wenn er es mit Freunden zu tun hat,

Wanda Eberlein glaubt an gute und böse Feen,

Arne Waldvogel kümmerte sich nicht nur um Wölfe,

Berit Schellhase kümmert sich um einen viel beschäftigten Mann,

Mava-Jorid nimmt sich kein Beispiel an ihrer Mutter,

Nina Eulenhaupt will zu viel wissen,

Nanna Rehwald will zu viel erreichen,

Rodrigo Cervato y Ruiz arbeitet hochmotiviert,

Wolf Habicht ist Minister und hat sich nichts vorzuwerfen,

Rocco Leu möchte Hühnern einen Stempel aufdrücken,

Dr. Rasmus Ross-Fischer sorgt sich um die Gesundheit der Tiere,

Bartholomea Rabenalt hat ganz andere Sorgen,

Marek Rolnik hat Pferde lieber unter der Haube,

Emma Mückenhaupt bekommt viel mit,

Kommissar Jörg-Peter Jörgensen fürchtet zu alt zu sein,

Teatime ist ein Pferd

und Kater Salito hat eine Idee.

Inhaltsverzeichnis

1. Wenn jemand den Kopf hinhalten muss

2. Eine lustige Landpartie

3. In der Höhle der Löwen

4. Zwei Fische auf dem Trocknen

5. Eine französische Spezialität

6. Kleine Häppchen, Bier und Wein

7. Der Tatort und die kleinen Fische

8. Marieluise, die Praktikantin

9. Nicht einmal duschen kann man in Ruhe

10. Was Köche alles wissen

11. Wieder unterm Dach

12. Monique muss zum Arzt

13. Jörgensen zieht eine Niete

14. Wie man Handschellen auf bekommt

15. Zwei Wege kreuzen sich

16. Nicht nur Seehunde können schwimmen

17. Der kluge Kater

18. Kamel am Spieß

19. Noch einmal Gut Ruserberg

20. Heini grillt und erzählt

21. Gefasst!

22. Was Rolnik sagte und was nicht

23. Monique wird eingenordet

24. Allerlei Beobachtungen

26. Vor dem Gewitter

27. Nach dem Gewitter

28. Es wird schon wieder scharf geschossen

29. Zwei reden aneinander vorbei

30. Eine Urlauberin wird festgenommen

31. Jörgensen macht seine Hausaufgaben

32. Wer ist Bartholomea?

1. Wenn jemand den Kopf hinhalten muss

Schicke Gegend. Ein bisschen wie der Boulevard de Courcelle in Paris, wo sie aufgewachsen war. Hohe, vornehme Häuser aus der Gründerzeit auf der einen Straßenseite und der Parc Monceau auf der anderen.

Aber etwas stimmte hier nicht. Lag es an dieser komischen Unsitte der Deutschen, ihre Parkanlagen nicht einzuzäunen? Monique schüttelte verständnislos den Kopf. Da konnte dann doch nachts jeder rein. Womöglich sogar auf dem Rasen rumtrampeln oder die Enten im Schlaf stören.

Aber das war es nicht allein. Man sah den stattlichen Häusern zwar an, dass es nicht billig war, dort zu wohnen, aber trotzdem wirkte alles irgendwie viel provinzieller, kleinbürgerlicher. Kiel war halt einfach kein Paris an der Ostsee.

Vielleicht wirkte es so hinterwäldlerisch wegen der albernen kleinen Vorgärten. Die passten eher zu Reihenhäusern am Stadtrand. Und ein Boulevard war diese Schillerstraße auch nicht, krumm wie eine Banane war sie und eher eine unbedeutende Gasse, eine Seitenstraße ohne Durchgangsverkehr, die in erster Linie zum Abstellen von Autos diente. Vier oder fünf Stockwerke übereinander ergibt bei Leuten, die das nötige Kleingeld für eine Wohnung hier hatten, eine ganze Menge abzustellender Autos.

Wenigstens war der Vorgarten von jenem Haus, das ihr Ziel war, von einem Zaun umgeben. Ein Tor gab es allerdings nicht. Man konnte also einfach so reinspazieren. Monique studierte die Namensschilder an der Tür. A.Waldvogel/B.Schellhase stand auf einem. Sie drückte den dazugehörigen Klingelknopf. Ob Waldvogel wohl zu Hause war? Hoffentlich. Immerhin hatte man sie seinetwegen den weiten Weg von Paris hierhergeschickt.

Monique wartete auf das Summen des Türöffners. Nichts passierte. Da ging die Tür unerwartet auf und vor ihr stand ein kleiner, nicht mehr ganz junger Mann mit einem spitzen, asketischen Kopf und kurzem, schütterem Haar, der im Begriff war, das Haus zu verlassen – und zwar nicht nur der Kopf, sondern der ganze Mann. Er lächelte sie an, ohne ein Wort zu sagen, trat einen Schritt zurück und hielt ihr galant die Tür auf.

Monique zögerte nicht lange, lächelte zurück und betrat das Haus. Manchmal, ging ihr durch den Kopf, war es in ihrem Beruf durchaus von Vorteil, jung zu sein und verführerisch auszusehen. Sie dachte es immer noch lächelnd und ohne rot zu werden.

Waldvogel und Schellhase wohnten gleich im Erdgeschoss. Sie klingelte an der Wohnungstür. Auch hier und jetzt tat sich nichts. Aber sie hörte Musik, und sie war sicher, dass sie aus der Wohnung von Waldvogel und Schellhase kam. Sie klingelte noch einmal, wartete, dann zog sie aus der Tasche ihres Rocks eine alte Kreditkarte, nutzlos, wenn man Geld brauchte, aber immer noch geeignet, jemandem widerrechtlich Zugang zu einer fremden Wohnung zu verschaffen.

Monique fummelte ein wenig herum, dann öffnete sich die Tür von Waldvogel und Schellhase. Sie betrat einen weitläufigen Flur, versuchte sich zu orientieren. Schließlich wandte sie sich in Richtung der Musik. Meine Güte, dachte Monique, was für ein Spinner hört denn heutzutage noch Punk? Als Französin erkannte sie natürlich nicht, dass das die in gewissen Kreisen sehr beliebte Band Lecker Creme fraîche Geflügelsuppe mit reichlich Einlage war.

Sie öffnete die Tür, die zur Quelle der Musik führte.

„Tut mir leid, dass ich hier so formlos eindringe, aber die Wohnungstür stand offen und auf mein Klingeln …“

Sie sparte sich den Rest, denn es schien niemand da zu sein. Nur ein paar bunte Fische in dem großen Aquarium in Fensternähe. Sie befand sich im Wohnzimmer einer typischen Altbauwohnung mit hohen Wänden, die oben mit Stuckaturen verziert waren. Nur die Möbel, die passten nicht hier her, die waren zweifelsfrei von einem bekannten schwedischen Discounter, der auch Frankreich schon längst erobert hatte.

Aber dann sah sie etwas, das nicht aus einer Filiale von denen stammte, eine reglos am Boden liegende Gestalt.

Aber bevor Monique sich das deplatzierte Objekt genau anschauen konnte, zündete jemand in ihrem Kopf ein Feuerwerk. Grelle Blitze, glänzende Sterne und leuchtende Feuerschlangen in allen erdenklichen Farben. Aber im Nu war alles vorbei. Dunkelheit, vollkommene Dunkelheit.

Das nächste, was sie dann spürte, waren rasende Kopfschmerzen. Nach einer Weile fiel ihr wieder ein, wer sie war, und später, viel später sogar, wo sie war. Sie rappelte sich auf und befühlte ihren Hinterkopf. Da war etwas Klebriges, höchst wahrscheinlich Blut. ‚So ein Mist! Hatte doch tatsächlich jemand ihren schönen Blondschopf verunstaltet‘, fluchte sie lautlos. Dankbar nahm sie zur Kenntnis, dass jemand die Musik ausgeschaltet hatte. In ihrem augenblicklichen Zustand wollte sie nichts als Stille.

Sie sah sich um.

Die reglose Gestalt, die sie bemerkt hatte, bevor das Feuerwerk begann, war immer noch da.

Nüchtern und fachmännisch stellte sie fest, dass die Gestalt erstens männlich und zweitens mausetot war. Eine Kugel hatte ihrem Leben ein Ende bereitet.

Als sie sich wieder aufrichtete, dachte sie, das ist hier ja wie in Hollywood. Man stolpert über eine Leiche und prompt kriegt man eins übergebraten. Humphrey Bogart war das bestimmt auch irgendwann mal passiert.

Eine Waffe war nirgends zu entdecken. Sie war ziemlich sicher, dass der Tote Arne Waldvogel war, jener Mann, den sie hatte treffen wollen. Der würde ihr jetzt nichts mehr erzählen. Zu dumm. Ein Haufen Reisekosten für nichts und wieder nichts.

Eine Weile stand sie wie in Gedanken versunken vor dem Toten. Er war mittelgroß, schlank, unauffällig gekleidet, blond und wohl Mitte oder Ende dreißig.

Schließlich riss Monique sich von dem Anblick des Toten los und sah sich in der Wohnung um. Sie erkannte schnell, dass die bereits sorgfältig gefilzt worden war und zwar von einem Profi. Der hatte keine große Unordnung angerichtet, aber mit Sicherheit auch nichts übersehen.

Sie ging ins Badezimmer und machte sich so gut es ging zurecht. Die Verletzung am Hinterkopf blutete nicht mehr, aber unter der Schädeldecke waren lauter kleine Männlein mit Hämmern, Sägen und Bohrern am Werk. Sie verzichtete darauf, in der Wohnung nach Aspirin zu suchen. Besser, sie sah zu, dass sie wegkam.

Sie überlegte, was sie seit Betreten der Wohnung alles angefasst hatte, und ging dann systematisch daran, mögliche Fingerabdrücke zu beseitigen. Als sie sicher war, keine Spuren hinterlassen zu haben außer ein paar DNAs hier und da, verließ sie die Wohnung. Sie dachte kurz an den komischen Typen, der sie ins Haus gelassen hatte. Sie zuckte die Schultern. Der hatte ja keine Ahnung, zum wem sie gewollt hatte.

2. Eine lustige Landpartie

Die in eleganten, weichen Wellen sich hinziehende Landschaft mit ihren Feldern, Weiden und kleinen Wäldchen glitt an Jörgensen vorbei. Auch wenn der Raps längst nicht mehr blühte, hätte man an einem sonnendurchfluteten Sommertag wie diesem tolle Fotos für den Prospekt eines Fremdenverkehrsamts machen können.

Die brennenden Strahlen der Sonne verführte den Kommissar dazu, die Seitenscheibe ein Stückchen hinuntergleiten zu lassen, sodass der Fahrtwind ihm die Illusion von Kühle vorgaukeln konnte. Aus den Augenwinkeln heraus bemerkte er Sattlers missbilligenden Blick. Der hätte ihm sicher liebend gerne etwas über die Wirksamkeit von Klimaanlagen bei geöffneten Fenstern gesagt, aber natürlich hielt er dann doch die Klappe und konzentrierte sich aufs Lenken des Dienstwagens. Jörgensen registrierte sein Schweigen mit einer gewissen Befriedigung. Wegen der Hitze war er nicht in Stimmung, sich irgendwelche Belehrungen anzuhören.

Kurz hinter dem kleinen Ort Selent führte die B202 am Selenter See entlang. Jörgensen sah die spiegelglatte blaue Fläche und er verspürte den Wunsch, seinen erhitzten Körper im See abzukühlen. Er wusste, dass das Wasser wunderschön klar war. Er dachte an die Maränen, die darin schwammen. Vielleicht sollten sie auf dem Rückweg kurz beim Hofladen der Fischerei hier im Dorf anhalten und etwas mitnehmen. Statt über den Anlass dieser Dienstreise nachzudenken, ließ er seine Gedanken wie spielende Kinder ziellos umherlaufen. Wegen der Hitze war er einfach zu träge, um sie zur Ordnung zu rufen und in Reih und Glied antreten zu lassen.

Sie waren auf dem Weg nach Blekendorf, was noch hinter Lütjenburg und fast schon am äußersten Rand ihres Dienstbezirks lag. Morde kamen in dieser ländlichen Gegend eher selten vor, und auch das Ereignis, das sie zu dieser Fahrt veranlasst hatte, konnte sich am Ende als ein völlig harmloser Todesfall herausstellen, als ein bedauerliches Unglück. Irgend so ein Landarzt hatte auf dem Totenschein ja auch Arbeits-/ Dienstunfall angekreuzt. Aber ein paar Details passten irgendwie nicht ins Bild. Also nutzte Jörgensen die Gelegenheit, der stickigen Büroluft oben unterm Dach der Blume1 zu entfliehen, eine Landpartie zu unternehmen und sich vor Ort ein wenig umzusehen und umzuhören.

Eigentlich war es seine Tochter gewesen, die seine Neugierde geweckt hatte.

„Stellt euch vor“, hatte Katinka gesagte und von der Zeitung aufgeblickt. „Da ist jemand von einem Pferd zu Tode getrampelt worden. Wie schrecklich.“

Sie hatten im Esszimmer gesessen, weil Sabrina sie alle, Jörgensen, Katinka und den Kater Salito aus der Küche gescheucht hatte, um in Frieden das Abendessen machen zu können. Katinka hatte sich aufs Sofa fallen lassen und sich die Zeitung gekrallt, bevor Jörgensen es tun konnte.

„Wo ist es denn passiert?“, fragte Jörgensen automatisch, um abzuklären, ob die Kripo Kiel dort zuständig war.

Er hatte sich auf einen der Stühle gesetzt. Seinen Lieblingssessel hatte nämlich Salito vor ihm erreicht, sich dort auf dem Polster behaglich zusammengerollt und so getan, als würde er schon eine Ewigkeit auf diesem Sessel tief und fest schlafen.

„Im Stall“, antwortete Katinka.

„Nein, ich meine …“

„Ach so. In Blekendorf. Man kann sich nicht erklären, wie es zu dem Unglück gekommen ist. Hier steht, es war nicht einmal sein eigenes Pferd. Passiert ist es auf Gut Ruserberg. Er hat dort gearbeitet. Scheinbar hat er das Pferd an der Leine geführt. Es hat gescheut, ist hochgestiegen und hat ihn mit den Hufen am Kopf getroffen. Möglicherweise war er sofort tot.“

„So was kann sicher mal passieren.“

„Wenn man einigermaßen vorsichtig ist, eigentlich nicht. Komische Sache.“

Natürlich wollte Katinka nicht zugeben, dass der Umgang mit Pferden gefährlich sein konnte, sagte sich Jörgensen. Sie wusste ja, dass er ihre Leidenschaft fürs Reiten mit einer gewissen Skepsis betrachtete und das schon von Anfang an. Warum gab es bloß so viele Mädchen, die sich dafür begeistern konnten? Katinka hatte sich am Ende sogar dazu entschlossen, Agrarwissenschaften zu studieren. Ein eigenes Pferd hatte sie allerdings nicht. Davon wollte Jörgensen nichts wissen. Er hatte einmal gelesen, dass im Herbst, wenn ein teurer Platz in einem Stall notwendig wird, bei manchen Mädchen das Interesse am Pferd verloren geht und das Tier dann womöglich beim Rossschlachter landet. Also hatte er jedes Mal kategorisch Nein gesagt, wenn das Thema angesprochen wurde, und Katinka hatte seine Entscheidung schließlich schweren Herzens akzeptiert. Und die Großmutter, die den Gaul liebend gerne finanziert hätte, auch.

Was niemand wusste, war, dass er selbst liebend gerne Dauerwürste aus Pferdefleisch aß. Jörgensen lächelte bei diesem Gedanken. Teils, weil es ihm gelungen war, dieses Geheimnis bis auf den heutigen Tag zu bewahren, teils, weil ihm bei dem Gedanken an eine Salami vom Rossschlachter das Wasser im Munde zusammenlief. Er erinnerte sich an einen Händler auf einem Wochenmarkt in Locarno …

Heute Morgen hatte Jörgensen schnell herausgefunden, dass die Meldung des KDD2 über den Toten von Gut Ruserberg auf dem Schreibtisch von Staatsanwalt Dr. Winckel gelandet war. Ein stets überlasteter Mann, aber sonst ganz in Ordnung. Der schloss sich nach einigem Zögern Jörgensens Meinung an, dass es zumindest nicht schaden könne, die Angelegenheit ein wenig unter die Lupe zu nehmen. Natürlich wäre Dr. Winckel arg erstaunt gewesen, hätte er gewusst, dass Jörgensen höchst persönlich nach Blekendorf fahren wollte.

Die Bundesstraße führte jetzt in einem weiten Bogen am Stadtrand von Lütjenburg entlang.

„Wir sind bald da“, sagte Jörgensen.

„Ja, ich glaube auch“, murmelte Sattler nach einem kurzen Blick auf das Navi.

„Hier muss es bald links ab gehen.“

Sattler nickte nur stumm.

Als sie die Bundesstraße verließen und die kurze Allee zum Gut entlangfuhren, sahen sie zu ihrer Rechten moderne Stallungen, die an den Seiten offen waren. Jörgensen konnte nur einen kurzen Blick darauf erhaschen, aber er hatte den Eindruck, dass sie leer waren.

„Ja, Sie haben vielleicht davon gelesen“, erläuterte der Leiter von Gut Ruserberg, als Jörgensen ihn darauf ansprach, „wir hatten hier einen Ausbruch des neuartigen bovinen Parainfluenza-drei-Virus, das zu einem wesentlich heftigeren Krankheitsverlauf führt, als das bisher bekannte P-i-drei-Virus. Zudem befällt es nicht nur Kälber, sondern auch erwachsene Tiere. Und weil die bisher üblichen Impfstoffe bei dem neuen P-i-drei-Erreger nicht wirken, mussten alle Tiere gekeult werden. Aber ich will Sie nicht mit diesen Fachsimpeleien langweilen. Sie sind ja aus einem ganz anderen Grund zu uns gekommen. Aber es war ein schlimmer Schlag für unsere Einrichtung. Ja, und jetzt eben auch noch dieser schreckliche Unfall. Wir sind wirklich vom Pech verfolgt.“

Er schüttelte kummervoll sein Haupt. Bei der Begrüßung hatte Jörgensen festgestellt, dass der Mann – Esser hieß er – ihn um just dieses kummervolle Haupt überragte. Sein massiger Körper musste deutlich mehr als zwei Zentner wiegen.

„Im Grunde genommen könnte man sogar behaupten, der zweite Unglücksfall ist eine Folge der P-i-drei-Epidemie.“

„Wie meinen Sie das?“

„Kapphammel gehörte zu den Leuten, die sich um die Rinder zu kümmern hatten. Aber weil ja keine mehr da sind, haben die Mitarbeiter andere Aufgaben bekommen.“

„Und Herr Kapphammel war jetzt also für die Pferde zuständig?“

„Für die Pferde? Nein, ganz und gar nicht, und ich bin überzeugt, er hatte auch keine Ahnung von Pferden, sonst wäre dieses Unglück wohl kaum passiert.“

„Wenn ich richtig verstanden habe, kam es zu dem Unfall, als er das Pferd in den Stall geführt hat.“

„Ja, aber warum er das getan hat, ist mir ein Rätsel. Teatime, so heißt das Pferd, ist erstens ein Weidetier, das bedeutet, es ist außer im Winter Tag und Nacht auf der Koppel, und zweitens gehört es gar nicht hier her. Frau Eulenhaupt, sie macht hier bei uns am Wochenende dann und wann Seminare für Reiter und so, also die hat Teatime am Tag vor dem Unglück hergebracht, weil ein Seminar ansteht … anstand. Wir haben es natürlich abgesagt. Unter diesen Umständen … Sie verstehen?“

„Natürlich.“ Jörgensen nickte verständnisvoll. „Aber warum hat Herr Kapphammel das Pferd denn dann in den Stall gebracht?“

Esser breitete die Hände in einer Geste des Nichtverstehens aus.

„Ja, das wüsste ich auch gerne.“

Nach dem Gespräch führte er die beiden Polizisten auf dem Gelände des Gutes herum. Zu allem und jedem machte er erklärende Bemerkungen, so als wären sie gekommen, um die Einrichtung kennenzulernen. Schließlich gelangten sie zum Pferdestall. Er hatte die Dimensionen einer Scheune, links und rechts an der Wand waren die Boxen – alle leer – und in der Mitte eine große freie Fläche.

„Um was für eine Art Seminar sollte es sich denn handeln, ich meine das von dieser Frau Eulenhaupt?“, fragte Jörgensen.

„Oh, es sollte um die Kommunikation zwischen Reiter und Pferd gehen. Was bedeuten die nonverbalen Signale eines Pferdes und umgekehrt, wie versteht das Pferd meine nonverbalen Signale. Sehr interessantes Thema. Reiten Sie?“

Jörgensen schüttelte den Kopf.

„Sie können mir sicher sagen, wie ich diese Frau Eulenhaupt erreichten kann, nicht wahr?“

„Versuchen Sie es einfach in der Uni. Sie arbeitet bei den Agrariern. Im Institut für Tierzucht und Tierhaltung. Die vorlesungsfreie Zeit hat ja noch nicht begonnen, Sie haben also gute Chancen, sie dort antreffen.“

Es dauerte eine Weile, bis sie das Institut hinter dem Unihochhaus ausfindig gemacht hatten, aber sie hatten tatsächlich Glück und trafen Frau Eulenhaupt in ihrem Büro an.

Sie war nicht schmalhüftig und langbeinig, wie Frauen heutzutage sein sollten, sondern hatte eine sportlich robuste Figur, und Jörgensen konnte sie sich tatsächlich gut auf einem Pferd statt an einem Schreibtisch sitzend vorstellen.

„Sie kommen sicher wegen Teatime, nicht wahr?“, meinte sie, nachdem Jörgensen sich vorgestellt hatte. Einen Moment lang sah sie ihn erwartungsvoll an, dann korrigierte sie sich. „Entschuldigen Sie, wie unsensibel von mir. Ich meine natürlich wegen des Mitarbeiters, der auf so furchtbare Weise ums Leben gekommen ist.“

Er nickte. Sie hatte eine offene, gewinnende Art, die Jörgensen auf Anhieb sympathisch war.

„So ist es, Frau Eulenhaupt. Ich würde Ihnen gerne ein paar Fragen zu diesem Unglücksfall stellen.“

„Bitte, fragen Sie.“

„Ganz allgemein, Frau Eulenhaupt, was haben Sie gedacht, als Sie von dem Vorfall erfuhren?“

„Schockiert war ich, furchtbar schockiert. So ein schrecklicher Unfall. Und dann obendrein auch noch verursacht von meinem Pferd.“

„Solche Unfälle passieren recht selten, oder?“

„Gott sei Dank sehr selten.“

„Ich habe vorhin mit Herrn Esser über den Vorfall gesprochen. Seiner Meinung nach waren einige Umstände … ungewöhnlich.“

„Ich weiß zwar nicht, was er gemeint hat, aber ich würde ihm auf jeden Fall zustimmen.“

„Ja? Was war denn Ihrer Meinung nach ungewöhnlich?“

„Eigentlich alles.“

Sie lächelte entschuldigend, als ihr die Komik ihrer Antwort klar wurde.

„Versuchen Sie, es mir im Einzelnen zu erläutern.“

„Gut, ich will es versuchen.“

Sie erzählte Jörgensen anfangs nur Dinge, die er schon von Esser erfahren hatte, aber er hörte ihr geduldig zu, ohne sie zu unterbrechen. Dann wurde er hellhörig.

„Der Mann muss Ahnung von Pferden gehabt haben. Um Teatime zum Stall zu führen, hat er ihn aufgehalftert, und das hat er ganz fachmännisch gemacht. Er hat ihm nicht einfach nur einen Strick um den Hals gelegt. Er wusste, wie man ein Halfter anlegt, und das bekommt nicht jeder ohne Weiteres hin.“

„Das glaube ich Ihnen gerne“, meinte Jörgensen und sagte sich im Stillen, dass er selbst es entschieden vorziehen würde, überhaupt gehörigen Abstand zu diesen Biestern zu halten, und gar nicht erst den Versuch unternehmen würde, ihnen irgendetwas um den Kopf zu wickeln.

„Er kannte sich also mit Pferden aus“, fuhr Frau Eulenhaupt fort. „Wieso hat er sich so töricht benommen, als das Pferd gestiegen ist? Warum ist er nicht einfach zur Seite, raus aus dem Gefahrenbereich? Er muss direkt vor Teatime stehen geblieben sein und das Pferd an der Leine festgehalten haben. Kein vernünftiger Mensch, der etwas von Pferden versteht, würde das tun. Und überhaupt, was hat das Pferd dazu gebracht zu steigen? Pferde tun das, wenn sie Angst haben und keine Möglichkeit zur Flucht sehen. Aber wovor hat Teatime dort in dem leeren Stall Angst gehabt? Ich kann mir das alles nicht erklären.“ Sie schüttelte ernst den Kopf, wie es eine Wissenschaftlerin angesichts unerklärlicher Dinge tut. „Ja, und dann bleibt da natürlich auch noch die Frage, warum er Teatime denn überhaupt in den Stall gebracht hat. Das verstehe ich einfach nicht.“

Sie lächelte Jörgensen an, fast als wolle sie ihn um Entschuldigung bitten, weil sie keine Erklärung für die rätselhaften Vorgänge liefern konnte.

Jörgensen überlegte einen Moment.

„Sie beschäftigen sich mit Pferden, ich meine in Ihrer Funktion als Mitarbeiterin hier im Institut?“

„Nein.“ Sie lachte und schüttelte den Kopf, dass ihre kurze, aber dichte Mähne umherwirbelte. „Pferde sind nur ein Hobby von mir, und die Seminare auf Gut Ruserberg, die mache ich in meiner Freizeit.“

„Und was sind ihre Aufgaben hier im Institut?“

„Nun, wenn ich es mit einem Satz sagen soll: Wir versuchen die Viehhaltung klimafreundlicher zu machen. Sie kennen sicher auch die Berichte über die Umweltbelastung, die durch Nutztiere wie Rinder entsteht.“

Jörgensen nickte aufmunternd, so dass Frau Eulenhaupt mit wachsender Begeisterung weiterredete.

„Die Rinder zum Beispiel produzieren bei der Verdauung erhebliche Mengen an Methan. Dieses Gas ist für das Klima um ein Vielfaches schädlicher als CO2. Aber das bedeutet nicht, dass wir jetzt alle Rinder schlachten müssten. Es gibt, nennen wir es einmal, Stellschrauben, um die Methanbelastung zu verringern. Ein Faktor ist zum Beispiel, was das Tier zu fressen bekommt. Oder ein anderes Beispiel: Ammoniak. Auch eine Art unerwünschtes Nebenprodukt. Das entsteht aus den Ausscheidungen der Tiere. Es kann mit Stoffen in der Luft reagieren. Dann kann Feinstaub entstehen. Nicht gut. Oder es entsteht Lachgas. Das ist sogar noch mal deutlich schädlicher für das Klima als Methan. Aber auch dort gibt es Stellschrauben. So banal es klingt, es macht zum Beispiel einen Unterschied, zu welcher Tageszeit Gülle aufs Feld ausgebracht wird.“

„Was Sie nicht sagen.“

Die Wissenschaftlerin war jetzt kaum noch zu bremsen.

„Sie haben vielleicht auch gelesen, dass man in Neuseeland vorhat, den Methanausstoß der Rinder mit einer Abgabe zu belegen. Pupssteuer hat man das amüsiert genannt, und über die Erklärung der Regierung, dass diese Steuer für die Zukunft große Wettbewerbsvorteile für die neuseeländischen Viehzüchter bringen könne, hat man verständnislos den Kopf geschüttelt. Dabei ist die Idee dahinter gar nicht so abwegig. Es geht einfach darum, Anreize zu schaffen, jene Stellschrauben, von denen ich sprach, zu erforschen und zu perfektionieren, und wer da die Nase vorne hat, ist wirklich im Vorteil gegenüber seiner Konkurrenz. Und genau das wollen wir hier auch, die Nase vorne haben. Auch ohne Pupssteuer.“

Jörgensen beneidete die junge Frau ein wenig um die Begeisterung, mit der sie von ihrer Arbeit erzählte. Von dieser Begeisterung hätte er auch gerne ein wenig mehr, aber allzu oft hatte er schon erlebt, wie die mühsame Ermittlungsarbeit der Polizei am Ende von lustlosen oder überforderten Staatsanwälten oder von in seinen Augen zu nachsichtigen Richtern zunichtegemacht wurde und die Täter erhobenen Hauptes und grinsend aus dem Strafverfahren herauskamen. Er hoffte, dass Frau Eulenhaupt solche frustrierenden Erfahrungen erspart bleiben würden.

1Volkstümliche Bezeichnung für den Sitz der Kieler Kriminalpolizei in der Blumenstraße

2Kriminaldauerdienst

3. In der Höhle der Löwen

Mit ihrem Presseausweis kam Monique problemlos ins Landeshaus. Er war von einem echten ja auch nicht zu unterscheiden. Siedend heiß fiel ihr ein, dass sie vergessen hatte zu googeln, wo denn dieses Soesmenhusen, für dessen Lokalzeitung sie angeblich als rasende Reporterin unterwegs war, wo dieses Kaff denn überhaupt lag. Aber das wollte der Pförtner auch gar nicht von ihr wissen. Möglicherweise hätte er es auch nicht gewusst.

Die Fraktion, für die Waldvogel gearbeitet hatte, residierte im 2. Stock. Schön, dass sie hier immer noch einen Paternoster hatten, dachte Monique, ein echtes Abenteuer. Die Kabinen waren in so quitschigen Farben angemalt, dass man denken konnte, diese Art der Fortbewegung wäre gerade erst erfunden worden. Als der zweite Stock in Sicht kam, entschied Monique sich spontan, bis ganz oben weiterzufahren. Und darüber hinaus. Ob sie dann auf der anderen Seite des Paternosters auf dem Kopf stehend wieder runterfahren würde?

Als sie das oberste Stockwerk passierte, sah sie einen Mann, der sie verblüfft anstarrte. Kein Wunder, sagte sie sich, das Schild, auf dem stand „Weiterfahrt ungefährlich“ konnte er von draußen ja auch nicht sehen. Um ihn zu beruhigen, winkte Monique ihm lächelnd zu. Ein sonderbarer Vogel, dachte sie. Ein Körper, der wahrhaftig wie eine Tonne aussah und gekrönt wurde von dem rosigen Gesicht eines Glücksschweinchens, umrahmt von Zotteln à la Beethoven, nur dürftiger und oben mit einer großen, lichten Stelle, wo Beethoven noch mehr Zotteln gehabt hatte. Das Grau der Haarpracht ließ auf ein fortgeschrittenes Alter schließen.

Als sie den Scheitelpunkt des Paternosters erreichte, ruckelte es ein wenig und dann rumpelte die Kabine wieder abwärts.

Der Mann mit den Zotteln war immer noch da und stieg zu ihr in die Kabine.

„Moin, moin, min sööte Deern. Verbiestert?“

Monique sah ihn irritiert an.

„Ich wollte sagen, hab keine Angst, du armes Häschen. Falls du dich verlaufen haben solltest, der Floh wird dir helfen.“

„Welcher Floh?“ Monique sah ihn mit großen Augen an.

„Na ich. Florian, so haben meine Eltern mich getauft. Und obwohl ich den Schnabel nicht halten kann, werde ich weiter hinten so genannt. So, jetzt weißt du, wie ich heiße, aber alle nennen mich einfach nur Floh. Is’ halt ’n beeten körter.“

„Ich bin Marieluise.“

„Schöner Name. Aber ich nenne dich lieber Marieke. Ich hoffe, du fühlst dich dadurch nicht auf den Schlips getreten. Manche Frauen sind ja bannig empfindlich. Wenn du eine von denen bist, sag’s ruhig frei heraus. Ich habe für jeden Geschmack die richtige Platte auf Lager. Gehört zu meinem Beruf.“

„Und der ist?“

„Für das Volk mutig einzutreten und heldenhaft für ihre Anliegen zu kämpfen. Die Bürger dieses Landes hatte keine Stimme, bis sie mir ihre Stimme gaben, damit ich die meinige für sie machtvoll ertönen lasse und so am Ende alles gut wird.“ Er grinste sie an. „Un wat mokt mien lütt Marieke so?“

„Presse.“

„Oho, du gehörst zum Kreis meiner Zuhörer und Verehrer? Darf ich dich zu einem Kaffee einladen? In mein Büro? Zu einem vertraulichen Hintergrundgespräch? Oder sagt man vertraut?“

Wieder rüttelte die Kabine ein wenig, als sie auch den unteren Wendepunkt durchfuhr.

„Oder würde ich dich von einer wichtigen Verabredung abhalten?“

Monique warf einen Blick auf ihre Uhr.

„Nein, ich habe noch Zeit.“

„Zu wem willst du denn?“

„Zu Arne Waldvogel.“

„Aha! Das ist doch einer von der Konkurrenz. Pfui, Marieke.“

„Das wusste ich gar nicht. Was macht er denn da?“

Floh sah sie überrascht an.

„Ist es was Privates?“

„Nein, wieso?“

„Ich dachte nur. Weil Du nicht weißt, welche Aufgaben er hat.“

„Ich weiß nur, dass er irgendwas mit Wölfen zu tun haben soll.“

„Haben die etwa schon wieder ein paar von den dummen Schafen um die Ecke gebracht?“ Floh lachte. „Früher … hier müssen wir raus.“

In aller Seelenruhe blockierte der dicke Floh vorübergehend den Ausstieg, sodass Monique aus der Kabine springen musste, um ihm folgen zu können.

„Also, früher fand man das ganz normal, wenn die Starken die Schwachen gefressen haben. Aber ihr Journalos bringt heutzutage die ganze Welt in Unordnung. Nichts als Chaos verbreitet ihr.“

Er führte sie einen langen Gang entlang zu seinem Büro.

Großzügige Kammer, registrierte Monique, Laptop auf dem mit Papieren übersäten Schreibtisch, leider keine Fenster mit Blick aufs Wasser,

„Sett di dol, mien Deern“, sagte Floh. „Was willst du haben?“ Er deutete auf eine Kapselmaschine, die im Bücherregal stand. „Ich habe alles da.“

„Cappuccino?“

„Kein Problem.“

Nach dem Cappuccino bereitete er sich einen Becher schwarzen Kaffee, holte hinter ein paar Büchern eine Flasche Remy Martin 1738 hervor und kippte einen kräftigen Schuss in den Becher. Dann hielt er ihr die Flasche hin.

„Möchtest du auch?“

Monique schüttelte den Kopf.

„Für Wölfe interessierst du dich. Vielleicht kann ich dir ja auch was vertellen. Für wen schreibst du denn überhaupt? Nicht, dass ich da wählerisch wäre. Ich nehm’s, wie’s kommt. Bei mir kriegt jeder seine Story. Und du glaubst gar nicht, wie vielseitig ich bin. Wenn ich mir ’n Kopftuch umbinden würde, würdest du mich glatt für ’ne Großmutter halten. Aber nenn mich jetzt bloß nicht Wolf im Großmutterpelz. Ich fresse keine lütten Deerns.“ Er lachte vergnügt. „Da musst du bei der Eberlein schon vorsichtiger sein.“

„Eberlein? Wer ist das denn?“

„Na, für die arbeitet der Waldvogel doch. Wanda Eberlein. Sprecherin für Umwelt und Landwirtschaft in ihrem Haufen.“

„Und wo finde ich diesen Haufen?“

„Wenn du deinen Kaffee aus hast, bring ich dich hin.“

Monique machte große Augen, als Floh aus einer Schreibtischschublade eine Pistole hervorholte.

„Keine Angst, ist nur eine Schreckschuss. Reine Vorsichtsmaßnahme. Wir müssen durch das Terrain meiner eigenen Fraktion, und niemand ist so gefährlich wie ein Parteifreund, dessen Karriere man im Weg steht.“

„Darf ich mal?“ Sie streckte die Hand aus, aber Floh gab die Waffe nicht her, hielt sie ihr aber stolz vor die Nase. Es war eine 950 Jetfire von Beretta, stellte Monique fest, und sie hatte keinen Zweifel, dass es eine echte Bumm-bumm war, klein, aber fein und genau richtig für die Handtasche einer Dame auf dem ultimativen Mietuhtrip. Aber wenigstens, erkannte Monique erleichtert, war die Beretta gesichert. Ob Waldvogel mit dieser Waffe getötet worden war?, schoss ihr durch den Kopf, aber sie verwarf den Gedanken sofort wieder. In der Schillerstraße war ein Profi am Werk gewesen.

Floh steckte die kleine Pistole in die Hosentasche, und dann machten sie sich auf den Weg.