Ein Traumhaus auf den zweiten Blick - Jane Wenham-Jones - E-Book
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Ein Traumhaus auf den zweiten Blick E-Book

Jane Wenham-Jones

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Beschreibung

Manchmal ist das Herz eine einzige Baustelle: Der humorvolle Liebesroman »Ein Traumhaus auf den zweiten Blick« von Jane Wenham-Jones jetzt als eBook bei dotbooks. Wenn du auf einem Trümmerhaufen stehst, streu Glitzer drüber! Das Leben meint es gerade nicht gut mit Cari. Nicht nur lässt sich ihr Mann von ihr scheiden und zieht direkt mit seiner Neuen zusammen – zu allem Übel steht sie auch noch einem riesigen Schuldenberg gegenüber. Was tun? Als ein Freund ihr rät, für wenig Geld ein leerstehendes Haus zu kaufen und zur Vermietung herzurichten, ist Cari Feuer und Flamme – ein großer Fehler, wie sich schon bald herausstellt, denn das ganze Gebäude ist eine einzige Bruchbude! Glücklicherweise bekommt sie Hilfe von dem gutaussehenden Bauunternehmer Ben, der ihr mit seinem Fachwissen unter die Arme greift. Aber wird er ihr auch helfen können, wenn immer mehr Rechnungen ins Haus flattern und die ersten Mieter sich als wandelnde Katastrophe entpuppen? »Durch und durch unterhaltsam und voll scharfsinnigem Humor.« Bestsellerautorin Jill Mansell Jetzt als eBook kaufen und genießen: Die spritzige Liebeskomödie »Ein Traumhaus auf den zweiten Blick« von Jane Wenham-Jones wird alle Fans von Alexandra Potter und Sophie Kinsella begeistern. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 423

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Über dieses Buch:

Wenn du auf einem Trümmerhaufen stehst, streu Glitzer drüber! Das Leben meint es gerade nicht gut mit Cari. Nicht nur lässt sich ihr Mann von ihr scheiden und zieht direkt mit seiner Neuen zusammen – zu allem Übel steht sie auch noch einem riesigen Schuldenberg gegenüber. Was tun? Als ein Freund ihr rät, für wenig Geld ein leerstehendes Haus zu kaufen und zur Vermietung herzurichten, ist Cari Feuer und Flamme – ein großer Fehler, wie sich schon bald herausstellt, denn das ganze Gebäude ist eine einzige Bruchbude! Glücklicherweise bekommt sie Hilfe von dem gutaussehenden Bauunternehmer Ben, der ihr mit seinem Fachwissen unter die Arme greift. Aber wird er ihr auch helfen können, wenn immer mehr Rechnungen ins Haus flattern und die ersten Mieter sich als wandelnde Katastrophe entpuppen?

Über die Autorin:

Jane Wenham-Jones (1962-2021) wurde in England geboren und arbeitete als Journalistin für das Radio, TV und verschiedene Magazine. Sie ist die Autorin zahlreicher Romane und wurde unter anderem mit dem renommierten Romantic Comedy Award ausgezeichnet. Nach ihrem Tod wurde dieser ihr zu Ehren in den Jane-Wenham-Jones-Award umbenannt.

Die Website der Autorin: janewenham-jones.co.uk/

Bei dotbooks veröffentlichte die Autorin ihre Romane »Die Frauen von Broadstairs«, »Ein Traumhaus auf den zweiten Blick« und »Liebe braucht kein Alibi«.

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eBook-Neuausgabe Januar 2024

Die englische Originalausgabe erschien erstmals 2001 unter dem Originaltitel »Raising the Roof« bei Bantam Books, London. Die deutsche Erstausgabe erschien 2003 unter dem Titel »Mein Exmann und andere Katastrophen« bei Droemer Knaur, München.

Copyright © der englischen Originalausgabe 2001 by Jane Wenham-Jones

Copyright © der deutschen Erstausgabe 2003 bei Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München

Copyright © der Neuausgabe 2024 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive

von © shutterstock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ah)

ISBN 978-3-98690-707-5

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Jane Wenham-Jones

Ein Traumhaus auf den zweiten Blick

Roman

Aus dem Englischen von Traudl Weiser

dotbooks.

Meiner Mutter Felicity mit viel Liebe und aufrichtiger Dankbarkeit gewidmet.

Kapitel 1

Martin,wenn du diese Zeilen liest, hast du dich hoffentlich in deinem neuen Leben eingerichtet. Denn wir beide wissen, dass wir das Richtige getan haben, aber du sollst außerdem wissen, dass du für mich immer ein besonderer Mensch warst und immer bleiben wirst. Trotz allem, was ich gesagt habe, werde ich auf unsere gemeinsamen Jahre stets mit Liebe und Dankbarkeit zurückblicken. Und ich hoffe, du vergisst nie, dass ich noch immer deine Freundin bin und bleibe. Pass auf dich auf.

Alles Gute

Cari

Scheißkerl! Scheißkerl! Scheißkerl! Ich sah zu, wie Martin seinen letzten Karton in den Van lud, und ich stellte mir vor, wie er aussehen würde, sollte ich ihn erschießen. Ich sah ihn gerade blutüberströmt rückwärts taumeln, als er dem Fahrer ein letztes Mal sein schmieriges Lächeln schenkte und mir dann ein müdes und trauriges.

»Cari, ich ...«, fing er an, als würde er eine Rolle in einem Fernsehfilm spielen oder als wäre er überhaupt irgendwelcher Gefühlsregungen fähig.

»Pass auf dich auf!«, unterbrach ich ihn fröhlich, obwohl es mir lieber gewesen wäre, er würde bei einer Massenkarambolage auf der M25 zu Brei zerquetscht werden.

»Wir telefonieren bald mal«, fügte ich hinzu.

Als ich ihn auf die Wange küsste, erkannte ich voller Schadenfreude die Verwirrung in seinem Blick. Dann drehte ich mich um, stapfte die Treppe hoch und machte die glänzende rote Tür unseres ehelichen Domizils hinter mir zu.

Einen Augenblick blieb ich im Flur stehen und wartete, ob ich wie ein Häufchen Elend zusammenbrechen würde, was aber seltsamerweise nicht geschah. Dann bezog ich in der Fensternische Position und sah den Van wegfahren. Martin warf einen letzten, verwundeten Blick aufs Haus, wie ein getretener Hund, rutschte hinter das Lenkrad seines Wagens mit dem angeberischen Kennzeichen und fuhr davon.

Martin war verschwunden.

Wie erstarrt saß ich auf der Fensterbank – ein Bild vieler emotionaler Krisen vor dieser – und wartete auf das Gefühl unendlicher Einsamkeit. Es kam nicht. Nichts kam.

Martin hat mich verlassen.

Ich bin verlassen worden.

Ich lebe allein.

Ich bin eine Exfrau.

Ich bin ein Nichts.

Ich schluchzte probeweise, weil ich herausfinden wollte, ob von den noch gestern sintflutartig vergossenen Tränen etwas übrig geblieben war. Doch meine Augen blieben trocken. Tatsächlich fühlte sich mein aufgesetztes Abschiedslächeln inzwischen angenehm an. Und abgesehen von meinem Mordskater, der ab und zu Würgereize an mein Hirn sandte, war mein Schmerz gering und mein Kummer durchaus zu ertragen.

Das alles fand ich sehr seltsam.

Gefühle sind etwas Komisches. Denn meine sind immer anders als erwartet. Dafür machte ich den überdurchschnittlich großen Anteil bizarrer Gene in meinem Erbgut verantwortlich (siehe das spätere Geschwafel über meine Mutter und meinen Vater), aber in diesem Fall war meine emotionale Reaktion schlicht auf Unerfahrenheit zurückzuführen. Alles, was ich über in die Brüche gegangene langjährige Beziehungen wusste, brachte mir zehn Punkte auf der »Stress-Skala« und alle möglichen unerwünschten Formen der Beachtung seitens meiner Familie ein (weitere zehn Punkte).

Tja, wie soll man etwas wissen, ehe man es nicht ausprobiert hat? Und die Reaktionen anderer Menschen in dieser Hinsicht können von dubiosem Wert sein. Denn nachdem meine Mutter meinem Vater davongelaufen war, gab sie eine schicke Party mit Champagner und Lachs- und Kaviar-Kanapees, während sich mein gutes Tantchen Maud im Bad die Pulsadern aufschnitt, nachdem sie Onkel Geoffrey beim Kofferpacken erwischt hatte.

Da ich zu meinen besten Zeiten die ungekrönte Königin in der Kunst der Launenhaftigkeit gewesen war und alle Stufen der Hysterie und Gefräßigkeit ausprobiert und auch der Sauflust hemmungslos nachgegeben hatte, die von Phasen positiven Denkens unterbrochen worden waren, in denen ich mir eine brillante Zukunft ausmalte, hatte ich diesen letzten Tag der endgültigen Trennung definitiv als einen Tag untröstlicher Trauer geplant.

Doch jetzt – wie das Leben einen verunsichern kann –, da der Moment gekommen war (ich singe Frank Sinatras My Way), blieben meine Augen trocken. Würde ich dieses seltsame Gefühl – eine Mischung aus kribbelnder Erwartung, dem Bewusstsein theatralischer Bedeutung und süßem, ergreifendem Selbstmitleid – analysieren, käme ich wohl zu dem Schluss, es hätte einen Beigeschmack eigenartiger Fröhlichkeit. Diese Stimmung konnte natürlich nicht von Dauer sein. Aber ein ordentlicher Streit muntert mich immer auf, und gestern Abend hatte es jede Menge Geheul, Gejammer und umherfliegendes Besteck gegeben.

Eigentlich hatten wir wie zwei vernünftige Erwachsene diesen letzten Abend vor unserer Trennung verbringen wollen, bei einem Glas Wein Erinnerungen an glücklichere Zeiten austauschen und noch einmal die Details unserer Trennung in aller Freundschaft besprechen wollen. Ich hatte Martin den Zettel in den Koffer gesteckt, meine Abschiedsrede mit guten Wünschen für das Lebewohl an der Türschwelle vorbereitet und mir vorgenommen, nicht die Beherrschung zu verlieren. Aber meine guten Vorsätze haben sich noch nie mit Alkohol vertragen, und nachdem ich jeden Tropfen Wein im Haus getrunken hatte und in die Flasche Cherry-Brandy gefallen war, die eine wohlmeinende Tante meiner Mutter vor zwei Jahren zu Weihnachten geschenkt hatte, beschimpfte ich keifend seine neue Liebe (Sharon!!!) und stachelte ihn zu ebenso gehässigen Vorwürfen an.

Natürlich machte sich alter Groll Luft. »Ausgerechnet Nigel! Cari, wie konntest du nur?« (Na, fantastisch! Nach einer Fummelei im Vollrausch, an die ich mich nicht erinnern kann, verschwindet er zu irgendeiner Konferenz, reißt eine Sekretärin auf, bumst sie drei Nächte lang ununterbrochen und stellt fest, dass er mit ihr leben will. Und wer wird der Untreue bezichtigt?) Hinzu kamen weitere kränkende Vorwürfe (ich würde meinen fetten Arsch nicht bewegen?), die er stumm gehegt, die er mir aber in unserer zehnjährigen Ehe nie mitgeteilt hatte, obwohl sie ihn alle praktisch vom ersten Tag an in die Arme einer anderen Frau getrieben hatten.

Als er um vier Uhr früh schließlich bei dem beschämenden Witz angekommen war, den ich 1993 seinem Boss erzählt hatte, und ich auf seinem kostbaren Grateful-Dead-Album herumgetrampelt war, hatte er eine Vase gegen die Wand geworfen, und wir hatten beide, keuchend vor Erschöpfung dagestanden und die Scherben angestarrt. Und dann, nach einer Wende um hundertachtzig Grad, die ich früher so aufregend gefunden hatte und die mich jetzt zur Verzweiflung trieb, hatte er leise und vernünftig gesagt: »Sei doch nicht so, Cari.« Woraufhin ich in Tränen ausgebrochen war, wir zusammen ins Bett gefallen waren und ich auf einer letzten Performance bestanden hatte. Nur, um’s ihm zu zeigen.

Nachdem er eingeschlafen war, hatte ich im Dunkeln auf dem Rücken gelegen, bis draußen der graue Morgen dämmerte, und dem verrückten Kreischen der Stare gelauscht und mich gefragt, ob ich mir mehr Mühe hätte geben müssen, um ihn zu halten.

Ich glaube, es hat einen Zeitpunkt gegeben, wo es mir gelungen wäre, hätte ich es wirklich gewollt. Aber in den darauffolgenden Wochen voller Ungewissheit, Angst und Schmerz, während ich mit mir gerungen hatte, ob ich alle meine Überzeugungskünste ins Spiel bringen oder diesen Schicksalsschlag akzeptieren sollte, war Martin schmachtend durchs Haus gegeistert und hatte sich offensichtlich immer mehr in diese Person verliebt, die er erst vor sechs Wochen kennen gelernt und seitdem viermal gesehen hatte.

Und mittlerweile hatte er auch einen neuen Job in ihrem Wohnort, in Brighton gefunden.

Und das hat mich gerettet. Er würde hundert Meilen von Eastford entfernt leben. Nur wegen der lähmenden Angst, als Geschiedene in derselben Stadt wohnen zu müssen, waren wir so lange zusammengeblieben. Wie schmerzlich es gewesen wäre, ihm in Pubs, Weinbars und auf Partys meiner Freunde zu begegnen oder ihn in der Schlange vor einem Kino mit der falschen Blondine am Arm zu sehen.

Schon dreimal hat sie mit ihrer falsch klingenden, heiseren Stimme angerufen – sie besaß nicht einmal Anstand genug, zu warten, bis er aus dem Ehebett ausgezogen war. Nach ihrem ersten Anruf bin immer ich ans Telefon gegangen und habe einen Ton angeschlagen, der Sharon klar machen sollte, worauf sie sich da eingelassen hatte und wie froh ich sei, Martin loszuwerden. Jedes Mal habe ich gerufen: »Liebling, es ist für dich«, nur um die beiden zu verwirren, und einmal habe ich mit zuckersüßer Stimme hinzugefügt: »Deine Freundin«, die andeuten sollte, dass Martin und ich uns daraus einen Spaß machten.

Doch jetzt, als ich auf der Fensterbank saß und Martin schon fünfzehn Minuten näher bei ihr war, hoffte ich, dass er sich in seinem übernächtigten Zustand kaum gewaschen hatte und nach Sex stinkend bei Sharon ankäme, damit den beiden ihr erster gemeinsamer Tag gründlich versaut wurde.

Wie perfekt wäre die Welt doch – ha! –, würden sich Ex-partner einfach in Luft auflösen. Wochenlang hatte ich mir gewünscht, Martin würde sterben, damit ich nicht nur das einer Witwe gebührende Mitgefühl entgegennehmen könnte – wie kurzlebig ist hingegen das Mitleid für eine Ex-frau! –, sondern damit ihn auch keine andere haben konnte. Oder vielmehr, damit er keine andere haben konnte.

Ich wollte Martin doch gar nicht mehr haben. (Nein! Nein!) Warum wurde mir dann bei dem Gedanken, dass er jetzt nach Brighton zu einer Wohnung mit einer blauen Tür und zu. Sharon fuhr, die ihm gesagt hatte, er sei der aufregendste Mann, mit dem sie je geschlafen habe (nochmal ha!), und die ihm ohne Höschen und mit einem Becher Schlagsahne in der Hand die Tür öffnen würde (hier verdammte ich meine Neigung, immer alles im Detail wissen zu wollen), auf eine Weise übel, die nichts mit meinem Alkoholexzess zu tun hatte?

Ich musste daran denken, wie Louise auf dem Fußboden im Wohnzimmer gesessen – nachdem sie meinen ganzen Gin ausgetrunken hatte – und nach ihrer Trennung von Stuart in die Kissen geschluchzt hatte: »Er heiratet. Sie kriegen ein Kind. Warum hat er nicht mich geheiratet?«

Da ich noch nie den Mund halten konnte, wenn es galt, den Finger in die Wunde zu legen, sagte ich: »Aber du hast ihn doch verlassen und bist mit Robert zusammengezogen.«

Woraufhin meine Freundin in einem Anfall heulenden Elends geschrien hatte: »Aber damals habe ich doch nicht gewusst, dass ich ihn haben wollte!«

Um gar nicht erst auf den Gedanken zu kommen, dass ich mich auch nur im Geringsten nach Martin sehnen könnte, überlegte ich mir, wie ich diesen Tag verbringen sollte. Da ich mir vorgenommen hatte, vorübergehend in Erstarrung zu versinken, jedoch recht fröhlich war, konnte ich in den vor mir liegenden Stunden tun, was ich wollte. Aber mir fiel nichts ein. Also saß ich an diesem ersten Nachmittag als frisch-froher Single auf meiner Fensterbank, starrte abwechselnd zum Fenster hinaus oder das Spülbecken an und dachte über die Veränderung nach, die ich bereits im Haus spürte.

Auf der aus alten Kirchenstühlen gezimmerten Fensterbank lagen kunterbunt durcheinander: Kissenbezüge aus Mexiko, ein blau gemusterter Seidensari aus Indien, ein altes, mit Blumen besticktes Tischtuch aus dem Ramsch meiner Mutter und ein zerknitterter, handgenähter viktiorianischer Kissenbezug von Gott weiß woher, dessen Nähte aufplatzten. Martin hat immer gesagt, die Fensterbank sehe schlampig aus – mir gefällt sie. (Siehst du, Martin: Mit nur wenigen Worten lässt sich das Scheitern unserer Ehe schildern.)

Natürlich lässt sich eine Trennung nicht auf ein paar Dinge reduzieren. Dabei ging es nicht nur um Geld oder seine Untreue oder weil ich im Bett nicht umwerfend war – wovon ich bisher keine Ahnung gehabt hatte, denn diesen Vorwurf hat er mir erst bei unserem letzten Schrei-Duell ins Gesicht geschleudert. Da hätte ich ihm beinahe die Wahrheit gesagt »Na, zu deiner Information ...«, war aber dann verstummt. Was hätte das jetzt noch für einen Sinn gehabt? Letzten Endes hatten wir es einfach verloren – was immer dieses »Es« sein mag, das einen dazu bringt, in dem anderen den Menschen zu sehen, mit dem man am liebsten sofort aufs Sofa fallen möchte.

Meine Arme um die Knie geschlungen, saß ich auf der Fensterbank und starrte durch die schmutzige Scheibe, denn ich konnte mich nicht aufraffen, nachzuschauen, welche Lücken Martins Auszug im Haus hinterlassen hatte. (Martin hatte den Fensterputzer verärgert gefeuert, nachdem er den Mann dabei erwischt hatte, wie er mir bei einer Tasse Kaffee erzählt hatte, wie Gott ihm im Traum erschienen sei. Seitdem bin ich viel deprimierter.)

Am Anfang unserer Ehe saß ich oft hier und wartete ungeduldig auf Martin. Damals fragte ich mich, warum er sich verspätete, und ich fürchtete, er könnte mit einer anderen Frau ins Bett gegangen sein. Damals machte mein Herz immer einen kleinen Sprung, wenn ich ihn kommen sah. Doch wenn ich in letzter Zeit hörte, wie er den Schlüssel in der Tür umdrehte, wurde mir das Herz schwer. Schließlich hatte ich dagesessen und gehofft, ihn nie wieder sehen zu müssen, weil ich mit seiner Missbilligung, der fast greifbaren Atmosphäre der Enttäuschung in unserem Haus nicht fertig wurde. Ich wünschte, ich hätte die Energie, mich von den Kissen zu erheben und etwas zu tun.

Irgendwann an diesem bedeutsamen Tag schaffte ich es jedoch, aufzustehen und mich mit einer Dose Schokoladenkekse und einem Notizblock an den Tisch zu setzen.

Und jedes Mal, wenn meine Fröhlichkeit ins Wanken geriet und sich dieser dumpfe Schmerz in meinem Magen auszubreiten drohte, steckte ich mir einen Keks in den Mund und studierte die Liste der »Pro«, die ich vor drei Wochen mit Filzstift geschrieben hatte, um die Vor- und Nachteile abzuwägen, sollte ich Martin gehen lassen.

Sie fing mit Kleinigkeiten an:

1.Mehr Platz im Kleiderschrank

2.Mehr Gelegenheiten, Junkfood zu essen

und endete bei Punkt 29 mit der wichtigsten Tatsache, dass ich frei sein würde, mir den Typ Mann zu angeln, den andere Frauen in Büchern immer einfangen, der mir aber noch nie begegnet ist. (Einer, mit dem ich MEIN Problem lösen könnte?) Wobei ich vorsichtig an die Möglichkeit dachte, eventuell ein Kind zu bekommen, eine Vorstellung, die Martin abstoßend gefunden hatte. Als ich mit zweiundzwanzig geheiratet habe, war das für mich eine absolut vernünftige, gemeinsame Basis gewesen. Seitdem hat mich dieser Gedanke nicht mehr losgelassen, vor allem, wenn ich mich in einem hormonal bedingten, emotionalen Überschwang befinde (meistens am Beginn, Ende und in der Mitte jeden Monats).

Die Liste mit den »Contras« zerriss ich, ohne einen Blick auf Worte wie »einsam« und »frustriert« und »spinnen« zu werfen. Dann brühte ich mir Kaffee auf, wobei mir einfiel, dass meine Schwester Juliette behauptet hatte, die besten Jahre kämen erst ab Dreißig, wobei ich jedoch den Gedanken verdrängte, dass sie manisch-depressiv und erst achtundzwanzig war. Ich durchstöberte den Kühlschrank, fand einen uralten Becher Erdbeerjogurt und ging dann mit dem festen Entschluss ins Badezimmer, nicht daran zu denken, wie ich die Möbel verrücken sollte, um die leeren Stellen zu füllen, die Martin hinterlassen hatte. Ich ließ heißes Wasser in die Wanne laufen, tauchte ein und hörte das unbarmherzige Klingeln des Telefons, das die erste Runde Anrufe von Freunden, Freundinnen und Verwandten ankündigte, die sich erkundigen wollten, ob ich noch nicht auseinander gefallen war!

Kapitel 2

Heiße Bäder sind vorzüglich geeignet, das Unvermeidliche auf die lange Bank zu schieben. Als ich noch rauchte, boten mir Zigaretten eine willkommene Gelegenheit, etwas aufzuschieben.

»Jetzt rauche ich noch eine«, pflegte ich zu sagen, »und dann ...«

Bäder sind dafür viel geeigneter als Zigaretten. Man braucht länger, und außerdem ist man hinterher sauber und riecht gut (anstatt Falten zu bekommen und sich die Lunge mit Teer zu verkleistern).

Ich scheine viel Zeit im Bad zu verbringen. Das warme, duftende Wasser versetzt mich in eine Art Schwebezustand, in dem alle Probleme in weite Ferne rücken. Vor allem das eine unangenehme Problem: Wie verdiene ich mir meinen Lebensunterhalt?

Zu diesem Punkt hatte Martin bei einer unserer quälenden Diskussionen über die finanziellen Auswirkungen unserer Trennung hämisch frohlockend verkündet »Jetzt musst du dir einen Job suchen.«

Das hatte geklungen, als hätte ich es nie versucht, sei arbeitsscheu oder unfähig, eine Stelle zu finden. Dabei habe ich mehr Jobs als Martin gehabt. Doch scheine ich gelinde Schwierigkeiten damit zu haben, sie auch zu behalten.

Natürlich hatte Martins Mutter die Karriere ihres Sohnes bereits geplant, als er erst sechs Jahre alt war. (»Geh in die Computerbranche – dort liegt das Geld.« Und er ist losgetrabt ...)

Aber auch Louise, die wie ich in der Schule schlecht bis mittelmäßig war, hat sofort, nachdem sie ihre Schulkluft an den Nagel gehängt hatte, einen Job als Mädchen für alles bei ADF Chemicals bekommen – damals hatte die Firma ihren Sitz in einem der Gebäude im Industrie-Park, mittlerweile hat sie sich über das ganze Gelände ausgebreitet – und inzwischen eine steile Karriere mit eigener Sekretärin gemacht. Sie verbringt acht Stunden am Tag in wichtigen Konferenzen und geht ohne ihren Laptop nirgendwo hin.

Unsere Freundin Sonia ist irgendwas Bedeutendes im Versicherungsgeschäft; Rowena ist kurz nach ihrem Lehrerinnen-Examen bereits stellvertretende Direktorin geworden. Sogar Juliette ist auf dem besten Weg zu einer ansehnlichen Beamtenpension, obwohl sie sechs Monate im Jahr krankgeschrieben ist. Nigel – ein genialer Geschäftsmann – ist Besitzer eines protzigen Landsitzes in einem der hippen Dörfer in der Nähe von Eastford und wird regelmäßig gebeten, Tischreden zum Thema Selfmademan zu halten.

Na, und dann komme ich.

Auch ich habe nach der Schule im Industriepark einen Job gehabt, allerdings bei einer Firma, die von Expansion nichts hielt. Anders als bei Louise beschränkte sich meine Karriere auf das Fachgebiet Ablage und nochmals Ablage plus meiner Zusatzqualifikation: dem Gießen der Topfpflanzen. In dieser Firma lernte ich Martin kennen. Er machte mir sofort klar, dass er von einer Freundin mit meinen beruflichen Fähigkeiten nicht viel halte. Also kündigte ich und war meiner Meinung nach recht gut in meinem neuen Job als Bürogehilfin, obwohl ich hauptsächlich Fotokopien anfertigte, bis meine Firma plötzlich Pleite machte.

Seitdem hatte ich mehrere Jobs, in denen vor allem meine Qualitäten in der Ablage sowie der Pflege von Pflanzen gefragt waren. Kollegen und Vorgesetzte waren immer sehr freundlich zu mir, aber niemand hatte auch nur die geringste Anstrengung gemacht, mich zu fördern oder mir eine wichtigere Aufgabe als die Pflege der Schusterpalmen anzuvertrauen. Ein Fakt, der nur eine Frage zulässt Was stimmt nicht mit mir?

»Nicht proaktiv genug«, hatte die exakte Formulierung der Personalchefin meiner letzten Firma gelautet, als ich von der Arbeit freigestellt wurde. Was hat das zu bedeuten, um Himmels willen! Wie proaktiv kann man beim Fotokopieren von fünfhundert Jahresberichten werden?

»Es bedeutet, dass du die Initiative ergreifen musst«, hatte mich Martin hochtrabend belehrt. (Was dieser Schleimscheißer wahrscheinlich getan hat, indem er schnurstracks zum nächsten Präser-Automaten gerast ist, als er zum ersten Mal in Sharons leeres Puppengesicht gestarrt hatte.)

Damals wiederholte er mir ständig, ich solle mir keine Sorgen machen, sondern mich nach einem wirklich guten Job mit einem anständigen Gehalt umsehen, der meinen Fähigkeiten entspreche. Und ich dachte, er sei endlich mal nett zu mir, bis mir klar wurde, dass er mich nur dazu bringen wollte, meinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten, damit er kein schlechtes Gewissen haben musste, wenn er mit dieser Schwachsinnigen abhaute. Was er jetzt auch getan hat – und mich arbeitslos zurückgelassen hat. Eine Tatsache, auf die mich Louise, Juliette, meine Mutter (zweimal), Sonia, Rowena und Nigel mehr oder weniger subtil – oder ganz direkt – hingewiesen haben, wenn sie sich telefonisch erkundigten, wie es mir in diesem Zustand ohne Ehemann, Arbeit und möglicherweise ohne Wohnung ergehe. (Antwort: Ich bemühe mich sehr, nicht darüber nachzudenken, und ich bin immer nüchtern.)

Aber ich würde tatsächlich in sehr große finanzielle Schwierigkeiten geraten, wenn ich nicht bald etwas auf die Beine stellte. Und trotz Martins abschließender vernichtender Beurteilung meiner beruflichen Qualifikationen und seiner allgemeinen Wertschätzung – »verdammte Parasitin, nutzlos in allem« –, die mir den Gedanken an ein Vorstellungsgespräch noch weniger reizvoll erscheinen ließ, wusste ich, dass ich dieses Problem bald in den Griff bekommen musste.

Ich fing mit kleinen Schritten an, indem ich aus der Wanne stieg und mein Gesicht mit Make-up zukleisterte. Dabei wünschte ich mir, Sonia hätte mir nicht erzählt, dass ab dreißig die Wimpern dünner werden, weil ich jetzt, da ich es wusste, sah, dass bei meinen dieser Prozess bereits eingesetzt hatte. Während mir früher dick aufgetragenes Mascara einen exotischen Ausdruck verlieh, war jetzt der Schwarze-Witwe-Spinnen-Look der letzte Schrei. Alles in allem sah ich jedoch zweifelsohne mit Make-up und Lidschatten viel besser aus. Wenn man gut aussieht, fühlt man sich besser! Oder war es anders rum? Ich kann mich nicht erinnern, von wem dieser Spruch stammt – entweder von Sonia oder Juliette in einer ihrer manischen Phasen –, aber er macht Sinn.

Ich vervollkommnete meinen Teint mit dem Abdeckstift, trug Lippenstift auf, grinste mein Spiegelbild an und probte noch einmal das Mantra.

»Mir geht’s prima!

Mir geht’s prima, mir geht’s prima, mir geht’s ... (nein, mein Kinn zittert nicht). Mir geht’s ... prima!«

Kapitel 3

Ich kam mir entwurzelt vor. Ich konnte weder essen noch weinen. Ich saß zusammengekauert wie erstarrt da und hatte Angst, mich zu bewegen. Ich hatte Angst, den nächsten Schritt zu tun oder ohne ihn zu atmen.

Als ich mich bewegte, fing der Schmerz an ...

Nigel umarmte mich. Aber nicht einmal in dieser Situation konnte er es unterlassen, mich dabei zu begrapschen, und als er sah, dass ich sogar zu verzweifelt war, um ihn zu ohrfeigen, wartete er mitfühlend, während ich Kaffee aufbrühte.

»Martin ist verrückt, dich zu verlassen«, sagte er aufmunternd, als ich in das Nescafé-Glas flennte und er verstohlen die Vorderseite meines T-Shirts befingerte. »Aber er kommt bestimmt zurück«, fügte er hinzu, als ich meinen Kopf gegen den Schrank lehnte und zu schluchzen anfing.

»Ich will ihn nicht wiederhaben«, quengelte ich, weil alle das sagen und ich nie gewusst habe, was ich wirklich will.

»Was du brauchst«, sagte er und lachte, um alle Eventualitäten abzudecken, »ist einen verdammt guten Fick. Das würde dich total aufheitern.«

Ich mochte Nigel, ganz gleich, was Martin über ihn gesagt hatte – obwohl ich zugeben musste, dass Martin im Allgemeinen Recht hatte. Andererseits ging mir Nigel gehörig auf die Nerven, weil er mir ständig das Gefühl vermittelte, sein Ego dürfe nicht angekratzt werden. Ich schniefte in mehrere Lagen Küchenpapier, sah ihn an und sagte: »Wahrscheinlich hast du Recht. Wie geht’s Gloria?«

Nigel starrte mich wie vom Donner gerührt an, weil ich nicht wie gewohnt meine Schimpftirade losgelassen hatte. Da er jedoch ein Stehaufmännchen ist, erholte er sich schnell von diesem Schock und überlegte vermutlich, ob diese Frage so zu interpretieren sei, dass ich endlich kapituliert hatte und er mich auf dem Küchentisch flach legen könnte. »Gloria«, sagte er fröhlich, »ist wundervoll.«

Ich habe mir schon oft gedacht, dass Gloria eine absolut wundervolle Frau sein müsse, weil sie noch immer mit Nigel verheiratet ist. In den fünfunddreißig Jahren seines Lebens hat er mindestens drei Vermögen zusammengerafft und verloren, vier Autos zu Schrott gefahren, ist zweimal bankrott gegangen und hat sich mit seinem Gelaber sogar im Baugewerbe eine beachtliche Reputation erworben. Gloria liebt ihn trotzdem. Sie ist rund und blond und strahlend und verdreht die Augen, wenn Banker Schwierigkeiten wegen Überziehungskrediten machen oder Investoren nicht Nigels Meinung über Langzeit-Investitionen teilen.

Nur einmal hatte ihre Gemütsruhe einen Knacks bekommen: als der Gerichtsvollzieher den Anhänger mit dem Pony ihrer Tochter samt der heulenden Sechsjährigen abtransportieren ließ, und als die Kleine plötzlich merkte, dass sie in die entgegengesetzte Richtung und nicht zum Pony Club Gymkhana fuhren. Sogar da legte Gloria eine bemerkenswerte Zurückhaltung an den Tag. Sie beherrschte sich bis zum späten Abend, als sie wegen einer kleinen Meinungsverschiedenheit ausrastete und Nigel so schlimm mit einer Le-Creusot-Bratpfanne verprügelte, dass die Wunde über seiner linken Augenbraue mit fünf Stichen genäht werden musste.

Nigel behauptete zwar, Glorias prämenstruelle Beschwerden hätten diesen Wutanfall ausgelöst, und seit ein eigens von Jersey eingeflogener Spezialist ihr Siebenstern-Öl verschrieben habe, gehe es ihr wieder besser. Aber ich wusste, dass Gloria in dem Augenblick ihre innere Ausgeglichenheit wiedergewonnen hatte, als sie Nigel wimmernd in einer Ecke gesehen, seine Gold Card zerstückelt und anschließend die Buchhaltung übernommen hatte. Seitdem scheffelten die beiden Geld, wofür natürlich Nigel allein alle Anerkennung einheimste.

»Wie kommst du denn in finanzieller Hinsicht zurecht?«, fragte er jetzt und klimperte mit den Schlüsseln seines neuen Porsches, um zu unterstreichen, dass er jahrelange Erfahrung im Umgang mit derartigen Problemen habe.

»Das weiß ich noch nicht«, antwortete ich tonlos, weil ich es geflissentlich vermieden hatte, mich mit meinen Finanzen zu beschäftigen. »Martin hat die Hypothek abbezahlt ...«

»Ach, na dann«, sagte Nigel. »Du nimmst einfach ...«

»... unter der Bedingung, dass ich kein Geld auf das Haus aufnehme und es unser beider Besitz bleibt. Aber früher oder später werde ich es verkaufen und ihm seinen Anteil geben müssen. Oder ich bringe das Geld auf und zahle ihn aus. Aber wie, verdammt noch mal, soll ich das ohne einen Job schaffen?«, fragte ich, von Panik ergriffen, als mir die Ausweglosigkeit meiner Situation bewusst wurde. »Wenigstens war seine Mutter so anständig, zu sterben und ihm ihr Geld zu hinterlassen, sonst säße ich jetzt auf der Straße«, fügte ich voll boshafter Freude hinzu, weil die alte Schachtel endlich den Löffel abgegeben hatte.

»Wie viel hat er denn geerbt?«, fragte Nigel. Seine Augen leuchten bei dem Gedanken an Erbschaften immer auf, obwohl er zu seinem Bedauern keine reichen Verwandten hatte.

»Genug, um die Hypothek zu bezahlen und ein bisschen mehr«, entgegnete ich kurz angebunden, weil es mir unangenehm war, mit Nigel über dieses Thema zu reden. Martin würde sich lieber die Zunge abbeißen, als über den Inhalt seiner Sparbüchse zu plaudern, geschweige denn ein Wort über das Erbe seiner heiß geliebten Mutter zu verlieren.

»Na ja, du weißt doch, dass dir die Hälfte des Erbes zusteht«, meinte Nigel beiläufig.

»Nein, eben nicht«, entgegnete ich kopfschüttelnd. »Ihr Lebenswerk bestand darin, dafür zu sorgen, dass ich keinen Penny kriege. Erst als sie erfahren hat, dass wir uns trennen, hat sie nachgegeben und ist gestorben. Sie würde sich im Grab umdrehen und wieder auferstehen, wüsste sie, dass Martin das Haus abbezahlt hat. Eigentlich hat er sich sehr anständig benommen ...« Meine Stimme verlor sich. Ich hasste ihn.

»Ich habe eine wirklich gute Idee, wie du zu Geld kommen könntest«, sagte Nigel eifrig. »Darüber wollte ich mit dir schon seit einer Ewigkeit reden. Nur weil Martin nicht mehr da ist, müssen wir unsere Geschäftsbeziehung doch nicht abbrechen oder irgendeine andere Beziehung, was das betrifft«, fügte er, wie vorherzusehen, hinzu. Er schlängelte sich an mich heran und legte die Arme um mich, während ich Kaffeepulver in die Becher löffelte.

Wir hatten nie eine Geschäftsbeziehung mit Nigel, bis auf das eine Mal, wo Martin fünftausend Pfund in eines von Nigels Projekten für den Kauf eines Bungalows, fünf Einzelgaragen und die Hälfte eines Bauplatzes investiert hat, für die Nigel gleichzeitig als Käufer auftrat und wir durch irgendein gerissenes legales Manöver mit Hilfe eines verschlagenen Anwalts – den er seit seinen Pfadfindertagen kannte – innerhalb von zwölf Stunden fünfzehntausend Pfund Gewinn machen sollten. Aber irgendwie ging das schief, und wir mussten sechs Monate warten, bis wir viertausendfünfunddreißig Pfund von unserer Einlage zurückbekamen.

Martin, der sich immer etwas auf seine Geschäftstüchtigkeit und gründlichen Kenntnisse der Weltmärkte einbildete, hat sich nie von diesem demütigenden Versagen seines bis dahin guten Urteilsvermögens erholt. Danach degradierte er Nigel, seinen besten Freund, Trauzeugen und Saufkumpan zu »dieser Wichser«. Oder er nannte ihn – seit jenem Zwischenfall Weihnachten letzten Jahres, als ich betrunken im Besenschrank unter der Treppe landete, aus dem anscheinend etwas später Nigel aufgetaucht war – »dein Freund«.

Natürlich hat Nigel diese abschätzige Bewertung seines Charakters zutiefst gekränkt, und er hat stets beteuert, für diesen Fehlschlag nicht verantwortlich zu sein, was Gloria bestätigen könne.

Jetzt zeichnete er emsig Grundrisse für Apartments auf meine leere Einkaufsliste und sagte: »Tony, mein Makler, hat mir den Tipp gegeben.« Er trank seinen Kaffee aus und zwinkerte mir ermutigend zu. »Das Objekt ist noch nicht einmal auf dem Markt. Eine Wiederinbesitznahme. Dem Typ ist das Geld ausgegangen, als der Umbau fast abgeschlossen war. Kein Grund, Mitleid mit ihm zu haben«, fügte Nigel hastig hinzu, da er meine Schwäche für dieses Gefühl kannte. »Er ist ein ekelhafter Kerl, ein Schläger, der ständig seine Frau verprügelt hat.«

Dabei schüttelte Nigel traurig den Kopf, als wundere er sich, wie viele Männer es auf der Welt gebe, die nicht so nett sind wie er.

»Das Haus wird ein Schmuckstück«, redete er weiter. »Einfacher ist, wenn du den Kredit beantragst, aber ich bin natürlich fifty-fifty daran beteiligt. Ich schätze, wir kriegen das Haus für fünfzig, investieren fünfzehn oder zwanzig – es muss nur ein bisschen sauber gemacht und ein paar Duschen und Küchenschränke müssen eingebaut werden. Für drei Wohnungen je vierhundert Miete macht zwölfhundert pro Monat, abzüglich Rückzahlung – sagen wir siebenhundert. Bleiben fünfhundert oder zweihundertfünfzig für jeden pro Monat Gewinn. Hätten wir zwanzig solcher Häuser, könntest du dir dafür jede Menge Lippenstifte kaufen, oder?«

»Letztes Jahr habe ich fast nichts verdient«, sagte ich. »Ich habe keinen Job. Ich habe keinen Mann mehr. Und Martin hat mir die Barclay Card weggenommen. Wer, um Himmels willen, wird mir Geld leihen?«, fragte ich.

»Jeder! Diese Bauherren-Kredite kriegst du auf der Straße nachgeworfen. Sie sind zwar teuerer als normale Hypotheken, aber in zehn Jahren abbezahlt. Ich habe schon mit ein paar Leuten geredet.« Er zog einen Rechner aus der Tasche und fing an, auf die Tasten zu hämmern.

»Ich habe kein Einkommen.«

»Überlass das ruhig mir«, meinte Nigel lässig. »Mach dir keine Sorgen um die Details. Zieh einfach deinen kurzen Rock an, leg Make-up auf, und ich arrangiere ein paar Termine. Für dich springt ein bisschen Geld dabei raus und für mich ist das ein Projekt, das nicht durch die Bücher laufen muss. Wir können dir und Gloria vier Riesen pro Jahr zahlen – steuerfrei. Und wenn das Haus hergerichtet ist, machen wir eine Refinanzierung und bezahlen davon das nächste Objekt Das wird eine tolle Sache.«

»Verdammt noch mal, Nigel! Wovon redest du eigentlich, du Schwachkopf?«

»Siehst du? Schon hast du bessere Laune.«

Kapitel 4

Juliette hat mich immer zum Lachen gebracht. Ihr Humor ist ihre Rettung, weil sie am Rande des Wahnsinns lebt. Nach wie vor klammern wir uns an ihr Talent für Komik wie an ein Seil. Wir halten es an beiden Enden fest, damit ich sie – sollte sie abstürzen – wieder hochziehen kann. Oder damit sie mich mit hinunterreißen kann.

Auf meine Schwester Juliette wirken Krisen anderer Leute immer stimulierend. Sie schob mir die Küchenrolle hoffnungsvoll über den Tisch zu und neigte den Kopf, um den Blickkontakt herzustellen, der in ihrem Kurs »Übe dich im Zuhören« empfohlen wird. Dann stocherte sie in meinen Gefühlen herum.

»Ich will nicht darüber reden«, schnauzte ich sie an und packte weiter meine Einkäufe aus, so dass sie ihren Kopf zwischen den Tüten fast horizontal neigen musste, um mir weiterhin in die Augen sehen zu können. »Ich bin absolut okay. Ich muss mir nichts von der Seele reden. Und ich wäre dir dankbar, wenn du das an deine Mutter weitergeben würdest.«

Juliette richtete sich lächelnd auf. »Selbstverleugnung«, sagte sie eifrig. »Eine Scheidung ist eine Art schmerzlicher Verlust, und Kummer drückt sich in sehr unterschiedlichen Formen aus.«

»Ich lasse mich nicht scheiden«, sagte ich. Eine Anflug von Panik ließ die drei Kit-Kats gerinnen, die mir im Magen lagen. »Und ich habe dein Pseudo-Psychogewäsch satt. Du tätest besser daran, nicht mehr diese Bücher zu lesen und dich stattdessen mehr mit dir zu beschäftigen.« Ich fühlte, wie das Funkeln in Juliettes Augen die vertraute Wut in mir hochsteigen ließ.

»Übertragung«, seufzte meine Schwester verträumt. »Das ist mir auch passiert, als Sid mich verlassen hat. Weißt du noch, wie ich den Bahnsteigschaffner in der Victoria Station angeschrien habe? Ich habe einfach geschrien und geschrien und bin dann in Tränen ausgebrochen. Und das nur, weil er mich an Dad erinnert hat«, fügte sie hinzu und strahlte mich an.

»Du heulst doch ständig«, sagte ich gehässig. »Und lass Dad, um Himmels willen, da raus.« Ich öffnete den Kühlschrank und musterte den Inhalt. »Eigentlich geht es mir fantastisch. Jede Stunde entdecke ich mehr und mehr erfreuliche Vorteile des Single-Daseins.«

Ich hielt eine angebrochene Packung Frühstücksspeck hoch. »Jetzt, da Martin nicht mehr da ist, liegen keine ekelhaften Brocken toten Schweinefleischs mehr herum.«

»Bist du etwa Vegetarierin geworden?«, fragte Juliette hoffnungsvoll.

»Ganz bestimmt nicht! Genauso wenig wie du, also fang nicht wieder damit an.«

»Ich esse nur Hühnerfleisch und Tunfisch.«

»Ziegen und Kaninchen hast du gegessen, als du noch mit Sid zusammengelebt hast.«

»Sid war auf der Suche nach seinen bäuerlichen Wurzeln. Dadurch wollte er Verbindung mit seiner Mutter aufnehmen.«

»Sid war ein Psychopath, der seine Mutter gegessen hätte!«

Das brachte Juliette aus dem Konzept. Mit zitterndem Kinn saß sie eine Weile schweigend da, schluckte dann und griff nach der Küchenrolle. »Marlena sagt, ich lasse mich von dir unterdrücken, weil ich noch nach dem Verhaltensmuster unserer Kindheit lebe«, sagte sie mit zitternder Stimme. »Ich habe immer in deinem Schatten gelebt ...«

Herrgott! Das hatte ich doch schon tausendmal gehört Während ich weiter verschiedene ekelhafte. Lebensmittel aus dem Kühlschrank holte und meine ganze Aufmerksamkeit meinen neuen Einkäufen widmete, brabbelte Juliette im Hintergrund.

Dabei war ich ziemlich aufgeregt. Da ich jetzt einen Kühlschrank ganz für mich allein hatte, konnte ich endlich die enormen Reichtum versprechende Schlankheitsdiät erproben, die ich vor Jahren ersonnen hatte und seitdem wie ein Geheimnis hütete, weil ich Angst hatte, jemand könnte mir die Idee klauen und damit ein Vermögen machen, ehe ich dazu käme, das Buch zu schreiben.

Titel: Die Fach-Diät. Das ist eine so täuschend einfache aber brillante Idee, dass ich mich noch immer wie erhaben fühle, weil ich der einzige Mensch auf der Welt bin, der darauf gekommen ist.

Die Diät funktioniert folgendermaßen: In ein Fach des Kühlschranks legt man Lebensmittel, die exakt tausend Kalorien enthalten – nicht mehr und nicht weniger. Eine Tagesration. Natürlich gibt es noch andere Regeln. Zum Beispiel darf man nur den genau kalkulierten und im Voraus geplanten Vorrat aus dem Kühlschrank essen – nichts nebenher. Diese Ration kann derart perfekt ausgewogen sein, so dass man den Kühlschrank öffnen und sich fragen kann: »Hey! Worauf habe ich jetzt Appetit? Auf einen Apfel oder einen Mars-Riegel?« Und einem bleiben bis zum Abend noch drei gekochte Eier, vier Stück Ryvita und eine Dose Sardinen in Salzwasser zur Auswahl.

Ich fülle den Kühlschrank jedoch lieber mit den Vorräten für eine ganze Woche und stelle eine Flasche Frascati – für alle Fälle – in die Tür; siebentausend Kalorien, von denen ich bis nächsten Dienstag leben und bestimmt ein paar Pfund abnehmen werde.

In meinem Buch würde ich natürlich verschiedene Diätkombinationen für jeden Tag und/oder eine volle Kühlschrank-Auswahl für jede Woche vorschlagen. Damit sollten sich leicht 365 plus 52 Seiten füllen lassen. Mir schwebten schon Supermarkt-Franchise-Angebote mit eingeschweißten Tagesrationen zum Mitnehmen und zur Aufbewahrung im Kühlschrank vor, ohne kostbare Zeit für die Zubereitung oder Planung zu vergeuden. Außerdem wäre das eine ausgezeichnete Methode für jene unglücklichen Frauen mit gefräßigen Ehemännern und grässlichen Kindern, die den Kühlschrank mit ihren eigenen ekelhaften Speisen füllen. Die Adeptin meiner genialen Diät kann selbstgefällig aus ihrer Plastikschale essen und gelassen zusehen, wie ihre Kinder feist werden und ihr Mann am Herzinfarkt stirbt.

Über dazu passende Videos musste ich mir noch Gedanken machen, aber wenn mit einem Dutzend Bücher, sechs Videos und einer Reihe Nebenprodukten aus der elementaren Erkenntnis: »Verzichte auf Butter, und deine Beine werden schlanker« ein Millionenvermögen gemacht werden kann, wird mir dazu schon noch etwas einfallen.

Juliette war bei ihren Kindheitserinnerungen an dem Punkt angekommen, wo mir bei einer Deutsch-Hausaufgabe übel geworden war und niemand sich darum gekümmert hatte, wie es ihr ging ... was ihr anscheinend selbst langweilig wurde, denn sie schaute mir plötzlich über die Schulter und fragte: »Warum legst du Ryvita in den Kühlschrank?«

Ich hatte nicht die Absicht, Juliette gegenüber auch nur die leiseste Andeutung bezüglich meiner Erfindung zu machen, denn sie gehört zu jenen Frauen, die das gesamte Volumen ihrer verfälschten Erinnerungen an der Supermarktkasse abladen. Im Handumdrehen würde meine Idee zum Stadtgespräch werden. Ich murmelte etwas über niedrige Temperaturen und die Konservierung von Vitaminen und wusste, dass Juliette, sobald sie nach Hause käme, alle ihre Lebensmittel in den Kühlschrank legen würde. Währenddessen überlegte ich, wie viele Schokolodenkekse mit je zweiunddreißig Kalorien ich mir für meine Wochenration gönnen durfte.

Vierzehn Riegel, zwei pro Tag, klang verlockend, doch dafür hätte ich meinen Rechner holen müssen, denn Kopfrechnen zählt nicht zu meiner Stärke. Außerdem hätte das nur Juliettes Neugier weiter angestachelt, also entschied ich mich für zehn Kekse. Währenddessen gratulierte ich mir zu der genialen Erfindung eines Diätprogramms, das mir erlaubte, zehn Kekse zu essen und dann noch 6680 Kalorien übrig zu haben. Bald würde ich fantastisch aussehen. Obwohl alle Dicken behaupten, dünn sein mache nicht glücklich, sehen Schlanke immer gut aus. Und gutes Aussehen stimmt fröhlich, während Dicke einfach nur dick sind. Und das verdirbt einem die Laune. Man fühlt sich elend.

Ich sei dick. Hatte Martin behauptet.

Ich musste schnell dünn werden. Nicht nur, weil das einfach unerlässlich ist, weil meine Ehe in die Brüche gegangen war und weil Umherwatscheln nicht annähernd dasselbe Interesse wie eine durch Hungern verursachte Ohnmacht hervorruft, sondern auch, weil ich dann einfach fantastisch aussehen würde.

Das hätte zur Folge, dass ich – erstens – bald die Geliebte eines attraktiven und reichen Mannes werden würde, und – zweitens – den Effekt, dass Martin krank vor Eifersucht werden würde, mich so sexy und verführerisch zu sehen, während er an seine schlampige alte Sharon gekettet war.

Warum ich nicht bereits dünner geworden war, konnte ich nicht begreifen. Schließlich hatte ich seit Tagen keine richtige Mahlzeit mehr gegessen und mich ausschließlich von Erdnüssen und Rotwein ernährt Schon seit zweiundsiebzig Stunden! Als ich Juliette gegenüber eine entsprechende Bemerkung machte, informierte sie mich auf ihre hochnäsige Art und Weise, dass ich allein mit dem einen Beutel Nüsse, den ich seit ihrem Hiersein verzehrt habe, tausendfünfhundert Kalorien zu mir genommen habe. Manchmal hasse ich meine Schwester.

»Ich fange an, wieder an Bulimie zu leiden«, sagte ich, weil ich mich rechtfertigen wollte und auch, weil ich wusste, dass es sie eifersüchtig machte. Außerdem diente diese Behauptung als Begründung für die Unmengen an Nahrungsmitteln, die auf dem Tisch lagen.

Sie seufzte, während ich das nächste Päckchen Nüsse begehrlich anstarrte und überlegte, ob ich die Nüsse oder drei kleine Dosen gebackene Bohnen oder ein Viertel Pfund Cheddar-Käse oder eine Avocado und sechs Tomaten stattdessen in meinen Speiseplan aufnehmen sollte. Eigentlich bin ich als Bulimie-Kranke eine Versagerin. Im Verschlingen bin ich ein Ass, doch im Ausspeien eine Niete. Dieses Ungleichgewicht kompensiere ich durch eine sorgfältig geplante unregelmäßige Nahrungsaufnahme: Drei Tage stopfe ich mich mit allem zum Essen Greifbaren randvoll, bis ich mich fett wie eine Wachtel fühle und mich vor mir selbst ekele. Dann bekomme ich Schuldgefühle und esse drei Tage lang nichts. Aber das klappt nicht immer.

Doch da ich nun glücklicherweise allein lebte, würde ich meine Gewichtsprobleme für immer in den Griff kriegen. Also beschloss ich, noch ein halbes Päckchen Nüsse zu essen und stattdessen die Bohnen wegzulassen. Dann betrachtete ich zufrieden die ordentlich gefüllten Fächer des Kühlschranks. Mit diesem System musste ich Erfolg haben.

Auch Juliette musterte den Inhalt des Kühlschranks aufmerksam, deshalb machte ich die Tür schnell zu, ehe sie die spitzfindige Bemerkung machen konnte, dass meine Vorräte sich wegen ihres geringen Fettgehalts kaum für eine Fressorgie eigneten, und lenkte sie mit Geschichten über Nigel ab.

»Er war wirklich reizend und hat mich getröstet«, sagte ich zu ihr. »Außerdem will er mir dabei helfen, etwas Geld zu verdienen.« Und schnell fügte ich hinzu, ehe sie es sagen konnte: »Natürlich weiß ich, dass er es eigentlich auf meine Titten abgesehen hat.«

»Ach ja, Nigel«, sagte sie steif. »Ein windiger Zeitgenosse. Und wenn ich du wäre«, fügte sie mit glänzenden Augen nachdrücklich hinzu, »würde ich mich nicht mit ihm einlassen. In welcher Hinsicht auch immer.«

Ich starrte meine Schwester an und wünschte, sie würde endlich gehen, damit ich mit der Plünderung meines Kühlschranks, ohne zu teilen und ohne die Kalorien zählen zu müssen, beginnen konnte. Ich gähnte, um ihr meine seelische Erschöpfung deutlich zu machen und dass ich jetzt schlafbedürftig sei. Sie tat das immer, wenn sie mit dem Leben nicht mehr fertig wurde – was häufig geschah.

»Das tue ich auch nicht«, antwortete ich müde. »Hältst du mich für so blöde?«

Der Banker gehörte zu der neuen Sorte, die ihre Kunden mit einem strahlenden Lächeln empfangen und sagen: »Hallo, ich bin Graham«, anstatt im tristen grauen Dreiteiler hinterm Schreibtisch zu hocken und einen durch funkelnde Brillengläser anzustarren, wenn man um einen Kredit bettelt.

Graham war hässlich, obwohl seine Frau und seine Kinder auf dem Foto ganz normal aussahen und grinsten. Das gerahmte Bild stand zwischen allerlei Werbegeschenken verzweifelter Kunden vom letzten Weihnachtsfest, deren Kredite am 1. Januar zurückgezahlt werden mussten. Aber Graham saß an der Geldquelle, und er war ein Mann. Und da ich meiner Natur gemäß mit jedem Mann zwischen acht und achtzig flirten musste, gab ich ihm die Hand und schenkte ihm mein verführerischstes Lächeln. Als ich mich setzte, stellte ich erfreut fest, dass ich sein Interesse geweckt hatte, und legte den Aktendeckel mit dem von Nigel produzierten Zahlenwerk vor ihn hin.

»Ich möchte in eine Immobilie investieren«, fing ich in dem beiläufigen Ton an, den ich vorher mit Nigel geübt hatte.

»Welchen Beruf haben Sie?«, fragte er auf diese irritierende Weise von Leuten, die einen soliden Job und eine garantierte Rente haben.

Wieder lächelnd tischte ich ihm mein Märchen auf: »Ich bin in der Marketing-Branche. Doch in letzter Zeit habe ich mich zusammen mit meinem Mann um dessen Geschäfte gekümmert.«

Wäre Martin Geschäftsmann gewesen, mich hätte er als Letzte eingestellt.

»Die Buchhaltung gemacht und mich um die Kunden gekümmert«, schwafelte ich lächelnd weiter, »aber dieses Mal möchte ich allein ein Projekt realisieren, das sich selbst tragen soll«, schloss ich und hoffte, dass ich nicht gleich losheulen würde.

Graham starrte mich neugierig an.

»Und«, fuhr ich fort, da mir wie durch ein Wunder der vorgekaute Text wieder einfiel, »das Geniale an diesem Projekt ist, dass der Wohnungsmarkt boomt, also werde ich durch den steigenden Wert der renovierten Immobilie einen Kapitalgewinn erzielen, und selbst wenn der Markt sich als weniger stabil erweisen sollte ...« An dieser Stelle ging mir kurz die Puste aus, denn ich sah, wie Graham verächtlich den Mund verzog, weil ich nur Mist redete. »Aber ich habe schon jede Menge Mieter«, schloss ich fröhlich und verfluchte im Stillen Nigel, weil er diesen miesen Job nicht selbst erledigt hatte.

»So, so. Haben Sie eigene Einkünfte?« Graham griff nach dem silbernen Kuli mit dem Logo einer Reinigungsfirma, und seine Hand schwebte über seinem noch leeren Notizblock.

»Nicht eigentlich«, fing ich an, korrigierte mich jedoch schnell, »außer zwanzigtausend Pfund im Jahr.«

Graham starrte mich eindringlich an, weil er herausfinden wollte, ob ich mich über ihn lustig machte oder nur dämlich war.

»Ich habe einen neuen Job«, brabbelte ich weiter. »Nein, eigentlich kein neuer, sondern mein alter, den ich wieder mache, seit meine Ehe in die Brüche gegangen ist. Das alles klingt ziemlich vage«, schloss ich mit einer plötzlichen Eingebung, die sogar auf Nigel Eindruck gemacht hätte, »aber ich kann mich noch immer nicht an den Gedanken gewöhnen, dass ...« Ich lächelte traurig und ließ mein Kinn zittern.

»Ach so«, sagte Graham sichtlich erleichtert. Offensichtlich genügte ihm die Tatsache, dass mein Mann mich verlassen hatte, als Erklärung, dass ich im Ungewissen war, ob ich nun einen Job habe oder nicht.

»Sie können Erkundigungen bei meinem Arbeitgeber einholen«, sagte ich mit der einer verlassenen, sorgenbeladenen Frau angemessenen Trauer. »Momentan bin ich bei einer Baufirma beschäftigt, und sie kümmert sich bei diesem Projekt um die Renovierung, für mich zum Selbstkostenpreis, und das bedeutet, dass ich mich in dieser Branche auskenne. Es gäbe keinen besseren Zeitpunkt für derartige Investitionen als momentan – und ich betrachte die ganze Sache als eine neue Herausforderung.«

Ich schwieg, damit Graham etwas Ermutigendes sagen konnte. Aber er grunzte nur und prüfte die Kalkulationen, die ich vor ihn hingelegt hatte.

Nach einer Ewigkeit, in der ich mich nervös umgesehen und an meinem Haar gezupft hatte, blickte er auf und setzte zu einer längeren Rede an, in der er von Zinsen, Rückzahlungsraten und anderen Dingen sprach, und dass meine vorliegende Kalkulation natürlich von der Bank unter ganz anderen Gesichtspunkten gesehen werde, da es Imponderabilien zu berücksichtigen gebe, die nicht den Geldnehmer sondern den Geldgeber – also die Bank – beträfen, und dass meine Zahlen unter diesem Aspekt weitaus zu optimistisch seien.

Da ich nicht die leiseste Ahnung hatte, worüber er redete, machte ich ein möglichst intelligentes Gesicht, lächelte und nickte. Doch da er offensichtlich eine Antwort erwartete, sagte ich, als er eine Pause machte: »Genau. Sehr richtig. Wie wahr«, was ihn zufrieden zu stellen schien.

Dann stellte mir Graham ein paar seltsame Fragen über Pensionen und Lebensversicherungen, auf die ich seltsame Antworten gab, und schließlich wollte er wissen, wie viel unser Haus wert sei. Diese Antwort stimmte ihn wesentlich froher. Das erkannte ich sofort an dem neuen Respekt, mit dem er neue Zahlen auf seinen Block kritzelte. Und als er auch noch erfuhr, dass keine Hypothek darauf lastete und es durch eine Reihe gewiefter Geschäftsabschlüsse finanziert wurde, an denen ich einen beträchtlichen Anteil hatte, wurde sein Respekt noch größer. Natürlich hütete ich mich zu sagen, dass Martins Mutter nur ein paar Tage, ehe Barclay Card mich vor Gericht zerren wollte, ins Gras gebissen hatte.

Darauf fing er mit einer zweiten, noch längeren Erklärung an, die er ausgiebig gestikulierend begleitete und in der er immer wieder auf die Einbeziehung aller Eventualitäten sowie eine sorgfältige Planung hinwies und dass eine exakte Berechnung alles sei.

Ich vermutete, dass Graham eigentlich Lehrer hatte werden wollen, aber von seiner über-ehrgeizigen Mutter in den Bankberuf gedrängt worden war. Wahrscheinlich träumte er davon, seine Karriere als Tutor in den geheiligten Hallen einer Uni zu beschließen, wo er einen Haufen pickeliger Jünglinge in der Kunst unterrichten konnte, künftige Bankkunden zu Tode zu langweilen.

»Sie müssen sich immer die Frage stellen«, dröhnte er plötzlich mit Stentorstimme, »was Sie machen wollen, wenn Sie keine Mieteinnahmen mehr haben. Oder wenn die Wohnungen verwüstet werden. Was machen Sie, wenn niemand Sie versichern will? Wenn das Haus vom Schwamm befallen ist, oder der Holzwurm das Gebälk frisst? Wenn Feuer ausbricht oder Wasserschäden eintreten? Wenn« – und jetzt senkte er die Stimme zu einem drohenden Flüstern – »wenn das alles schief geht?«

Heikle Fragen. Was sollte ich tun? Mir die Kehle aufschlitzen oder Nigel die Eier zerquetschen?

»Was auch immer passiert«, dröhnte er weiter, »Sie haben dieser Bank gegenüber eine Verpflichtung. Die Rückzahlungen müssen garantiert sein.«

»Oh, darüber brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen!«, erwiderte ich und lachte herzlich. Dann schenkte ich ihm ein – hoffentlich – gewinnendes Lächeln und sagte entschieden: »Graham, eines kann ich Ihnen versichern: Bei der Rückzahlung des Kredits wird es nicht die geringsten Probleme geben.«

»Und wie, zum Teufel, soll ich diesen verdammten Kredit zurückzahlen?«, schrie ich Nigel am Nachmittag desselben Tages an.

»Hör auf, dir darüber Gedanken zu machen«, jubilierte Nigel. »Wir zahlen, bis wir unsere ersten Mieter haben, nur die Zinsen. Das wird ein Riesenerfolg. Du wirst schon sehen. Das hast du gut gemacht«, fuhr er lobend fort und sah mir dieses Mal in die Augen und nicht in den Ausschnitt. »Dann leiht er uns also zwei Drittel vom Gesamtwert des fertigen Projekts?«

»Das weiß ich nicht! Er leiht uns, was du auf deinen Zettel geschrieben hast. Leiht er mir. Ich muss es zurückzahlen, Nigel!«

»Hast du erwähnt, dass Wobbly Jackson die Immobilie schätzen wird?«

»Ja. Der Typ hat gesagt, das sei okay. Er steht auf der Liste der Bank.«

»Ausgezeichnet! Ich war mit Wobbly in einer Klasse. Schon damals war er stinklangweilig. Aber ich rufe ihn an.«

»Ich habe das Haus noch nicht einmal gesehen.«

»Ich zeige es dir, wann du willst«, sagte Nigel, stellte sich hinter meinen Stuhl und knabberte an meinem Ohr. »Ich mache alles für dich, wann immer du willst ...«

»Verzieh dich! Ich kann kein Haus kaufen, das ich nicht einmal gesehen habe.«

»Wenn Wobbly das Haus noch diese Woche schätzt, können wir nächste Woche mit einem Angebot der Bank rechnen, und der gute Greggie kann jetzt schon anfangen. Nichts kann uns mehr aufhalten. Schon in zwei Wochen könnte das Haus uns gehören.«

»Mir.«

»Cari! Wir sind Geschäftspartner. Wenn ich dir nicht vertrauen würde, hätte ich die ganze Transaktion schriftlich fixiert. Aber mach dir keine Sorgen, Darling. Ich lasse dich nicht im Stich. Das sind unsere