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Kleine Sünden sind schnell vertuscht: Der erfrischende Liebesroman »Liebe braucht kein Alibi« von Jane Wenham-Jones jetzt als eBook bei dotbooks. Stefanie ist frustriert: Ihr Mann George lässt sie den ganzen Haushalt alleine machen, die pubertierenden Kinder ignorieren sie komplett und ihr Alltag scheint nur noch aus Putzen und Wäsche waschen zu bestehen. Höchste Zeit für eine Veränderung! Da kommt ihr die Agentur ihrer Freundin wie gerufen: Diese vermittelt allerdings keineswegs Personal, wie sie bald feststellen muss, sondern Alibis für untreue Gattinnen! Schon bald taucht Stefanie ein in eine aufregende Welt voller Frauen, die sich nehmen, was sie wollen … eine Welt, die ihr auf einmal gefährlich nahekommt, als sie plötzlich auf ihren Ex Troy trifft, der nicht nur immer noch unverschämt gut aussieht, sondern auch eindeutig an ihr interessiert zu sein scheint. Kann Stefanie seinen Avancen widerstehen – oder braucht sie am Ende bald selbst ein Alibi? Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der humorvolle Liebesroman »Liebe braucht kein Alibi« von Jane Wenham Jones wird alle Fans von Gaby Hauptmann und Alexandra Potter begeistern. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.
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Seitenzahl: 463
Über dieses Buch:
Stefanie ist frustriert: Ihr Mann George lässt sie den ganzen Haushalt alleine machen, die pubertierenden Kinder ignorieren sie komplett und ihr Alltag scheint nur noch aus Putzen und Wäsche waschen zu bestehen. Höchste Zeit für eine Veränderung! Da kommt ihr die Agentur ihrer Freundin wie gerufen: Diese vermittelt allerdings keineswegs Personal, wie sie bald feststellen muss, sondern Alibis für untreue Gattinnen! Schon bald taucht Stefanie ein in eine aufregende Welt voller Frauen, die sich nehmen, was sie wollen … eine Welt, die ihr auf einmal gefährlich nahekommt, als sie plötzlich auf ihren Ex Troy trifft, der nicht nur immer noch unverschämt gut aussieht, sondern auch eindeutig an ihr interessiert zu sein scheint. Kann Stefanie seinen Avancen widerstehen – oder braucht sie am Ende bald selbst ein Alibi?
Über die Autorin:
Jane Wenham-Jones (1962-2021) wurde in England geboren und arbeitete als Journalistin für das Radio, TV und verschiedene Magazine. Sie ist die Autorin zahlreicher Romane und wurde unter anderem mit dem renommierten Romantic Comedy Award ausgezeichnet. Nach ihrem Tod wurde dieser ihr zu Ehren in den Jane-Wenham-Jones-Award umbenannt.
Bei dotbooks veröffentlichte die Autorin ihre Romane »Die Frauen von Broadstairs«, »Ein Traumhaus auf den zweiten Blick« und »Liebe braucht kein Alibi«.
Die Website der Autorin: janewenham-jones.co.uk
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eBook-Neuausgabe August 2023
Die englische Originalausgabe erschien erstmals 2003 unter dem Originaltitel »Perfect Alibis« bei Bantam Books/Transworld Publishers, London. Die deutsche Erstausgabe erschien 2007 unter dem Titel »Aufgeflogen« bei Lübbe, Bergisch Gladbach.
Copyright © der englischen Originalausgabe 2003 by Jane Wenham-Jones
Copyright © der deutschen Erstausgabe 2007 by Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, Bergisch Gladbach
Copyright © der Neuausgabe 2023 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ah)
ISBN 978-3-98690-763-1
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Jane Wenham-Jones
Liebe braucht kein Alibi
Roman
Aus dem Englischen von Maria Buchwald
dotbooks.
Für Tim, in Liebe und Dankbarkeit
Wie schaffen Sie es, sich glücklich, stark, hochgestimmt, beflügelt, leicht, frei, ja rundherum einfach fantastisch zu fühlen?
Trinken Sie Champagner,
essen Sie Schokolade,
und erleben Sie drei Orgasmen an einem einzigen Nachmittag.
Patsy stieg, ganz im Bewusstsein ihrer Sinnlichkeit, aus der Dusche; Wassertropfen perlten von ihrer Haut, die noch schlüpfrig vom Duschöl war. Sanft fuhr sie mit den Fingern über ihren Bauch und rekelte sich wollüstig bei dem Gedanken an die Hände, die sie gestreichelt, massiert, geneckt und liebkost hatten, und an die muskulösen Hinterbacken, die sie im Spiegel der Kommode bewundert hatte, während sie sich auf ihr auf und nieder bewegten und sie unter ihnen vor Lust fast verging.
Mmmmmm!
Das war Sex vom Feinsten. Es war der Moment, wo die Zweifel schwanden und sie sich unbesiegbar fühlte. Sie war euphorisch und erregt, einfach glückselig, all das zu haben ... Ihr Körper glänzte in dem riesigen Spiegel. Sie warf sich in Positur, eine Hand auf der Hüfte, mit durchgebogenem Rücken, machte einen Schmollmund und zwinkerte sich selbst anerkennend zu. Nicht schlecht!
Ihr Körper war ziemlich fest, die Brüste waren noch in Form, und auch ihre Pobacken hingen nicht herunter. Keine Spur von dieser grässlichen Zellulitis, die sie am Swimmingpool im Fitnessclub in rauen Mengen zu sehen bekam. Ihr Gesicht war noch immer feucht vom Dampf, umgeben von bezaubernden Locken, die sich um ihre vom Orgasmus noch immer geröteten Wangen kräuselten. Sie ordnete ihr Haar. Gar nicht schlecht für achtunddreißig.
Dann nahm sie eines der flauschigen Handtücher, legte es sich um die Schultern und genoss das prickelnde Gefühl der Hochstimmung, das ihr aus allen Poren strömte. Vergiss Prozac! Was eine Frau braucht, ist ein bisschen Spaß am Nachmittag ...
Sie rieb mit dem Handtuch eines ihrer makellosen, leicht gebräunten Beine trocken und grinste.
Der hier war anders. Er besaß Energie und Ausdauer. Er warf sie aufs Bett und legte so richtig los. Was für ein Unterschied, zur Abwechslung einmal einen muskulösen, schlanken Körper auf sich – hinter sich, an ihrer Seite, einfach überall, wo sie ihn wollte – zu haben. Das letzte Mal, als sie mit Dave geschlafen hatte, hatte sie mit der Hand über die dicke Schicht von Wackelpudding an seinem Bauch gestrichen und war vor Ekel erschaudert. Dave kletterte stets umständlich auf sie drauf, ächzte ein bisschen und stieg wieder runter. Dieser hier dagegen ...
Sie warf das Handtuch lässig beiseite, riss die Badezimmertür auf, wobei sie die eine Brust mit der Hand umfasste und mit dem Daumen eine aufreizende, kreisende Bewegung um ihre Brustwarze machte, die, wie sie wusste, augenblicklich eine neue Erektion bei ihm auslösen würde.
»Ich hab noch nicht genug«, rief sie, während sie mit großen Schritten ins Schlafzimmer lief. »Du musst mir’s noch einmal besorgen!«
Er stand – noch immer nackt – auf der anderen Seite des Bettes. Beim Klang ihrer Stimme fuhr er herum. Sie sah, dass sich Panik auf seinem Gesicht breit machte.
Einen Augenblick lang standen sie beide regungslos da und starrten wie hypnotisiert auf das Handy in seiner Hand, aus dem eine Reihe erstickter Laute ertönten. Seine Frau?
Eindringlich warnend legte er einen Finger auf die Lippen.
Tja, dafür war es nun ein bisschen zu spät.
Trotz seiner beträchtlichen Größe hatte sein nackter Körper plötzlich etwas Verletzliches und Kindliches, wie er sich da über das Telefon beugte. Seine Stimme klang ungewöhnlich heiser. Sein Mund zuckte, während er in den Hörer sprach.
»Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden!«
Sie hörte das Gebrüll, das ihn zusammenzucken ließ.
Um Gottes willen – das war Dave!
Patsy presste eine Hand auf den Magen. Er bedeutete ihr mit einer heftigen Geste, sie solle um Himmels willen schweigen. Verdammt, sie war kaum mehr im Stande zu atmen!
Er hörte sich an, als würde jemand nach seinen Eiern schnappen (was durchaus bald geschehen konnte), als er jetzt heiser erklärte: »Natürlich ist Ihre Frau nicht hier! Ich habe Ihnen doch gesagt, dass Sie die falsche Nummer haben! Regen Sie sich ab ...«
Sie sah, wie er in seiner Nervosität die Faust ballte und wieder löste. Sie stand mit pochendem Herzen da, eine Hand auf dem Mund.
Er klang jetzt verzweifelt. »Ich weiß nicht, wer Sie sind, aber ich versichere Ihnen ...«
Das Gebrüll hatte aufgehört. Er löste seinen Blick vom Telefon und schaute sie wieder an. »Er kommt hierher!«
Einen Augenblick lang starrten sie sich an. Dann ließ er das Telefon fallen, und sie sammelte hektisch das Einwickelpapier der Schokolade auf.
Ihr Herz hämmerte schmerzhaft, das Adrenalin raste durch ihren Körper und ließ ihre Fingerspitzen kribbeln. Sie konnte hören, dass ihr Atem stoßweise ging, als sie jetzt durchs Zimmer hastete und ihre Kleider und Habseligkeiten zusammenraffte.
Wo ist mein Slip? »Mein BH! Wo hast du den hingetan?«
»Du hast keinen getragen.«
»Aber sicher!«
Sie rannten hin und her, kopflos in ihrer Panik, und warfen sich gegenseitig Beschuldigungen an den Kopf, während sie hastig nach ihren Kleidern suchten, die Bettlaken straff zogen, Weingläser und Taschentücher wegräumten.
»Warum, um alles in der Welt, musstest du ausgerechnet in dem Moment etwas sagen?«
»Wie hätte ich wissen sollen, dass du am Telefon bist? O mein Gott, wo ist eigentlich mein Handy?«
»Hast du nicht gehört, dass es geklingelt hat?«
»Natürlich nicht. Ich war doch unter der Dusche. Mist, da ist nur eine Socke. Warum bist du überhaupt drangegangen?«
»Warum hätte ich’s nicht tun sollen? Schließlich ist es mein Telefon. Ich dachte, es wäre Robbie. Er gibt meine Nummer nie weiter.«
»Robbie? Wer zum Teufel ist das?«
»Es ist sein Haus! Er hat mir gesagt, er würde mir Bescheid geben, bevor er zurückkommt.«
»Du blöder Idiot! Wo sind bloß meine Schuhe?«
»Ich bin blöd? Wie hat dein Mann meine Nummer rausgekriegt? Und woher weiß er, wo wir sind?«
»Ich habe nicht den leisesten Schimmer!«
»Aber er hat die Adresse. Konntest deinen Mund mal wieder nicht halten.«
»Von mir hat er sie nicht!«
Sie hatte jetzt alle ihre Kleider – außer den Schuhen – im Arm. Er war in T-Shirt und Socken. Sie fand ihn kein bisschen attraktiv mehr. »Du solltest dir besser was anziehen«, sagte sie.
Er stand nervös mitten im Zimmer und rieb seine Hände gegeneinander. Sie sah die Angst in seinem Gesicht, als er ratlos ausrief: »Was machen wir denn jetzt?«
»Ich jedenfalls mache, dass ich von hier fortkomme«, blaffte sie, »und du gehst besser runter und lässt dir was Plausibles einfallen.«
»Aber ...?«, begann er mit kläglicher Stimme. Patsy ignorierte ihn, trug ihre Sachen ins Badezimmer und schlug die Tür hinter sich zu.
Sie lehnte sich mit dem Rücken gegen die blauen Kacheln, kaum im Stande, in ihren Rock zu steigen. Mit zitternden Händen tastete sie nach ihrem Handy, suchte die richtige Nummer heraus, drückte auf den Wählknopf und hielt den Atem an, während sie es am anderen Ende klingeln hörte. Jemand nahm sofort den Hörer ab, und sie fühlte eine Welle der Erleichterung in sich aufsteigen. »Holen Sie M.! Ich brauche sie. Alles ist schief gelaufen. Ich bin hier und –«
Patsy warf ärgerlich den Kopf zurück, als sie unterbrochen wurde. Was?? Ihre Stimme wurde sofort um einiges schriller: »Was heißt das? Sie wissen sehr wohl, wovon ich rede! Hier spricht Patsy. Patsy King.«
Herrgott noch mal, diese dämlichen Praktikantinnen! Die hatte sie in ihrer Panik ganz vergessen. Sie holte tief Luft und setzte noch einmal an, diesmal mit eisiger Stimme: »Hier spricht Mrs K. Ich benötige Hilfe. Alarmstufe eins!«
Operation: In flagranti ertappt.
Am anderen Ende des Telefons war ein Klicken zu vernehmen, und dann ertönte eine andere, vertraute, ruhige Stimme.
»Hauptbüro. Wo steckst du?«
Mitten in der Scheiße.
Als sie aus dem Bad kam, ging ihr Atem schon gleichmäßiger. Das Bett war gemacht worden, und die Kissen lagen wieder genau so da wie heute Morgen, als sie beide angekommen waren.
Patsy rannte über den Treppenabsatz und die breiten Stufen hinunter. Auf dem Läufer in der Diele erblickte sie ihre Schuhe. Er war jetzt vollständig angezogen und lief mit großen Schritten auf und ab. Das plötzliche Klingeln der Türglocke ließ sie zusammenfahren. Er ging auf sie zu, versperrte ihr den Weg und schaute sie entsetzt an. »Was sollen wir ihm sagen?«
Sie umrundete ihn und trat vor den großen Spiegel, wo sie sich kurz mit den Fingern ordnend durchs Haar fuhr. »Ich verschwinde. Du bleibst hier und machst ihm klar, dass er alles missverstanden hat.«
»Red keinen Unsinn! Er darf mich auf keinen Fall sehen!« Er fasste sie am Arm und schaute sie flehend an.
Aber Patsy schüttelte seine Hand ab, schlüpfte in ihre Schuhe und schwang sich die Tasche über die Schulter. Es klingelte erneut.
»Er hat dich gehört. Er weiß, dass du es warst!«, sagte er.
»Dann sag ihm, er hätte es sich nur eingebildet.«
Die Klingel ertönte ein letztes Mal. Als sie hörten, dass die äußere Tür geöffnet wurde, rannten sie vom Eingang weg ins Esszimmer. Kurz darauf klopfte jemand laut an das Glas der Innentür.
»Mach sofort auf!«
In Windeseile durchquerte Patsy das Zimmer und versuchte hektisch, die Verandatür zu öffnen.
Himmel! »Sie ist verschlossen. Schnell!«
Sie konnte die panische Angst in der eigenen Stimme hören, als das Hämmern an die Tür stärker wurde. Binnen einer Sekunde war er neben ihr, drehte energisch an dem Türgriff, riss die Tür auf und schob sie hinaus. Hinter sich hörten sie das klirrende Geräusch von zersplitterndem Glas.
»Mach auf, du Dreckskerl!«
Patsy flitzte über den makellosen Rasen und prüfte kurz mit einer Hand, ob ihre Ohrringe noch an Ort und Stelle waren.
Halt ihn von den hinteren Fenstern fern. Verwickle ihn in ein Gespräch, versuchte sie ihm in Gedanken zu suggerieren. Ihr Herz klopfte wieder wie rasend. Sie strich sich die Haare aus der schweißbedeckten Stirn, als sie das Gartenhaus erreicht hatte und sich erleichtert dahinter niederkauerte. Sie meinte, undeutliche Schreie aus dem Haus zu hören, und erschauderte, als sie sich vorstellte, wie Dave ihrem Liebhaber mit der Faust auf die Nase boxte.
Er war groß. Aber Dave war ein Elefant. Noch dazu ein wutentbrannter ...
Der Kiesweg, der am Haus entlangführte, fiel ihr ein. Um ihn zu erreichen, würde sie aus der Deckung treten und über den Rasen rennen müssen. Das war kein Problem, sofern Dave sich noch in der Diele oder in einem der vorderen Zimmer befand, aber wenn er auf der Suche nach ihr im ganzen Haus herumtobte und zufällig aus einem Fenster auf der Hinterseite schaute ...
Die Hecke hinter ihr war zu hoch, als dass sie darüber klettern konnte. Sie würde den vorderen Weg benutzen müssen, um auf die Straße zu gelangen. Zu ihrer Linken war ein Beet mit Büschen und Sträuchern. Vielleicht konnte sie sich dahinter verbergen, wenn sie um das Haus herum in Richtung Auffahrt schlich. Vorsichtig spähte sie um das kleine Holzhaus.
Das ganze Anwesen wirkte in der Nachmittagssonne friedlich und arglos. An keinem der Fenster war irgendjemand zu sehen.
Patsy holte tief Luft und rannte dann gebückt über das Gras zum seitlichen Zaun. Dort ließ sie sich auf den Boden fallen und kroch schwer atmend hinter einen Lavendelstrauch, wo sie sich bäuchlings niederließ. Sie kam sich vor wie ein Soldat, der auf einem Poster für die Armee warb. Mein Gott, wie dreckig sie werden würde. Die Büsche waren hier größer, daher konnte sie sich zuerst auf alle viere niederlassen und dann in dieser unbequemen Haltung an der Hecke entlang bis zur Auffahrt kriechen. Hier waren nur wenige kleine Fenster. Sie hielt den Atem an und schlich geduckt darunter vorbei. Alles war ruhig.
Zu guter Letzt erreichte sie das Ende des Blumenbeets. Jetzt musste sie bloß noch über ein Ziermäuerchen klettern und ein paar Meter Kiesweg überqueren, dann wäre sie außer Sicht. Aber zuerst musste sie noch das kleine Stück vor dem großen Küchenfenster zurücklegen.
Sie lugte durch die Rhododendronbüsche und sprang.
Eine Gestalt tauchte hinter den Vorhängen auf.
Patsy wich hinter die Hecke zurück und rollte sich mäuschenklein zusammen, die Augen fest geschlossen. Hatte Dave ihn umgebracht? (Wäre jammerschade – wegen der tollen Ficks, aber wenigstens bliebe ihr dann das lästige Schlussmachen erspart.)
Sie war viel zu durcheinander, um zu wissen, ob sie richtig gesehen hatte. Vielleicht hatte sie sich in ihrer Panik nur eingebildet, es sei ihr Ehemann. War die Gestalt am Fenster nicht größer als er gewesen?
Oder hatte er ungeahnte Kräfte entwickelt und Dave zur Strecke gebracht? (Das wäre günstig, was ihre sexuelle Freiheit, das Erbe und das Ausbezahlen der Lebensversicherungen anbelangte, aber da waren schließlich noch die Kinder, an die sie denken musste ...)
Aber dann wäre er doch sicherlich herausgekommen, um nachzuschauen, wo sie steckte?
Sie hob den Kopf ein ganz klein wenig und öffnete ein Auge. Mit heftig pochendem Herzen spähte sie einmal mehr durch die Blätter. Kein Mensch zu sehen. An keinem der Fenster rührte sich etwas. Was zum Teufel mochte drinnen vor sich gehen?
Sie musste sich jetzt in Bewegung setzen, solange sie noch die Gelegenheit dazu hatte. Patsy warf einen letzten Blick auf das Haus und sprang auf. Sie holte tief Luft, sauste über den Rasen, zerrte ihren Rock hoch und hievte sich mit gespreizten Beinen über die Mauer. Es gab einen knirschenden Laut, als ihr Absatz auf dem Kies aufkam und abbrach.
Mist! Sie humpelte in wahnsinnigem Tempo die Auffahrt hinunter, jetzt glücklicherweise verborgen von den Bäumen, zerrte das kleine Seitentor auf und stieß erleichtert die Luft aus, als sie den Rasenrand dahinter erreichte.
Na, nun komm schon! Ihre Augen huschten ängstlich zurück zu dem Tor, während sie Erde, Schmutz und kleine Äste von ihrem vormals zitronengelben T-Shirt wischte.
Jeden Augenblick konnte Dave herausgestürzt kommen. Sie blickte eben auf ihre Strümpfe hinunter, die in Fetzen um ihre schmutzigen Knie hingen, als ein weißer BMW neben ihr hielt. Die Hintertür öffnete sich.
Die junge Frau, die am Steuer saß, war neu. Sie nickte Patsy zu, als diese auf den Rücksitz kletterte. »Alles okay?«
»Fahren Sie schon los!«
Patsy kauerte sich auf dem Rücksitz zusammen, als der Wagen davonbrauste.
Die junge Frau sagte über ihre Schulter hinweg: »Ich kann anhalten, sobald wir ein Stück weit entfernt sind. Ziehen Sie schon mal Ihre Sachen aus.«
Darauf erschien ihre Hand über dem Sitz und ließ ein neues blassgelbes T-Shirt und dazu passende Schuhe auf den Boden des Wagens fallen.
»Passen Sie doch auf!« Patsy riss den Kopf zur Seite, um nicht von einem Absatz getroffen zu werden, der dem, der ihr soeben abgebrochen war, aufs Haar glich.
Ein Päckchen mit Strümpfen landete neben den Schuhen.
»Da unten sind auch noch ein paar feuchte Taschentücher.«
Patsy zerrte an ihrem T-Shirt und versuchte, es sich über den Kopf zu ziehen. Nicht ganz einfach, wenn man sich ganz klein machen und den Kopf unterhalb des Fensters halten musste.
Die junge Frau sprach weiter: »Auf dem Boden sind zwei Einkaufstüten und der Evening Standard. Das Wetter war in London nicht viel anders als hier – nicht kalt, aber grau, bewölkt.« Ihre Stimme war träge und gleichmütig: »Der Zug nach Edenhurst ist um sechzehn Uhr siebzehn von der Victoria Station abgefahren. Sie mussten bis Bridgewater South stehen. Die verbilligte Tagesrückfahrkarte kostet neun Pfund vierzig. Wir haben sie von seiner Kreditkarte abbuchen lassen.«
Patsy putzte sich die Knie sauber. Sie drehte sich auf den Rücken und hob ein Bein, um sich die neuen Strümpfe überstreifen zu können. »Also, lange halte ich das nicht mehr aus, gleich muss ich mich mal aufsetzen ...« Sie zog ihren Rock an der Taille zurecht und mühte sich mit den Strapsen ab.
»Wir sind fast da.« Die junge Frau schwang das Steuer herum, als Patsy sich aufrichtete und die Reihen geparkter Autos vor dem Eingang zur Chartwell Station erblickte. In fünf Minuten würde der Zug nach Edenhurst abgehen.
Als sie ausstieg, reichte die junge Frau ihr eine Tragetasche von Peter Jones und eine weitere von Selfridge. »Das DKNY-T-Shirt, die Ohrringe, ein Tuch und diese Feuchtigkeitscreme, die Sie gewollt haben. Und hier ist Ihre Fahrkarte.«
Sie bedachte Patsy mit einem kritischen Blick. »Ich sollte Ihre Haare und Ihr Make-up in Ordnung bringen, ehe Sie losfahren.«
Patsy nahm die Tragetaschen. »Danke«, sagte sie mit scharfer Stimme. »Sagen Sie M., dass ich sie anrufen werde.«
»Mach ich!«
Die junge Frau setzte sich wieder hinters Steuer, ließ den Motor an und winkte ihr zum Abschied lässig zu.
Patsy schüttelte den Kopf. Und bei dieser Gelegenheit werde ich auch ein Wörtchen über die schlechten Manieren des Personals fallen lassen.
Kurz bevor der Zug einfuhr, kam sie auf dem Bahnsteig an und stieg in den ersten Wagen, der vor ihr hielt. Sie ließ sich mit ihren Einkaufstüten in eine Ecke fallen, holte ihren Taschenspiegel heraus und starrte in ihre glasigen Augen. Sie sah aus wie das Opfer einer Katastrophe. Mit einer Decke um die Schultern hätte man sie glatt für eine Komparsin bei Casualty halten können.
Noch immer war ein dunkler Fleck auf ihrem Rock, den sie auch mit noch so vielen feuchten Tüchern nicht wegbekäme. Nun ja, in Zügen war es oft schmutzig. Sie nahm eine Tube Grundierungscreme und einen Kamm aus ihrer Tasche. Wo Dave wohl jetzt war?
Oder waren beide tot? Sie konnte es vor sich sehen: Dave kauerte keuchend auf ihm, vor sich die blutige Masse aus Knorpeln und Brei, die einmal ein fotogenes Gesicht gewesen war – und er hob jetzt in einer allerletzten heroischen Geste die rechte Hand (in der er ein Tranchiermesser hielt, das er sich vor der Auseinandersetzung aus der Küche geholt hatte, während Dave, die Hand am Hals des anderen, dessen Kopf immer wieder auf die Fliesen in der Diele aufschlagen ließ) und jagte die Klinge mitten in Daves Herz ...
Zwei Beerdigungen, aber immerhin die Möglichkeit, dass sie aus all diesem Schlamassel unbeschadet herauskäme – insbesondere, wenn sie eine Geschichte für die Boulevardpresse erfinden würde, in der es um einen durch viel Alkohol angeheizten erbitterten Streit um nicht bezahlte Spielschulden ging. Sie würde zweifach Mitgefühl von ihrer Umgebung ernten – als Witwe und als Opfer eines Spielsüchtigen.
Doch als sie das Make-up mit einem langen, manikürten Finger auf dem Gesicht verteilte, schnitt sie eine Grimasse bei dem Gedanken an ein ganz und gar unerfreuliches, durchaus vorstellbares Szenario, in dem ihr Mann ihn zum Geständnis der Wahrheit zwang, sie daraufhin mit einem kümmerlichen Unterhalt hinauswarf, und die Daily Detail sie als unverbesserliches Flittchen beschrieb, ihre früheren Affären ans Licht zerrte und ihre diversen Exlover dazu brachte, sich über Patsys besondere Talente beim Blasen auszulassen ...
Als der Zug in Edenhurst einfuhr, stand Patsy auf und ging zur Tür, wobei sie ihr Äußeres ein letztes Mal prüfend im Fenster betrachtete. Ihre blonden Haare waren wieder in Ordnung, ihr Lippenstift frisch aufgelegt.
Dave stand auf dem Bahnsteig. Er wirkte außer Atem und war ziemlich rot im Gesicht. Er stürzte auf sie zu; mit einer fleischigen Hand packte er ihren Arm, während seine Augen ihr Gesicht suchten.
Sie beugte sich vor und küsste ihn auf die verschwitzte Wange. »Liebling! Wie aufmerksam von dir, dass du mich abholst!«
Als sie ihn anlächelte, hielt er inne. Er atmete schwer.
Sie blickte ihn besorgt an. »Geht es dir gut?«
Es sah aus, als kämpfe er irgendwie mit sich selbst. Seine Lippen öffneten und schlossen sich, als er nun erneut ihren Ellbogen umfasste.
»’n schönen Tag gehabt?«, brachte er schließlich heraus.
»Nun ja – wenn man von den Menschenmassen und den grässlichen Leuten absieht.«
Sie schüttelte den Kopf über die Unannehmlichkeiten beim Shoppen in Kaufhäusern, wobei sie geschickt ihre Hand aus seinem Griff befreite, die Einkaufstüten in seine schob – und einen verstohlenen Blick auf seine Fingerknöchel warf.
»Ich hoffe, du hast das Auto nicht allzu weit entfernt abgestellt«, sagte sie über die Schulter hinweg, als sie nun entschlossenen Schrittes auf den Fahrkartenkontrolleur zuging. »Meine Füße tun höllisch weh.«
Sie betrachtete ihr Spiegelbild noch einmal kurz im Fenster der Imbissbar und gab ein klirrendes Lachen von sich. »Mein Gott! Ich sehe aus, als wäre ich durch eine Hecke geschleift worden!«
Der Verlust der Libido ist ein häufig auftretendes Problem, das bei Frauen jeden Alters vorkommt. Vielleicht ist der Sex für Sie allzu sehr zur Routine, zum Alltag geworden. Versuchen Sie deshalb, gemeinsam mit Ihrem Mann wieder mehr Spaß und Aufregung in Ihr Eheleben zu bringen. Nehmen Sie sich Zeit nur für Sie beide, tragen Sie verführerische Unterwäsche, schauen Sie sich zusammen einen erotischen Film an, suchen Sie sich fürs Liebesspiel mal einen außergewöhnlichen Ort, eine unübliche Zeit oder eine neue Stellung aus ...
Stephanie knallte die Zeitschrift hin und ging zum Gemüseständer. Was in diesen Artikeln nie stand, war, was eine Frau tun sollte, wenn sie ihren Mann einfach nicht mehr begehrte. Was sie tun sollte, wenn sie, obwohl sie sich dreimal Emanuelle angeschaut hatten und es um fünf Uhr nachmittags vor dem Abstellschrank unter der Treppe in einer besonders ausgefallenen Stellung trieben, immer noch dachte: Wie langweilig!
»Es ist nicht so, dass mir nicht hin und wieder danach wäre«, erklärte sie ihrer Freundin Millie. »Nachdem ich Neuneinhalb Wochen im Fernsehen gesehen hatte, war ich total erregt. Ständig träumte ich von Mickey Rourke und wachte danach schweißgebadet auf ... Aber ich hatte immer noch keine Lust, mit George zu schlafen.«
»Pflanzliche Mittel«, hatte Millie vorgeschlagen.
Stephanie suchte ein paar Kartoffeln aus und schaute reumütig auf die Küchenanrichte, auf der ein kleiner Korb stand, randvoll gefüllt mit kleinen Töpfen:
Nachtkerzenöl: verhindert das prämenstruelle Sydrom (zumindest theoretisch).
Selenium: ebenfalls.
Ginkgo biloba: verbessert das Gedächtnis (nicht immer ratsam), hilft, Zellulitis zu reduzieren (bisher ohne sichtbaren Erfolg).
Koreanischer Ginseng: macht munter.
Resta-Nerve: beruhigt.
Johanniskraut: damit man sich nicht mehr wie ein armes Würstchen vorkommt.
Sie ging zum Mülleimer und warf eine Kartoffel hinein, die sich in ein grünlich glänzendes und zweifellos krebserregendes Etwas verwandelt hatte, und drehte eine andere, die sie in der Hand hielt, mit kritischem Blick hin und her.
Kalzium: damit die Knochen nicht porös werden.
Multivitamine: zur generellen Vorbeugung.
Millie hatte sich nicht abwimmeln lassen. »Hast du schon mal Zink probiert?«
Zink!
Millie hatte erzählt, nach der Geburt von Ben habe sie jegliches sexuelle Interesse verloren und Patricks Nähe kaum ertragen können. Daraufhin sei sie zu einem Homöopathen gegangen, der ihr Zink empfohlen habe – und alles sei wieder wie früher geworden. Als sie nach Barbados gereist seien, hätten sie es viermal am Tag gemacht.
Stephanie erschauerte.
Doch Millie war bemüht gewesen, ihr noch weitere gute Ratschläge zu geben.
»Und wenn du davor erst einmal einen Drink nimmst?«
»Ich kann einfach nicht. Nicht einmal, wenn ich mehrere Drinks intus habe.«
Nein, nicht einmal mit ziemlich vielen Drinks. Selbst nachdem George Champagner mit nach Hause gebracht hatte, um die letzte Übernahme seiner Firma zu feiern, und sie allein gut eineinhalb Flaschen getrunken hatte. Und obwohl er dann mit dem Massageöl angekommen war. Selbst dann nicht.
»Ich werde am Ende noch krank«, sagte sie.
Der Unterschied zwischen mir und Millie, dachte Stephanie jetzt, während sie in dem Gemüse herumstocherte und sich Millies hohe Wangenknochen und ihren großen, sinnlichen Mund vorstellte, war, dass Millie noch immer auf Sex aus war. Sie ließ Wasser in die Spüle laufen und hörte dabei ihre Freundin lachen. Sah im Geist vor sich, wie sie ihr glänzendes Haar zurückwarf. Sie konnte sie sagen hören: »Natürlich bin ich das, mit sechsunddreißig. Das ist die beste Zeit!«
Aber für Millie war es immer schon die beste Zeit gewesen.
An ihrem Hochzeitstag hatte sie wie eine Zigeunerkönigin ausgesehen mit ihren langen schwarzen Haaren, den roten Lippen, der geschnürten Taille und dem gewagten Dekolleté. Sie hatte Patrick so begehrlich in die Augen geschaut, als wolle sie ihn verschlingen. (Stephanie dagegen sah auf ihren Brautbildern aus, als benötige sie dringend ein wenig Schlaf.)
Millie kam an manchen Vormittagen noch immer strahlend und rotwangig hier an. Noch immer streckte sie die Brüste vor, wenn sie einen Raum betrat. Sie kicherte und machte Scherze, gab anzügliche Kommentare ab. Sie liebte Sex noch immer.
Stephanie tauchte die Hände in das kalte Wasser. Sie selbst kam sich auf diesem Gebiet wie eine vertrocknete alte Jungfer vor. Zumindest war das bisher so gewesen. Gewisse Regionen versagten ihr nicht nur den Dienst, sie zogen sich förmlich voller Grausen zusammen und hätten sich am liebsten unter der Bettdecke verkrochen (wenn die Gefahr nicht genau da lauern würde). Bis heute.
Sie entfernte die äußeren Blätter, schnitt einen Rosenkohlstrunk mitten durch und hielt kurz inne, um aus dem Küchenfenster zu schauen und einem winzigen weißen Flugzeug nachzublicken, das sich vor dem strahlend blauen Himmel abhob. Sie dachte an die Passagiere, die vielleicht gerade ihre Sicherheitsgurte lösten, darauf warteten, dass man ihnen Drinks servierte, und es sich mit ihren Bordmagazinen bequem machten, und sie fühlte einen sonderbaren kleinen Schauer den Rücken hinunterrieseln.
Kokosöl auf warmer Haut, kühler Wein auf sonnenbeschienenen Terrassen, eine flirrende Kaskade Bougainvillea, die sich von einer weißen Mauer herabrankte ... Plötzlich sehnte sie sich danach, Erregung zu spüren, erwartungsvoll zu sein, einfach irgendwohin zu reisen.
Würde einer dieser Passagiere da oben vielleicht jetzt lieber in seiner Küche stehen und Rosenkohl zubereiten?
Kelly winselte an der Hintertür und kratzte am Holzrahmen. Stephanie sah auf ihre Uhr. Wieder war ein Tag vorüber, an dem sie nichts anderes getan hatte als Betten machen, Toiletten schrubben, Blumen in Vasen arrangieren und diese verdammten Kartoffeln schälen. Und Kaffee ausschenken für ...
Der kleine Schauer erfasste ihren ganzen Körper.
Was war das nur mit den vergangenen Liebschaften? Warum hatten Exfreunde noch immer die Macht, ein Ziehen in der Magengegend auszulösen und Gefühle in einem zu wecken, die schon längst tot und begraben sein sollten?
Man sollte sich diese Gefühle im Krankenhaus wegoperieren lassen können – die Zuneigung amputieren, einen Trennungsangstbypass legen lassen. Wenn es vorbei war, dann war es eben vorbei. Und danach konnte man sich auf der Straße treffen, unbefangen trällern: Hallo, wie geht’s dir? Gut? So, na, das ist ja prima, und dabei weniger empfinden, als wenn man mit dem Milchmann gesprochen hätte (es sei denn, es war der Aushilfsmilchmann, der letztes Jahr zur Weihnachtszeit zwei Wochen lang gekommen war. Mmmm).
Stephanie hatte gedacht, sie hätte es geschafft. Gedacht, sie sei längst darüber hinweg.
Offensichtlich nicht.
»Du willst ein interessantes Leben führen«, sagte sie zu ihren Gummihandschuhen. Sie zog den Stöpsel aus der Spüle und ließ das Wasser ablaufen. »Du brauchst einen Job!«, sagte sie zu den sandigen Überresten.
Und den hatte sie auch im Sinn gehabt, als Madeleine und Ken zum Abendessen kamen. Es war Georges Idee gewesen, die beiden einzuladen. Ken schloss alle Versicherungen für seinen Autogroßhandel bei Georges Firma ab, und George revanchierte sich dafür, indem er mit ihm Squash spielte.
Stephanie hatte gesagt: »Was für eine glänzende Idee!«, nicht, weil sie besonders große Lust gehabt hätte, sich den ganzen Nachmittag mit einem Stück (vermutlich BSE-verseuchtem) von Blut triefendem Rindfleisch abzumühen oder in stundenlanger Arbeit Tiramisu zuzubereiten, sondern weil Madeleine beruflich einen Bombenerfolg hatte und eine Sekretärinnenagentur samt virtuellem Büro leitete. Selbst George – der niemals viel Begeisterung für irgendeine von Stephanies Freundinnen oder ganz allgemein für weibliche Belange zeigte – zollte ihr Anerkennung.
Wenn Madeleine ihr einen Job verschaffte, würde George vielleicht endlich aufhören, ständig dieses entmutigende Gerede von sich zu geben. Also hatte Stephanie sich schier die Seele aus dem Leib gekocht, den dreien zugehört, wie sie Computersysteme verglichen, die ihr vollkommen unbekannt waren, und auf ihre Chance gewartet. Aber als die dann endlich kam, hatte George ihren Gast voll und ganz in Beschlag genommen.
»Wie läuft das Geschäft?«, fragte er, während er Wein ausschenkte.
»Oh!« Madeleine warf den Kopf zurück, lachte und rollte in gespielter Verzweiflung mit den Augen. »Hervorragend! Wenn ich nur das richtige Personal finden könnte.« Sie hatte eine tiefe, leicht heisere Stimme.
Auch George lachte. »Was für eine Empfehlung!«, scherzte er. »Ich dachte, ihr wärt eine Firma, die Personal rekrutiert.«
Madeleine betrachtete ihre langen roten Fingernägel. »Oh, wir leisten derzeit hauptsächlich virtuelle Bürodienste«, sagte sie. »In dem Bereich kann man wirklich Gewinne machen. Wir arbeiten für Firmen, die sich keine großen Büroräume und keine Vollzeittelefonistin leisten können. Oder für Organisationen, deren Angestellte großteils von zu Hause aus arbeiten. Es ist ganz einfach: Ihre Kunden rufen eine Nummer an, und wir antworten im Namen der Firma. Dann finden wir heraus, mit wem sie sprechen möchten, und leiten diesen Anruf dahin weiter, wo die betreffende Person gerade ist – entweder auf ihre häusliche Leitung oder auf ihr Handy oder auf die Voicemail.« Madeleine lächelte. »Der Anrufer hat davon keine Ahnung, er glaubt, er spräche mit der Firmenzentrale.«
»Sehr clever«, meinte George bewundernd. Als Stephanie das Fleisch hereinbrachte, hörte sie, wie er Madeleine nach den Telefonsystemen fragte.
»Das sieht ja großartig aus!«, sagte Ken, als sie die Platte auf den Tisch stellte. »Und was treibst du so in letzter Zeit?«, erkundigte er sich freundlich, als sie sich setzte und die Schüssel mit den Zuckererbsen vor ihn hinstellte.
Stephanie zwang sich zu sagen: »Ich bin gerade auf der Suche nach einem Job.« (Jawohl, George, hast du mich gehört?) Aber George reichte Madeleine gerade die Kartoffeln. Nur Ken sah sie an.
Früher hatten George und Stephanie oft das Was-finden-sie-nur-aneinander?-Spiel gespielt, wenn sie andere Paare trafen. Manchmal war die Frau das Rätsel, manchmal der Mann. Bei Madeleine war es unschwer zu erraten – jeder Mann würde sich von ihrer großen, kühlen, gepflegten Erscheinung angezogen fühlen. Aber Ken erinnerte Stephanie immer an ein Schwein – klein und gedrungen, mit einem leicht vorgestülpten Mund und großen, fleischigen Lippen. Ein nettes, liebenswürdiges Schwein. Er lächelte Stephanie an. »Nach was für einer Arbeit hältst du denn Ausschau?«
Sie fing an zu erklären, dass sich das Grafikdesign in den letzten Jahren – leider ohne sie! – enorm weiterentwickelt habe und sie hier in der Gegend ohnehin keine Stelle in diesem Bereich bekommen würde; dann holte sie tief Luft, schaute Madeleine direkt an und sagte: »Im Grunde ist es mir egal, was für eine Arbeit es ist. Ich denke, ich nehme am Anfang einfach, was ich kriegen kann. Zum Beispiel einen Bürojob.«
George rückte eben mit viel Getue die Teller hin und her, nahm Madeleines Weinglas in die Hand und langte nach der Flasche, um nachzuschenken. Über seinen Arm hinweg nickte Madeleine und lächelte.
Sie sagte nicht: Ach so, also dann solltest du mich unbedingt anrufen – ich bring dich irgendwo unter. Sie sagte überhaupt nichts. Sie nickte nur.
»Das sieht ja ungemein lecker aus«, sagte Ken und nahm sich eine weitere Scheibe von dem zarten roten Fleisch.
»Mmmm, ja, wirklich köstlich«, murmelte Madeleine – und der günstige Augenblick war vorüber.
Plötzlich sprachen alle über die Renovierung der Bar im Squash-Club und was man tun sollte, um dafür Geld aufzutreiben, und George schenkte noch mehr Wein aus, während Stephanie stumm dasaß und hart schluckte. So hart, dass ihr zwei Zuckererbsen unzerkaut die Kehle hinunterglitten, woraufhin Ken aufsprang und ihr kräftig auf den Rücken klopfte. Sie kam wieder zu Atem, ehe er ernsthafte Erste-Hilfe-Maßnahmen ergreifen konnte, aber George, der über den Tisch in ihr krebsrotes Gesicht starrte, runzelte tadelnd die Stirn, als hätte sie das absichtlich gemacht.
Millie wäre das nicht passiert. Millie hätte Madeleine direkt in die Augen geschaut und gefragt: »Hast du was Interessantes für mich? Akten ordnen und Daten eingeben? Eine Arbeit als Bürogehilfin? Ich koche übrigens einen schauderhaft schlechten Kaffee.« Millie hätte gescherzt und ihren umwerfenden Charme versprüht. Hätte alle drei zum Lachen gebracht, bis sie sich geradezu überboten hätten, sie irgendwo unterzubringen.
Kelly winselte jetzt lauter und warf sich mit dem ganzen Körper gegen die Tür. Stephanie trocknete sich die Hände ab und öffnete.
»Du stinkst barbarisch«, sagte sie, als der Hund hereinschlich.
Sie tat das Gemüse in einen Kochtopf und legte geräuschvoll den Deckel auf. Kelly wedelte mit dem Schwanz.
»Und du lässt deine Haufen überall im Garten.« Sie knallte den Topf auf eine Keramikplatte. »Und wer muss sie wieder entfernen? Wer?«, fragte Stephanie. »Kannst du mir das verraten?«
Natürlich konnte sie Madeleine anrufen. Ja, warum eigentlich nicht? Es war noch etwas Zeit, ehe Millie mit den Kindern kam. Sie holte das rote lederne Adressbuch aus der Schublade in der Diele und suchte nach der Nummer.
Sie würde ganz lässig mit ihr plaudern. Hi, Madeleine! Erinnerst du dich, dass ich neulich sagte, ich würde gerne wieder arbeiten gehen? – Ja, bevor ich fast an ein paar Zuckererbsen erstickt bin – Na ja, und da habe ich gedacht, vielleicht könntest du ... Aber als ihre Hand eben den Hörer abnehmen wollte, klingelte das Telefon, und sie fuhr zusammen.
Es war der Kerl aus der Reparaturwerkstatt. Er begnügte sich nicht etwa damit, lang und breit zu erklären, was dazu geführt hatte, dass ihr Wagen eines Morgens um drei Uhr nicht angesprungen war und sie vor einer Ampel im Stich gelassen hatte. Nein, er zählte alle Ursachen auf, die sie ausgeschlossen, alle Autoteile, die sie überprüft hatten, berichtete, wo sie noch gesucht und welche Tests sie gemacht hatten, bevor er sie darüber informierte, sie seien in der Werkstatt übereingekommen, das Problem liege bei einem doppelten Dingsda mit Innenbackventil und einem beidseitigen Öltemperaturanzeiger, dem einzigen Ersatzteil, das sie nicht auf Lager hätten und erst morgen geliefert werde.
George hätte diesen Monolog abrupt unterbrochen und geschickt erfragt, wann der Wagen abholbereit sei, und aufgelegt. Stephanie hingegen hörte ihm geduldig zu und tat so, als interessiere sie das alles. Dabei schaute sie auf die Uhr und fragte sich, ob sie die nötige Courage aufbringen würde, um Madeleine anzurufen. Als sie endlich den Hörer auflegen konnte, klingelte es an der Tür.
Charlotte und Toby gingen seufzend und ächzend an ihr vorbei in die Diele und ließen dabei ihre Sandwichdosen und Schulmappen fallen. Millie blieb vor der Tür stehen. Stephanie drückte ihren Arm. »Vielen Dank. Kommst du nicht herein?«, fragte sie.
»Kann nicht. Hab eine Menge zu tun, und Ben ist im Auto.« Sie wirkte strahlend und aufgekratzt. »Aber ich seh dich später. Du kommst doch heute Abend?«
»Och, ich weiß nicht.«
»Steph, du musst. Es ist genau das, was dir fehlt. Und Amanda braucht uns wirklich. Dieser Dreckskerl Stuart ist so knickerig geworden, seitdem sie mit dem Friseur abgehauen ist. Sie muss irgendwie etwas Kohle verdienen. Ich habe keine Ahnung, wie viele Gäste sie eingeladen hat«, fuhr Millie fort, »aber es ist immer besser, wenn eine Menge Leute da sind. Natürlich habe ich Jacqui und Sue eingeladen, aber sie können nicht. Kennst du noch jemanden, der vielleicht gerne kommen würde? Du kannst einladen, wen du willst – je mehr Leute, umso lustiger.«
Charlotte und Toby schienen in den acht Stunden, in denen sie fort gewesen waren, noch ein Stück gewachsen zu sein. Die Zimmerdecken erbebten unter dem Getrampel ihrer großen Füße. Stephanie schaute in die Diele, deren Boden mit Schuhen, Taschen und Jacken übersät war. Charlotte kam wieder die Treppe herunter und ging an ihr vorbei in die Küche. Mit ihren zwölf Jahren war sie schon jetzt größer als Stephanie und hatte die abweisende Miene ihres Vaters.
Stephanie folgte ihr. »Ich möchte, dass du die Hundehaufen einsammelst.«
»Igitt, kotz, würg.« Ihre Tochter hatte den Kühlschrank aufgemacht, holte diverse Packungen und Gläser heraus, schaute auf die Marken und schob sie angewidert wieder zurück.
»Du hast Kelly gewollt. Du hast gesagt, du würdest dich um sie kümmern.«
»Ja.« Sie knallte die Schranktür zu und trug den Käse zum Schneidebrett hinüber, machte den Brotkasten auf und nahm einen Laib heraus.
»Ich habe es satt, alles machen zu müssen.«
Charlotte zog vor Konzentration die Stirn in Falten, während sie an dem Brot herumsäbelte. »Wo sind die eingelegten Gurken?«
»Ich meine es ernst. Ich gebe Kelly weg, wenn du nicht endlich auch deinen Beitrag leistest.«
»Ist ja gut. Dad würde es ja sowieso nicht zulassen.« Charlotte legte zwei riesige Scheiben aufeinander. »Komm her, Kelly. Komm zu mir«, befahl sie.
Der Hund gehorchte sofort. Er sabberte.
»Bring ihn nicht nach oben!«
»Hör doch endlich auf, Mum!«
»PA-Personalagentur.«
Das junge Mädchen am anderen Ende der Leitung hatte eine tiefe, kühle Stimme, die Stephanie sofort ins Stocken brachte. »Oh, äh, Madeleine. Könnte ich bitte mit Madeleine sprechen?«
»Wer ist am Apparat?«
Toby stand plötzlich vor ihr, sein Hemd hing aus der Hose. Er wedelte fragend mit einer Schokoladenminirolle vor ihrer Nase herum.
»Ich habe erst drei gehabt. Kann ich noch eine haben?«, erkundigte er sich laut flüsternd.
Stephanie bedeutete ihm, er solle verschwinden, als eine neue Stimme an ihrem Ohr erklang. Toby rückte mit dem Gesicht noch näher an sie heran.
»Darf ich?«, fragte er dringlich. Warmer Schokoladenatem drang an ihre Wange. Sie drehte ihr Gesicht zum Hörer.
»Hallo?«
Toby schlenderte mit der Rolle davon.
»Oh, Madeleine, hier ist Stephanie. Ja, danke, mir geht’s gut. Und dir? Prima. Die Sache ist die, Madeleine, ich dachte gerade, ich meine, mir ist nur gerade eingefallen, ob du vielleicht ...« – na los, sag’s schon, Herrgott noch mal! – »Madeleine!« Sie sprudelte es heraus. »Würdest du gerne zu einer Party kommen?«
Stephanie hob Tobys Schuhe auf. Sie war ein hoffnungsloser Fall! Stephanie Walters – Spezialfach: Kommunikation. Haha! Sie hatte genauso kläglich versagt wie am Samstag. Vier Stunden Überlegung, drei Einkaufsgänge, eine halbe Flasche Portwein und zwei Lagen Schokoladentaler hatten ihr nicht gereicht, um eine einfache Frage auszusprechen.
Tobys Zimmertür war halb geschlossen, seine Schuluniform lag zusammengeknüllt zwischen der Tür und dem Türrahmen. Stephanie konnte die hohen Explosionslaute eines Computerspiels hören. Sie klopfte und schob die Tür weit auf.
Toby saß vorgebeugt da, die Augen waren nur wenige Zentimeter vom Bildschirm entfernt; eine Hand umklammerte den Joystick.
»Jaaa!« Er stieß ein befriedigtes Zischen aus.
Sie wartete, bis das Spiel in einem ohrenbetäubenden Crescendo endete und er sich nach gewonnener Schlacht entspannt zurücklehnte.
»Hattest du einen guten Tag in der Schule?«
»War okay.«
Warum in aller Welt machte sie sich überhaupt die Mühe zu fragen? Alles, was Charlotte sagen konnte, war: »Hör doch endlich auf, Mum!« Und Tobys gesamtes Repertoire bestand aus: »Okay.«
Kinder! Ich muss ständig an einen Mann denken, mit dem ich früher zusammen war ...
Hör doch endlich auf, Mum!
Heute habe ich ihn wiedergesehen. Er ist in unsere Küche gekommen, hat aus einem unserer Becher getrunken und mir in einer einzigen halben Stunde mehr Aufmerksamkeit geschenkt, als ihr es seit Jahren getan habt.
Okay.
Ich musste ständig auf diese Hände schauen, die mich früher so fasziniert haben. Während er sprach, bewegten sie sich und ließen etwas entstehen, zeigten mir, wie die Dinge sein könnten.
Mum – hör doch endlich auf!
Okay.
»Toby, könntest du wohl deine Uniform aufhängen?«
»Gleich.« Er suchte mit der Maus schon nach einem neuen Spiel in dem Kasten.
»Toby, bitte!« Ich schreie gleich los.
»Okay.«
Wahrscheinlich sollte sie für das Wenige dankbar sein. Froh sein, dass sie überhaupt mit ihr sprachen. George tat oft noch nicht einmal das.
»George!« Deine Frau ist hier. Die, die du zu lieben und zu ehren versprachst, erinnerst du dich?
George. Groß, im dunklen Anzug und noch immer attraktiv, auch wenn er langsam grau wurde. Wie aus dem Ei gepellt, mit tadellos weißen Manschetten, ließ er seine Aktenmappe in die gewohnte Ecke der Diele fallen. Sie trafen sich auf der Türschwelle zum Wohnzimmer.
»Mmmm! Was haben wir denn da für ein wunderschönes Hundchen! Ist meine Kelly nicht großartig? Na, was hast du heute Schönes gemacht? Hast du mich vermisst?«
Kelly stand mit hängender Zunge auf den Hinterbeinen, beide Pfoten auf Georges Brust. Stephanie zuckte angeekelt zusammen, als ihr der unverkennbare Geruch von Hot Dog (leider nicht der, der mit Zwiebeln und amerikanischem Senf einherging) in die Nase stieg.
Sie stellte sich vor ihren Mann.
»Hast du einen guten Tag gehabt?«
George rieb kräftig Kellys Hals. Speicheltropfen hingen an ihrem offenen Kiefer und tropften in reichlicher Menge auf den Teppich. Ihr Schwanz schlug an das Ende des hellen Sofas.
Stephanie betrachtete angewidert die langen, dunklen Hundehaare. »Das Abendessen ist fertig. Vergiss nicht, dass ich heute Abend ausgehe.«
George schaute überrascht auf. »Wirklich? Wohin denn?«
»Das habe ich dir doch gesagt. Eine Freundin von Millie gibt eine Party, auf der sie irgendwelche Accessoires verkauft. Ohrringe und so was, nehme ich an.«
»Klingt ja glänzend.« Er grinste sie an.
»Wir wollen es uns ein bisschen nett machen. Und Millie möchte etwas für Amanda tun. Ihr Mann ist ausgezogen.«
»Du wirst nach Zigarettenrauch stinken, wenn du zurückkommst.«
Und ich habe Madeleine dazu eingeladen. Endlich werde ich mit ihr sprechen. Und ich werde mein Leben ändern. »Übrigens, der Hund stinkt grauenhaft.«
»Ich werde ihn am Wochenende mit den Kindern baden.« George tätschelte Kellys Kopf. »Arme Kelly!«
Madeleine fasste sich ärgerlich und verzweifelt an die Stirn.
»Also los, Samantha! Stell dir vor: Du bist traumatisiert! Dein Ehemann hat sich aus dem Staub gemacht! Deine Mutter hängt schwer krank an einem Beatmungsgerät. Deine sechzehnjährige Tochter ist schwanger. Dein Sohn sitzt im Untersuchungsgefängnis. Du bist vollkommen durcheinander, Herrgott noch mal ...«
Das junge Mädchen schmollte.
»Versuchen wir’s noch einmal.« Madeleine schnipste mit den Fingern. »Von Anfang an.«
Sie nahm das Telefon, das vor ihr stand, und sagte mit künstlich tiefer Stimme: »Kann ich bitte mit Doreen sprechen?«
Samantha fingerte an ihren Kopfhörern herum. »O ja! Äh. Einen Augenblick, bitte. Ich weiß nicht genau, wo sie ist ...« Sie hielt inne und schniefte.
Madeleine rollte mit den Augen. »Ist denn das zu fassen?«, stöhnte sie.
Samantha blickte sie gequält an. »Was ist?«
»Was tun deine Hände unterdessen?«
Das Mädchen schaute auf ihre perlmuttfarbenen Nägel.
»Ja, genau!« Madeleine stand auf und begann, im Zimmer umherzugehen. »Sie sollten schon auf der Tastatur sein«, stieß sie ungeduldig aus. »Sollten Doreens Angaben zu ihrer Person aufrufen, ihre Kontaktnummer finden ...« Sie hielt inne und schaute Samantha scharf an. »Während du weitersprichst.«
Madeleine nahm auf einem Stuhl vor der Monitorenbank Platz und setzte sich Kopfhörer auf.
»Doreen?«, sagte sie vage. »Oh, ja. Sie war so reizend ...« Sie ließ ein kleines, unterdrücktes Schluchzen vernehmen. »Ich weiß nicht, was ich ohne sie getan hätte.« Sie machte eine Pause, schluckte und schien sich wieder zu sammeln. »Ich glaube, sie ist gerade auf der Toilette.« Sie nahm die Kopfhörer ab und knallte sie vor den glänzenden Schaltern hin. »Dann schaltest du auf Warten! Verstanden?« Sie schaute auf, als Jos dunkler Kopf in der Tür auftauchte.
»Mrs K. ist hier.«
Madeleine schloss ihre Bürotür und nahm einen tiefen Zug von ihrer Zigarette.
»Vollkommen nutzlos. Und ich dachte, sie wäre auf der Royal Academy of Dramatic Arts gewesen!«
Sie öffnete einen Schrank und nahm eine Flasche heraus, mit der sie einladend in Patsys Richtung winkte.
Patsy lehnte sich in einem der großen Ledersessel zurück und schüttelte den Kopf. »Irgend so was war es. Monica sagte, es hätte ein Vermögen gekostet.«
»Jedenfalls haben sie ihr dort nichts beigebracht. Sie ist völlig untalentiert.«
»Sie wird’s schon lernen.«
»Sollte sie auch«, sagte Madeleine grimmig. »Ich weiß, dass sie Monicas Patenkind ist ...«
»Die fünfzehn Prozent unseres Umsatzes bestreitet.«
»Aber das allein reicht nicht aus. Die Kleine ist zu lahm.«
»Sie hat bisher ein behütetes Leben geführt. Deshalb will Monica, dass sie ein bisschen raus ins wirkliche Leben kommt. Na, wenigstens wird sie den Mund halten. Und schließlich«, Patsy zog eine Grimasse »sind die anderen auch nicht gerade Lichtgestalten! Die, die mich mit dem Wagen abgeholt hat ...«
Madeleine machte ein ärgerliches Gesicht. »Ihre Schicht war schon um. Eigentlich hätte sie überhaupt nicht mehr zu kommen brauchen.« Sie goss einen Schuss Whisky in ihre Tasse. »Ich bade ständig die Probleme mit dem Personal aus. Wenn man das unfähige Mädel da draußen mal ausnimmt, kann ich nicht finden, dass du eine große Hilfe bei der Überwachung unserer Angestellten bist.«
»Ich bin nur stille Teilhaberin.«
»So still nun auch wieder nicht. Deine Herumschlaferei ist eine größere Belastung als diese verdammten Kundinnen.«
Sie setzte sich. Patsy stand auf, ging dahin, wo Madeleines Zigaretten lagen, und nahm sich eine aus der offenen Packung.
»Okay, okay.«
Madeleine hielt ihr das Feuerzeug hin. »Ich dachte, du hättest es aufgegeben.«
»Habe ich auch.«
Patsy hockte sich auf die Schreibtischkante und bewunderte ausgiebig ihre makellosen, bestrumpften Beine, während sie den Rauch inhalierte.
»Es war nicht meine Schuld«, sagte sie wehleidig. »Wie hätte ich wissen sollten, dass Dave meine Sachen durchstöbern würde? Dieser Mann ist so grässlich misstrauisch.« Mit einem langen Seufzer blies sie Rauchwolken aus.
Madeleine hob die Augenbrauen. »Manchmal glaube ich dir einfach nicht«, sagte sie. »Warum, um alles in der Welt, musstest du dieses Stück Papier aufheben?«
Patsy zuckte die Achseln. »Das wollte ich ja gar nicht. Er hat mir seine Nummer gegeben und diese Adresse, wo ich ihn treffen sollte. Ich hatte sie mir mit seinem Namen und dem Vermerk ›Mittwoch‹ auf einem Zettel notiert. Am nächsten Morgen hat er dann angerufen und gesagt, er würde mich an der Haltestelle abholen. Damit war seine Nummer in meinem Handy, und den Zettel hatte ich einfach vergessen.«
»Wo war er?«
»Keine Ahnung. In einer meiner Handtaschen, nehme ich an.«
Madeleine schaute sie an. »Du bist ein hoffnungsloser Fall. Den ganzen Tag predige ich allen, niemals irgendwas Schriftliches aufzuheben, und was tust du? Was hast du Dave erzählt?«
»Ich habe einfach behauptet, ich hätte es für dich notiert. Jemand bräuchte eine Sekretärin.«
»Wenn der Zettel in deiner Handtasche war, dann denkt er, du hättest wieder begonnen fremdzugehen. Also solltest du besser vorsichtig sein.«
Patsy machte eine wegwerfende Handbewegung. »Er ahnt nicht das Geringste. Wirklich. Er ist nur ein bisschen komisch wegen des Vorfalls im Club. Er behauptet, ich hätte den Barmann befummelt!« Ihre glänzenden Schmolllippen kräuselten sich entrüstet. »Kannst du dir das vorstellen?«
»Du glaubst ja fast selbst an deine Unschuld. Ich war auch dabei, vergiss das nicht.«
»Ich habe nur ein bisschen herumgealbert. Und Dave soll bloß still sein! Er konnte seine Hände nicht von dieser aufgedonnerten kleinen Bauunternehmerfrau lassen.«
»Das tut für ihn vermutlich nichts zur Sache«, erklärte Madeleine ruhig, da Patsys Stimme lauter geworden war. »Vergiss das jetzt. Die Krise ist abgewendet. Aber lass dir das eine Warnung sein.« Madeleine drückte auf den Knopf der Sprechanlage. »Jo! Sag Samantha, sie soll nach Hause gehen und morgen Punkt acht Uhr wieder da sein. Und bring uns dann noch etwas Kaffee.«
Sie wandte sich wieder an Patsy. »Hast du Lust, heute Abend auszugehen? Willst du was Neues zum Herumspielen? Stephanie hat eine Freundin, die eine Freundin hat – übrigens eine ziemliche Versagerin –, die eine Party gibt, zu der nur Frauen eingeladen sind. Wo Reizwäsche und Accessoires verkauft werden. Du weißt ja, wie Stephanie ist – denkt wahrscheinlich, Toys wären etwas, was man für die Kinder ersteht.«
Patsy holte einen kleinen goldenen Spiegel aus ihrer Handtasche und betrachtete sich darin. »Ich sehe grässlich aus.«
»Sie will, dass ich hingehe. Ich habe ihr gesagt, ich würde dich fragen, ob du mitkommen willst.«
»Ich kann nicht. Ich muss nach Hause und mit Dave pennen.« Patsy gähnte. »Er muss beruhigt werden. Ich will nicht, dass er mir wieder meine Kreditkarten zerschneidet.«
Madeleine nahm das Telefon und begann, eine Nummer zu wählen. Sie schüttelte den Kopf, als Patsy ihre Jacke anzog.
»Du solltest besser vorsichtig sein. Diesmal überspannst du den Bogen wirklich.«
Patsy lachte. »Das sagst du doch immer!«
Stephanie hörte das Taxi hupen, als sie in der Tür zum Wohnzimmer stand. George saß auf einem der Sofas, Kelly zu seinen Füßen. Charlotte lag der Länge nach auf dem anderen. Toby saß im Schneidersitz auf dem Boden, kaum einen Meter vom Fernseher entfernt; seine abstehenden Ohren zeichneten sich gegen den grellen Bildschirm ab.
»Tschüss, dann!«
»Bis später.« George schaute kurz hoch und winkte ihr zu.
Anne Robinson in einem todschicken Armani-Kostüm nahm eben den gesamten Bildschirm ein, während ein kleiner Mann mittleren Alters auf seinem Podium in sich zusammensackte. Beide Kinder schienen völlig von der Szene gebannt zu sein. Stephanie warf ihnen Kusshände zu, doch sie reagierten nicht.
»Na, gute Nacht dann«, rief sie ihnen noch von der Diele aus zu, als sie die Haustür öffnete.
»Du bist das schwächste Glied in der Kette«, rief ihr Charlotte fröhlich zu, während sie die Tür schloss. »Wiedersehen!«
Millie hatte ein Glas Wein in einer und einen riesigen schwarzen Penis in der anderen Hand. Sie grinste, als Stephanie eben hinter Amanda ins Zimmer trat.
»Alles okay, Steph?«
Stephanie schaute auf die Plastikadern und das Büschel synthetischer Schamhaare und kam zu dem Schluss, dass dies nicht unbedingt der Fall war.
Sie zuckte zusammen, als Millie, die ihr Erröten ignorierte, den Vibrator anstellte und ihn sich kennerhaft an die Nasenspitze hielt. »Aaaaah! Nicht annähernd genug Kitzel für mich!«
Die anderen brachen in lautes Lachen aus. Stephanie nahm einen größeren Schluck als beabsichtigt von dem Wein, den Amanda ihr in die Hand gedrückt hatte.
Millie wedelte mit dem Ding in der Luft herum. »Du musst stärkere Batterien einlegen, wenn du das Ding verkaufen willst, Amanda«, sagte sie.
Amanda war dünner geworden; ihre Haare waren fast weiß gebleicht, und ihre dunkelrot geschminkten Lippen ließen ihr Gesicht sogar noch blasser wirken. Als Stephanie sie an der Haustür begrüßte, hatte sie sich bemüht, etwas Teilnahmsvolles zu sagen, war aber vor dem Gesichtsausdruck der anderen zurückgeschreckt.
»Bin besser dran ohne ihn«, hatte Amanda sofort kühl erklärt, und Stephanie hatte daraufhin vorgezogen zu schweigen. Nun sah sie, wie Amanda einen kleinen, weißen, zylinderförmigen Gegenstand über die Sofalehne warf.
»Hier, versucht das mal! Passt in jede Handtasche, solltet ihr für den Notfall immer bei euch haben.«
Millie kreischte auf. »Hab ich jetzt schon. Allzeit bereit, das bin ich!«
Die kleine, dicke junge Frau auf dem Teppich gab ein anerkennendes, gackerndes Lachen von sich. »Hast du noch deinen eigenen Auflader, Mills?«, fragte sie.
Wieder lachten alle. Stephanie ließ sich auf einen Stuhl in der Ecke sinken. O Gott! Und hierher hatte sie Madeleine eingeladen. Sie fragte sich, wann sie beide wohl, ohne unhöflich zu sein, aufstehen und nach Hause gehen könnten.
Sie fragte sich, warum George immer Recht hatte.
Stephanie schaute sich im Zimmer um und blickte auf den Couchtisch, auf dem sich ein großer Haufen Gott weiß welcher Gegenstände stapelte, und auf die Ansammlung von Frauen, die Millie anerkennend anblickten. Millie genoss es, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen. Sie wirkte ganz entspannt in ihren Calvin-Klein-Jeans und dem äußerst eng anliegenden Top. Wie immer war sie stark dekolletiert.
Sie hatte die Schuhe ausgezogen und wackelte amüsiert mit ihren roten Zehennägeln, während Amanda etwas hochhielt, das wie zwei riesige Murmeln an einem Stück Schnur aussah. »Na, ich will gerne alles einmal ausprobieren, Amanda. Aber ich habe gehört, dass sie beim Gehen aneinander stoßen und klirren.«
Das dicke Mädchen war so erheitert, dass sie ganz rote Wangen hatte. »Ich würde mir Sorgen machen, wie man sie wieder rauskriegt. Schon allein der Gedanke daran treibt einem das Wasser in die Augen.«
All das machte Stephanie ganz benommen. Sie trank hastig ihren Wein und wandte den Kopf ab, als Amanda sich daranmachte, einen merkwürdig aussehenden Apparat vorzuführen, der Stephanie schon zuvor als besonders abartig aufgefallen war.
Es war nur noch eine andere Frau da, die ebenfalls peinlich berührt zu sein schien. Sie saß in der gegenüberliegenden Ecke, trug einen marineblauen Rock und hatte die Augen niedergeschlagen; ihr glattes Haar fiel ihr strähnig in die Stirn. Jetzt schaute sie mit unbewegtem Gesicht auf, und Stephanie lächelte sie an. Die Frau senkte wieder den Blick.
»Also, ich gestehe, ich weiß nicht, welches Teil wo reingehört«, sagte Amanda gerade, »aber es heißt, es wäre ein absolut einzigartiges Erlebnis.«
Millie hielt einen noch größeren Vibrator in die Höhe. »Hey – der sieht noch besser aus! Kann ich den mal zur Probe mitnehmen?« Sie hielt das Ding vor sich in die Höhe und spitzte die Lippen zu einem imaginären Kuss. »Der schläft nicht dabei ein, furzt nicht ...«
Alle lachten, und die Frau auf dem Sofa neben ihr gab ihr einen ermutigenden kleinen Stups. »Garantiert dir, dass du immer zuerst kommst!«
»Wenn ihr irgendetwas anprobieren wollt ...«, sagte Amanda, als ein paar Frauen begannen, den Ständer mit der seidenen Reizwäsche vor dem Kamin zu durchstöbern.
»Das finde ich toll!« Das dicke Mädchen hielt ein durchsichtiges Negligé vor sich. »Und ich glaube, meinem Kevin wird’s auch gefallen. Kommt noch jemand?«
Eine Rothaarige, die eine ganze Ladung schwarzer Spitzenunterwäsche über dem Arm hängen hatte, ging zu ihr hinüber. »Hübsches Gummimieder, Millie!«
Millie grinste. »Später. Los, Amanda, führ uns erst die restlichen Toys vor.«
Amanda griff in eine Schachtel neben sich und zog etwas Riesiges, Rosafarbenes aus Gummi heraus. Stephanie sprang erleichtert auf, als sie es an der Tür klingeln hörte. Sie schaute von einer zur anderen. »Soll ich hingehen?«
Millie, die sich eben eine Hand voll Tortillachips in den Mund stopfte, nickte.
Stephanie öffnete die Haustür. Madeleine stand, untadelig und makellos, in einem schwarzen Kostüm davor. Sie küsste Stephanie auf beide Wangen. Stephanie legte eine Hand auf ihren Arm. »Madeleine, es ist nicht das, was ich gedacht hatte ...«
Madeleine zuckte die Schultern. »Ich hatte einen irrsinnig anstrengenden Tag im Büro, und Ken ist verreist. Mir ist egal, was es ist, wenn ich nur einen Drink bekomme.«