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In 'Eine ägyptische Königstochter' von Georg Ebers tauchen die Leser in die faszinierende Welt des antiken Ägyptens ein. Der Roman erzählt die Geschichte der ägyptischen Prinzessin Thutiy und ihres tragischen Schicksals, das von Liebe, Macht und Verrat geprägt ist. Ebers schafft es, die exotische Atmosphäre des alten Ägypten lebendig werden zu lassen, indem er historische Fakten geschickt mit fiktiven Elementen verwebt. Sein detailreicher Schreibstil und die präzise Recherche machen das Buch zu einem fesselnden Leseerlebnis. 'Eine ägyptische Königstochter' ist ein Meisterwerk des historischen Romans, das sowohl unterhaltsam als auch lehrreich ist.
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Seitenzahl: 1014
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Books
Herrn Richard Lepsius
ordentlichem Professor, Doctor &c.widmet auch diese achte Auflage seines Werkesinimmer gleicher Verehrungder Verfasser
Aut prodesse volunt aut delectare poëtae,
Aut simul et jucunda et idonea dicere vitae.
Horat. De arte poetica v. 333.
Seit dem ersten Erscheinen dieses Buches sind vier Jahre vergangen. Nun sich die zweite Auflage desselben in die Welt zu gehen anschickt, liegt es mir ob, ihr einige begleitende Worte mit auf den Weg zu geben. Daß ich mich bemüht habe, den folgenden Blättern den Namen einer »verbesserten Ausgabe« zu erwerben, bedarf kaum einer Versicherung. Der Autor steht ja seinem Werke gegenüber in einem väterlichen Verhältnisse, und welcher Vater wäre nicht bestrebt, sein Kind, selbst wenn er es schon zu wiederholten Malen auf Reisen schickte, sobald es sich zu einem neuen, gefahrvollen Wege rüstet, mit allem Guten auszustatten, das ihm zu Gebote steht, und es von allen Fehlern zu befreien, die ihm in den Augen der Menschen schaden könnten? So erscheint nur die Versicherung überflüssig, daß ich auf die Verbesserung des Textes der ersten Auflage meiner Königstochter alle mögliche Sorgfalt wiederholt verwendet habe; ich halte es aber doch für gerathen, in der Kürze anzudeuten, wo und wie ich eine bessernde Hand an die erste Auflage meines Buches legen zu müssen glaubte. Die Anmerkungen sind revidirt, geändert und mit Allem bereichert worden, was sich von dem seit 1864 durch die Altertumswissenschaft (namentlich auf dem Gebiete der altägyptischen Sprach-und Denkmälerkunde) neu Erforschten auf dem mir gewährten knappen Raume, auch für den Laien verständlich, darstellen ließ. An die Veränderung des Textes bin ich nur mit vorsichtiger, ja beinahe schüchterner Hand gegangen, denn in vier Jahren einer angestrengten Thätigkeit als akademischer Lehrer, als Forscher und Schriftsteller auf rein gelehrten, das freie Walten der schöpferischen Phantasie ausschließenden Gebieten, büßt die dichterische Seite in uns so viel ein, als die kritische gewinnt. Mit einer gänzlichen Umarbeitung meiner Erzählung mußte ich sie aus dem Gebiete der heitern Kunst herauszudrängen fürchten, dem sie doch entschieden angehören soll. So habe ich mich denn mit einer sorgfältigen Ausfeilung des Stiles, der Tilgung von Längen, die das Interesse weniger wißbegieriger Leser zu beeinträchtigen drohten, mit einigen dem Verständnisse oder der Charakteristik förderlichen Einfügungen und der Aenderung der Eigennamen begnügt. Diese letzteren gebe ich statt in der griechischen, in der lateinischen Form, denn mehr als eine meiner schönen Leserinnen hat mich versichert, daß sie Ibykus und Cyrus als bekannte Namen begrüßen würde, während die »Ibykos« und »Kyros« der ersten Auflage ihr fremd, gelehrt, und deßwegen abschreckend erschienen. Das k habe ich dem c überall vorgezogen, wo dem römischen c der Werth des deutschen k zukommt. Bei den ägyptischen und den durch die Keilschrift bekannt gewordenen Namen habe ich die unsrer Sprechweise angemessensten Formen gewählt. Solche Definitionen, die für das Verständniß des Textes unerläßlich erschienen (es sind deren wenige), stehen in der zweiten Auflage, statt in den schwerer zugänglichen Anmerkungen, unter dem Texte.
Noch weniger wie damals, wo ich mit diesem Werke zum ersten Male in die Oeffentlichkeit trat, kann ich mir jetzt verhehlen, daß es eine große Zahl von zünftigen Gelehrten gibt, die es einem Jünger der Wissenschaft übel deuten, wenn er die Errungenschaften ernster Studien in ein von der Phantasie gewebtes Gewand kleidet. In einigen Stücken geb' ich ihnen Recht; daß es aber doch freundlich aufgenommen wird, wenn ein Gelehrter es einmal, sich selbst und anderen zur Lust, nicht verschmäht, die Resultate seiner Forschungen einer möglichst großen Anzahl von Gebildeten in der das allgemeine Interesse am meisten ansprechenden Form zugänglich zu machen, das beweist schon der schnelle Absatz der ersten starken Auflage dieses Buches. Jedenfalls gibt es wenige bessere Mittel, in weiten Kreisen belehrend und anregend zu wirken, als das von mir erwählte. Wer ein gelehrtes Werk zur Hand nimmt, der hat eben schon ein ausgesprochenes Interesse an der Wissenschaft, aber leicht kann es geschehen, daß Jemand, der in diesen Blättern nur Unterhaltung sucht, wenn er sie aus der Hand legt, angeregt durch das Gelesene, nach einem gelehrten Werke greift, vielleicht sogar für das Studium des Alterthums gewonnen ist.
Bei den spärlichen Nachrichten, die wir über das häusliche Leben der Griechen und Iranier vor den Perserkriegen besitzen (von den Aegyptern wissen wir mehr), könnte übrigens auch der streng gelehrte Darsteller eines Privatlebens der Kulturvölker des sechsten Jahrhunderts v. Chr. der Mitwirkung solcher Kräfte nicht entrathen, die in das Gebiet der Phantasie gehören. Freilich wäre der letztere im Stande, den Anachronismus durchaus zu vermeiden, dem der Autor eines Werkes, wie das von mir unternommene, an gewissen Stellen rettungslos anheimfällt. Irrthümer äußerer Art lassen sich mit Fleiß und Aufmerksamkeit wohl umgehen, dagegen mochte und durfte ich mich nicht ganz frei machen von den Grundanschauungen der Zeit und des Landes, in denen meine Leser und ich geboren wurden; denn hätte ich rein antike Menschen und Zustände schildern wollen, so würde ich für den modernen Leser theils unverständlich, theils ungenießbar geworden sein und also meinen Zweck von vornherein verfehlt haben. Die handelnden Personen werden demnach zwar Persern, Aegyptern u. s. w. ähnlich sehen können, man wird aber doch ihren Worten mehr noch als ihren Handlungen den deutschen Darsteller, den nicht immer über der Sentimentalität seiner Zeit stehenden Erzähler anmerken müssen, der im 19. Jahrhundert nach der Geburt Jesu Christi geboren wurde, des hohen Lehrers, dessen Wort so mächtig eingriff in die Empfindungswelt und die Denkweise der Menschheit.
Die Perser und Griechen, welche ihrer Herkunft nach mit uns verwandt sind, bieten in dieser Beziehung weniger Schwierigkeiten, als die auf ihrer vom Nile der Wüste abgerungenen Fruchtinsel isolirt dastehenden Aegypter.
Ich weiß Herrn Professor Lepsius, der mich darauf aufmerksam machte, daß eine ausschließlich auf ägyptischem Boden stehende Kunstdarstellung den Leser ermüden würde, großen Dank. Seinem Winke folgend, habe ich schon in der ersten Auflage meinen dem Herodot entnommenen Stoff so disponirt, daß ich den Leser zunächst, gleichsam einleitend, in einen griechischen Kreis führe, dessen Wesen ihm nicht ganz fremd zu sein pflegt, mit dem er sogar ein wichtiges Gemeinsames besitzt: die Empfindungen im Gebiete des Schönen und der Kunst. Durch diesen hellenischen Vorhof gelangt er vorbereitet nach Aegypten, von dort nach Persien und endlich wieder zum Nile zurück. Er soll sein Interesse gleichmäßig an die genannten Völker vertheilen. Darum ruht die ganze Schwere der Handlung nicht auf einem einzigen Helden; ich bin vielmehr bemüht gewesen, alle drei Nationen durch geeignete Repräsentanten zu individualisiren. Wenn ich meinem Romane trotzdem den Namen der »ägyptischen Königstochter« gegeben habe, so geschah es, weil durch das Schicksal der Nitetis das Wohl und Wehe aller andern handelnden Personen bedingt wird, und diese also als der Mittelpunkt des Ganzen betrachtet werden darf.
Bei der Charakteristik des Amasis bin ich der meisterhaften Schilderung des Herodot gefolgt, welche durch das auf einem alten Denkmale gefundene Bild dieses Königs bestätigt wird. Auch die Grundzüge zu meinem Kambyses hab' ich dem Herodot entnommen, wie denn dem ganzen Romane die Mittheilungen dieses großen Historikers, der nur wenige Jahrzehente nach den geschilderten Ereignissen geboren ward, zu Grunde liegen. Dennoch bin ich dem »Vater der Geschichte« nicht blindlings gefolgt, bin namentlich bei der Entwickelung der Charaktere meine eignen von den Grundsätzen der Psychologie vorgezeichneten Wege gewandelt und habe die Resultate der Hieroglyphen und Keilschriftentzifferung überall zu Rathe gezogen. Diese bestätigen freilich vielfach die von dem Halikarnassier aufgezeichneten Mittheilungen.
Wenn ich mit Herodot den Bartja erst nach der Eroberung von Aegypten tödten lasse, so geschieht es, weil ich gerade an dieser Stelle nicht mit der gewöhnlichen Uebersetzung der Inschrift von Behistan übereinzustimmen vermag. Es heißt daselbst: »Ein Kambujiya mit Namen, Sohn des Kuru, von unsrer Familie, der war vorher hier König und hatte einen Bruder Bartiya mit Namen, von gleichem Vater und gleicher Mutter mit Kambujiya. Darauf tödtete Kambujiya jenen Bartiya.« Ich kann mich in diesem für das große Publikum bestimmten Buche nicht in sprachliche Erörterungen einlassen, aber selbst der Laie wird es einleuchtend finden, daß das obige »darauf« in diesem Zusammenhange keinen Sinn gibt. Die Inschrift stimmt sonst überall mit dem Berichte des Herodot, und ich glaube auch an dieser Stelle die Relation des Halikarnassiers mit der des Darius in Uebereinstimmung bringen zu können, doch muß ich mir die Begründung für einen anderen Ort aufsparen.
Woher Herodot den Namen Smerdes für Bartja und Gaumata genommen, läßt sich nicht nachweisen. Letzteren finden wir bei Justin, wenn auch in verstümmelter Form, wieder.
Warum ich den Halikarnassier Phanes zu einem Athener gemacht habe, findet sich angedeutet in der 90. Anmerkung des ersten Bandes. Dieser Zwang, den ich einer verbürgten Thatsache anthue, hätte sich in der ersten Auflage vermeiden lassen, war aber jetzt ohne große Umwälzungen im Texte nicht zu vermeiden. Einer ernsteren Entschuldigung bedürfte die Kombination, durch welche ich versucht habe, Nitetis möglichst jung zu machen; denn es ist, trotz der von Herodot gerühmten Milde des Amasis, ziemlich unwahrscheinlich, daß König Hophra noch zwanzig Jahre nach seinem Sturze gelebt haben sollte.
Uebrigens stehen wir auch hier vor keiner Unmöglichkeit, denn es läßt sich nachweisen, daß Amasis die Nachkommen seiner Vorgänger nicht verfolgte. Ein gewisser Psamtik, welcher der gestürzten Dynastie angehörte, lebte wenigstens, wie ich auf einer Stele im leydener Museum gefunden habe, bis in's 17. Jahr der Regierung des Amasis und starb 75 Jahr alt.
Endlich sei es mir gestattet, einige Worte über Rhodopis zu sagen. Daß sie ein ganz außergewöhnliches Weib gewesen sein muß, beweisen die in Anmerkung 10 und 14 des ersten Theils angeführten Stellen des Herodot und die Mittheilungen vieler anderer Schriftsteller. Daß sie schön gewesen sei, geht schon aus ihrem Namen hervor, der zu deutsch »Rosenwange« bedeutet. Auch ihre Liebenswürdigkeit wird ausdrücklich von dem Halikarnassier hervorgehoben. In welchem Grade sie mit allen Vorzügen ausgestattet gewesen sein muß, läßt sich am besten daraus entnehmen, daß die Sage und das Märchen bemüht gewesen sind, ihren Namen unsterblich zu machen. Rhodopis soll »wie viele behaupten« die schönste der Pyramiden (die des Mycerinus oder Menkera) erbaut haben; eine Erzählung von ihr, welche Strabo und Aelian bringen, bildet vielleicht die Grundlage zu einem unserer ältesten und schönsten Volksmärchen, dem Aschenbrödel, ja eine Sage von Rhodopis ist nahe verwandt mit unserer Loreleymähre. Nach Aelian raubte ein Adler, nach Strabo der Wind die Schuhe der zu Naukratis im Nile badenden Rhodopis, und legte sie zu Füßen des auf dem Markte Gericht haltenden Königs nieder. Dieser war entzückt über die Zierlichkeit der Sandalen und ruhte nicht eher, bis er die Besitzerin derselben aufgefunden und zu seiner Gemahlin gemacht hatte.
Die Sage erzählt, daß auf einer der Pyramiden ein wunderholdes, nacktes Weib throne, das durch seine Schönheit die Wüstenwandrer um den Verstand bringe (homines insanire faciat). Ihr Name sei Rhodopis. Th. Moore, welcher diese Sage dem Zoega'schen Werke entlehnt hat, benutzt sie zu folgenden Versen:
«Fair Rhodope, as story tells The bright unearthly numph, who dwells 'Mid sunless gold and jewels hid, The lady of the Pyramid.»So fabelhaft all' diese Mittheilungen klingen, so schlagend beweisen sie, daß Rhodopis ein Weib von ganz außergewöhnlicher Art gewesen sein muß. Wenn einige Gelehrte die Thracierin mit der schönen und heldenmüthigen Königin Nitokris gleichsetzen, von der Manetho bei Africanus, Eusebius u. A. redet, und deren Namen sich in der That (er bedeutet »siegreiche Neith«) als der einer der sechsten Dynastie angehörenden Königin auf den Denkmälern wiedergefunden hat, so conjiciren sie zu kühn, geben aber neue Belege für die Bedeutsamkeit unserer Heldin. Zweifelsohne sind die auf die Eine bezüglichen Sagen auf die Andere übertragen worden und umgekehrt. Herodot lebte viel zu kurze Zeit nach ihr und erzählt viel zu genaue und realistische Dinge aus ihrem Privatleben, als daß sie eine bloße Sagengestalt gewesen sein könnte. Das Schreiben des Darius am Ende des dritten Bandes soll die hellenische Rhodopis mit der Pyramidenerbauerin der Sage vermitteln. Ich will hier noch erwähnen, daß die erstere von Sappho »Doricha« genannt wurde. So mag man sie gerufen haben, ehe sie den Beinamen der Rosenwangigen erhielt.
Endlich muß ich des Jambenflusses, der sich in der Liebesscene zwischen Sappho und Bartja im ersten und dritten Bande geltend macht, entschuldigend gedenken; auch liegt es mir ob, einige Worte über die Liebesscenen selbst zu sagen, welche ich in der neuen Auflage nur wenig verändert habe, obgleich mir gerade in Bezug auf sie die meisten Bedenken zu Ohren gekommen sind.
Zunächst will ich gestehen, daß mir die Jamben bei der Schilderung des seligen Liebesglückes eines schönen jungen Menschenpaares, das mir selbst lieb geworden war, und das ich in die stille Nacht, an den ewigen Nil, zu Palmen und Rosen hinausbegleitete, unwillkürlich, sogar gegen meinen Willen (ich wollte ja einen Roman in Prosa schreiben), in die Feder gekommen sind. Die erste Liebesscene hat für mich eine Geschichte. Ich schrieb sie, ohne zu wissen, daß ich schrieb, in einer halben Stunde nieder. In meinem Buche ist zu lesen, daß die Perser das, was sie Abends im Rausche beschlossen hatten, am nächsten Morgen in der Nüchternheit von Neuem überlegten. Als ich im Sonnenscheine prüfte, was da beim Lampenlichte geworden war, wurde ich bedenklich und wollte schon die Liebesscenen vernichten, als mein theurer, zu früh verdorbener Freund Julius Hammer, der Dichter von »Schau' in Dich und schau' um Dich!« meine zum Ausstreichen erhobene Hand zurückhielt. Auch von anderer Seite wurde die Form der Liebesscenen gebilligt, und ich sage mir selbst, daß der poetische Ausdruck des Gefühles der Liebe sich in allen Ländern und Zeiten sehr ähnlich darstellt, während die Gespräche und Umgangsformen liebender Paare in der Realität, je nach Ort und Zeit, verschieden sein werden. Ich stehe hier dem übrigens nicht zu seltenen Falle gegenüber, daß die Dichtung der Wahrheit näher zu kommen ermöglicht, als die besonnene, beobachtende Prosa. Manche meiner verehrten Kritiker haben diese Scenen getadelt, andere, und unter ihnen solche, an deren Urtheil mir besonders viel gelegen ist, ihnen das freundlichste Lob zukommen lassen. Von diesen nenn' ich A. Stahr, C. v. Holtey, M. Hartmann, E. Hoefer, W. Wolfsohn, C. Leemans, Professor Veth in Amsterdam u. a. m. Dennoch kann ich nicht verschweigen, daß von gewichtigen Seiten her die Frage an mich herangetreten ist: Kannte denn das Alterthum überhaupt die Liebe in unserem Sinne, oder ist diese erst ein Produkt des Christentums, wie die Romantik, auf der ja schon dem Namen nach der Roman beruht? Daß ich mich, als ich mein Buch begann, ähnlichen Bedenken nicht verschlossen habe, das mag das Motto beweisen, welches ich über die Vorrede zur ersten Auflage setzte:
»Man hat mehrfach bemerkt, daß in den Briefen Cicero's und des jüngeren Plinius Anklänge moderner Sentimentalität nicht zu verkennen seien. Ich finde in denselben nur Anklänge tiefer Gemüthlichkeit, die in jedem Zeitalter, bei jedem Volksstamme aus dem schmerzlich beklommenen Busen emporsteigen.« A. v. Humboldt, Kosmos II. S. 19.
Und ich stimme unserem großen Gelehrten freudig bei und weise darauf hin, daß wir in heidnischen Kreisen entstandene Liebesromane haben. Ich erinnere nur an des Apulejus' Amor und Psyche. Die Liebe war auch dem Alterthume nicht fremd. Gibt es schönere Proben heißer Leidenschaft als die, welche uns aus Sappho's Liedern entgegenflammen, haben wir ein herrlicheres Bild gehuldigen Ausharrens in treuer Liebe als das, welches uns Homer in der edlen Penelopeia vorzeigt, gibt es schönere Beispiele des treuen Verbundenseins zweier Herzen selbst über den Tod hinaus, als die, welche uns Xenophon in der Erzählung von der Panthea und dem Abradat und die Geschichte Vespasian's durch die Kunde von dem Geschicke des Galliers Sabinus und seiner Gattin aufbewahrt haben? Kennen wir etwas Zarteres, als die Sage von den Halkyonen (Eisvögeln), die einander so zärtlich lieben, daß das Weibchen sein Männchen, wenn es vom Alter gelähmt wird, auf die Flügel nimmt und dahin trägt, wohin es verlangt? Solche Liebe belohnen die Götter, und wenn das Pärchen sein Nest baut und brütet, dann ruhen Wogen und Wind, und lieblicher scheint die Sonne vom Himmel in diesen »Halkyonen-Tagen«. Fehlt es an Liebesromantik da, wo ein Wüstling, Antonius, in seinem Testamente verlangen konnte, daß seine Leiche, er möge sterben wo er wolle, neben der seiner geliebten Kleopatra beizusetzen sei; ist selbst die Galanterie der Liebe da als unbekannt vorauszusetzen, wo man einer Königin, Berenice's, schönes Haar als Sternenbild an den Himmel versetzte, darf Hingabe für die Liebe bezweifelt werden bei Völkern, die um eines schönen Weibes willen furchtbare Kriege mit bitterer Hartnäckigkeit führen? Die Griechen hatten eine Schmach zu rächen, die Trojaner aber kämpften für den Besitz der Helena, denn die Greise von Ilion sind bereit, »um solchen Weibes willen lange Zeit Leiden zu tragen«τοιη̃δ' αμφὶ γυναικὶ πολὶν χρόνον άλγεα πάσχειν. Und wird nicht endlich die ganze Frage erledigt durch das einzige Gedicht des Theokrit, die Zauberin, welches Rückert uns Deutschen durch seine herrliche Uebersetzung ganz zu eigen machte? Da hockt das arme verlassene Mädchen mit ihrer alten Magd Thestylis am Feuer, über dem in seinem Rade der Wendehalsvogel sitzt, dem die Kraft beiwohnen soll, den treulosen Delphis zurückzuführen. Ein Assyrer hat die Simaitha genug der Zaubermittel gelehrt, und sie versucht sie alle und vergißt keines. Das ferne Brausen des Meeres. das rauchende Feuer, die in der Gasse heulenden Hunde, der gequälte, unruhige Vogel, die alte Magd, das in sich zerrissene Mädchen, die schauervollen Zaubermittel gesellen sich zu einem finsteren Nachtstücke, dessen Wirkung erhöht wird durch den ruhig und kalt vom Himmel glänzenden Mondschein. Nun verläßt die Alte das Mädchen, und Simaitha hält sogleich mit dem Zauber inne und läßt ihre Thränen fließen und hebt ihre Blicke zu Selene, der stillen Vertrauten der Liebenden, dem Monde empor und vertraut ihr Alles, was geschehen: wie sie den schönen Delphis zuerst gesehen, und wie ihr Herz in Liebe für ihn erglühte. Nichts mehr sah sie vom Auszuge der Jünglinge, »noch«, so läßt sie der Dichter klagen:
»noch wie ich nach Hause gekommen, . . . Wußt' ich, aber ein Fieber, ein hitziges setzte mir heftig Zu; zehen Tage nun lag ich zu Bett und zehen der Nächte. Merke, woher mir die Liebe gekommen ist, hohe Selene!«Und als Delphis endlich zum ersten Male über ihre Schwelle trat, da überzog sie Frost und Hitze:
»Aber zu reden vermocht' ich nicht, nicht auch nur so viel als Lallend reden im Schlaf aufwimmernde Kinder zur Mutter; Sondern starr wie die Puppe von Wachs war der blühende Leib mir. Merke, woher mir die Liebe gekommen ist, hohe Selene.«Woher sie gekommen ist? Daher, woher sie uns heute kommt! Die Liebe der Kreatur zu ihrem Schöpfer, der Menschheit zur Gottheit sind die erhabenen und doch holden Geschenke des Christenthums. Mit seinem Gebote, den Nächsten zu lieben, schuf es den Begriff der Menschenliebe und der Menschheit überhaupt, der den heidnischen Nationen fremd war, die als fernstes Lebensziel nur ihre Heimathstadt und ihr Vaterland kannten. Freilich hat das Christenthum auch auf die Liebe von Mann und Weib verklärend eingewirkt; aber es ist wohl denkbar, daß ein griechisches Herz ebenso zart empfunden und sehnsüchtig geschlagen habe, als ein christliches. Die tiefere Glut der Leidenschaft ist ohnehin den Alten nicht abzusprechen. Fand die Liebe bei den letzteren aber auch ähnlichen Ausdruck wie bei uns? Wer kennt nicht den schönen Rundgesang:
»Liebe, scherze, trink' und schwärme Und bekränze Dich mit mir, Härme Dich, wenn ich mich härme Und sei wieder froh mit mir!«Aber kein Dichter unserer Zeit hat ihn gesungen, er entstammt vielmehr der Dichterin Praxilla, die im fünften Jahrhunderte v. Chr. lebte. Hört man es dem folgenden Rückert'schen Liedchen an, daß es eine Nachbildung von Versen ist, die schon vor der Zeit unsrer Erzählung gesungen worden sind:
»O süße Mutter Ich kann nicht spinnen, Ich kann nicht sitzen Im Stübchen innen Im engen Haus; Es stockt das Rädchen, Es reißt das Fädchen: O, süße Mutter Ich muß hinaus!«Ich könnte, wäre mir der Raum nicht so knapp zugemessen, vieles Aehnliche mittheilen. Nur Eins sei mir noch zu sagen gestattet. Bei den Alten wie bei uns gab sich das in sehnsüchtiger Liebe schlagende Herz zu gleicher Zeit wärmer und inniger der Natur hin. Der Mond war und ist der Vertraute der Liebenden, und ich möchte gern eine moderne Dichtung kennen lernen, in der der geheimnißvolle Reiz der Sommernacht und die Zauber, die den quellenerfüllten Garten in der Schlummerzeit umwehen, herrlicher geschildert würde, als in folgenden Versen, wiederum der Sappho, von denen Eichendorff gelernt zu haben scheint, und die uns zwingen langsamer zu athmen »kühl bis an's Herz hinan«.
»Vor der hellen Scheibe des Mondes bergen Wieder ihren leuchtenden Glanz die Sterne, Wenn er voll im silbernen Lichte strahlet Ueber den Erdenkreis.«und:
»Es plätschert Durch die Quittenzweige das heil'ge kühle Wasser, und beim Beben der Blätter fließet Schlummer hernieder«Nach Köchly's trefflicher Uebersetzung..Diese Worte glaubte ich denen schuldig zu sein, die eine Liebe wie die der Sappho und des Bartja im Alterthume für unmöglich erklärt halben. Daß so zarte Empfindungen in vorchristlicher Zeit noch weit entschiedener als heute zu den Ausnahmen gezählt werden müssen, ist selbstverständlich. Schließlich gesteh' ich ein, daß ich doch wohl für das besprochene Paar zu warme Farben verwendet habe. Aber warum durfte ich nicht, als ich poetisch gestaltete, die Freiheit des Dichters für mich in Anspruch nehmen?
Wie wenig ich mir diese Freiheit sonst zu Nutzen machte, das sollen die Anmerkungen am Ende eines jeden Bandes beweisen[Diese Anmerkungen sind hier, mit der ursprünglichen Nummer versehen, jeweils unter den Text gesetzt.]. Auch erschienen diese nöthig, theils um dem Leser weniger bekannte Namen und Zustände zu erläutern, theils um den Verfasser, den Gelehrten gegenüber, zu rechtfertigen. Möge sich der Laie nicht von ihnen abschrecken lassen. Der Text ist auch ohne Erklärungen für jeden Gebildeten leicht lesbar.
Jena
Zwei und ein halbes Jahr nach dem Erscheinen der dritten ist diese vierte Auflage der ägyptischen Königstochter nothwendig geworden. Hinter mir liegt längst die neue Reise an den Nil, zu der ich mich während der Correctur der dritten Edition vorbereitete, und auf die ich wohl mit besonderer Befriedigung zurücksehen darf. Denn während meines Aufenthaltes in Aegypten 1872–73 ließ mich ein freundliches Ungefähr mancherlei Neues finden und darunter einen Schatz von unvergleichlichem Werthe, das große hieratische Manuscript, welches nunmehr in der Leipziger Universitäts-Bibliothek conservirt wird, das meinen Namen trägt und dessen Veröffentlichung jetzt schon vollendet vorliegt.
Der Papyrus Ebers, die zweitgrößte und am besten erhaltene von allen aus dem gesammten ägyptischen Alterthum bis auf uns gekommenen Handschriften, ist im 16. Jahrhundert v. Chr. geschrieben worden und enthält auf 110 Seiten das auch den alexandrinischen Griechen bekannte hermetische Buch über die Arzneimittel der alten Aegypter. Der Gott Toth (Hermes) wird »der Führer« des Arztes genannt und die verschiedenen Schriften und Traktate, aus denen das Buch zusammengesetzt ist, sind von ihm ausgehende Offenbarungen. Es werden in der ehrwürdigen Rolle Diagnosen gestellt, und Heilmittel gegen die inneren und äußeren Krankheiten der meisten Theile des menschlichen Körpers vorgeschlagen. Neben den verordneten Droguen stehen die Zahlen, nach denen sie mit Gewichten zu wägen und mit Hohlmaßen zu messen sind, und als Begleiter der Recepte finden sich die frommen Sprüche verzeichnet, welche der Arzt bei ihrer Bereitung, und während er sie dem Patienten reichte, herzusagen hatte. In der zweiten Zeile der ersten Seite unserer Handschrift heißt es von ihr, sie sei hervorgegangen aus Sais. Ein großer Abschnitt dieses Werkes ist dem Sehorgan gewidmet. Seite 55 Zeile 20 beginnt das Buch von den Augen, welches acht große Seiten füllt. Was wir bisher von der Augenheilkunde des Pharaonenvolks wußten, das waren wir griechischen und römischen Autoren zu entnehmen gezwungen; der erwähnte Abschnitt des Papyrus Ebers ist nun die einzige bis jetzt bekannte ägyptische Quelle, aus der wir über diesen wichtigen Zweig der alten Medicin Belehrung zu schöpfen vermögen.
Alles dies scheint kaum in die Vorrede zu einem historischen Roman zu gehören, und dennoch ist es gerade an dieser Stelle der Erwähnung werth; hat es doch etwas beinahe »Providentielles«, daß es gerade dem Autor der Königstochter, daß es gerade mir vorbehalten blieb, meine Wissenschaft mit dieser Schrift zu beschenken. Der Leser wird unter den in diesem Romane auftretenden Personen einem Augenarzte aus Sais begegnen, der ein Buch über die Krankheiten des Sehorgans verfaßte. Das Schicksal dieser kostbaren Arbeit wirkt bestimmend auf den Verlauf der gesammten Handlung ein. Diese Papyrusrolle des Augenarztes aus Sais, die noch vor Kurzem nur in der Vorstellung des Verfassers und der Leser der Königstochter existirte, ist nunmehr als reales Ding vorhanden. Es ist mir, als es mir diese Rolle heimzubringen gelang, ergangen wie dem Manne, welcher von einem Schatze geträumt hatte, und der ihn am Wege fand, da er ausritt.
An zweiter Stelle würde in dieser Vorrede eine Entgegnung auf die in der Revue des deux mondes Tome VII, 1875 Janvier erschienene Besprechung der ägyptischen Königstochter durch Mr. Jules Soury am Platze sein; aber eine solche ist nicht wohl möglich ohne ein tieferes Eingehen auf die an einer anderen Stelle zu beantwortende, immerhin strittige Frage, ob das Genre des historischen Romans überhaupt berechtigt sei oder nicht. Und doch kann ich nicht umhin, Mr. Soury schon hier mitzutheilen, daß mich die Abfassung der Königstochter von keiner anderen Arbeit abgehalten hat; daß ich sie vielmehr, bevor ich meine akademische Thätigkeit angetreten, im Krankenzimmer geschrieben und durch ihre Schöpfung nicht nur Trost und Freude, sondern auch Gelegenheit gefunden habe, todtes Wissensmaterial für mich und Andere »lebig« zu machen.
Herr Soury sagt, der Roman sei der Todfeind der Geschichte; aber dieser Satz darf ebensowenig zutreffend genannt werden als der andere, den ich dem seinen gegenüber zu stellen berechtigt zu sein glaube: Die Landschaftsmalerei ist die tödtliche Feindin der Botanik. Der historische Roman soll wie jedes andere Kunstwerk zunächst genossen werden. Niemand nehme ihn in die Hand, um aus ihm Geschichte zu erlernen; aber viele Leser, das ist der Wunsch des Autors, mögen sich durch sein Werk zu eigener Forschung, der die Anmerkungen den Weg weisen sollen, anregen lassen; wie denn auch bereits mehrere vortreffliche Kräfte durch die Lektüre der Königstochter ernsten ägyptologischen Studien zugeführt worden sind. Solchen Erfahrungen gegenüber brauch' ich, obgleich mir Mr. Soury's geistreiche Ausführungen manches Wahre zu enthalten scheinen, seinen Ausspruch, der historische Roman beeinträchtige die Wissenschaft, nicht auf das vorliegende Werk zu beziehen. –
Leipzig, den 19. April 1875.
Georg Ebers.
Es ist wiederum eine neue Auflage der »Aegyptischen Königstochter« nothwendig geworden und ich widme auch ihr ein eigenes Vorwort, weil der schnelle Fortgang des Drucks es mir leider unmöglich gemacht hat, einige Versehen zu beseitigen, auf welche ich durch die Güte des bekannten Botanikers Professor Paul Ascherson in Berlin, der Aegypten und die Oasen bereiste, aufmerksam gemacht worden bin.
Ich lasse im Garten der Rhodopis Bd. I. S. 5 unter anderen Gewächsen »Mimosen« wachsen; hatte ich sie doch in allen Beschreibungen des Nilthals erwähnt gefunden, war ich doch später oft genug in den Gärten von Alexandria und Kairo durch den lieblichen Duft ihrer goldgelben Blüten erfreut worden. Nun höre ich, daß gerade diese Mimose (Acacia farnesiana) aus dem tropischen Amerika stamme und dem alten Aegypten gewiß fremd gewesen sei. Die Bananen, die ich Bd. I. S. 53 unter anderen ägyptischen Gewächsen erwähne, sind erst durch die Araber aus Indien in das Nilthal eingeführt worden. Die im dritten Bande vorkommenden botanischen Irrthümer war es mir noch zu berichtigen möglich. Schon Hehn's vortreffliches Buch »Kulturpflanzen und Hausthiere« hatte mich gelehrt, auf solche Dinge zu achten. Theophrast, ein Kleinasiat, gibt die erste Beschreibung eines Citrus und diese beweist, daß er wohl den sogenannten Paradiesapfel, aber nicht unsere Citrone gekannt hat, die ich also unter den im alten Lydien kultivirten Pflanzen nicht nennen darf. Palmen und Birken sind beide in Kleinasien gefunden worden; ich ließ sie aber neben einander wachsen und beging damit einen Verstoß gegen die pflanzengeographische Möglichkeit. Die Birke grünt hier auf dem Hochgebirge, die Palme kommt nach Griesebach (Vegetation der Erde I. S. 319) nur an der Südküste der Halbinsel vor. Die letztgenannten Irrthümer konnten, wie gesagt, in der neuen Auflage verbessert werden.
Natürlich werde ich einem Jeden, der mich auf ähnliche Versehen aufmerksam macht, zu besonderem Danke verpflichtet sein.
Leipzig, den 5 März 1877.
Georg Ebers.
Der Nil hatte sein Bett verlassen. Weit und breit dehnte sich da, wo sonst üppige Saatfelder und blühende Beete zu sehen waren, eine unermeßliche Wasserfläche. Nur die von Dämmen beschützten Städte mit ihren Riesentempeln und Palästen, die Dächer der Dörfer so wie die Kronen der hochstämmigen Palmen und Akazien überragten den Spiegel der Fluth. Die Zweige der Sykomoren und Platanen hingen in den Wellen, während die hohen Silberpappeln mit aufwärts strebenden Aesten das feuchte Element meiden zu wollen schienen. Der volle Mond war aufgegangen und goß sein mildes Licht über den mit dem westlichen Horizonte verschwimmenden libyschen Höhenzug. Auf dem Spiegel des Wassers schwammen blaue und weiße Lotusblumen. Fledermäuse verschiedener Art schwangen und schnellten sich durch die stille, von dem Dufte der Akazien und Jasminblüthen erfüllte Nachtluft. In den Kronen der Bäume schlummerten wilde Tauben und andere Vögel, während, beschützt von dem Papyrusschilfe und den Nilbohnen, die am Ufer grünten, Pelikane, Störche und Kraniche hockten. Erstere verbargen im Schlafe die langgeschnäbelten Köpfe unter die Flügel und regten sich nicht; die Kraniche aber schraken zusammen, sobald sich ein Ruderschlag oder der Gesang arbeitender Schiffer hören ließ, und spähten, die schlanken Hälse ängstlich wendend, in die Ferne. Kein Lüftchen wehte, und das Spiegelbild des Mondes, welches wie ein silberner Schild auf der Wasserfläche schwamm, bewies, daß der Nil, der die Katarrhakten wild überspringt und an den Riesentempeln von Ober-Aegypten schnell vorbeijagt, da, wo er sich dem Meere in verschiedenen Armen nähert, sein ungestümes Treiben aufgegeben und sich gemessener Ruhe überlassen habe.
In dieser Mondnacht durchschnitt 528 Jahre vor der Geburt des Heilandes eine Barke die beinahe strömungslose kanopische Mündung des Nils. Ein ägyptischer Mann saß auf dem hohen Dache des Hinterdecks und lenkte von dort aus den langen Stab des Steuerruders(Anm. 1) Wilkinson, Manners and customs of the ancient Egyptians. III. 196 und III. plate XIV. Eine schöne Zusammenstellung der Fahrzeuge, deren sich die alten Aegypter bedienten, findet sich bei Dümichen, Die Flotte einer ägyptischen Königin, T. I–V, T. XXV–XXXI. Hier sehen wir auch die von einer Ophirfahrt heimkehrenden Schiffe, welche, außer den Pfauen, alle jene Schätze mitbringen, von denen wir durch das I. B. der Könige wissen (9, 28; 10, 11), daß sie den mit seinem Freunde Hiram von Phönizien Seefahrer aussendenden Salomo bereicherten. Selbst über den Fortschritt der nautischen Kunst bei den Aegyptern geben die Denkmäler Kunde. Das bewegliche Steuer ward erst in späterer Zeit verwendet. Werkstellen von Schiffbauern zeigen die Monumente schon in der Pyramiden-Zeit, z. B. in den Mastaba von Sakkara, welche sich die Reichsgroßen in der vierten Dynastie als Grüfte und Grabkapellen erbauten. Sie gaben den Mastaba die Form von abgestumpften Pyramiden, ließen ihre Außenwände ungeschmückt; ihr Inneres wurde aber um so reicher ornamentirt mit jenen zarten und doch scharf und charakteristisch behandelten Basreliefs, die heute noch die Bewunderung unserer Bildhauer erwecken. Schiffsdarstellungen z. B. in dem Mastaba des Ti. Dümichen, Resultate der auf Befehl Sr. Maj. des Königs Wilhelm I. unternommenen Reise I. T. II. und IV. Als Beigabe zu diesem Werke gibt der Verfasser eine ganz vorzügliche Abhandlung von Graser, dem größten Kenner des antiken Seewesens. Das Seewesen der alten Aegypter.. In dem Kahne selbst versahen halbnackte Ruderknechte singend ihren Dienst. Unter dem offenen, einer hölzernen Laube gleichenden Kajütenhause lagen zwei Männer auf niedrigen Polstern. Beide waren augenscheinlich keine Aegypter. Selbst das Mondlicht ließ ihre griechische Herkunft erkennen. Der Aeltere, ein ungewöhnlich großer und kräftiger Mann im Beginn der sechziger Jahre, dessen dichte graue Locken bis auf den gedrungenen Hals ohne sonderliche Ordnung herniederfielen, war mit einem schlichten Mantel bekleidet und schaute düster in den Strom, während sein etwa zwanzig Jahre jüngerer Gefährte, ein schlanker und zierlich gebauter Mann, bald zum Himmel hinaufblickte, bald dem Steuermann ein Wort zurief, bald seine schöne purpurblaue ChlamisDie Chlamis war ein leichter Sommermantel von meist kostbaren Stoffen, welcher namentlich von eleganten Athenern getragen wurde. Der einfache Mantel, das Himation, wurde von den dorischen Griechen, namentlich den Spartanern, getragen. in neue Falten warf, bald sich mit seinen duftenden braunen Locken oder dem zart gekräuselten Barte zu schaffen machte.
Das Fahrzeug war vor etwa einer halben Stunde aus Naukratis (Anm. 2) Diese Stadt, welche der Schauplatz eines Theiles unserer Erzählung sein wird, lag im Nordwesten des Nildelta's im saïtischen Nomos oder Bezirke, am linken Ufer der kanopischen Mündung des Nils. Nach Strabo und Eusebius ist dieselbe von Milesiern gegründet worden, und zwar, wie Bunsen rechnet, um 749 v. Chr. In früherer Zeit scheint griechischen Schiffen die Einfahrt in die kanopische Mündung nur im Nothfalle gestattet gewesen zu sein. Damals beschränkte sich auch der ganze Verkehr der Aegypter mit den verhaßten Ausländern auf die kleine, der Stadt Thonis gegenüber liegende Insel Pharus. Hom. Odyss. IV. 36. Herod. II. 113 und 114. E. Curtius versucht in seinem geistreichen Schriftchen über die Ionier eine weit frühere Verbindung namentlich der Ionier mit den Aegyptern nachzuweisen. Eine solche hat jedenfalls stattgefunden, aber kaum unmittelbar durch den genannten berühmten Stamm; vielmehr war die Nordküste von Unterägypten schon sehr früh von Phöniziern colonisirt worden, die sich ganz den ägyptischen Sitten anschlossen, Aegypto-Phönizier genannt werden können und der Politik ihrer Verwandten in Tyrus und Karthago treu blieben, allen Fremden durch Gewalt und List die von ihnen eröffneten Tausch-und Handelsplätze zu verschließen. Näheres in unserem Werke: Aegypten und die Bücher Mose's, S. 195. In jüngster Zeit hat Brugsch einige neue Beiträge für die Begründung der hier ausgesprochenen Ansicht geliefert. Histoire d' Égypte. Deuxième édition. p. 128. Cap. XI. Le sémitisme en Égypte. Sobald sich die Griechen einmal in Naukratis niedergelassen hatten, befestigten sie dasselbe und erbauten ihren Göttern Tempel: die Aegineten dem Zeus, die Milesier dem Apollo, die Samier der Hera. – Außerdem wurde daselbst ein großer, vielen Städten und Stämmen gemeinsamer Tempel und eine Art von Hansa, das Hellenion, gegründet. Alexander wählte später in der Nähe dieser blühenden Handelsstadt den Platz zur Gründung von Alexandria., dem einzigen hellenischen Hafenplatze im damaligen Aegypten, abgesegelt. Der graue, düstere Mann hatte auf der ganzen Fahrt kein Wort gesprochen, und der andere, jüngere, ihn seinen Gedanken überlassen. Als sich jetzt die Barke dem Ufer näherte, richtete sich der unruhige Fahrgast auf und rief seinem Genossen zu: »Gleich werden wir am Ziele sein, Aristomachus. Dort drüben, links, das freundliche Haus in dem Garten voller Palmen, der die überschwemmten Fluren überragt(Anm. 3) Wir sind im Oktober, wo der Nil bereits zu sinken beginnt. Die Gründe der Inundation sind namentlich seit H. Barths großartiger tabellarischer Arbeit (Zeitschr. für allgemeine Erdkunde. 1863. XIV. Bd. und S. Bakers Reise in Abessinien) genau bekannt geworden. Die Tropenregen und das Schmelzen des Schnee's auf den Hochgebirgen am Aequator verursachen die Ueberschwemmung. Anfangs Juni macht sich ein allmähliges Steigen des Stromes bemerklich, zwischen dem 15. und 20. Juli wird das langsame Schwellen zu einem rapiden Wachsen, Anfangs Oktober erreicht die Nilhöhe ihren Gipfelpunkt, den sie, nachdem sie schon den Rücktritt begonnen, zum andern Male zu erreichen sucht, um bald allmählig, und dann schnell und immer schneller zu sinken. Im Januar, Februar, März und April trocknet das Wasser noch immer nach; im Mai hat der Strom seinen tiefsten Stand erreicht. Seine Wassermenge ist dann 20mal so gering wie im Oktober., ist die Wohnung meiner Freundin Rhodopis. Ihr verstorbener Gatte Charaxus hat es bauen lassen, und all' ihre Freunde, ja selbst der König, beeifern sich, es in jedem Jahre mit neuen Verschönerungen zu versehen. Unnöthige Mühe! Dieses Hauses beste Zierde wird, und wenn sie alle Schätze der Welt hineintragen wollten, seine herrliche Bewohnerin bleiben!«
Der Alte richtete sich auf, warf einen flüchtigen Blick auf das Gebäude, ordnete mit der Hand seinen dichten grauen Bart, der Kinn und Wangen, aber nicht die Lippen(Anm. 4) Die Spartaner pflegten keine Schnurrbärte zu tragen. umgab, und fragte kurz: »Welches Wesen, Phanes, machst Du von dieser Rhodopis? Seit wann preisen die Athener alte Weiber?« Der also Angeredete lächelte und erwiederte selbstgefällig: »Ich glaube, daß ich mich auf die Menschen, und ganz besonders auf die Frauen wohl verstehe, versichere Dich aber nochmals, daß ich nichts Edleres in ganz Aegypten kenne, wie diese Greisin. Wenn Du sie und ihre holde Enkelin gesehen und Deine Lieblingsweisen von einem Chor vortrefflich eingeübter Sklavinnen(Anm. 5) Die Griechen ließen sich bei ihren Gastmählern oft durch Musik unterhalten; aber auch in Aegypten zeigen uns die Bilder bei den Gesellschaften gewöhnlich singende oder die Doppelflöte blasende Frauen, blinde Harfenisten &c. gehört haben wirst, so dankst Du mir sicher für meine Führung!« – »Dennoch,« antwortete mit ernster Stimme der Spartaner, »wäre ich Dir nicht gefolgt, wenn ich nicht den Delphier Phryxus allhier zu treffen hoffte.«
»Du findest ihn. Auch erwarte ich, daß Dir der Gesang wohlthun und Dich Deinem düsteren Sinnen entreißen wird.« Aristomachus schüttelte verneinend das Haupt und sagte: »Dich, leichtblütigen Athener, mag der Gesang der Heimath ermuntern; mir aber wird es, wenn ich die Lieder des Alkman(Anm. 6) Alkman (attisch Alkmäon) blühte um 650 in Sparta. Von einer lydischen Sklavin zu Sardes geboren, kam er in den Besitz des Spartaners Agesides, der ihn freiließ. Bald verschafften ihm seine schönen Lieder das Bürgerrecht von Lacedämon, woselbst man ihn zum Oberleiter im ganzen Gebiete der Tonkunst machte und er die sanfte lydische Musik, welche man durch Polymnestes kennen gelernt hatte, einzubürgern verstand. Himerius orat. 5. Seine Sprache ist die dorisch-lakonische. Nach einem dem Gesange, den Freuden der Tafel und der Liebe gewidmeten Leben soll er an einer schrecklichen Krankheit gestorben sein. Wegen der vielen Jungfrauenchöre (Parthenien), welche von ihm herrühren, seiner Loblieder auf die Frauen und des freundschaftlichen Verhältnisses, in dem er zu den Spartanerinnen, unter denen er die blonde Megalostrata besonders auszeichnete, gestanden haben soll, verdient er den Namen des lacedämonischen »Frauenlob«. Auch seine Paeane und Hymnen sind hoch berühmt. Seine Fragmente sind von Welcker gesammelt worden und bei Bergk, Poetae Lyrici Graeci, Alcm. fr. zu finden. Deutsch bei Hartung. Die griechischen Lyriker, griechisch mit metrischer Uebersetzung. Seine Lieder müssen in Aegypten, wenn auch erst in späterer Zeit bekannt geworden sein, da zu den köstlichsten Papyrosfunden, welche in jüngerer Zeit am Nile gemacht worden sind, ein Bruchstück der Lieder des Alkman gehört. vernehme, ergehen, wie in meinen wachend durchträumten Nächten. Mein Sehnen wird nicht gestillt, es wird verdoppelt werden.«
»Glaubst Du denn,« fragte Phanes, »daß ich mich nicht nach meinem geliebten Athen, den Spielplätzen meiner Jugend und dem lebendigen Treiben des Marktes zurücksehne? Wahrlich, das Brod der Verbannung will auch mir nicht munden, doch wird es durch Umgang wie den, welchen dieses Haus bietet, schmackhafter, und wenn meine theuren hellenischen Lieder, so wunderbar schön gesungen, zu meinem Ohre dringen, dann baut sich in meinem Geiste die Heimath auf; ich sehe ihre Oel-und Fichtenhaine, ihre kalten, smaragdnen Flüsse, ihr blaues Meer, ihre schimmernden Städte, ihre schneeigen Gipfel und Marmorhallen, und eine bittersüße Thräne rinnt mir in den Bart, wenn die Töne schweigen und ich mir sagen muß, daß ich in Aegypten verweile, diesem einförmigen, heißen, wunderlichen Lande, welches ich, Dank sei den Göttern, bald verlassen werde. Aber, Aristomachus, wirst Du die Oasen der Wüste umgehen, weil Du Dich doch später wieder durch Sand und Wassermangel winden mußt? Willst Du das Glück einer Stunde fliehen, weil trübe Tage Deiner warten? – Halt, da wären wir! Mach' ein fröhliches Gesicht, mein Freund, denn es ziemt sich nicht, in den Tempel der CharitinnenDie Göttinnen der Anmuth. Bekannter unter ihrem römischen Namen Gracien. traurigen Muthes zu treten.«
Die Barke landete bei diesen Worten an der vom Nil bespülten Mauer des Gartens. Leichten Sprunges verließ der Athener, schweren aber festen Schrittes der Spartaner das Fahrzeug. Aristomachus trug einen Stelzfuß; dennoch wanderte er so kräftigen Schrittes neben dem leichtfüßigen Phanes dahin, daß man denken konnte, er sei mit dem hölzernen Beine zur Welt gekommen.
Im Garten der Rhodopis duftete, blühte und schwirrte es wie in einer Mährchennacht. Akanthus, gelbe Mimosen, Hecken von Schneeballen, Jasmin und Flieder, Rosen und Goldregenbüsche drängten sich aneinander, hohe Palmen, Akazien und Balsambäume überragten die Sträucher, große Fledermäuse mit zarten Flügeln wiegten sich über dem Ganzen, und auf dem Strome tönte Gesang und Gelächter.
Ein Aegypter hatte diesen Garten angelegt, und die Erbauer der Pyramiden waren von Alters her als Gartenkünstler hoch berühmt(Anm. 7) Wilkinson II. 136–145. Rosellini, monimenti civili Taf. 68 und 69. Die besten Bilder von Gartenanlagen der alten Aegypter sind in den Gräbern von Tel el Amarna (18. Dynastie) gefunden worden. Lepsius, Denkmäler aus Aegypten und Aethiopien. Abth. III. Bl. 102 fgd. Auch in einigen Gräbern zu Abd el Qurnah in der Todtenstadt von Theben, z. B. in Grab 34 und 35 und der von uns entdeckten Gruft des Generals Amen em heb, der ein großer Blumenfreund war.. Sie verstanden es, die Beete sauber abzustecken, regelmäßige Baum-und Sträuchergruppen zu pflanzen, Wasserleitungen und Springbrunnen, Lauben und Lusthäuschen anzulegen, ja sogar die Wege mit künstlich beschnittenen Hecken zu umzäunen, und Goldfischzucht in steinernen Becken zu treiben.
Phanes blieb an der Pforte der Gartenmauer stehen, schaute sich aufmerksam um und horchte in die Luft hinaus, dann schüttelte er den Kopf und sagte. »Ich begreife nicht, was dieß zu bedeuten hat. Ich höre keine Stimmen, sehe kein Licht, alle Barken sind fort, und dennoch flattert die Fahne auf der bunten Stange neben den Obelisken zu beiden Seiten der Pforte(Anm. 8) An den Thoren ägyptischer Landhäuser pflegten zuweilen Obelisken mit der Namensinschrift des Besitzers zu stehen; auch waren Fahnen nichts Ungewöhnliches. Doch finden wir dieselben fast ausschließlich an den Thoren der Tempel, an denen sich heute noch Spuren der ehernen Krammen nachweisen lassen, in die die Fahnenstangen gesteckt worden sind. Auch den Griechen waren Fahnen nichts Unbekanntes. Aus einigen Inschriften bei den Masten an den Pylonen geht hervor, daß wenn die ersteren auch nicht geradezu als Blitzableiter aufgestellt worden sind, man doch bemerkt hatte, daß sie den Blitz anzögen.. Rhodopis muß abwesend sein. Sollte man vergessen haben? . . . . .« Er hatte nicht ausgeredet, als er von einer tiefen Stimme unterbrochen wurde: »Ach, der Oberst der Leibwache!«
»Fröhlichen Abend, Knakias!« rief Phanes, den auf ihn zutretenden Greis mit Freundlichkeit begrüßend. »Wie kommt es, daß dieser Garten so still ist wie eine ägyptische Grabkammer, während ich doch die Fahne des Empfanges flattern sehe? Seit wann weht das weiße Tuch vergeblich nach Gästen?«
»Seit wann?« erwiederte lächelnd der alte Sklave der Rhodopis. »So lange die Parcen meine Herrin gnädig verschonen, ist auch die alte Fahne sicher, so viele Gäste herbei zu wehen, als dieses Haus zu fassen vermag. Rhodopis ist nicht daheim; muß aber bald wiederkommen. Der Abend war so schön, daß sie sich mit allen Gästen zu einer Lustfahrt auf dem Nil entschlossen hat. Vor zwei Stunden, beim Sonnenuntergange, sind sie abgesegelt, und die Mahlzeit steht schon bereit(Anm. 9) Man pflegte, namentlich zu Athen, die Hauptmahlzeit, das Deipnon (δει̃πνον) spät zu halten.. Sie können nicht mehr lange ausbleiben. Ich bitte Dich, Phanes, sei nicht ungeduldig, und folge mir in's Haus. Rhodopis würde mir nicht verzeihen, wenn ich einen so lieben Gast nicht zum Verweilen nöthigen wollte. Dich aber, Fremdling,« fuhr er, den Spartaner anredend, fort, »bitte ich herzlich zu verweilen, denn als Freund ihres Freundes wirst auch Du meiner Herrin hoch willkommen sein.«
Die beiden Griechen folgten dem Diener und ließen sich in einer Laube nieder.
Aristomachus betrachtete seine vom Monde hell erleuchtete Umgebung und sprach: »Erkläre mir, Phanes, welchem Glücke diese Rhodopis, eine frühere Sklavin und Hetäre (Anm. 10) Die Hetären der Griechen sind keineswegs mit den modernen Lustdirnen zu vergleichen, denn der bessere Theil derselben vertrat die Intelligenz und Bildung der weiblichen Bewohner, namentlich der ionischen Theile, von Hellas. Man denke an Aspasia und ihr wohlbezeugtes Verhältniß zu Perikles und Sokrates. Auch unsere Rhodopis war hochberühmt. Die Hetäre Thargalia von Milet wurde die Gattin eines thessalischen Königs. Ptolemäus Lagi heirathete die Thaïs. Ihre Tochter hieß Irene, ihre Söhne waren Leontiskus und Lagus. Athen. XIII. p. 576. Endlich wurden mehreren Hetären Bildsäulen errichtet. Hierüber handeln am besten F. Jakobs vermischte Schriften IV. und Becker Charikles II. S. 51–69. Mehr im Texte., es verdankt, daß sie wie eine Königin wohnt und ihre Gäste fürstlich zu empfangen vermag?«
»Diese Frage erwartete ich längst,« erwiederte der Athener, »es freut mich, daß ich Dich, ehe Du in das Haus dieses Weibes trittst, mit ihrer Vergangenheit bekannt machen darf. Während der Nilfahrt wollte ich Dir keine Erzählung aufdrängen. Dieser alte Strom zwingt mit unbegreiflicher Macht zum Schweigen und zur stillen Beschaulichkeit. Als ich, wie Du soeben, zum erstenmal eine nächtliche Nilfahrt machte, war auch mir die sonst so schnelle Zunge wie gelähmt.«
»Ich danke Dir,« antwortete der Spartaner. »Als ich den hundertfünfzig Jahre alten Priester Epimenides(Anm. 11) Epimenides war Zeuspriester zu Knossus auf Kreta und soll nach Plinius 299, nach Xenophanes von Kolophon, seinem Zeitgenossen, 154 Jahre alt geworden sein. Laërtius Diogenes erzählt, er habe sich nach Belieben sterben und wieder aufleben lassen können. Da er 576 zu Sparta gewesen ist, so kann ihn der alte Aristomachus wohl gesehen haben. von Knossus auf Kreta zum erstenmale sah, überkam mich ein seltsamer Schauder, seines Alters und seiner Heiligkeit wegen; wie viel älter, wie viel heiliger aber ist dieser greisenhafte Strom ›Aigyptos‹(Anm. 12) »Aigyptos« wurde der Nil in alter Zeit von den Griechen genannt; z. B. Homer. Odyss. IV. 478. Der Ueberschwemmungsnil von Unterägypten heißt auf einigen Denkmälern »Akab«; aber doch wohl nur nach dem Lande, das er an seiner Mündung bewässerte, denn das Litoral des Delta, welches in früher Zeit von Aegypto-Phöniziern bevölkert war, scheint Aikab-t oder Aigab-t, das gebogene Küstenland, genannt worden zu sein, und der Name Aegyptens wurde von den Griechen gewiß zuerst aus phönizischem Munde vernommen.. Wer möchte sich seinem Zauber entziehen? Doch bitte ich Dich, mir von Rhodopis zu erzählen!«
»Rhodopis,« begann Phanes, »ward als kleines Kind, da sie eben am thracischen Strande mit ihren Gefährtinnen spielte, von phönizischen Seefahrern geraubt und nach Samos gebracht, woselbst sie Iadmon, ein GeomoreDie eingeborenen Adelsgeschlechter von Samos. kaufte. Das Mägdlein ward täglich schöner, anmuthiger und klüger, und bald von Allen, die es kannten, geliebt und bewundert.
»Aesop(Anm. 13) Aesop (620–550) war nach Herodot ein Thracier, nach Andern ein Phryger oder ein Mann von Mesembria, einer milesischen Kolonie am schwarzen Meere. Er wurde an den Samier Iadmon als Sklave verkauft. In dem Hause desselben diente er mit Rhodopis zusammen und wurde später freigelassen. Herod. II. 134. Berühmt durch seine Thierfabeln, soll er als Sachwalter aufgetreten sein und der Freundschaft des Krösus genossen haben. Als er, schon hoch betagt, im Auftrage des letzteren nach Delphi ging, wurde er von den beleidigten Priestern des Diebstahls einer goldenen Schale beschuldigt, fälschlich zum Tode verurtheilt und von den delphischen Felsen hinabgeschleudert. In späterer Zeit erhielt jede durch eine Erzählung aus dem Naturreiche praktisch dargestellte Lebensregel den Namen der äsopischen Fabel. Ueber ihn und seine Dichtungen siehe Grauert de Aesopo et fabulis Aesopiis. Bonn 1825. In neuester Zeit ist vielfach, namentlich durch Zuendel, revue Archéol. S. 354 die gut begründete Behauptung aufgestellt worden, daß der Ursprung der äsopischen Fabeln in Aegypten zu suchen sei. Im Allgemeinen hält man Indien für die Heimath der Thierfabel. In der Villa Albani zu Rom die berühmte, leider beschädigte Statue des Aesop »Ein concentrirter Idealtypus des geistvollen Buckligen«., der Thierfabeldichter, welcher damals gleichfalls im Sklavendienste des Iadmon verweilte, freute sich ganz besonders an der Liebenswürdigkeit und dem Geiste des Kindes. Er belehrte es in allen Dingen und sorgte für Rhodopis wie ein Pädonomus, den wir Athener den Knaben halten. Der gute Lehrer fand eine lenksame, schnell begreifende Schülerin, und die kleine Sklavin redete, sang und musicirte in kurzer Zeit besser und anmuthiger, als die Söhne des Iadmon, welche auf's Sorgfältigste erzogen wurden. In ihrem vierzehnten Jahre war Rhodopis so schön und vollendet, daß die eifersüchtige Gattin des Iadmon das Mädchen nicht länger in ihrem Hause duldete und der Samier seinen Liebling schweren Herzens an einen gewissen Xanthus verkaufen mußte. Zu Samos herrschte damals noch der wenig bemittelte Adel. Wäre Polykrates schon am Ruder gewesen, so hätte sich Xanthus um keinen Käufer zu grämen brauchen. Diese Tyrannen füllen ihre Schatzkammern, wie die Elstern ihre Nester! So zog er denn mit seinem Kleinode nach Naukratis, und gewann hier durch die Reize seiner Sklavin große Summen. Damals erlebte Rhodopis drei Jahre der tiefsten Erniedrigung, deren sie mit Schauder gedenkt.
»Als endlich der Ruf ihrer Schönheit in ganz Hellas bekannt geworden war, und Fremde aus weiter Ferne nur um ihretwillen nach Naukratis kamen (Anm. 14) Nach Herodot II. 134 und 135 war Rhodopis so schön, daß jeder Hellene ihren Namen kannte., geschah es, daß das Volk von Lesbos seinen Adel vertrieb und den weisen Pittakus zum Herrscher wählte. Die vornehmsten Familien mußten Lesbos verlassen, und flohen theils nach Sizilien, theils nach dem griechischen Italien, theils nach Aegypten. Alcaeus(Anm. 15) Alcaeus, ein Zeitgenosse und Freund der Sappho, stammte, wie diese, aus einer der vornehmsten lesbischen Familien und darf zu den trefflichsten Lyrikern des ganzen Alterthums gezählt werden. Mit allen Vorzügen, aber auch allem Stolz und allen Vorurtheilen seines Standes ausgestattet, setzte er Leib und Leben, Wort und Lied ein, um die Tyrannis zu stürzen, die nach Lesbos übersiedelnden Athener aus Sigeum zu vertreiben, und endlich die Oberherrschaft für den Adel zu bewahren, der sich kräftig gegen die Gewalthaber Melanchrus, Megalagyrus, Myrsilus, die Kleanaktiden wehrte. In beiden letzten Unternehmungen unglücklich, mußte er, als sich Pittakus zum Führer des Volks aufgeschwungen hatte, mit seinen Brüdern und Gesinnungsgenossen die Flucht ergreifen. Erstere nahmen bei Nebukadnezar von Assyrien Kriegsdienste, letztere, und mit ihnen Alcaeus, schweiften in der Welt umher. Es unterliegt keinem Zweifel, daß sich der Dichter mit Charaxus, dem Bruder der Sappho, auch zu Naukratis aufgehalten habe. Nachdem Pittakus seine Gesetzgebung, welche ihm den Namen eines Weltweisen eintrug, vollendet hatte, rief er die Verbannten zurück und verzieh dem Dichter, obgleich ihn derselbe auch in der Fremde mit den bittersten Versen verfolgt hatte. Die Lieder des Alcaeus sind erfüllt »von der ritterlichen Poesie des Adels von Mytilene, der, in allen Künsten der oligarchischen Erziehung genährt, durch stolzes Selbstgefühl gehoben, und sicher im Erbe der schönsten Vorrechte, sein Leben zwischen That und Genuß theilen und im Unglück niemals den leichten Muth aufgeben durfte.« – Er war ein Feuergeist, der in vollendeten Formen sang, weil er eben singen mußte, wenn eine Lust ihm blühte, wenn ihn ein Leid bedrückte. Klar, wunderbar unbefangen, frei von Sehnsucht und den Augenblick genießend, muß man ihn als eines der bedeutendsten Vorbilder des Horaz, der nicht nur seine Metra, sondern auch viele seiner Gedanken adoptirte, betrachten. Seine im Text erwähnte Beziehung zu Sappho wird durch einzelne seiner Fragmente verbürgt. Dieselben finden sich in A. Matthiae Alcaei reliquiae. L. 1827. Dazu Welcker, Kleine Schriften I. S. 126–147 und Bergk, Lyr. gr. ed. I. p. 569–598. Hartung, Die griechischen Lyriker. Griechisch mit metrischer Uebersetzung. V. p. 18. Seine Porträtstatue ist bei Monte Calvo gefunden worden. Dieselbe entspricht ganz der oben gegebenen Charakteristik des Mannes. Wahrscheinlich soll auch eine treffliche Statue in der Villa Borghese zu Rom unsern Dichter darstellen. Braun glaubt, man habe in ihr einen Pindar zu erkennen., der größeste Dichter seiner Zeit, und Charaxus, der Bruder jener Sappho(Anm. 16) Die berühmte Dichterin Sappho lebte nach Athenäus zur Zeit des lydischen Königs Alyattes, also zwischen 620–563 v. Chr., nach der Chronik des Eusebius ol. 44, d. i. um 600 v. Chr. Außerdem wird sie als Zeitgenossin des Pittakus, Alcaeus und der Rhodopis genannt, was mit den obigen Angaben übereinstimmt. Wir werden kaum fehl gehen, wenn wir sie um 620 zu Mytilene auf Lesbos geboren werden lassen. Ihr Vater hieß Skamandronymus oder Skamon. Hiefür sprechen, außer Herodot, Aelian und andern alten Schriftstellern, Welcker, Bernhardy, Richter und Andere. Ihre Mutter und Tochter trugen den Namen Kleïs. Außer dem von uns erwähnten Charaxus hatte sie einen zweiten Bruder Larichus, der, nach Athenäus, im Prytaneum zu Mytilene ein hohes Ehrenamt bekleidete. Hieraus, sowie aus der Vertreibung der Sappho und des Charaxus zur Zeit des Pittakus erhellt, daß sie aus einer sehr vornehmen Familie stammte. Dieselbe muß auch wohlhabend gewesen sein, sonst hätte Charaxus, wie Herodot erzählt, Rhodopis nicht kaufen können. Suidas nennt den Gatten der Dichterin, Cerkolas, ausdrücklich einen sehr reichen Mann. Unter ihren Anbetern darf ihr berühmter Zeitgenosse Alcaeus nicht übergangen werden, während ihre bekannte unglückliche Liebe zu dem jungen Phaon von Bernhardy mit Recht eine Fabel genannt wird. Ebenso unwahr ist es, daß Anakreon, der erst mehrere Jahrzehnte später blühte, an Sappho gewisse erotische Verse, welche einer anderen Lesbierin gelten, gewidmet habe. Auch ihre unreine Leidenschaft für schöne Jungfrauen und ihr Sprung vom leukadischen Felsen gehören in das Reich der Fabel. Siehe Welcker, F. W. Richter, Bernhardy und Koechly. Von dem Aeußeren der Dichterin wissen wir nur wenig. Plato, Plutarch u. A. nennen sie »die schöne Sappho«. Alcaeus preist ihr schwarzes Haar und ihr liebreizendes Lächeln. Welcker zählt sie zu den im Alterthum gefeierten Schönheiten. Sie ist auf den Münzen ihrer Heimath, in Gemälden und Bildsäulen sehr häufig, aber wie es scheint, sehr verschieden abgebildet worden. Eines dieser Bilder beschreibt Democharis folgendermaßen:
»So zu gestalten, o Maler, die mythilenische Muse Gab Dir einst die Natur selber, die Bildnerin ein. Lieblicher Glanz entströmet den Augen zur deutlichen Kunde, Wie ihr schaffender Geist quoll von lebendiger Kraft. Aber das Fleisch in natürlichem Wuchs, nicht schwellend in Unmaß, Deutet die Einfachheit ihres Gemüthes uns an. Und das Gemisch von frohem zugleich und sinnigem Antlitz Sagt, daß Cypris in ihr sich mit der Muse vermischt.«
Tausende von Liedern sind ihr gewidmet worden; wir aber wollen an dieser Stelle nur folgende Epigramme des Pinytus und Antipater von Sidon aus der Griechischen Blumenlese (F. Jakobs) erwähnen.
»Sappho's Asch' und Gebein und den Namen nur decket die Erde, Aber ihr weiser Gesang freut der Unsterblichkeit sich.«
»Sappho ward ich genannt; ich besiegte die Lieder der Frauen Weithin, so wie Homer männliche Lieder besiegt.«
Die Schreibart »Sappho« ist aeolisch. ΣΑΦΟ findet sich nur, wie auch Welcker glaubt, als Schreibfehler, auf einer Vase zu Wien. Die Fragmente ihrer Gedichte bei Bergk, Lyr. Gr. ed. II. Ein ganz vortrefflicher Vortrag über Sappho findet sich bei Koechly, Akademische Vorträge und Reden, S. 153 fgd. Solon äußerte den im Text angedeuteten Wunsch seinem Neffen gegenüber. Stobaeus Serm. XXIX. 28. Der Erwähnung werth an dieser Stelle ist das zu Melos gefundene Relief, welches Sappho darstellt, nach deren Laute Alcaeus greift. Konservirt im British-Museum. Zur Erklärung dieses Monuments hat Overbeek, Geschichte der Plastik I. S. 148 folgende von Aristoteles bewahrte Anekdote herangezogen: »Alkaeos liebte seine schöne und geniale Landsmännin, und soll sie einmal mit den zärtlich verschämten Worten: ›Du dunkellockige, keusche, süßlächelnde Sappho, ich möchte Dir gern etwas sagen, doch hält mich Scheu zurück‹, angeredet haben. Darauf antwortete die Dichterin spröde und etwas schnippisch: ›Wenn Dich eine schöne und edle Sehnsucht triebe, und nicht die Zunge etwas Böses sagen wollte, dann würde Dich nicht Scham das Auge niederschlagen heißen, sondern Du würdest heraussagen, was gerecht ist.‹«
, deren Oden zu erlernen der letzte Wunsch unseres Solon war, kamen hierher nach Naukratis, welches schon lange als Stapelplatz des ägyptischen Verkehrs mit der ganzen übrigen Welt blühte. Charaxus sah Rhodopis, und liebte sie bald so glühend, daß er eine ungeheure Summe hingab, um sie dem feilschenden Xanthus, welcher in die Heimath zurückzukehren wünschte, abzukaufen. Sappho verspottete den Bruder dieses Kaufes wegen mit beißenden Versen; Alcaeus aber gab dem Charaxus Recht, und besang Rhodopis in glühenden Liedern.»Der Bruder der Dichterin, der sich früher unter den Fremden in Naukratis verloren hatte, ward plötzlich durch Rhodopis berühmt. In seinem Hause versammelten sich um ihretwillen alle Fremden, und überhäuften sie mit Geschenken. Der König Hophra(Anm. 17) Wir haben für diesen König seinen bekannteren biblischen Namen Hophra gewählt. Den Griechen hieß er Uaphris und Apries. Seine hieroglyphischen Namensschilder (s. Lepsius, Königsbuch T. 48) Uah-ph-ra-het, woher die Umschreibung Uaphris und Hophra (Uah-ph-ra). Er regierte von 588–569. Diese Zahlen sind gesichert, erstens durch die hier schon vorhandenen Gleichzeitigkeiten, zweitens aber besonders durch die von Mariette gefundenen Apisgräber, deren Inschriften über die Regierungsjahre namentlich der Könige der 26. Dynastie, der auch Hophra angehörte, die schönsten Aufschlüsse geben. Er wurde von Amasis, der nach Athenäus sein Freund war, bei einem Aufstande, dessen die Propheten des alten Bundes erwähnen, Jerem. 44, 30. 46, 24–26, und den Herodot näher beschreibt, gestürzt. Herod. II. 169. Für diesen Theil der ägyptischen Geschichte treten jetzt die assyrischen Denkmäler mit ihren immer sicherer zu entziffernden Keilschriften mächtig fördernd ein., welcher viel von ihrer Schönheit und Klugheit gehört hatte, ließ sie nach Memphis kommen, und wollte sie dem Charaxus abkaufen; dieser aber hatte ihr längst im Geheimen die Freiheit geschenkt und liebte sie zu sehr, um sich von ihr trennen zu mögen. Andererseits liebte auch Rhodopis den schönen Lesbier, und verblieb gerne bei ihm, trotz der glänzenden Anerbietungen, welche ihr von allen Seiten gemacht wurden. Endlich machte Charaxus das wunderbare Weib zu seiner rechtmäßigen Gattin, und blieb mit ihr und ihrem Töchterchen Klëis in Naukratis, bis Pittakus die Verbannten in die Heimath zurück berief.
»Nun begab er sich mit seiner Gemahlin nach Lesbos. Auf der Reise dorthin erkrankte er und starb bald nach seiner Ankunft in Mitylene. Sappho, welche ihren Bruder wegen seiner Mißheirath verspottet hatte, wurde schnell zur begeisterten Bewundererin der schönen Wittwe, welche sie, mit ihrem Freunde Alcaeus wetteifernd, in leidenschaftlichen Liedern besang.
»Nach dem Tode der Dichterin zog Rhodopis mit ihrem Töchterlein nach Naukratis zurück, und wurde hier gleich einer Göttin empfangen. Amasis(Anm. 18) Amasis von 570–526 v. Chr., von dem im Texte vielfach die Rede sein wird, hieß nach seinen Hieroglyphenschildern, Lepsius Königsbuch Taf. 48. 8, Aahmes (junger Mond). Sein gewöhnlicher Beiname war Se-Net, »Sohn der Neith«. Namen oder Bilder desselben finden sich auf Steinen der Festung Kairo, einem Relief zu Florenz, einer Statue im Vatikan, auf Sarkophagen zu Stockholm und London, einer Statue in der Villa Albani, einem Tempelchen von Rosengranit zu Leyden. Ein schöner Porträtkopf von Grauwacke in unserem Besitze stellt wohl denselben König dar., der jetzige König von Aegypten, hatte sich unterdessen des Thrones der Pharaonen bemächtigt, und behauptete ihn mit Hülfe der Soldaten, aus deren Kaste er stammte. Da sein Vorgänger Hophra durch seine Vorliebe für die Griechen und den Verkehr mit den allen Aegyptern verhaßten Fremden seinen Sturz beschleunigt und namentlich die Priester und Krieger zu offener Empörung veranlaßt hatte, so hoffte man mit Sicherheit, daß Amasis, wie in alten Zeiten, das Land den Fremden absperren(Anm. 19) Die alten Aegypter sind in ihrem Verhältniß zu den Fremden mit den heutigen Japanesen vergleichbar. Alle Nichtägypter waren ihnen verhaßt, aber sie mußten doch gezwungener Weise von jeher Ausländern den Zugang über ihre Grenzen gewähren, ja sie konnten nicht verhindern, daß namentlich die Phönizier, in deren Hand der ägyptische Import-und Exporthandel sich befand, ähnlich wie die Portugiesen und Spanier in Japan (16. Jahrh.) einen großen Einfluß auf alle Kreise des Lebens, ja selbst auf das religiöse Bewußtsein des Volkes gewannen. Und wie in Japan auf die Iberier die Holländer folgten, so in Aegypten auf die Phönizier die Griechen, welche nach der persischen Invasion und den Zügen Alexanders das Nilthal beherrschten.