Ein Reigen - Erzählungen und Kurzgeschichten - D.G. Ambronn - E-Book

Ein Reigen - Erzählungen und Kurzgeschichten E-Book

D.G. Ambronn

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Beschreibung

In elf Geschichten kreuz und quer durch Europa und kreuz und quer durch die Zeit und auch mit Abstechern in jene Welt, in der die Tiere sich wie Menschen verhalten. Ein Reigen aus Erzählungen und Kurzgeschichten über das Leben, die Liebe, das Gute und das Böse, die oft mit leiser Ironie, mal augenzwinkernd, mal bitter-süß, erzählt werden.

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Das Buch

In elf Geschichten kreuz und quer durch die Welt, kreuz und quer durch die Zeit und mit Abstechern auch in jene Welt, in der die Tiere sich wie Menschen verhalten.

Ein Reigen aus Erzählungen und Kurzgeschichten, die zum Nachdenken anregen über das Leben, die Liebe, das Gute und das Böse.

Der Autor

D.G. Ambronn wurde am 3. Juli 1955 an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste geboren. Er studierte Anglistik, Germanistik und Philosophie in Kiel und lebt auch heute noch im Norden, sofern er nicht gerade auf Reisen ist.

Schon früh machte er erste literarische Gehversuche, aber dann ließ ihm seine Tätigkeit in der Sozialbranche nicht mehr die Zeit dafür.

Erst nach dem Ausscheiden aus dem Berufsleben begann er wieder zu schreiben.

Dabei fühlt er sich nicht dem Diktat der gegenwärtigen Literaturkritik oder dem Zeitgeist verpflichtet, sondern orientiert sich an Autoren, die heute nicht mehr im Rampenlicht stehen: E.T.A. Hoffmann, Robert Louis Stevenson, Ernest Hemingway, George Simenon, Nikos Kazantzakis, Alain Robbe-Grillet, um nur einige jener großen Erzähler des 19. und 20. Jahrhunderts zu nennen, denen seine besondere Wertschätzung gilt.

Weitere Bücher von D.G. Ambronn

Dass du in Venedig wärst (Roman)

Margherita und der dunkle Widerschein der Welt

(Roman, 1. Teil: 1939-1940)

Und was ist mit Rosemarie? Ein Kieler Kriminalroman

Unbezähmbare Gezeiten. Ein Kieler Kriminalroman

Eine irische Winterreise und andere Erzählungen und Kurzgeschichten

INHALT

Die Fabel vom Habicht und der Nachtigall

Salito und die Marktfrau vom Campo de’ Fiori

Feuer, Rauch und Schwefel

Der Vorfall in der Rue Gilbert

Das Opfer

Heimkehr

Das kleine Eichhörnchen

Die Fremde in ihrem Körper

Wo nur Meer ist

Die Zumutung

ANHANG

Der Schakal und die Oase Zerzura

Mein besonderer Dank gilt Sabine Winkler für ihre Unterstützung und Ermutigung und Ralph Gessert, der nicht nur dieses Mal, sondern bei der Entstehung all meiner Bücher mit dem kritischen Blick des Experten mitgelesen hat, wenn es um die See ging und alles, was darauf schwimmt.

Die Fabel vom Habicht und der Nachtigall

(frei nach Hesiod)

Angelockt vom lauten Gesang erspähte der Habicht die Nachtigall im Wipfel eines Baumes, schnellte hinab, packte sie mit seinen Krallen und erhob sich dann mitsamt seiner Beute wieder in die Höhe.

Die Nachtigall beklagte verzweifelt ihr Schicksal und bat den Habicht um Gnade.

„Bedenke doch nur, was für eine schöne Stimme ich habe. Sogar Könige vermochte ich mit meinem Gesang zu erfreuen.“

„Wir haben keine Könige mehr. Heute sind alle gleich, und nicht mehr die Könige entscheiden, was schön ist und was nicht. Das entscheide jetzt ich.“

„Aber warum gerade du?“

„Spürst du nicht warum?“ Und der Habicht drückte der armen kleinen Nachtigall seine scharfen Klauen noch tiefer ins Fleisch. Sie stöhnte auf vor Schmerz.

„Deine Kunst bedeutet mir nichts, für mich taugst du gerade noch als kleiner Leckerbissen. Vielleicht mundestdu ja, wie du zu singen meinst.“

Die Nachtigall wollte noch ein letztes Mal ihr Lied erklingen lassen, aber der Habicht presste das verbliebene bisschen Leben aus ihr heraus, und sie verschied ohne einen Ton.

Salito und die Marktfrau vom Campo de’ Fiori

oder Kommissar Jörgensen macht Urlaub

„Schade“, meinte Sabrina. „Signora Lelli ist nicht da. Ich hatte mich so darauf gefreut, sie wiederzusehen. Genau hier ist ihr Stand gewesen. Ich frage mal den jungen Mann da.“

Jörgensen verfolgte bewundernd, wie selbstverständlich seine Frau sich mit dem Gemüsehändler auf Italienisch unterhielt. Er selbst besaß lediglich halbwegs brauchbare Englischkenntnisse und die zu erwerben, war für ihn eine ziemliche Quälerei gewesen. Warum sich allerdings Sabrina so für diese Signora Lelli interessierte, war ihm ein Rätsel, aber, sagte er sich, sie waren im Urlaub und da durfte jeder seinen Launen die Zügel schießen lassen. Wozu war Urlaub denn sonst da?

„Er sagt, Signora Lelli hat sich vor einem Jahr zur Ruhe gesetzt. Er ist ihr schon früher zur Hand gegangen und hat dann ihren Stand übernommen. Aber sie lebt immer noch hier im Viertel, sagt er, und kauft auch noch regelmäßig auf dem Campo de’ Fiori ein.“

„Was du nicht sagst, Schatz.“

„Er hat mir erzählt, wo genau sie wohnt. Es ist nicht weit von hier. Nur ein Katzensprung. Warum trinkst du nicht da drüben in dem Café einen Cappuccino, während ich ganz kurz mal zu ihr hingehe und mich mit ihr verabrede?“

„Wenn du meinst, Schatz.“

Im Nu hastete Sabrina davon.

Wie eine belagernde Armee umringten die Stühle und Tische der Restaurants, Bars und Cafés die Stände auf Roms berühmtem Blumenmarkt, auf dem heutzutage aber kaum noch Blumen angeboten wurden.

Jörgensen wählte einen Platz im Schatten. Auch früh am Vormittag war es jetzt im Hochsommer schon recht unangenehm, längere Zeit in der prallen Sonne sitzen zu müssen. Als der Cappuccino kam, stellte er fest, dass er nicht wirklich heiß war. Dennoch nahm nur dann und wann einen kleinen Schluck, denn er hoffte, Sabrina würde zurück sein, bevor er die Tasse geleert hatte.

Er vertrieb sich die Zeit, indem er mit der einem Polizisten eigenen Beobachtungsgabe das Geschehen auf dem Campo verfolgte. Er hatte schnell erkannt, dass hier zwei Welten existierten und das völlig unabhängig voneinander. Da waren zum einen die Obst- und Gemüsestände und zum anderen jene, die kitschig bunte Nudeln, winzige Fläschchen mit Öl, Essig oder Likör, Risottofertigmischungen und dergleichen Schnickschnack anboten. Beide hatten ihre Kunden. Bei den einen, den Obst- und Gemüsehändlern, kauften die Menschen aus dem Viertel, die von den Verkäufern oft mit ciao oder salve und Vornamen begrüßt wurden. Dann waren da die Händler, die es auf die Touristen abgesehen hatten, fremdländisch aussehende Leute zumeist, die die Passanten mit einem höflich unbeholfenen buon giorno anredeten. Jörgensens scharfem Blick entging nicht, dass diese Händler in Augenblicken, in denen sie sich unbeobachtet glaubten, manchmal traurig dreinschauten, so als würden sie sich an ihre Heimat zurückerinnern, aus der irgendeine Notlage sie vertrieben hatte. Was Jörgensen beeindruckte, war, dass alle Händler problemlos erkannten, welche Kunden zu wem gehörten. Nie versuchte jemand, einem Einheimischen irgendwelchen Firlefanz anzudrehen, und verweilte einmal ein Tourist an einem Gemüsestand, um dort etwas zu kaufen, so wurde er ignoriert, bis er entweder lautstark auf sich aufmerksam machte oder frustriert weiterging.

Jörgensen hatte bereits einen zweiten Cappuccino geleert, als er Sabrina endlich in der Ferne auftauchen sah. Sie redete erst noch eine Weile mit Signora Lellis Nachfolger, dann kam sie zum Café herüber.

„Tut mir leid, dass es doch etwas länger gedauert hat“, sagte sie, als sie sich neben Jörgensen auf einen Stuhl fallen ließ, und fuhr sogleich aufgeregt fort: „Stell dir vor, Signora Lelli ist fortgezogen. Das hat mir jedenfalls ein Nachbar erzählt.“

„Ist das denn so wichtig, Schatz?“

„Du hast sie nicht kennengelernt. So eine nette Frau. Wir waren damals fast jeden Tag an ihrem Stand und haben ein bisschen Obst gekauft. Sie hatte Katinka so richtig ins Herz geschlossen. Du weißt ja, die Italienerinnen und ihre Liebe zu den Bambini.“

„Aber das ist doch inzwischen Jahre her. Na ja, und nun ist sie halt weggezogen. So ist das Leben.“

„Aber hör mir doch erst mal zu!“, wischte sie seinen Einwand beiseite. „Als ich es ihm, ich meine dem Gemüsehändler, erzählte, wollte er es nicht glauben. Er meinte, Sie würde nie von hier wegziehen. Schon allein wegen der Katzen nicht.“

Mit einer gewissen Ratlosigkeit registrierte Jörgensen, dass sie überzeugt war, ein unschlagbares Argument ins Feld geführt zu haben.

„Welche Katzen denn?“, fragte er vorsichtig.

„I gatti di Roma! Die Katzen von Rom. Nicht weit von hier ist doch Roms berühmtes Asyl für herrenlose Katzen. Auf dem Largo di Torre Argentina.“

Jörgensen konnte sich nicht erinnern, schon einmal davon gehört zu haben.

„Signora Lelli gehört zu den Freiwilligen, die sich dort um die Katzen kümmern. Oder gehörte.“ Sie sah auf ihre Uhr. „Es ist schon fast Mittagszeit. Lass uns da drüben im La Carbonara etwas essen. Und dann schauen wir auf dem Largo Argentina vorbei. Nachmittags sind immer ein paar von den Freiwilligen da, sagt der Gemüsehändler. Vielleicht erfahren wir von ihnen etwas über Signora Lelli.“

Sabrinas Vorschlag nahm Jörgensen gerne an. Wider besseres Wissen hatte er sich heute Morgen von ihr überreden lassen, zum Frühstück nur auf einen Cappuccino und ein Cornetto in eine Bar um die Ecke zu gehen und war jetzt entsprechend hungrig. Na ja, und ein kleiner Verdauungsspaziergang danach würde sicher auch nicht verkehrt sein. Und wenn sich Sabrina so für diese Frau interessierte … das an sich war ja noch kein Beinbruch. Solange er regelmäßig gut zu essen bekam, sollte sie ihren Spaß haben, und das Essen im La Carbonara war tatsächlich nicht schlecht. Sein Saltimbocca alla Romana war lecker. Er warf einen skeptischen Blick auf das frittierte Hirn vom Lamm, für das Sabrina sich entschieden hatte, und hoffte, dass sie seine Gedanken nicht würde lesen können.

„Römer essen gerne Innereien“, erklärte sie beiläufig.

„Was du nicht sagst, Schatz.“

„Und du bist froh, dass du kein Römer bist. Stimmt’s?“

Sie konnte sie also doch lesen, seine Gedanken, stellte er wieder einmal ohne große Überraschung fest. Er grinste wie ein Junge, der bei einem Streich ertappt worden ist, und widmete sich wieder seinen Kalbsschnitzelchen.

Der Rechnung entnahm er, dass offensichtlich auch der Blick auf den Campo de’ Fiori in die Preisgestaltung eingeflossen war, obwohl der für sie gar nichts Besonderes war, denn sie wohnten ja im selben Haus über dem La Carbonara. Im Übrigen, sagte sich Jörgensen, immer nur auswärts essen war sowieso nicht drin – sie hatten schließlich eine Tochter, die studierte! –, und da sie sich gegen ein Hotel und für eine Ferienwohnung inklusive eigener Küche entschieden hatten, mussten sie selbstverständlich dort auch hin und wieder ihr Essen selber kochen.

Nach dem Kaffee drängte Sabrina zum Aufbruch. Sie überquerten den Campo und schlenderten dann eine belebte Gasse entlang Richtung Largo Argentina, wie die Römer den Largo di Torre Argentina der Einfachheit halber nennen.

„Du bist mir nicht böse, weil ich unbedingt rausbekommen will, was mit Signora Lelli los ist?“

„Aber nein, Schatz. Wenn es für dich wichtig ist …“

Sie hakte sich bei ihm ein, und einen Moment lang berührte ihr Kopf seine Schulter.

„Das ist alles so … so komisch. Wenn du Signora Lelli kennengelernt hättest …“

Wie bei den meisten Altertümer in Rom lag auch die Ausgrabungsstätte mit den Ruinen der drei Tempel aus republikanischer Zeit, die den größten Teil des Largo Argentina einnahmen, deutlich tiefer als das moderne Rom, und da der Bereich nicht betreten werden durfte, lebten die herrenlosen Katzen dort mitten im geschäftigen und lauten Rom ungestört in einer eigenen kleinen Welt, bestaunt von den Menschen, die über die Brüstung hinweg neugierig zu ihnen herab spähten und sich über jede Katze freuten, die sie zwischen den Trümmern und dem Gestrüpp ausfindig machen konnten.

Sabrina steuerte ohne Zögern auf ein offenstehendes kleines Tor an einer Seite des Platzes zu, wo eine Treppe hinunter zu den Räumen der Katzenfreunde führte. Unten angelangt betraten sie einen niedrigen Raum, der fast vollständig von Käfigen umsäumt war, reihenweise nebeneinander und übereinander. Jörgensen stellte er