Ein ungezähmtes Tier - Joël Dicker - E-Book

Ein ungezähmtes Tier E-Book

Joël Dicker

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Beschreibung

Ein schillerndes Ehepaar und ein raffinierter Juwelenraub: Dickers bestes Buch! 500.000 Exemplare: Platz 1 in Frankreich – bald Platz 1 in Deutschland? 2. Juli 2022: In Genf bereiten zwei Einbrecher den Überfall auf einen Juwelier vor. Doch dieser Raub ist alles andere als zufälliges Verbrechen ... Fünf Tage zuvor plant Sophie Braun ein großes Fest anlässlich ihres 40. Geburtstags. Sie lebt mit ihrer Familie in einem großzügigen Haus am Genfer See, das Leben scheint ihr zuzulächeln. Aber die Idylle trügt. Denn ihr Ehemann ist offenbar in kriminelle Machenschaften verstrickt. Ihr Nachbar, ein vermeintlich untadeliger Polizist, spioniert die intimsten Winkel ihres Lebens aus. Und dann offeriert ihr ein Unbekannter ein Geschenk, das sie tief erschüttern wird. Was verbirgt sich hinter der schillernden Fassade des privilegierten Paars? Und was verbindet sie mit dem raffinierten Juwelenraub?

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Übersetzung aus dem Französischen von Michaela Meßner und Amelie Thoma

© Joël Dicker 2024

Titel der französischen Originalausgabe:

»Un animal sauvage«, Éditions Rosie & Wolfe SA, Genf 2024

© 2025: Piper Verlag GmbH, Georgenstraße 4, 80799 München, www.piper.de

Für einen direkten Kontakt und Fragen zum Produkt wenden Sie sich bitte an: info@piper.de

Covergestaltung: Rothfos & Gabler

Coverabbildung: David de las Heras

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken. Die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ist ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben.

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Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

DAS EREIGNIS

PROLOG

Der Tag des Raubüberfalls

Samstag, 2. Juli 2022

ERSTER TEIL

Die Tage vor ihrem Geburtstag

KAPITEL 1 –20 Tage vor dem Raubüberfall

Samstag, 2. Juli 2022 –

Der Tag des Raubüberfalls

KAPITEL 2 –19 Tage vor dem Raubüberfall

Samstag, 2. Juli 2022 –

Der Tag des Raubüberfalls

KAPITEL 3 –18 Tage vor dem Raubüberfall

15 Jahre zuvor –September 2007

KAPITEL 4 –17 Tage vor dem Raubüberfall

Samstag, 2. Juli 2022 –

Der Tag des Raubüberfalls

KAPITEL 5 –16 Tage vor dem Raubüberfall

13 Jahre zuvor –Mai 2009

KAPITEL 6 –15 Tage vor dem Raubüberfall

Samstag, 2. Juli 2022 –

Der Tag des Raubüberfalls

Zehn Jahre zuvor –Juni 2012

KAPITEL 7 –14 Tage vor dem Raubüberfall

Samstag, 2. Juli 2022 –

Der Tag des Raubüberfalls

KAPITEL 8 –13 Tage vor dem Raubüberfall

Sieben Jahre zuvor –April 2015

KAPITEL 9 –12 Tage vor dem Raubüberfall

Ein Jahr zuvor –JUNI 2021

ZWEITER TEIL

Die Tage vor Gregs Entdeckung

KAPITEL 10 –11 Tage vor dem Raubüberfall

Samstag, 2. Juli 2022 –

Der Tag des Raubüberfalls

KAPITEL 11 –10 Tage vor dem Raubüberfall

Samstag, 2. Juli 2022 –

Der Tag des Raubüberfalls

16 Jahre zuvor –Juli 2006

KAPITEL 12 –9 Tage vor dem Raubüberfall

15 Jahre zuvor –17. September 2007

KAPITEL 13 –8 Tage vor dem Raubüberfall

Samstag, 2. Juli 2022 –

Der Tag des Raubüberfalls

KAPITEL 14 –7 Tage vor dem Raubüberfall

Samstag, 2. Juli 2022 –

Der Tag des Raubüberfalls

KAPITEL 15 –6 Tage vor dem Raubüberfall

Samstag, 2. Juli 2022 –

Der Tag des Raubüberfalls

DRITTER TEIL

Die Tage vor dem Raubüberfall

KAPITEL 16 –5 Tage vor dem Raubüberfall

Samstag, 2. Juli 2022 –

Der Tag des Raubüberfalls

KAPITEL 17 –4 Tage vor dem Raubüberfall

Der Panther

KAPITEL 18 –3 Tage vor dem Raubüberfall

15 Jahre zuvor –September 2007

KAPITEL 19 –2 Tage vor dem Raubüberfall

15 Jahre zuvor –20. September 2007

KAPITEL 20 –Der Tag vor dem Raubüberfall

KAPITEL 21 –Der Tag des Raubüberfalls

4 Monate nach dem Raubüberfall –23. November 2022

EPILOG

Anderthalb Jahre nach dem Raubüberfall

31. Dezember 2023

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

DAS EREIGNIS

Am 2. Juli 2022 sorgte ein spektakulärer Raubüberfall in Genf für große Aufregung.

Von diesem Ereignis handelt der vorliegende Roman.

PROLOG

Der Tag des Raubüberfalls

Samstag, 2. Juli 2022

9:30 Uhr.

Die beiden Täter drangen von zwei Seiten gleichzeitig in den Juwelierladen ein.

Der erste kam wie ein normaler Kunde durch die Eingangstür. Seine elegante Erscheinung hatte den Sicherheitsmann getäuscht, Schirmmütze und Sonnenbrille waren im Juli nichts Ungewöhnliches.

Der andere trug eine Sturmhaube und zwang mit abgesägtem Gewehr eine Angestellte, ihm die Hintertür zu öffnen.

Nichts war dem Zufall überlassen worden: Sie kannten sich offenbar bestens aus, hatten Zugang zum Gebäude- und Personalplan gehabt.

Sobald sie drin waren, fesselte die Sturmhaube die Angestellte im Hinterzimmer des Ladens und eilte zu ihrem Komplizen. Der zückte den Revolver, den er am Gürtel trug, und brüllte: »Keine Bewegung! Das ist ein Überfall!« Dann zog er einen Timer aus der Tasche und drückte auf Start.

Sie hatten exakt sieben Minuten.

ERSTER TEIL

Die Tage vor ihrem Geburtstag

KAPITEL 1 –20 Tage vor dem Raubüberfall

→ Sonntag, 12. Juni 2022

Montag, 13. Juni

Dienstag, 14. Juni

Mittwoch, 15. Juni

Donnerstag, 16. Juni

Freitag, 17. Juni

Samstag, 18. Juni (Wochenende in St. Tropez)

Sonntag, 19. Juni (Wochenende in St. Tropez)

Montag, 20. Juni (Sophies Geburtstag)

Das Haus, ein großer, moderner, komplett verglaster Kubus mit großer Terrasse und Schwimmbad im gepflegten Garten, war umgeben von Wald. Das Anwesen war eine Oase, ein kleines, verborgenes, vor Blicken geschütztes Paradies, zu dem man nur über einen Privatweg gelangte. In diesem Traumhaus wohnte ein Traumpaar: Arpad und Sophie Braun mit ihren beiden zauberhaften Kindern.

Auch an diesem Morgen schlug Sophie um sechs Uhr die Augen auf. Schon seit einiger Zeit wurde sie immer zur gleichen Uhrzeit wach. Neben ihr lag Arpad und schlief tief und fest. Es war Sonntag, sie wäre gern noch einmal eingedöst. Sie drehte sich um, doch es half nichts. Schließlich stand sie leise auf, zog ihren Morgenmantel an und ging hinunter in die Küche, um sich einen Kaffee zu machen.

In einer Woche wurde sie vierzig, und sie war schöner denn je.

Vom Waldrand aus hatte man einen perfekten Einblick in den Glaskubus. Ein Mann, der wusste, dass er in seinen dunklen Sportklamotten kaum gesehen werden konnte, kauerte hinter einem Baumstamm und starrte auf Sophie in ihrer Küche.

Den Kaffee in der Hand, betrachtete Sophie den Waldrand, an den ihr Garten grenzte. Es war ihr Morgenritual. Sie ließ den Blick über ihr kleines Reich schweifen, ohne zu ahnen, dass sie beobachtet wurde.

Wenige Kilometer entfernt, im Zentrum von Genf, fuhr ein grauer Peugeot mit französischem Kennzeichen eine leere Avenue entlang. Der ausländische Wagen zu dieser frühen Stunde zog die Aufmerksamkeit einer gelangweilten Polizeistreife auf sich, die ihn herauswinkte. Das Blaulicht huschte über die Fassaden der umliegenden Gebäude, während die Polizisten den Peugeot und seinen Fahrer überprüften. Es war alles in Ordnung. Einer der Beamten fragte den Mann, was ihn nach Genf führe.

»Ein Besuch bei der Familie«, antwortete dieser. Offenbar zufrieden, ließen die Polizisten ihn weiterfahren. Der Fahrer beglückwünschte sich zum Kauf dieses Gebrauchtwagens, den er sehr billig und noch dazu vollkommen legal erstanden hatte. Perfekt, um nicht aufzufallen.

Sophie blickte immer noch aus dem Fenster in ihren Garten. Manchmal schnürte ein Fuchs über den Rasen, und einmal hatte sie sogar ein Reh gesehen. Sie liebte dieses Haus, das sie vor einem Jahr mit ihrem Mann gekauft hatte. Sie hatten im Herzen von Genf gelebt, im Champel-Viertel. Der Gedanke, ein Haus mit einem Garten für die Kinder zu kaufen, hatte sie schon seit einer Weile beschäftigt. Die steigenden Immobilienpreise hatten sie schließlich dazu bewogen, ihre Wohnung mit hübschem Gewinn zu veräußern und sich nach einem Haus umzutun. Als sie sich diese Architektenvilla im schicken Cologny ansahen, hatten sie keine Sekunde gezögert. Sie würden jeden Morgen in dieser zauberhaften Umgebung aufwachen, keine vier Kilometer vom Genfer Stadtzentrum entfernt, in dem sie beide arbeiteten. Nur wenige Bushaltestellen, zwölf Autominuten, fünfzehn Minuten mit dem E-Bike für die Hipster, mehr brauchte es nicht, um von der einen Welt in die andere zu gelangen.

Der im Gebüsch versteckte Mann beobachtete Sophie jetzt mit einem kleinen Militärfeldstecher. Sein Blick wanderte aufmerksam über den schlanken Körper und verharrte an einer Stelle auf dem Oberschenkel, wo der kurze Morgenmantel das Tattoo eines Panthers enthüllte.

Wenige Dutzend Meter hinter ihm lag sein an einen Baum angeleinter Hund auf einem Laubteppich und wartete geduldig. Das Tier kannte dieses Spielchen, das sich jetzt schon mehrere Wochen wiederholte:

Der Mann kam jeden Tag hierher. Im Morgengrauen ließ er sich an derselben Stelle nieder und beobachtete Sophie durch die großen Panoramafenster. Die Brauns schliefen mit offenen Jalousien, und er konnte alles sehen: wie sie aufstand, wie sie hinunter in die Küche ging, um sich einen Kaffee zu machen und ihn am Fenster zu trinken. Sie war so betörend. Sie beherrschte sein ganzes Denken. Er war von ihr besessen.

Als sie ihren Kaffee getrunken hatte, ging Sophie hinauf in den ersten Stock und betrat das eheliche Schlafzimmer. Sie zog den Morgenmantel aus und schlüpfte nackt ins Bett, wo ihr Mann immer noch schlief.

Vom Wald aus wurde sie voller Begehren betrachtet. Doch dann holte die Realität ihren heimlichen Beobachter ein. Er musste gehen, er musste zurück sein, ehe Karine und die Kinder wach wurden.

Er band seinen Hund los und ging, wie er gekommen war: joggend. Vom Waldweg bog er in die Hauptstraße ab und erreichte rasch die kleine Reihenhaussiedlung im Dorf. Eine Gruppe identischer Häuser, eine preiswerte Wohnmöglichkeit für die Mittelklasse, das hatte in dieser schicken, an Luxusvillen gewöhnten Gemeinde für Unmut gesorgt.

Als er durch die Haustür trat, hörte er, wie seine Frau rief: »Greg? Bist du das?«

Er fand Karine im Wohnzimmer, wo sie ein Buch las und ihren Tee trank. Die Kinder schliefen noch. »Schon auf, mein Schatz?«, fragte er mit gespielter Gelassenheit.

»Ich habe gehört, wie du aufgestanden bist, und konnte nicht wieder einschlafen.«

»Tut mir leid. Ich wollte dich nicht wecken. Ich bin mit dem Hund laufen gewesen.«

Greg, der nichts als Sophie im Kopf hatte, setzte sich zu seiner Frau aufs Sofa und schmiegte sich an sie. Aber Karine war offensichtlich nicht in Stimmung.

»Nicht doch, Greg, die Kinder werden gleich wach. Wenn ich schon einmal in aller Ruhe schmökern kann.«

Enttäuscht ging Greg zum Duschen in den ersten Stock. Er blieb lange unter dem lauwarmen Wasserstrahl. Sollte man seine morgendlichen Eskapaden entdecken, würden sie ihn teuer zu stehen kommen. Er könnte seinen Job verlieren. Karine würde ihn verlassen. Er schämte sich ja selbst dafür, eine Frau in ihrem Haus auszuspähen. Aber er kam nicht dagegen an. Das war das Problem.

Seine Faszination für Sophie hatte einen Monat zuvor bei einem Fest der Brauns begonnen. Seit jenem Abend war er nicht mehr derselbe.

Einen Monat zuvorSamstag, 14. Mai 2022

Greg und Karine hätten auch zu Fuß kommen können. Das schlechte Wetter hatte sie dann doch bewogen, das Auto zu nehmen. Die Fahrt dauerte keine drei Minuten. Sie nahmen die Route de la Capite, dann bogen sie gemäß den Anweisungen des GPS auf den kleinen Privatweg ab, der durch den Wald zum Haus der Brauns führte.

»Schon komisch«, stellte Greg fest, »ich laufe hier oft mit dem Hund, trotzdem wusste ich nicht, dass am Ende des Weges ein Haus steht.«

Sie waren zum ersten Mal bei Sophie und Arpad, Anlass war die Feier zu Arpads vierzigstem Geburtstag. Nach den vielen Autos zu schließen, die am Wegrand parkten, waren schon etliche Leute da. Greg nahm einen der letzten freien Plätze auf dem grasbewachsenen Seitenstreifen, und sie gingen zu dem großen, offen stehenden Tor, dessen metallischer Anstrich ziemlich aus der Vegetation rausknallte.

Arpad und Greg hatten sich im örtlichen Fußballverein kennengelernt, in dem ihre ungefähr gleich alten Söhne spielten. Die beiden Väter gehörten dem Freiwilligenteam an, das sich um den Getränkeausschank am Spielfeldrand kümmerte, mit dem die Clubkasse ein bisschen aufgebessert wurde. Sie waren sich auf Anhieb sympathisch gewesen.

Karine dagegen kannte die Brauns überhaupt nicht. Sie war nervös. Auf unbekanntem Terrain fühlte sie sich schnell unwohl. Um ihre Unsicherheit zu überspielen, redete sie drauflos:

»Wie nett, dass sie uns eingeladen haben.«

Greg nickte.

»Wie viele Leute kommen denn?«, fragte sie.

»Keine Ahnung.«

»Hat Arpad dir nichts gesagt?«

»Nein.«

»Eher ein Dutzend oder um die dreißig? Worauf muss ich mich einstellen?«

»Ich weiß es nicht. Ich habe diesen Abend nicht geplant.«

»Vielleicht hat Arpad es mal erwähnt.«

»Nein, hat er nicht.«

»Worüber redet ihr denn, wenn ihr zusammen den Getränkeausschank für den Club schmeißt?«

Greg zuckte mit den Schultern: »Über die Kinder, das Leben, irgendwas Banales … Aber bestimmt nicht über Einzelheiten seiner Geburtstagsfeier.«

»Ist auch egal«, beendete Karine dieses sinnlose Gespräch. »Jedenfalls nett, dass sie uns eingeladen haben.«

Schweigend gingen sie weiter. Derzeit schwiegen sie ziemlich viel. Karine war überzeugt, dass ihnen der letztjährige Umzug nach Cologny nicht gutgetan hatte. Sie hatten in einer Mietwohnung im Zentrum von Genf gewohnt, im Eaux-Vives-Viertel. Eine belebte Straße, die Läden waren zu Fuß zu erreichen, der Genfersee lag gleich nebenan. In der Wohnung hatten sie sich wohlgefühlt, für eine vierköpfige Familie war es zwar ein bisschen eng, aber die Miete war unschlagbar niedrig gewesen. Aber dann hatte Greg ein bisschen was geerbt (von seiner Großmutter). Sobald er das Geld hatte, fing er mit seinem spießigen Gerede an, man müsse investieren, am besten in Immobilien, das sei sicherer als Aktien. Außerdem würden die Banken achtzig Prozent der benötigten Summe als Kredit dazugeben, bei Zinsen, die auf einem historischen Tiefstand waren. Also hatte er begonnen, die Immobilienanzeigen durchzukämmen, und dabei war er auf dieses Projekt in Cologny gestoßen: hübsche kleine Doppelhaushälften, die man noch vor Fertigstellung kaufen konnte. Die Bilder brachten einen in der Tat zum Träumen. Ein eigenes Haus mit einem kleinen Garten. Ein Leben wie auf dem Land, nur wenige Minuten von der Stadt entfernt. Greg versicherte, sie könnten nichts falsch machen: Seit Jahrzehnten seien die Immobilienpreise immer nur gestiegen. Also hatten sie den Schritt gewagt. Alles war wie von allein gegangen. Die Bank hatte ihnen den Kredit bewilligt, beim Notar hatten sie den Kaufvertrag unterzeichnet, letztes Jahr waren sie in die feine Gemeinde Cologny gezogen. Doch seit dem Umzug litt Karine unter dem Eindruck, nicht hier hinzugehören. Nun kam ihr das Haus kleiner vor als gedacht: Zwischen der Vorstellung, die sie sich anhand der Pläne von den einzelnen Räumen gemacht hatte, und der Realität gab es einen großen Unterschied. Es fühlte sich ein wenig beengt für sie an, dabei hatte das neue Zuhause deutlich mehr Quadratmeter als das alte. Dann begriff sie, dass ihr Unwohlsein vor allem mit der neuen Umgebung zusammenhing. Denn in diesem prächtigen Genfer Vorort sah man den meisten Anwohnern ihren unverschämten finanziellen und sozialen Erfolg an: es waren Anwälte, Bankiers, Chirurgen, Geschäftsmänner, Unternehmer. Die Autos und Villen sprachen Bände, hier wohnten nur Menschen, die es geschafft hatten. Karine fragte sich ständig, was sie und Greg hier verloren hatten – sie, eine Verkäuferin in einer Boutique, und er, ein Beamter. Das Unwohlsein hatte sich verschärft, als sie mitbekam, dass die Mittelklasse-Wohnanlage, in die sie gezogen waren, zwischen all den Millionärsanwesen als Schandfleck galt. Zu ihrem Entsetzen entdeckte sie, dass die Bewohner von Cologny die kleine Häusertraube »die Warze« nannten, und dass es im Gemeinderat eine Sondersitzung gegeben hatte, auf der man beschloss, solche Bauvorhaben zukünftig zu vereiteln.

Morgens brachte Karine die Kinder nun in die wenige Fußminuten entfernt liegende Schule und sprang dann in den Bus der Linie A, der das Umland mit dem Stadtzentrum verband. Die Strecke führte durch Eaux-Vives, ihr altes Viertel. Das gab ihr immer einen Stich ins Herz. Am Rond-Point de Rive stieg sie aus, um zu der Boutique in der Rue du Rhône zu gelangen, in der sie arbeitete. Erst im Strom der Passanten kam sie wieder zur Ruhe.

Greg und Karine gingen durch das Tor und staunten über das Innere des Anwesens. Ein gepflasterter Hof führte zu einer vollverglasten Garage, in der zwei Porsche standen. Gleich dahinter lag das Haus, ganz aus Glas und modern designt.

»Na, die lassen es ja krachen!«, zischte Karine. »Womit verdienen die noch mal ihr Geld?«

»Arpad arbeitet in einer Bank. Sophie ist Anwältin.«

Sie stellten sich vor die Tür und klingelten. Durch die riesigen Scheiben konnten sie sehen, dass das Fest schon in vollem Gange war. Vierzigjährige in schnieken Designerklamotten, einen Champagnerkelch in der Hand, bewegten sich lächelnd zu hipper Musik. Karine betrachtete ihr Spiegelbild im Glas: Sie hatte Stil und war wie immer gut gekleidet. Trotzdem fühlte sie sich für diese Abendgesellschaft underdressed. Momentan war alles aus dem Lot. Sie war zweiundvierzig Jahre alt und hatte das Gefühl, dass ihre Jugend vorbei war. Der Spiegel sagte ihr das jeden Morgen.

Dann ging die Tür auf, Greg und Karine durchzuckte es gleichermaßen schmerzlich beim Anblick des außergewöhnlichen Paares, das sie nun willkommen hieß: Sophie und Arpad. Die beiden verkörperten alles, was sie selbst längst nicht mehr waren: verliebt, lächelnd, gut gelaunt standen sie Arm in Arm da. Ein Duo. Verbündete.

Arpad sah fabelhaft aus, schick und lässig zugleich, in einer perfekt geschnittenen italienischen Hose und einem schneeweißen Hemd: Die obersten Knöpfe standen offen und ließen seinen muskulösen Torso erahnen.

Sophie dagegen trug ein göttliches kleines Schwarzes. Es war unverschämt sexy und betonte ihren straffen Busen und die herrlich langen Beine über den Saint-Laurent-Stilettos.

Karine und Greg waren wie vom Blitz getroffen. Aber schon wurden sie mit einer fröhlichen Umarmung und Küsschen empfangen. Man holte sie ins Haus. Arpad schenkte ihnen Champagner ein, dann zog Sophie Karine weiter, um sie ihren Freundinnen vorzustellen. Karine war erleichtert und plötzlich ganz entspannt. Sie leerte ihr Glas in einem Zug. Sophie schenkte sofort nach. Sie stießen miteinander an.

Karine war verzaubert. Noch vor wenigen Minuten, an der Eingangstür, hatte sie Sophie und Arpad voreilig dafür verachtet, dass sie ein solches Haus, solche Autos, ein solches Leben hatten. Sie hatte sich von Äußerlichkeiten täuschen lassen und sich die beiden als arrogante, unnahbare Snobs vorgestellt. Dabei waren sie genau das Gegenteil. Sie strahlten eine große Wärme und Freundlichkeit aus.

An diesem Abend war Karine zum ersten Mal seit dem Umzug nach Cologny richtig glücklich. Sie tanzte, amüsierte sich, fand sich schön. Sie hatte das Gefühl, dazuzugehören. An diesem einen Abend mochte sie sich wieder leiden.

Doch diese Begegnung war in Wahrheit eine Kollision. Ein Frontalzusammenstoß. Ein Unfall, dessen Ausmaß niemand ahnen konnte. Niemand außer Greg: Seit sie das Haus betreten hatten, konnte er den Blick nicht mehr von Sophie wenden. Er war wie magnetisiert. Dabei sah er sie nicht zum ersten Mal, doch jetzt nahm er sie ganz … anders wahr. Am Rand des Fußballplatzes oder in der Dorfbäckerei hatte er das Besondere an ihrer Schönheit nicht bemerkt, dieses Animalische, das sie ausstrahlte.

Während Karine sich amüsierte und einen Champagner nach dem anderen trank, brachte Greg vollkommen nüchtern den Abend damit zu, Sophie zu belauern. Alles, was sie tat, faszinierte ihn: ihre Art zu reden, zu lächeln, zu tanzen, die Schulter ihres Gesprächspartners zu berühren. Gegen Mitternacht, als die Torte angeschnitten wurde, sah er, wie sie Arpad ansah, und wünschte, er wäre an dessen Stelle. Sophie umschlang Arpad, küsste ihn lange und half ihm beim Anschneiden der ersten Stücke. Dann überreichte sie ihm vor allen Gästen ein Päckchen. Arpad wirkte überrascht und noch überraschter, als beim Auspacken eine Rolex-Schachtel zum Vorschein kam. Er öffnete sie und zog eine goldene Uhr heraus. Sie legte sie ihm ums Handgelenk. Verblüfft betrachtete er die Uhr. Dann murmelte er seiner Frau etwas ins Ohr und küsste sie noch einmal. Die Verschworenheit der beiden brachte einen zum Träumen.

Gegen ein Uhr morgens, als das Fest auf dem Höhepunkt war, konnte Greg Sophie in der kleinen Gästeschar nicht mehr finden. Er machte sich auf die Suche und entdeckte sie in der Küche, wo sie die Gläser in die Spülmaschine räumte. Er wollte ihr helfen, stieß jedoch ungeschickt ein Glas herunter. Es zerschellte auf dem Boden. Hastig begann er die Scherben einzusammeln, und als sie sich neben ihn kauerte (um nun ihrerseits ihm zu helfen), rutschte ihr Kleid hoch und enthüllte auf dem Oberschenkel das Tattoo eines Panthers. Greg war wie gebannt. Schlimmer noch: Er verliebte sich endgültig in sie.

»Es tut mir wirklich leid«, sagte er. »Ich wollte helfen, und jetzt …«

»War ja keine böse Absicht«, versicherte sie ihm lächelnd.

Einen Monat später, unter der Dusche, fielen Greg Sophies Worte wieder ein. »War ja keine böse Absicht …«, doch das Böse war in ihm. Als er am Tag nach der Feier mit Familienhund Sandy, einem Golden Retriever, spazieren gegangen war, hatte er entdeckt, dass er durch den Forst bis zum Grundstück der Brauns gelangen konnte. Vom Waldrand aus hatte er freien Blick auf das Innere des Glaskubus. Greg hatte den Drang, die Brauns in ihrem Wohnzimmer zu beobachten, nicht unterdrücken können. Am nächsten Tag war er im Morgengrauen unter dem Vorwand, er gehe mit dem Hund joggen, zurückgekehrt. Er hatte Sophie am Fenster stehen sehen. Seither kam er jeden Morgen.

Greg trocknete sich ab, zog sich an und ging runter in die Küche. Die Kinder waren mittlerweile auf und saßen beim Frühstück. Er küsste sie, setzte sich dazu und versuchte, wie jeden Morgen seit letztem Monat, sich einzureden, dass alles in Ordnung sei und dass sein Platz hier bei ihnen war.

Doch in genau zwanzig Tagen sollte sein Leben entgleisen.

Samstag, 2. Juli 2022 –

Der Tag des Raubüberfalls

9:31 Uhr

Die Sturmhaube drängte den Verkäufer und den Geschäftsführer des Ladens zurück ins Hinterzimmer. Die Schirmmütze zwang den Sicherheitsmann, die Ladentür zu verriegeln, und sorgte dann dafür, dass auch er aus dem Blickfeld verschwand. Sollte jemand draußen am Schaufenster vorbeigehen, würde er nur ein leeres Geschäft sehen.

Noch sechs Minuten.

KAPITEL 2 –19 Tage vor dem Raubüberfall

Sonntag, 12. Juni

→ Montag, 13. Juni 2022

Dienstag, 14. Juni

Mittwoch, 15. Juni

Donnerstag, 16. Juni

Freitag, 17. Juni

Samstag, 18. Juni (Wochenende in St. Tropez)

Sonntag, 19. Juni (Wochenende in St. Tropez)

Montag, 20. Juni (Sophies Geburtstag)

7:30 Uhr, im Glashaus.

Während Sophie sich im ersten Stock zurechtmachte, stand Arpad am Herd. Seine beiden Kinder saßen am Küchentresen und sahen vergnügt zu, wie er einen Stapel Pfannkuchen backte. Sichtlich guter Laune, führte er ihnen eine seiner Lieblingsnummern vor. Er warf den Pfannkuchen in die Luft und fing ihn zur Begeisterung seiner Sprösslinge Grimassen schneidend mit der anderen Pfanne wieder auf.

»Normalerweise essen wir Pfannkuchen doch nur am Wochenende«, sagte Isaak, der fast schon sieben war. »Ist was Besonderes?«

»Heute gibt es ein Fest!«, jubelte die vierjährige Léa.

»Das Leben ist ein Fest«, bemerkte Arpad.

Sophie erschien in der Küche

»Euer Papa hat recht«, sagte sie. »Das Leben ist ein Fest. Vergesst das nie!«

Sie küsste die Kinder, dann umarmte sie ihren Mann, der ihr eine Tasse Kaffee reichte. An ihn geschmiegt, betrachtete sie glücklich die beiden Kleinen.

»Wenn das Leben ein Fest ist, warum muss man dann in die Schule gehen?«, fragte Isaak.

»Da haben wir ja einen Philosophen unter uns«, feixte Arpad.

»Was ist ein Fisolof?«, fragte Isaak.

»Das wirst du lernen, wenn du weiter zur Schule gehst«, antwortete Sophie.

»Und wer bringt uns heute hin?«, wollte Léa wissen.

»Ich kann sie mitnehmen«, schlug Arpad Sophie vor.

Arpad trug Sportkleidung und war offensichtlich nicht auf dem Weg in die Bank.

»Hat man dir gekündigt?«, fragte Sophie mit einem Augenzwinkern.

Er lachte laut auf. »Ich hätte eigentlich mit einem britischen Kunden frühstücken sollen, aber der hat gestern seinen Flug verpasst. Also nutze ich die Gelegenheit und geh joggen und erst danach zur Arbeit.«

Sophie sah auf die Uhr. »Es wäre mir tatsächlich lieb, wenn du die Kinder zur Schule bringen könntest. Heute Vormittag habe ich ein wichtiges Meeting, auf das ich mich noch vorbereiten muss.«

Sie stellte die dampfende Tasse auf den Tresen und gab jedem einen liebevollen Kuss. Dann lief sie durch den gläsernen Gang, der direkt in die Garage führte, stieg ins Auto und verließ ihr kleines Paradies.

Als sie kurz darauf an der Grundschule von Cologny vorbeikam, war zu dieser frühen Stunde noch alles menschenleer. Auf Höhe der Bushaltestelle fuhr sie langsamer, um zu sehen, ob sie Karine entdecken konnte. Auf Arpads Geburtstag hatten die beiden Frauen sich angefreundet und dabei festgestellt, dass sie beide in der Rue du Rhône arbeiteten. Karines Boutique war nur rund fünfzig Meter von dem Gebäude mit Sophies Kanzlei entfernt. Seit dem Fest nahm Sophie Karine immer im Auto mit, wenn sie sie hier an der Haltestelle sah. Diese gemeinsame Fahrt genossen die neuen Freundinnen beide sehr.

Als Sophie Karine an jenem Morgen nicht sah, spürte sie, wie enttäuscht sie darüber war. Sie fühlte sich in ihrer Gesellschaft wohl. Karine war geradeheraus und nicht berechnend. Auf den Fahrten ins Stadtzentrum unterhielt sie Sophie mit köstlichen kleinen Anekdoten. Sophie parkte ihr Auto dann im Mont-Blanc-Parkhaus, wo sie einen Dauerstellplatz gemietet hatte. Die beiden Frauen nahmen den Aufzug nach oben, der auf dem Quai Général-Guisan herauskam, direkt am Genfersee mit seinen Wolken von Möwen und weißen Schwänen, die von den Passanten gefüttert wurden. Sie gingen noch ein paar Schritte zusammen, bis ihre Wege sich auf der Rue du Rhône trennten.

Aber während Sophie ihr Auto heute im Mont-Blanc-Parkhaus abstellte, machte Karine Greg in der Küche der Warze eine Szene, und das vor den Jungs, die gerade ihr Müsli aßen. Anlass des Streits war Gregs neue Joggingzeit. Bisher war er nur gelegentlich morgens laufen gegangen, und wenn, dann so früh, dass er rechtzeitig zurück, geduscht und angezogen war, ehe die Kinder aufwachten. Doch seit einem Monat joggte er jeden einzelnen Morgen, und noch dazu später als bisher, sodass Karine die beiden Kinder allein schulfertig machen musste und dadurch unweigerlich zu spät zur Arbeit kam.

»Du musst früher loslaufen!«, warf sie ihrem Mann vor.

»Ich bin heute Morgen um fünf Uhr fünfundvierzig los«, verteidigte sich Greg.

»Und während der Herr dann duscht, sich fein macht und in aller Ruhe sein Frühstück einnimmt, muss ich mich um alles andere kümmern! Warum hast du deine Zeiten geändert? Als du um fünf Uhr losgelaufen bist, hat es prima funktioniert. Und du hast immer gesagt, dass du gern früh unterwegs bist.«

»Es war zu früh, ich bin erschöpft. Ich hab auch ein Recht auf ein bisschen Schlaf!«

»Und ich hab ein Recht auf ein bisschen Hilfe!«

»Einer muss ja mit dem Hund raus«, warf Greg ein.

Sandy, der Hund, war zur Einweihungsfeier ins Haus gekommen, und das war eine sehr schlechte Idee gewesen, denn der winzige Garten vor der Warze bot nicht genug Auslauf.

»Sandy muss nicht eine Stunde lang im Wald rumrennen!«

»Aber ich muss morgens ein bisschen Luft schnappen, bei dem ganzen Druck auf der Arbeit.«

»Dann verschaff dir die halt am Abend, da sorgst du nicht dafür, dass alle Welt ins Schleudern kommt! Ich werde auch heute zu spät im Laden sein. Willst du, dass man mich rausschmeißt?«

Greg bemühte sich, die Wogen zu glätten.

»Na los, geh schon«, sagte er, »überlass mir die Kinder. Ich kann ein bisschen später in den Dienst fahren.«

Karine gab den Jungs einen Kuss – den Mund ihres Mannes überging sie bewusst – und war verschwunden.

Die frische Luft tat ihr gut. Sie eilte zur Bushaltestelle und wartete, in der Hoffnung, Sophie würde vorbeifahren. Sie mochte deren unbekümmerte und entspannte Art, bewunderte die Leichtigkeit, mit der Sophie durchs Leben glitt, während sie selbst das Gefühl hatte, über jedes Hindernis zu stolpern. Und das war keine Frage des Geldes, sondern der Persönlichkeit.

Als der Bus kam, war Sophies Auto immer noch nicht in Sicht. Karine stieg ein, setzte sich nach hinten und holte ein Päckchen aus ihrer Tasche. Es war eine Kleinigkeit, die sie für Sophie gekauft hatte: ein Kaffeethermobecher, ideal fürs Auto. Sie wickelte ihn aus dem Geschenkpapier. Sophie hatte ihr erzählt, sie könne nie in Ruhe ihren Kaffee austrinken, bevor sie aus dem Haus musste. Karine kam sich plötzlich ein bisschen lächerlich vor, wie sie mit dem Geschenk in der Hand im Bus saß. Es mangelte ihr wirklich an Selbstvertrauen.

Kurz nachdem der Bus vorbeigefahren war, setzte Arpad, immer noch in Sportsachen, Léa und Isaak an der Schule von Cologny ab. Er wollte schon losjoggen, da stieß er auf Greg, der auch gerade seine Kinder zur Schule gebracht hatte.

»Was hältst du von einem Kaffee?«, schlug Arpad vor.

Greg sah kurz auf die Uhr, um abzuschätzen, wie spät er schon dran war, dann sagte er verschmitzt lächelnd: »Ja gern, das macht den Kohl jetzt auch nicht mehr fett … Aber ich will dich nicht vom Joggen abhalten …«

»Das hole ich später nach.«

»Lässt deine Frau dich laufen, wann immer du willst?«

»Ja, warum?«

»Nur so.«

Die beiden Männer setzten sich in einen Tearoom in der Nähe und bestellten zwei Espressi. Greg fühlte sich plötzlich außergewöhnlich gut. Das lag an Arpad, an seiner Lässigkeit, seiner verblüffenden Art, morgens eine Joggingrunde zu planen und stattdessen einfach einen Kaffee trinken zu gehen. Gregs Alltag war dagegen starr und voller Zwänge. Es kam ihm so vor, als habe er zwischen den Kindern und der Arbeit für nichts Zeit. Und wenn er ein paar Tage freinehmen konnte, um Überstunden abzubummeln, schickte Karine ihn zum Einkaufen, mit Sandy zum Tierarzt oder ließ ihn Möbel reparieren.

Arpad redete zwischen zwei Schluck Kaffee, aber Greg war zu sehr damit beschäftigt, ihn zu beobachten, und hörte ihm nicht zu. Arpad und Greg waren einander ähnlicher, als es schien. Sie waren beide gute Väter, aufmerksame Ehemänner. Aber für Greg war es offensichtlich, dass Arpad noch etwas darüber hinaus besaß, eine Art natürliche Überlegenheit, um die er ihn beneidete. Vor allem aber beneidete er ihn um Sophie.

»Wie denkst du darüber?«, fragte Arpad und zog Greg wieder ins Gespräch zurück.

Greg hatte keine Ahnung, wovon Arpad sprach. Er antwortete: »Ich denke, ich sollte ein bisschen mehr sein wie du.«

Arpad lachte. »Und das heißt was?«

»Ein Leben mit flexiblerem Zeitplan, besser bezahlt, und so weiter und so weiter!«

»Denk bloß nicht, ich hätte nicht auch jede Menge Ärger«, wandte Arpad ein. »Glaub mir, in der Bank gehen mir die meisten Kunden ziemlich auf den Senkel, die sind nie zufrieden. Sie wollen, dass du ihr Geld für sie anlegst, aber du hast die ganze Verantwortung auf dem Buckel. Wenn es gut läuft, ist das in ihren Augen normal. Aber wenn die Märkte schwanken, dann ist es deine Schuld.«

»Ich meinte nicht nur die Arbeit. Auch die Familie …«

»Da ist auch nicht immer alles rosig. Haste Kinder, haste Sorgen. Und manchmal ist es mit Sophie ganz schön anstrengend.«

Du hast gut reden, dachte Greg. Ich weiß, wie sie dich jeden Morgen weckt.

Arpad fuhr fort: »Übrigens wird Sophie in genau einer Woche vierzig, und ich habe noch immer kein Geschenk für sie. Ich bin dankbar für jeden Vorschlag.«

Greg deutete auf die goldene Rolex an Arpads Handgelenk, die Sophie ihm geschenkt hatte, und sagte: »Müsste was Vergleichbares sein.«

Arpad erwiderte nichts.

»Werdet ihr wieder ein Fest bei euch machen?«, fragte Greg weiter.

»Keine Ahnung, Sophie meint, sie will kein großes Ding draus machen. Wir werden das Wochenende zu ihren Eltern nach Saint-Tropez fahren und im Kreis der Familie vorfeiern. Und dann sehen wir mal.«

Greg, der auf der Rolex die Zeit gesehen hatte, stand auf. »Ich muss los«, sagte er.

»Ich auch. Hau ruhig ab, der Kaffee geht auf mich.« Arpad bezahlte die Rechnung, dann zwang er sich trotz allem, joggen zu gehen. Anschließend kehrte er zum Glashaus zurück, duschte, zog einen perfekt geschnittenen Anzug an und verließ in seinem Porsche das Grundstück. Er zerbrach sich schon eine ganze Weile wegen Sophies Vierzigstem den Kopf: Er würde ihr gern ein ganz besonders originelles Geschenk machen, dessen symbolischer Wert den materiellen überstieg. Aber seit dieser blöden Rolex fragte er sich, ob er Sophie vielleicht doch einfach nur Schmuck schenken sollte. Da ihn der Gedanke quälte, beschloss er, schnell noch in der Rue du Rhône vorbeizuschauen, jener Hauptstraße von Genf, in der sämtliche Juweliere und Luxusmarken versammelt waren: Vielleicht würden die Auslagen in den Schaufenstern ihn auf eine Idee bringen. Er ließ sein Auto bei der Place Longemalle stehen, ging zu Fuß durch die Rue du Rhône und hoffte dabei, Sophie nicht über den Weg zu laufen. An den Uhrenläden ging er rasch vorbei, dann verlangsamte er den Schritt vor den Auslagen der Juweliere. Ein Armband? Ein Anhänger? Nichts überzeugte ihn. Da sah er im Schaufenster der Cartier-Boutique einen Ring in Form eines Pantherkopfes, ganz aus Gold und mit Diamanten besetzt, die Augen zwei kleine Smaragde. Arpad war von der Schönheit und Perfektion des Objekts überwältigt. Der Panther – das war sie. Ohne zu zögern, betrat er den Laden. Er konnte ja nicht ahnen, welche Konsequenzen seine Entdeckung haben sollte.

Als Sophie am Ende des Tages aus dem Büro kam, bemerkte sie nicht den Mann, der auf sie lauerte, und das seit Stunden: Er war am Vorabend am Steuer eines grauen, gebrauchten Peugeot mit französischem Kennzeichen in die Stadt gekommen … Sophie eilte ins Mont-Blanc-Parkhaus zu ihrem Auto. Der Mann folgte ihr diskret, umschlich seine Beute.

Die Jagd konnte beginnen.

Samstag, 2. Juli 2022 –

Der Tag des Raubüberfalls

9:33 Uhr

Es war ein perfekt orchestriertes Zusammenspiel. Die Sturmhaube hielt mit ihrem abgesägten Gewehr die Geiseln in Schach, während die Schirmmütze den Sicherheitsmann und den Verkäufer an Händen und Füßen mit Kabelbinder fesselte. Der Einzige, der nicht verschnürt wurde, war der Geschäftsführer. Die Diebe wussten genau, was sie taten.

Die Schirmmütze zerrte ihn zum Haupttresor, während die Sturmhaube die Geiseln bewachte.

Ihnen blieben noch vier Minuten.

KAPITEL 3 –18 Tage vor dem Raubüberfall

Sonntag, 12. Juni

Montag, 13. Juni

→ Dienstag, 14. Juni 2022

Mittwoch, 15. Juni

Donnerstag, 16. Juni

Freitag, 17. Juni

Samstag, 18. Juni (Wochenende in St. Tropez)

Sonntag, 19. Juni (Wochenende in St. Tropez)

Montag, 20. Juni (Sophies Geburtstag)

19:00 Uhr in Cologny. An der Haltestelle im Dorfzentrum spuckte der Bus seine Stammfahrgästin Karine aus. Müde trottete sie Richtung Warze. Es war ein langer Tag gewesen, sie hatte ihn größtenteils stehend verbracht, um den Kunden Kleider zu zeigen, oder kniend, um ihnen in Schuhe zu helfen. Füße, Rücken, Kopf – alles tat ihr weh. Zur Krönung des Ganzen war die Rückfahrt außergewöhnlich unangenehm: der Bus war rappelvoll gewesen, sie hatte sich zwischen die anderen Fahrgäste quetschen müssen, war beim Bremsen und Gasgeben angerempelt worden. Zur alten Wohnung hatte sie zu Fuß gehen können. Fünfzehn Minuten am Ufer des Genfersees entlang. Immer ein angenehmer Spaziergang, ganz gleich, wie das Wetter war. Dagegen dieser blöde Bus … Sophie hatte ihr zwar angeboten, sie abends mitzunehmen, aber sie hatte zu spät Feierabend, die Boutique machte erst um neunzehn Uhr zu.

Als sie in der Warze ankam, stellte Karine fest, dass Gregs Auto noch nicht vor der Tür stand – er machte wahrscheinlich Überstunden. Ganz was Neues … Das bedeutete, das Abendessen war mal wieder nicht fertig. Vor der Haustür hielt sie kurz verzagt inne. Dann trat sie ein. In dem kleinen unordentlichen Wohnzimmer rauften die beiden Jungs brüllend unter den gleichmütigen Blicken von Natalia, dem Kindermädchen.

Natalia war zwanzig Jahre alt und die meiste Zeit damit beschäftigt, Selfies zu machen. Sie räumte nicht auf, sie putzte nicht, sie kochte nicht (ich soll mich ja um die Kinder kümmern), aber Greg fand, man kann ihr vertrauen, darauf kommt es an. Entscheidend war eigentlich, dass sie sich mit einem ungewöhnlich niedrigen Stundenlohn zufriedengab, das hieß: Karine und Greg konnten sie sich leisten. Sie bezahlten Natalia also dafür, auf ihrem Handy rumzudaddeln, während die Kinder Halligalli machten, bis die Eltern nach Hause kamen.

Karine ließ Natalia gehen, schickte die Jungs unter die Dusche und begann zu kochen. Nach einem Blick in den Kühlschrank verzichtete sie aufs Putzen, Schälen und Schnippeln und beschloss, eine Lasagne aufzutauen. Eine Flasche Wein war schon offen, sie goss sich ein Glas ein. Er war nicht mehr wirklich gut, aber das war auch schon egal. Während der Ofen vorheizte, holte sie das schmutzige Geschirr aus dem Spülbecken (danke, Natalia), dann spülte sie den Thermobecher aus, den sie für Sophie gekauft und schließlich selbst benutzt hatte. Ihr Handy klingelte – es war Sophie. »Ich hab dich heute Morgen an der Bushaltestelle verpasst«, sagte Sophie bedauernd.

»Ich war mal wieder viel zu spät dran«, seufzte Karine. »Die Kinder und so weiter. Greg mit seiner verfluchten Joggerei …« Karine hörte Musik im Hintergrund. Sie stellte sich vor, dass Sophie bei einem Konzert war. Vielleicht in der Oper. »Stör ich dich?«

»Nein, überhaupt nicht, außerdem hab doch ich angerufen«, bemerkte Sophie.

»Ich mein ja nur, weil ich klassische Musik im Hintergrund höre, und da hab ich mich gefragt …«

»Das tut Arpad uns an«, erklärte Sophie und sah belustigt zu ihrem Mann hinüber, der mit seinen Kochtöpfen hantierte.

Sie hatte es sich gerade mit einem Glas Wein auf dem Sofa gemütlich gemacht. Arpad stand in der Küche hinterm Tresen und rief seiner Frau und ihrer Gesprächspartnerin zu: »Wer kocht, darf auch die Musik aussuchen!«

»Dein Mann kocht?«, fragte Karine.

»Er meint, es würde ihn entspannen.«

»Der perfekte Partner«, sagte Karine beeindruckt.

Während sie sich unterhielten, betrachtete sie ihr unordentliches Zuhause und die Fertiglasagne. Die Jungs kamen gerade kreischend aus dem ersten Stock heruntergerannt. Sophie wohnte kaum einen Kilometer entfernt, doch es fühlte sich an, als lebte sie in einer völlig anderen Welt.

»Ich muss auflegen«, sagte Karine zu Sophie. »In meinem Wohnzimmer sind zwei halb nackte Kinder am Verhungern.«

»Das kenne ich«, sagte Sophie lächelnd.

»Das bezweifle ich«, antwortete Karine. »Du hast ein Symphonieorchester in deinem Wohnzimmer, ich ein Affentheater.«

Sophie lachte schallend: »Ich hol dich morgen früh ab, ja?«

»Falls ich rechtzeitig fertig bin …«

»Ich fahr bei dir vorbei. Sobald ich da bin, hupe ich laut, dann lässt du Greg einfach alleine klarkommen. Bis morgen, meine Schöne.«

Sophie hatte sie meine Schöne genannt. Das hatte schon lange niemand mehr zu ihr gesagt. Karine nahm den Thermobecher und beschloss, ihn wieder einzupacken. Sie hatte ihn zwar schon benutzt, aber man konnte ihn doch trotzdem noch verschenken, oder?

An diesem Abend aß die Familie Braun im Glashaus das von Arpad gekochte Gericht. Dann sollten Léa und Isaak schlafen gehen, und das Abendritual begann: Die Kinder quetschten sich mit Sophie in Isaaks Bett, und Arpad las theatralisch ein paar Kapitel aus dem Buch vor, das sie vor wenigen Tagen angefangen hatten. Das allabendliche Zeremoniell war immer ein großer Familienmoment. Arpad liebte es, wie die kleine Schar an seinen Lippen hing. Und je stärker sich seine Zuhörer von der Geschichte packen ließen, desto mehr strengte er sich an, noch fesselnder zu erzählen. Die Zeit konnte stehen bleiben.

Die Familie Liégan in der Warze aß an diesem Abend spät eine Lasagne, die zu lange im Ofen gewesen war. Als die Kinder endlich bettfertig waren, gestand der Älteste heulend, er habe seine Hausaufgaben noch nicht gemacht und werde morgen in der Schule bestimmt Ärger bekommen. Greg musste ihm in Mathe helfen. Die Stimmung war gereizt, es wurde herumgeschrien, und schließlich machte Greg die Aufgaben selbst. Danach waren die Kinder sehr aufgekratzt, und der Vater musste seine ganze Geduld aufbringen, um sie ins Bett zu bekommen. Als sie endlich eingeschlafen waren, ging Greg zu Karine in die Küche. Sie wusch eisig schweigend immer noch das Geschirr ab. Greg sagte irgendetwas, um die schlechte Stimmung aufzulockern: »Endlich schlafen sie. Natalia hätte wenigstens die Hausaufgaben kontrollieren können.«

»Das kannst du ihr gerne sagen«, antwortete Karine spitz. »Als ich letztens dazu eine Bemerkung fallen ließ, war sie tierisch beleidigt.«

»Wie dem auch sei, vor dem Abendessen sollte immer jemand nachschauen, ob für die Schule alles erledigt ist«, regte Greg an.

»Ist dieses sollte jemand an mich adressiert?«, fragte Karine, die ihren Ärger kaum zügeln konnte. »Vielleicht solltest du nicht so spät nach Hause kommen, oder?«

»Ich hatte dir eine Nachricht geschickt.«

»Glaubst du ernsthaft, dass ich mein Handy checken kann, während die Jungs schreiend um mich herumspringen? Ich hatte ja nicht mal Zeit, aufs Klo zu gehen!«

»Das tut mir leid«, sagte Greg, der einen richtigen Krach unbedingt vermeiden wollte. »Das nächste Mal ruf ich dich an. Ich musste dringend Berichte schreiben. Es ist so mühsam, wie bürokratisch alles geworden ist. Als hätte man nicht schon genug Papierkram zu erledigen. Dem nächsten, der behauptet, wir Beamten würden eine ruhige Kugel schieben, dem knall ich eine!«

Karine, der es auch recht war, wenn sich die Situation entspannte, nickte, um zu zeigen, dass sie sich für seine langweiligen Themen interessierte. Aber sein Gejammer über den vielen Papierkram und die Probleme im Dienst waren ihr herzlich egal. Sie wünschte sich ein bisschen mehr Zauber in ihrem Leben. Ihrem Mann konnte sie das schlecht sagen, aber eigentlich hätte sie gern das Leben von Arpad und Sophie geführt. Nach dem Aufräumen setzte Greg sich im Wohnzimmer vor den Fernseher.

»Ich geh schnell duschen«, sagte Karine, »dann können wir unsere Serie weiterschauen.«

Aber als Karine im Bademantel wieder ins Wohnzimmer kam, stand Greg mit der Hundeleine in der Hand in der Tür und schlüpfte gerade in seinen Mantel.

»Wo willst du hin?«, fragte sie erstaunt.

»Ich geh mit Sandy raus.«

»Um diese Zeit? Er kann doch einfach in den Garten pinkeln.«

»Ist seit heute Morgen jemand mit ihm draußen gewesen?«, fragte Greg, der die Antwort schon kannte.

»Nein«, gab Karine zu.

»Na also. Irgendwer muss es ja tun. Wenn ich nicht mit ihm rausgehe, macht es keiner.«

»Soll das ein Vorwurf sein?«

»Nein. Eine simple Feststellung.«

»Du warst derjenige, der einen Hund haben wollte«, rief sie ihm in Erinnerung.

»Es waren die Kinder, die einen Hund wollten.«

»Die Kinder wollen auch ein Pony. Heißt das, dass wir bald eins im Wohnzimmer halten werden?«

Greg zuckte mit den Schultern, es war sinnlos, weiter zu zanken. Er pfiff Sandy herbei und verschwand mit ihm in der Nacht.

Er hatte wirklich nur eine Runde um den Block drehen wollen. Aber wie ferngesteuert befand er sich bald auf der Route de la Capite und ging weiter bis zu dem Privatweg, der zum Glashaus führte. Es war stärker als er. Er verließ den Weg und schlich zwischen den Bäumen hindurch, wie er es schon am Morgen getan hatte. Als er sich dem Waldrand näherte, wickelte Greg Sandys Hundeleine um einen Baumstamm. Der Hund, der das inzwischen schon kannte, legte sich friedlich ins Laub. Greg folgte den Lichtern des Hauses durchs Unterholz. Er kauerte sich hin, um ins Innere des großen Kubus zu spähen, dessen Panoramafenster einen unverstellten Blick auf ein wahres Schauspiel im Wohnzimmer boten! Sophie gab sich nackt auf dem Sofa ihrem Ehemann hin, der sie in seinem eigenen Rhythmus von hinten vögelte.

Greg verschlang sie mit seinen Blicken. Nach der Wohnzimmerszene spionierte er ihnen bis ins Schlafzimmer nach. Er ahnte, dass sie unter der Dusche waren, dann sah er sie nackt, mit der Zahnbürste im Mund, im Zimmer auf und ab gehen, bevor sie sich im Bett aneinanderschmiegten. Sie lasen noch eine Weile. Erst als das Licht ausging, machte er sich auf den Heimweg und schlüpfte neben die längst schlafende Karine ins Bett.

Im Glashaus stand Arpad wieder auf, sobald Sophie eingeschlafen war, und ging hinunter in die Küche. Er fand keine Ruhe. Er schnappte sich sein Handy und wischte durch die Fotos, die er am Morgen in der Cartier-Boutique aufgenommen hatte. Lange betrachtete er den Ring mit dem Pantherkopf. Um ihn anzuziehen, musste man den Finger durchs Maul des Tieres stecken. Was für ein außergewöhnliches Schmuckstück. Er war überzeugt, dass dieser Panther das perfekte Geschenk für Sophie wäre. Doch angesichts des astronomischen Preises hatte er gezögert und dem Verkäufer gesagt, er werde noch einmal vorbeikommen.

Er quälte sich. Er wusste, dass er auf diesen Panther-Ring verzichten müsste. Es war Zeit, Sophie alles zu gestehen. Die Maske fallen zu lassen. Aber das konnte er ihr eine Woche vor ihrem Geburtstag nicht antun.

15 Jahre zuvor –September 2007

Saint-Tropez

Nach Saint-Tropez konnte er nie mehr zurückkehren. Er verließ diesen Ort, den er so geliebt hatte, für immer. Er konnte nicht bleiben. Es war zu riskant. Binnen weniger Stunden zog Arpad einen Strich unter diesen Teil seines Lebens. Er würde schnell und gründlich verschwinden, ohne Spuren zu hinterlassen.

Mit seiner Wohnung fing er an. Er erzählte der reizenden Alten, bei der er ein möbliertes Zimmer gemietet hatte, etwas von einem »familiären Notfall«. Sie stellte keine Fragen und steckte vor allem geschwind die beiden Monatsmieten ein, die er ihr als »Vorschuss« in einem Umschlag gab. Dann holte er seine Sachen aus dem Zimmer und lud alle Habe in sein kleines Auto.

Anschließend ging er ins Szenelokal Béatrice, wo er seit einem Jahr arbeitete. Er war dort Chef der Bar und des Empfangsbereichs dieses mehr als hippen Restaurants, das sich im Laufe des Abends in einen Club verwandelte. Dem Geschäftsführer erklärte er, er habe gerade ein Angebot aus der Finanzbranche bekommen, das er unmöglich ausschlagen könne. Der Geschäftsführer hatte Verständnis gezeigt. »Arpad, du musst dich nicht entschuldigen. Du hast fünf Jahre lang studiert. Ich hab vorher noch nie einen Barchef mit einem Diplom in Wirtschaftswissenschaften gesehen. Das ist toll für dich. Auch wenn es mir lieber gewesen wäre, wenn du mir gesagt hättest, dass du dich nach einem richtigen Job umschaust, dann hätte ich parallel Ersatz für dich suchen können.«

Er hoffte Sophie im Béatrice zu sehen, aber sie war noch nicht da. Da sie auch telefonisch nicht erreichbar war, irrte er durch die Straßen von Saint-Tropez und suchte nach ihr. Vergeblich. Letztlich war es besser so, sie hätte ihm seine Lügengeschichten niemals abgekauft. Vielleicht sollte er sie loslassen, um sie zu schützen.

Seine letzte Station war eine Tankstelle. Während er volltankte, übertrug er zwei Nummern in sein Notizbuch: die von Sophie und die von Patrick Müller, einem Schweizer Bankier, den er aus dem Béatrice kannte und der ihm nützlich sein könnte. Dann zerstörte er die SIM-Karte und warf sie mitsamt Handy in einen Mülleimer. Keiner würde ihn finden.

Anschließend fuhr er auf die Autobahn. Richtung Norden. Er würde nie mehr zurückkehren. Dachte er zumindest.

KAPITEL 4 –17 Tage vor dem Raubüberfall

Sonntag, 12. Juni

Montag, 13. Juni

Dienstag, 14. Juni

→ Mittwoch, 15. Juni 2022

Donnerstag, 16. Juni

Freitag, 17. Juni

Samstag, 18. Juni (Wochenende in St. Tropez)

Sonntag, 19. Juni (Wochenende in St. Tropez)

Montag, 20. Juni (Sophies Geburtstag)

 

5:45 Uhr am Morgen, Cologny. Noch war es draußen dunkel. Greg joggte recht zügig die Straße entlang, sein Hund rannte neben ihm her. Schnell erreichten die beiden Schatten, die gerade die Warze verlassen hatten, den Wald. Dort blieb Greg wie immer stehen, band Sandy an einen Baum und versteckte sich im Gebüsch, um das Glashaus beobachten zu können. Im Haus war alles noch finster.



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