Eine gewaltige nächtliche Ouvertüre - Franziska Vogt - E-Book

Eine gewaltige nächtliche Ouvertüre E-Book

Franziska Vogt

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Beschreibung

Polenfeldzug, Westfront, Operation Barbarossa – nur einige Stationen des jungen Gebirgsjägers Alois Wagner, dessen Erlebnisse auf einer realen Person basieren.

Alois Wagner hält die harten, entbehrungsreichen Kämpfe aus den Anfangsjahren des Zweiten Weltkriegs in Form von Feldpostbriefen und Tagebucheinträgen fest. Wie so viele junge Soldaten ist auch Alois Wagner anfangs davon überzeugt, dass der Krieg schnell siegreich beendet sein wird und er sich bald ein beschauliches Leben mit seiner Jugendliebe aufbauen kann. Doch je länger der Krieg dauert, je mehr er sich ausbreitet, desto gedämpfter wird auch die Stimmung bei den Gebirgsjägern.

Bald drängt sich auch ihm die Frage auf: „Wo wird das alles noch enden?“

Alois steht im regen Austausch mit seiner Jungendliebe. Der junge Gebirgsjäger ist immer öfters hin- und hergerissen zwischen den Gefahren und Erlebnissen der Front und der Liebe, die in der Heimat auf ihn wartet.

Dieses Buch soll ein mahnendes Werk, stellvertretend für hunderttausende Schicksale sein. Es zeigt schonungslos die Gedanken und Ängste der Frontsoldaten auf, die sich jedoch nicht immer nur um den Frontalltag drehen, sondern auch um die Lieben an der „Heimatfront“.

Die Autorin Franziska Vogt hat die Tagebücher und Feldpostbriefe ihrer Familie ausgewertet, um diesen bewegenden Roman zu schreiben. „Eine gewaltige nächtliche Ouvertüre“ ist ihr berührendes, tief unter die Haut gehendes Debüt.

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Franziska Vogt

 

 

 

 

 

 

 

Eine gewaltige nächtliche Ouvertüre

Gebirgsjäger Alois Meyer vom Polenfeldzug über Frankreich an die Ostfront

 

 

 

 

 

 

 

 

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Klappentext: Der deutsche UN-Soldat Rick Marten kämpft in dieser rasant geschriebenen Fortsetzung zu H.G. Wells »Krieg der Welten« an vorderster Front gegen die Marsianer, als diese rund 120 Jahre nach ihrer gescheiterten Invasion erneut nach der Erde greifen.

Deutsche Panzertechnik trifft marsianischen Zorn in diesem fulminanten Action-Spektakel!

 

Band 1 der Trilogie wurde im Jahr 2017 von André Skora aus mehr als 200 Titeln für die Midlist des Skoutz Awards im Bereich Science-Fiction ausgewählt und schließlich von den Lesern unter die letzten 3 Bücher auf die Shortlist gewählt.

 

»Die Miliz-Szenen lassen einen den Wüstensand zwischen den Zähnen und die Sonne auf der Stirn spüren, wobei der Waffengeruch nicht zu kurz kommt.«

André Skora über Band 1 der Weltenkrieg Saga.

 

 

 

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Liebe Leser, liebe Leserinnen,

 

zunächst möchten wir uns herzlich bei Ihnen dafür bedanken, dass Sie dieses Buch erworben haben. Wir sind ein kleines Familienunternehmen aus Duisburg und freuen uns riesig über jeden einzelnen Verkauf!

 

Mit unserem Label EK-2 Militär möchten wir militärische und militärgeschichtliche Themen sichtbarer machen und Leserinnen und Leser begeistern.

 

Vor allem aber möchten wir, dass jedes unserer Bücher Ihnen ein einzigartiges und erfreuliches Leseerlebnis bietet. Daher liegt uns Ihre Meinung ganz besonders am Herzen!

 

Wir freuen uns über Ihr Feedback zu unserem Buch. Haben Sie Anmerkungen? Kritik? Bitte lassen Sie es uns wissen. Ihre Rückmeldung ist wertvoll für uns, damit wir in Zukunft noch bessere Bücher für Sie machen können.

 

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Nun wünschen wir Ihnen ein angenehmes Leseerlebnis!

 

Moni & Jill von EK-2 Publishing

 

Für Leon

 

 

 

 

 

 

In Gedenken an

Adolf Meyer

1915-1945, dessen Tagebücher als Vorlage für nachfolgendes Werk dienten

 

 

Erstes Tagebuch

Polenfeldzug

24.8. - 1.10.39

 

Westen (Heimat)

1.10. - 1.11.39

 

Reichenhall

1.11.39 - 5.2.40

 

Westfront

6.2.40 - 9.6.40

 

Diese Aufzeichnungen sind persönliche Erinnerungen und für den Falle, dass ich tödlich verwundet werde, bitte ich, das Tagebuch an

Reichsbankoberinspektor

Ernst Kaufmann

Ulm 9 Donau

Gutenbergstraße 2

zu senden.

NB: jetzt

Kempten/Allgäu

Augartenweg 5

Alois Wagner

Gebirgsjäger-Regiment 100, 1. Bataillon, 5. Kompanie (Feldpostnummer: 24971 F)

 

Donnerstag, den 24.8.39

Wir sind im Baukommando und richten eine Fernsprechleitung für die zweite Kompanie ein. Bei uns geht das Leben in der herrlichen Bergwelt seinen normalen Gang. Nichts hört man, dass ein Krieg bevorsteht. Die Kunde vom Paktabschluss mit Russland löste größte Heiterkeit aus, bis wir durch eine Rundfunkmeldung davon überzeugt wurden. Die verschiedensten Vermutungen wurden laut. Wir können diese weitschauende Tat des Führers und ihre Folgen noch gar nicht fassen. Daneben bringt das Radio Meldungen von den grausamen Verfolgungen der Deutschen in Polen. Uns bleibt es unverständlich, warum Deutschland nicht endlich einmal dieser Bande das Maul stopft. Die Bevölkerung bringt uns auch immer neue Gräuelmeldungen. Maya würde jetzt bestimmt sagen, ich solle auf solche Gerüchte nichts geben, und vermutlich hat sie recht. „Dir wäre doch alles lieb, damit endlich ein Krieg beginnt“, höre ich sie sagen und es stimmt. Habe ich mich nicht darum verpflichtet, dem Feind gegenüberzutreten?

 

Freitag, den 25.8.39

Ich steige hinab ins Tal, um Verpflegung zu holen, da ich am Sonntag wieder zu unseren Zelten auf die Soien-Alm hinauf will, wo wir biwakieren. Unterwegs treffe ich einige Freunde an, die zum Wendelstein wollen. Doch als ich in der Kaserne ankomme, erfahre ich, dass bereits Urlaube telegraphisch zurückgerufen wurden, aus Sicherheitsgründen und für alle Fälle, sagt Leutnant Felsenheimer. Ich bin vollkommen überrascht, glaubte doch niemand droben auf den Bergen an solche Maßnahmen. Ich überlege nun aber, ob ich wieder aufsteigen oder doch lieber hier bleiben solle, komme aber zu der Überzeugung, dass ich in der Kaserne nicht benötigt bin und fahre um 15:30 Uhr mit der Wendelsteinbahn wieder bis zur Zillerscharte, allerdings ohne Verpflegung.

Kurz vor der Station setzt ein Hagelschauer ein, der nicht unangenehm ist bei der Hitze. Als ich aussteige, stehen die Jäger Kehne und Hammermüller in voller Montur da. Auf meine Frage, was los sei, antworten sie nur, dass alle sofort in die Kaserne zurückmüssen. Ich bin maßlos erstaunt, war ich doch vor einer Stunde noch höchst persönlich dort und da hat man noch nichts Derartiges gewusst. Ich steige sofort wieder ein und fahre ganz durchnässt zurück ins Tal. Das ist ein Hin und Her! Wieder sind viele Freunde in der Bahn, noch beeindruckt von der Herrlichkeit der Burg und der Natur und ahnen nichts von den kommenden Stunden. Ich gebe ein Zeichen zum Schweigen. Sie sollen sich nicht davon beunruhigen lassen, dass in diesem Augenblick der gewaltige Kriegsapparat Deutschlands bereits begonnen hat zu laufen.

Unten angekommen stürzen wir bald im Geschwindschritt in die Kaserne. Soeben eingetroffene Urlauber fragen, was eigentlich los sei. Wir wissen selber nichts und können keine Auskunft geben. Als ich meine Stube betrete, verschlägt es mir fast den Atem. Der Raum abgedunkelt, jeder schwitzend vor seinem Schrank und alles redet durcheinander. Ich lasse erst einmal jeden vorschriftsmäßig anziehen, dann Rucksack packen, Betten abziehen und alle Ausrüstung, die nicht mitgenommen wird, in einen Bettüberzug stecken und einliefern. Ich war bereits eine Stunde früher fertig und konnte unterdessen meine Ausrüstung und Waffen überprüfen. Jetzt brauchen wir nur noch Erkennungsmarken und Verbandspäckchen. Anschließend werden die Gasmasken geholt, dann liefern drei Mann die Wäschebeutel ein und der Rest holt die eisernenRationen. Unterdessen habe ich nach meinemTragtier, einem braven braunen Muli, gesehen und lasse mein Funkgerät anschnallen. Die Privatkoffer und die Pakete kommen noch weg, dann sind wir bereits um 23:15 Uhr fertig zum Abmarsch. Ich ordne an, dass jeder nochmals ausgiebig isst und dann noch einige Stunden schläft, nachdem ich beim Bataillon erfahren habe, dass wir erst um elf Uhr vormittags verladen werden.

 

Sonnabend, 26.8.39

Jetzt heißt es wieder, dass wir erst am Dienstag wegkommen sollen. Der Rundfunk spielt nun unentwegt Märsche und Soldatenlieder.Außer belanglosen Nachrichten bringen sie Berichte von angeblichen Polengräueltaten und das Heer ist mobil und wartet und wartet. Wenn es nun losgehen würde! Das Gerücht taucht auf, dass der Pole verhandeln will. Wir wünschen im Stillen, dass es nicht dazu kommt, denn stimmen diese Scheußlichkeiten, müssensie heimgezahlt werden.

 

Donnerstag, der 31.8.39

Immer noch sitzen wir da und warten und warten. Draußen vor der Kaserne stehen die Leute und fiebern unserem Abmarsch entgegen. Nun heißt es, dass wir morgen bestimmt endlich abfahren. Unterdessen kommt wirklich der Abmarschbefehl. Gottsei Dank, endlich geht’s los! Wir gehen zum letzten Male aus und leben wie Fürsten. Werweiß, ob wir das schöne Nest noch einmal sehen werden. Zu allem Überfluss kam gestern noch ein Alkoholverbot. Aber das nimmt niemand so genau, gehen wir doch morgen weg. Um 22:00 Uhr hören wir noch Nachrichten und erfahren nun auch, warum wir so lange warten mussten. Der Führer hat den Polen noch einmal ein Angebot gemacht und bis gestern auf einen Bevollmächtigten gewartet. Polen hat nicht einmal eine Antwort gegeben. Wir werden diese „Pollacken“ nun zur Ordnung rufen und die deutsche Antwort erteilen, dass ihnen Hören und Sehen vergeht. Zum letzten Male schlafen wir in Brannenburg. Bereits in der Nacht wird unsere Ausrüstung verladen.

 

Freitag, 1.9.1939

Wir reinigen zum letzten Mal die Unterkunft und übergeben die Räumlichkeiten der Stadtverwaltung. Unterdessen marschiert eine Kompanie Tiroler Landesschützen in die Kaserne, die den Schutz übernimmt. Um zwölf Uhr hören wir den Führer, anschließend wird sofort verladen. Zu Musik marschieren wir aus. Das Kaiserjägerlied klingt noch einmal durch den jetzt einsamen Ort, als wir zum Bahnhof abmarschieren. Viele, viele Leute stehen an der Straße und rufen uns mit ernsten Gesichtern Lebewohl zu. Kein Hurrageschrei wie 1914, aber eiserne Entschlossenheit in allen Gesichtern. Alle Wagen sind mit Blumen geschmückt.

Ich komme zu den Unteroffizieren in einen Personenwagen und belege gleich einen Fensterplatz. Viele Mädchen und Frauen stehen am Bahnhof und scherzen nochmit uns. Wir erhalten Bier, Zigaretten, Schokolade und viele weitere Liebesgaben. Der Abschied geht schnell und die Frauen wirken tapfer. Doch als der Zug aber anrollt, ist alle Tapferkeit beim Teufel und Tränen fließen in Strömen. Noch lange winken wir, dann schaue ich voller Wehmut zu meinen Bergen, die ich über alles liebte, und mir steigt ein seltsames Gefühl in die Kehle, wenn ich daran denke, dass ich sie vielleicht nicht mehr wieder sehe. Jetzt rollen wir und überall winkt man uns traurig zu. Gern hätte ich Maya und Lotte Lebewohl gesagt, aber vielleicht ist es besser so, dass sie nicht hier sind. Ich werde ihnen auf der Fahrt schreiben.

In Salzburg wurden wir verpflegt und legen uns nun ins „Bett“. Was man halt unter Bett versteht. Bänke, Fußboden, Gepäckablagen … Bei schönstem Sonnenschein fahren wir in Wien ein. Die Stimmung ist ausgezeichnet. Schnell stecke ich meine Karten an Lotte und Maya ein, dann geht’s wieder weiter. Lange sehen wir noch den Prater.

 

Sonnabend, 2.9.39

Der Grenzbahnhof Marchegg wird gegen Mittag erreicht und wir bekommen Mittagessen. Dann übernehmen slowakische Bahnbeamte unseren Transportzug und wenige Minuten später erreichen wir die deutsch-slowakische Staatsgrenze. Der Grenzfluss ist am linken Ufer von deutschen, am rechten von slowakischen Soldaten besetzt. Auf dem Fluss selbst ist ein Kanonenboot der Donauflotille.

 

 

Bratislava, den 2.9.39

Liebe Maya,

kaum habe ich unser schönes Heimatland hinter mir gelassen, fühlt es sich an, als trennten uns Welten. Keine 500 Meter hinter der Grenze kommen wir an einem kleinen Dorf vorbei. Erdlöcher und halbverfallene Hütten. Mit viel Geschrei umringt ungemein freches, dreckiges und schmutziges Gesindel unseren Zug und bettelt. Wir werfen Knäckebrot aus dem Fenster und im Nu schlägt sich der ganze Haufen darum. Am Nachmittag kommen wir nach Pressburg oder Bratislava in der Landessprache.

Am Bahnhof werden wir vom Roten Kreuz betreut und erhalten viele Weintrauben. Wir fahren nun durch ein wunderbares Weinland. Überall sehen wir Dörfer mit großen Höfen und deutsche Siedler und Familien stehen schon tagelang an den Bahnhöfen, um uns zu grüßen. Diese wissen vor Freude kaum, was sie machen sollen. Auch die Slowaken verfallen in einen Freudentaumel. Überall weht die Fahne ihrer Heimat (blaues Tuch, weißes Feld, rotes Doppelkreuz) und die Hakenkreuzflagge. Jeder Knirps ruft uns sein „Heil Hitlär“, so klingt es in ihrem Akzent, und „Servus“ zu. Es ist rührend und ergreifend, wenn man kein Wort verstehen kann und dann in seiner Landessprache begrüßt wird. Schnell verstehen wir uns und bald läuft alles Arm in Arm mit dem Slowaken. Als wir uns dann trennen müssen, tönt noch lange „Na stráž“, was „Auf die Wacht!“ bedeutetet und der slowakische Kampfruf ist, hinter uns her. Aber ebenso „Heil Hitlär“ und „Servus“, dass man fast denken könnte, man sei daheim in Bayern. So ist mir das Herz nicht ganz so schwer.

Fühl dich geherzt Dein Alois

Sonntag, den 3.9.39

Über Ziffer, Trnava, Leopoldsdorf, Trenčín und Sillein kommen wir nach Hrabusice. In Trenčín treffe ich mehrere Kameraden, die mit anderen Zügen durchfahren. Zum ersten Mal steigen wir nach 56 Stunden Bahnfahrt aus und bewegen unsere steifen Glieder. Wie am Vortag sind wir sogleich von Gesindel umringt. Schnell sind zwei Violinen zur Hand und ein Tanz beginnt, dass wir lachen müssen. Halbwüchsige Burschen und Mädel tanzen, nur mit einem kümmerlichen Hemdsfetzen bekleidet. Während wir gespannt und lachend diesem lustigen Treiben zusehen, entsteht hinter uns ein Geschrei. Als wir nach der Ursache sehen, müssen wir lachen, dass uns Tränen kommen. Ein slowakischer Bahnbeamter läuft laut schimpfend hinter einer Bande Bettlern hinterher und schlägt mit einem Stock auf sie ein, weil sie unsere Rucksäcke leichter machen wollten. Nachdem dieses Pack nicht verschwinden wollte, haben wir sie auf Oberbayerisch gescholten. Das hat Eindruck hinterlassen. Nach dem Frühstück marschierten wir um 09:30 Uhr ab. Nach ca. acht Kilometern war der Weg so schlecht, dass die Feldküchen nicht hinterherkamen. Ich musste die Fahrzeuge der 5./100 wieder zurückführen und stieß dann auf Umwegen erneut zur Kolonne. Noch vor Dunkelheit passierten wir Käsmark, eine deutsche Stadt, wo wir mit Speckbraten überschüttet wurden. Nach 97 Kilometern und 23-stündigem Marsch erreichten wir am 4. September unser nächstes Quartier. Hundemüde fielen wir im Stroh in einen wohlverdienten Dauerschlaf.

 

Slowakei, den 4.9.39

Meine liebste Lotte,

heute haben wir einen sogenannten Ruhetag und so komme ich nun endlich dazu, dir etwas ausführlicher zu schreiben und mich einmal wieder gründlich zu waschen. Ich bin ganz staubig und verschwitzt vom gestrigen Dauermarsch, aber so ist das Soldatenleben. Wir sind inzwischen in der Slowakei angekommen. Frag mich nicht nach dem Namen des Ortes, in dem wir heute Quartier bezogen haben. Wir haben inzwischen schon so viele Dörfer und Städtchen passiert, dass ich nicht mehr mitkomme.

Mit der Bevölkerung verstehen wir uns blendend und bald habe ich mir eine „Hus“ (Gans) für zweieinhalb Reichsmark erstanden sowie zehn „Vajcia“ (Eier). Ich komme zum ersten Mal in ein slowakisches Haus und sehe alles mit anderen Augen an. Rings um die Wände eine einzige lange Bank, ein Tisch, ein breites Bett und ein gewaltiger Ofen, der an unsere Herde erinnert. Dessen gemauerter Aufbau dient als Schlafstätte. Eine Truhe als Kleiderschrank. Die Wände sind ringsum mit grellen Papierspitzen wahllos durcheinander behängt. Diese Dekoration wird nur durch unzählige Heiligenbilder unterbrochen. Wir essen dort unsere Gans und bekommen dazu einige Tassen „Mlieko“ (Milch) und einige Stücke „Chlieb“ (Brot). Beinahe könnte man sich hier wohlfühlen, trotz der ärmlichen Verhältnisse, würde ich dich nicht so sehr vermissen.

In tiefer Verbundenheit

Dein Alois

 

Montag, den 4.9.39

Unser heutiges Quartier ist einfach, aber gemütlich, und ich genieße die Zeit, in der wir noch vier feste Wände und ein Dach über uns haben. Ich übernachte bei einer freundlichen Familie. Mit der 17-jährigen Tochter, Božena, komme ich bald in ein munteres Kauderwelsch. Ihr Vater lädt mich auf einen Borovička nach dem anderen ein und so geht der Abend zwischen mir und Božena lustig weiter. Ihren Vater scheint das nicht zu stören. Wie schön, noch einmal einen vergnügten Abend zu haben, denn morgen wollen wir die Polen, die zwei Kilometer von uns über der Grenze liegen, angreifen.

 

Dienstag, 5.9.39

Der Pole hat anscheinend Wind davon bekommen und ist abgehauen. Unsere Spähtrupps finden weit und breit keinen Polen mehr. Wir sind etwas betrübt, brannten wir doch alle darauf, endlich zum Kampfe zu kommen. Unterdessen kommt Marschbefehl von der Division. Die Polen haben 80 Kilometer südlich von uns größere Verbände zusammengezogen und planen einen Einfall in die Slowakei. Eilig rüsten wir zum Abmarsch und in der glühendsten Mittagssonne sind wir unterwegs. Über Plavec erreichen wir auf verstopften Straßen die slowakische Stadt Bardejov. Hier ist unser letztes Quartier auf slowakischem Boden. Todmüde sind wir wieder, haben wir doch noch einmal 82 Kilometer hinter uns. Noch lange muss ich an das verbissene und zugleich erstaunte Gesicht des gefangenen polnischen Offiziers denken, als er an den endlosen Kolonnen vorbeigefahren wird.

Donnerstag, den 7.9.39

Unser heutiges Tagesziel ist Malastow. 16 Kilometer hinter Bardejov überschreiten wir die polnische Grenze. Zerschlagen ist der weißrote Schlagbaum und die slowakischen Grenzposten grüßen uns begeistert mit „Na stráž“. Kaum 500 Meter hinter der Grenze liegt ein polnisches Dorf. Verbissene und feindselige Gesichter überall. Auffallend viele junge Männer. Vor uns sollen größere polnische Kräfte sein. Hinter dem Ort im Wald eine Straßensperre. Eine kurze Rast, dann hat eine Sprengladung ihre Schuldigkeit getan und die Straße ist frei. Höhnisch grüßend verfolgen halbwüchsige Polen unsere Arbeit. Weit vor uns hört man mehrere Detonationen. Die Polen sprengen Brücken. Die Stimmung ist ausgezeichnet. Man vergisst alle Anstrengungen des Marsches, sind wir doch dauernd darauf gefasst, kämpfen zu müssen. Noch mehrere Orte werden passiert. Überall feindselige Haltung und auffällig viele männliche Bewohner, die unmöglich alle hier wohnen können. Kritisch betrachten sie unsere Waffen. Die vielen Maschinen- und Jagdgewehre und unsere Artillerie scheinen ihnen Respekt einzuflößen.

Trotzdem haben diese Banditen die Frechheit, um Zigaretten zu betteln, und eine Stunde später schießen sie einzelne Meldefahrer gemein ab. Wir stürmen ein Haus und da kommen zwei in zivil heraus. Im Haus stehen zwei mit Karabinern und Stahlhelmen. Den einen schlagen wir tot, den anderen erschießen wir. Bereits bei Dämmerung überschreiten wir einen Waldpass. Überall Sperren und Drahtverhaue. Unten im Tal liegt Malastow. Im Walde 200 Meter rechts der Straße soll noch ein polnisches Infanteriebataillon sein. Wir beschließen, in der Nacht nicht mehr weiterzumarschieren, sondern zu biwakieren. Selbstverständlich im Freien. Die Bevölkerung ist uns zwar „hündisch ergeben“, wie Jäger Kehne sagt, aber kein einziger Mann ist zu sehen. Während meine Kameraden schon schlafen, bleibe ich noch auf der Straße, um unsere LKW-Kolonne abzufangen. Spät in der Nacht kommen sie. Sie wurden in allen Ortschaften angeschossen. Von den Nachrichtentruppen sind bereits Tote zu verzeichnen. Alle Dörfer brennen. Unser Kommandeur fährt aufgrund einer Meldung der Nachbargruppe, die besagt, dass Gorlice feindfrei sei, mit seinem Adjutanten in die Stadt. Er findet nur verschlossene Türen und Fenster. Wie es sich herausstellt, war die Stadt noch von den Polen besetzt. Endlich komme auch ich zum Schlafen. Doch dauernd schießen

unsere Vorposten und hört man das Krachen der Handgranaten.

Freitag, 8.9.39

Um drei Uhr sind wir schon wach. Es ist bissige Kälte. Unsere Zeltplanen sind schneeweiß und steifgefroren. Heißer Kaffee wärmt uns auf. Wie wir erfahren, versuchten die Polen uns zu überfallen, wurden aber von unseren Posten zurückgeschlagen. Deshalb die Schießerei. Unterdessen ist Gorlice von der Nachbargruppe eingenommen und wir zweigen vor der Stadt ab. Gegen Mittag, es wird gerade Verpflegung ausgegeben, auf einmal eine Schießerei. Wir sind nur mit Hosen bekleidet und stürzen mit Stahlhelm und Waffen zum Ort des Geschehens. Dort bietet sich ein grauenhafter Anblick. Ein Unteroffizier der Artillerie liegt stöhnend vor einem Haus, aus welchem herausgeschossen wird, mit aufgeschlitztem Bauch und herausgerissenen Gedärmen. Schnell fliegt eine Handgranate in die Bude und im Nu brennt der ganze Bau lichterloh. Schweigend und jammernd kommt die Besatzung, fünf Mann, heraus. Aber wie sie rauskommen, werden sie abgeknallt und sinken in das Flammenmeer zurück. Wir erhalten fast aus allen Häusern Feuer. Und wo sich diese Fensterschützen aufhalten, sprechen unsere Handgranaten, sodass der ganze Ort bald nur noch ein Flammenmeer ist.

Jetzt werden alle Bewohner verhaftet, die regulären Truppen abgeführt und die Zivilisten und Soldaten, die ihre Uniform auszogen, an die Wand gestellt. Unsere Wut ist ungeheuer. Wir können nun essen, ab und zu pfeift noch einzeln eine Kugel über unsere Köpfe. Um 14:00 Uhr verlassen wir diesen traurigen Ort und marschieren weiter, links und rechts mit starken Sicherungen, nach Wapienne. Überall an der Straße liegen erschossene Heckenschützen. Wir kommen durch Ortschaften, wo nur noch Frauen und Kinder da sind, die uns misstrauisch anstarren. Alle Fenster und Türen sind mit Bretten verrammelt. Von nun an wird jeder Ort systematisch abgesucht, bevor wir durchmarschieren. Wo Waffen gefunden werden, fliegt eine Handgranate rein. Wir halten uns nicht mit langen Verhören auf.

Gegen 17:00 Uhr erreichen wir dann Zmigrod und lagern vor dem Ort. Wir sollen noch zwölf Kilometer marschieren, weil der Feind nur noch wenige Kilometer vor uns liegt und hinter dem 60 Kilometer entfernten San eine gut ausgebaute Stellung beziehen will. Das müssen wir unter allen Umständen verhindern. Aber mit Rücksicht auf die erschöpfte Truppe wird doch hier biwakiert. Obwohl alles mit Truppen überfüllt ist, schießt es aus allen Fenstern. Spät in der Nacht rückt unsere dritte Kompanie ein und bringt fünf gefangene Burschen mit. Alle im Alter von 14 bis 19 Jahren. Sie haben den im Walde verborgenen Truppen mit einem Bauernwagen Brot gebracht und wurden abgefangen. Sie sind so dumm und jung, dass man sie verprügeln und dann wieder zurückschicken sollte. Wir liefern sie bei der Feldgendarmerie ab. Wieder verbringen wir eine Nacht im Freien.

 

Sonnabend, den 9.9.39

Heute marschieren wir über Lysa und Gora bis zwei Kilometer vor Rymanow. Der Marsch selbst wird nur durch Gefechte mit versprengten Polen und Banden etwas im Tempo gebremst. Die Straßen sind unbeschreiblich. 25 Zentimeter Staub. Man kann seinen Vordermann kaum erkennen. Und zu allem Überfluss preschen Meldefahrer und Materialkolonnen an uns vorbei. Ein Artilleriekader überholt uns schon zum sechsten Mal. Und der Durst, furchtbar. Alles Wasser ungenießbar. Gegen Abend erreichen wir Rymanow und biwakieren an einem Gut zwei Kilometer vor dem Ort. Das Gut selbst ist verlassen. Fast 30 Pferde stehen noch im Stall, die wir einspannen und dann mitnehmen. Das Vieh ist draußen und gerne lassen sich die Kühe melken. Acht Stiere sind im Stall. Viele Schweine und Hühner. Auf erstere setzt bald eine lustige Jagd ein und jede Kompanie hat eines zur Bereicherung des Küchenzettels dabei. Stroh haben wir genügend und wir lassen uns ein Spanferkel schmecken. Ich muss ein Funkgerät aufbauen, weil Göring spricht. Bald bin ich mit meinem Gerät von der Kompanie umlagert, die alle die Rede hören wollen. Unser Kommandeur liegt verstaubt und verdreckt unter uns. Auf der Höhe vor uns liegt das brennende, von unserer Gebirgsartillerie zerstörte Rymanow. Grausam schön ist dieses nächtliche Bild. Aber die Natur verlangt ihr Recht und bald schlafen alle ruhig und fest. Nur die Posten gehen um den großen, schlafenden Platz.

 

Sonntag, 10.9.39

Heute ist wieder ein warmer Tag. Wir können uns von der Wirkung unserer Artillerie überzeugen. Die ganze Innenstadt von Rymanow ist zusammengeschossen. Auf dem Marktplatz befinden sich viele Gefangene. Juden im Kaftan stehen an der Straße und grüßen „mit hündischer Ergebenheit“, wie Jäger Kehne abermals anmerkt. In dieses Gesindel sollten wir schießen dürfen, höre ich ihn sagen. Ich denke mir mein Übriges. Nur gut, dass Maya das nicht mitbekommt.

Die Synagoge hat auch etwas abbekommen und im Gebäude liegen viele Tote. Soldaten, Juden und andere Zivilisten. Doch wir müssen weiter. An der Straße viele Bomben- und Artillerieeinschläge. Viele tote Pferde, Soldaten und Fahrzeuge. Ein süßlich-widerlicher Gestank auf der ganzen Vormarschstraße und der beißende Durst. Kurz vor Nowosielce statte ich mit Kehne einem Obstgarten einen Besuch ab und bringe meinen Stahlhelm und sämtliche Taschen voll Obst mit. Mit einem Meldefahrer komme ich wieder vor und höre heftiges Schießen. Wir sollen halten, aber trotzdem gehen wir dann zu Fuß weiter und verteilen schnell das Obst, um den Stahlhelm wieder freizubekommen. Mit entsicherter Pistole stürzen wir in die Häuser und holen die Banditen raus. Alle sagen, sie wären Ukrainer. Das kennen wir. Wo man nicht unseren Aufforderungen nachkommt, sprechen die Pistolen. Wir machen kein Federlesen. Leider entkommen uns einige Polen.

Selbst aus der Kirche schießt man mit Maschinengewehren. Wir greifen an und als wir hereinkommen, kniet die ganze Bande drin und betet. Wir werfen eine Handgranate rein und wie sie rauskommen, werden sie erschossen. Leider wurde auch ein deutscher Pfarrer, der zuerst mit uns verhandelt hatte, von einem Oberjäger eines Nachbarregiments in seiner blinden Wut erschossen. Er kommt vor ein Kriegsgericht. Furchtbar ist der Anblick. Sämtliche Häuser brennen lichterloh, dazwischen krepiert Granatwerfermunition. Auf der Kirchentreppe liegen an die 20 Tote. Das Blut läuft an den Stufen runter. Im Straßengraben verrecken viele an Kopf- und Bauchschüssen. Ich bin überzeugt, dass viele Unschuldige dabei sind, aber Krieg ist Krieg.

Nun, wir müssen weiter und in Staub und Hitze kommen wir abends dann in Sanok an. An der Straße verbrannte Häuser mit verkohlten Leichen. Grässlich dieser Gestank. Beim San biwakieren wir. Unmittelbar am Biwakplatz ist eine große Gärtnerei. Es ist klar, dass wir dieser einen Besuch abstatten. Tausende von Tomaten sind gepflückt und liegen im Winterkasten. Wir essen uns voll und nehmen wiederum einen Stahlhelm voll mit. Natürlich geht auch ein Korb voll Gurken und Kartoffeln mit. Im Biwak koche ich mir auf einem Benzinkocher Kartoffeln und mache mir einen pfundigen Gurkensalat. Anschließend noch einen Tomatensalat. Vollgefressen schlafen wir dann auf geklauten Strohmatten, die wir auch aus der Gärtnerei haben, ein.

 

Montag, den 11.9.39

Bereits um ein Uhr werden wir geweckt und um halb drei Uhr morgens geht es schon über den San. Die Mannschaften gehen über eine wacklige Notbrücke, während die Tragtierführer mit den Tieren durch das Wasser waten müssen. Das war ein Marsch, den ich nie vergesse. Nach 23 Stunden beinahe ununterbrochenen Laufens kommen wir über Tyrawa und Rostoka völlig erschöpft und auseinandergezogen weit nach Mitternacht in Dobromyl an. Unfähig, noch einen Fuß zu heben, fallen wir auf die kalt-nasse Erde. Die Polen hätten nicht mehr angreifen dürfen.

 

Dienstag, den 12.9.39

Ein üblicher Vormarsch. Staubige Straßen, Hitze, Durst. Wir erreichen Chyriw. Unser Vormarsch wird nur durch Bandengefechte und vereinzelte polnische Soldaten gestört. Unser Divisionskommandeur greift mit 30 Mann unseres Bataillons Sambir an, das von zwei Infanterieregimentern besetzt ist, und nimmt die Stadt ein. Da wäre ich gern dabei gewesen, kann ich meinen ersten richtigen Kampf doch kaum erwarten. Die Polen werden verjagt und ziehen sich unter Zurücklassung vieler Toter in die nahegelegenen Wälder zurück.

 

Mittwoch, den 13.9.39

Wir marschieren durch brennende Dörfer und kommen in das von unserer schweren Gebirgsartillerie in Brand geschossene Rudky. Der Pole in Stärke von drei Infanteriedivisionen und einer Kavalleriebrigade ist nun zwölf Kilometer vor uns. Wir sollen weit in die polnische Armee vorstoßen und sie in zwei Hälften teilen. Die Spitze der Division bildet das 1./100 und weiter zurück das Regiment 99. In Hradivka werden wir auf LKW verladen und fahren im mörderischen Tempo an marschierender Gebirgsartillerie vorbei nach Lwiw. Dort werden sämtliche Geräte im herrlichen Kurpark abgeladen und die LKW fahren leer zurück, nun um die Kompanie zu holen. Mit knapp 28 Mann sichern wir Lwiw und ermöglichen somit das Nachziehen des Bataillons.

Am Abend erhalten wir schon die erste Feldpost. Ich freue mich ungemein, dass auch ein Brief für mich dabei ist, auch wenn ich ein wenig neidisch auf das Päckchen mit Mettwurst und Schinken schaue, das Kehne von seiner Braut bekommen hat, und frage mich, was mehr Neid in mir hervorruft, der Schinken oder die Braut. Mit knurrendem Magen lese ich Mayas Brief. Dann werden im Park noch die restlichen Stunden verschlafen, soweit man überhaupt von Schlaf reden kann, und schon graut der Morgen.

 

Ulm, den 7.9.1939

Lieber Alois,

wie habe ich mich gefreut, schon so bald nach eurem Abmarsch von dir zu hören! Es hat mich beruhigt, dich vorerst in Sicherheit zu wissen, aber mir ist bewusst, dass du nicht da bist, um den guten Wein zu genießen. Auch wenn ich mir Sorgen um dich mache, will ich, dass du immer ehrlich zu mir bist, und mich nicht mit all den Schrecken und Gräueln des Krieges verschonst. Du weißt, ich halte vieles aus und Ehrlichkeit bist du mir nach allem, was zwischen uns war, immerhin schuldig.

Wenn du zurückkommst, werde ich vermutlich nicht mehr in Ulm sein. Du weißt, es war schon länger mein Wunsch, Tierärztin zu werden, und jetzt, da es aus mit uns ist, habe ich mir endlich ein Herz gefasst und mich an verschiedenen tierärztlichen Hochschulen beworben. Gestern kam aus Hannover die Zusage. Ich weiß, du bist bestimmt nicht erfreut darüber, dass ich weggehe und dann auch noch nach Preußen, aber ich muss auch nach vorne schauen, selbst wenn es schwerfällt, unendlich schwer. Meine Tante Irmgard wohnt dort und ich kann vorerst bei ihr unterkommen. Es fügt sich also alles ineinander.

Die armen Menschen, von denen du mir erzählst, tun mir leid. So will doch keiner leben. Ich hoffe, ihr benehmt euch auch recht anständig und macht der Wehrmacht keine Schande. Auch wenn hier jeder zuversichtlich ist, bin ich in Gedanken trotzdem immer bei dir und hoffe, du kommst schnell heim.

Fühl dich geherzt

Deine Maya

 

Donnerstag, den 14.9.39

Inzwischen wurde das Spielkasino mit den wunderbaren Spiegelsälen zum Truppenverbandplatz umfunktioniert und schon treffen die ersten Verwundeten ein. Unsere erste und zweite Kompanie mit Teilen des vierten Zugs haben die polnische Festung Lemberg noch in der Nacht angegriffen, die von 8000 Mann verteidigt wird. Der Bruder des Bataillonsadjutanten kommt mit Bein- und Hodenschuss zurück. Sind das die Dinge, die Maya hören will? Der Rest des vierten Zugs und die restlichen zwei Züge der dritten Kompanie wurden auf LKW verladen und über holprige Straßen in den nächsten Ort gefahren. Wir sind zu weit nach vorne und befinden uns mitten zwischen zwei polnischen Divisionen.

Die Bevölkerung, ausschließlich Ukrainer und Deutsche, sind überglücklich und begrüßen uns begeistert. Sie bringen uns Brot, Eier, Milch, Butter, gesottene Fische und vieles mehr. Wir lassen uns 16 Karpfen braten und gut schmecken. Während uns nun das Fett so im Bart hängt und wir uns lustig unterhalten, kommen 20 Polen im Rudel über die Felder. Wir greifen schnell zu den Waffen und schwärmen aus. Aber laut schreiend und tücherschwenkend kommen sie näher und geben sich gefangen. Für sie ist der Krieg aus, sagen sie lachend und sind froh, bei uns zu sein. Da wir keine Unmenschen sind, dürfen sie mitessen und erhalten auch Zigaretten. Lauter Reservisten, Jahrgang 1912 und zwei 16-Jährige polnische Freiwillige. Wir müssen aber weiter nach rechts und schicken die Gefangenen unbewacht nach Grodeck zurück, wo inzwischen unser zweites Bataillon eingetroffen ist. Sie haben furchtbar Angst, von den Polen abgefangen zu werden.

Auf Umwegen erreichen wir unsere Stellung. An der Bahnlinie schanzen wir und bauen Stellungen aus. Uns gegenüber im Wald liegt eine polnische Kavalleriebrigade, die jeden Tag im Ort Verpflegung holt. In einem Bahnwärterhaus ist unser Gefechtsstand. Ein Kilometer südlich liegt der Pionierzug in Stellung. Vor uns in einer Ziegelei, wo noch die Öfen brennen, sind 40 Maschinengewehre in Stellung, vor uns zwei Züge der dritten Kompanie, zwei Kilometer links davon die vierte Kompanie mit Granatwerfern und Infanteriegeschützen. Die deutschen Bahnleute erzählen uns, dass eine bildhübsche junge Frau, eine fanatische Polin und Deutschenhasserin, die Leute bespitzelt. Das soll sie mal bei mir versuchen! Die schwere Gebirgsartillerie beschießt die Polen in den Wäldern und die Luftwaffe reibt ganze Bataillone auf. Eine Masse Gefangener läuft über und wird mit LKW zurücktransportiert.

Kurz vor sechs Uhr müssen wir aus der Stellung raus und der SS Germania zu Hilfe kommen. Typisch! Zwei Stunden anstrengender, schneller Marsch, dann erreichen wir den befohlenen Ort. Wir kommen durch einen Ort, den wir bereits durchquert haben, und werden wiedererkannt und begeistert begrüßt. Alle weinen, weil wir wegmüssen. Am Zielort werden wir mit lautem Händeklatschen und Jubel empfangen. Peinliches Gefühl, wenn das von den Polen gehört wird. Wir bringen noch unsere Maschinengewehre in Stellung und legen uns dann auf ein von der Einwohnerschaft hergerichtetes Strohlager.

 

Freitag, den 15.9.39

Noch vor Morgengrauen schanzen wir uns ein. Der Gefechtsstand des Bataillons ist auf einem Friedhof im Ort. Der vierte Zug wird vorgezogen und zu allen Stellungen Drahtverbindung hergestellt. Unsere Jagdgewehre und Granatwerfer schießen sich ein. Heulend ziehen die Granaten über uns weg und schlagen drüben beim Polen ein. Artillerie geht ebenfalls in Stellung. Zu allem Überfluss reißt eine Fernsprechleitung zum Maschinengewehrzug. Ich muss mit meinem Trupp auf Leitungsprobe. Ab und zu werden wir von den Polen mit Maschinengewehren beschossen, aber Kehne, der bei mir ist, lacht nur und wir machen unbekümmert weiter. Die Leitung ist von Artillerie zerschossen und der Schaden bald behoben. Ich melde mich beim Bataillon zurück und habe dann frei.

Eine Beobachtungsstelle der schweren Artillerie schießt ihre Batterie ein. Ein herrliches Gefühl, wenn die Granaten heulen. Vor Abend greifen wir nicht mehr an. Ich hätte Zeit, an Maya zu schreiben, doch da kommt der General mit dem Kommandeur der SS. Wir sollen aus der Stellung raus und acht Kilometer weiter nach links an die Straße Grodeck-Przemysl und den zurückflüchtenden Polen den Weg abschneiden. Hauptmann Ebert protestiert dagegen, aber schließlich ist Befehl Befehl. Schweren Herzens brechen wir auf und verlassen unsere gut ausgestatteten Stellungen. Leutnant Felsenheimer führt uns und missgestimmt stolpern wir in der Nacht über die holprigen Wege.

 

Bei Przemysl, 15.9.39

Liebe Maya,

du hattest mich gebeten, dich nicht zu schonen, und drum will ich es auch nicht tun. Gestern Abend erhalten wir den Auftrag, unter Führung Leutnant Felsenheimers Polen abzufangen, die sich auf dem Rückzug befinden. Es ist stockfinster. Der Himmel wird nur kurzzeitig durch das Feuer der Artillerie erhellt, die über uns hinweg schießt. Rechts neben uns tobt die Schlacht. Wir erreichen ein Gehöft, an dem einer unserer Artilleriekommandeure mit seinen Offizieren steht. Später wurden sie niedergemacht. Einfach ausgelöscht. Wir überschreiten die befohlene Straße und zweigen links ab. Als wir in einem Hohlweg sind, machen wir eine kurze Rast. Ich steige auf die Böschung und höre plötzlich Hufschläge über dem Bahndamm. Ich mache darauf aufmerksam, aber schon fallen von vorne Schüsse.

Als eine Gruppe den 30 Meter vor uns liegenden Bahndamm überschreiten will, bekommt sie von allen Seiten starkes Feuer. Wir können nicht mehr weiter. Nicht einmal 120 Mann sind wir und vor uns liegen starke polnische Kräfte. Also bleibt uns noch ein Weg, zurück! Alles muss runter in den Hohlweg. Nur wenige Sicherer auf der Böschung. Ich bekomme den Auftrag, mit dem Rest des vierten Zugs den Rückweg zu sichern. Ich teile meine Posten ein und gehe mit Kehne selbst weit vor. Hinter uns ist starker Lärm zu hören. Ein kampfstarker Spähtrupp wird vorgeschickt, um festzustellen, was auf der Straße los ist. Wir glauben, dass das eigene Artillerie ist. Angestrengt lauschen wir in die Nacht. Ich kann Leute beobachten, die sich uns nähern. Ich verständige meine Wachen, gehe in Anschlag und rufe „Halt!“. Der Angerufene gibt sich zu erkennen und es stellt sich heraus, dass es unser Spähtrupp ist. Ich frage, was vorne los ist, und muss hören, dass es keine deutsche, sondern polnische Artillerie ist, die da steht. Ich sage nichts mehr und will auch vorerst meinen Leuten nichts sagen. Vor uns polnische Infanterie, rechts sehr starke polnische Kräfte, im Rücken polnische Artillerie. Sauber sitzen wir im Loch. Wir mit unseren 120 Mann gegen 3000 Polen. Ich werde angewiesen, meinen Posten einzusehen, nachdem der Spähtrupp vollständig zurück ist.

Ich lasse wegtreten und melde mich bei meinem Leutnant. Er sagt, was ich schon lange wusste, dass wir ringsum von Polen eingeschlossen sind. Raus kommen wir nicht mehr, außer es würde ein Wunder geschehen, aber kampflos lassen wir uns nicht abschlachten und ergeben werden wir uns erst recht nicht. Zwei Maschinengewehre greifen die Artillerie, die den Kreis um uns nun geschlossen hat, an und bringen ihr schwere Verluste bei. Herrlich wie unsere Maschinengewehre hämmern, dieser helle Klang. Dazwischen die langsamen polnischen Maschinengewehre. Aber nicht lange, dann bellen nur noch die unsrigen. Ein Oberjäger soll 800 Meter vor uns sichern. Ich muss dafür raus und nehme mir den zuverlässigen Kehne mit. Ein dummes Gefühl, mutterseelenallein dazuliegen und zu wissen, dass wir verloren sind.

Mit den Rücken aneinandergelehnt, hocken wir da und beobachten das Gelände, das weithin durch brennende Gehöfte beleuchtet ist. Unsere vierte Kompanie, die uns folgen sollte, ist anscheinend auf die polnische Artillerie gestoßen und greift sofort an. Mit Jagdgewehren und Granatwerfern schießen sie rein. Unsere schwere Artillerie bei Grodeck schießt über uns hinweg in den Hexenkessel. Laut heulend ziehen die Granaten an uns vorbei und krepieren drüben krachend. Unsere Maschinengewehre beginnen plötzlich mit einem wahnsinnigen Feuer. Die Polen sind zwischen uns und der eingeschlossenen Kompanie. Sauber, sauber! Ich muss zurück. Kehne zögert und meint, das wäre Selbstmord. Ich halte ihm vor Augen, dass wir so oder so hin sind und vielleicht haben wir Glück und kommen beide durch. Eine Schweinerei, dass unsere eigenen Maschinengewehre auf uns schießen. Verständigung ist unmöglich. Zwischen den einzelnen Feuerstößen hört man die polnischen Kommandos. Ich komme bis auf 60 Meter ran und kann mich mit Rufen verständigen. Oberjäger Kessler erkennt uns und kann verhindern, dass auf uns geschossen wird, obwohl schon der Befehl gegeben wurde. Gott sei Dank, von dieser Seite ist keine Gefahr mehr. Mein Rufen hat zweierlei bezweckt. Die Polen haben mich auch gehört und halten meine Rufe für Befehle. Feig, wie sie sind, stellen sie sich tot.

In der stockfinsteren Nacht stolpere ich und schlage bald hin. Ich mache Licht und sehe Fahrräder und sechs tote Polen, mit dem Gesicht zur Erde. Verdammt, nirgends Blut zu sehen. Wenn sie tot sind, muss doch eine Schusswunde und Blut zu sehen sein. Ich sage zu Kehne, er soll einen umdrehen, ich halte ihn mit der Pistole in Schach. Statt sie umzudrehen, kitzelt er sie einfach mit dem aufgepflanzten Seitengewehr. So geht’s natürlich auch! Über die Wirkung sind wir beide erstaunt. Blitzschnell stehen die „Toten“ mit erhobenen Händen auf den Füßen und jammern um ihr Leben.

Ich habe eine Wut und schlage dem, der am dümmsten schaut, mit der Faust in die Fresse. Solche Tropfen, tot stellen und dann womöglich auf uns schießen. Ich entwaffne sie und bringe sie zur Kompanie. Links von uns muss Grodeck liegen, man hört das Hämmern deutscher Maschinengewehre. Also müssen Deutsche dort liegen. Wir beschließen, einen Ausfall zu machen, zwei Maschinengewehre kommen an die Spitze, zwei ans Ende und die übrigen fünf bleiben zur Reserve. Ich gehe mit den Gefangenen in der Mitte. Jedes Mal, wenn eine Granate über uns weg heult, springen sie in den Straßengraben und nehmen Deckung. Wir müssen lachen, denen muss der Schreck in den Gliedern sitzen. Wir gelangen ohne nennenswerten Widerstand auf der Straße bis an die Bahnüberführung vor Bratkowice und erhalten dort deutsches Maschinengewehrfeuer.

Schnell kann der Irrtum geklärt werden, denn auf uns schießen die Vorposten vom 2./100, die keine Ahnung haben, dass wir noch vorne waren und uns für Polen hielten. Dort, wo die Bahn über die Straße Grodeck-Przemysl geht, machen wir nun eine kurze Rast und unterhalten uns mit den Vorposten vom 2./100. Viele müssen austreten und sitzen im Straßengraben, als wir plötzlich Feuer von vier schweren Maschinengewehren und ringsum Schützenfeuer erhalten. Kaum zu glauben. Der Bahndamm ist doch von deutschen Posten besetzt. Alles steht noch auf der Straße, Tragtiere, Fahrzeuge und so weiter. Wir gehen schnell in Deckung und erwidern nun gegen Bratkowice das Feuer, weil wir im Rücken eben nun Deutsche vermuten. Wir rufen immer: „Nicht schießen, eigene Leute!“ Aber je mehr wir rufen, desto ärger wird das Feuer. Jetzt hört man deutlich das langsame Ballern der polnischen Maschinengewehre, kein Zweifel, hier sind auch Polen und wir zum zweiten Male eingeschlossen. Warum schießen unsere Maschinengewehre nicht? Ich rufe noch: „Auf dem Bahndamm zwei polnische Maschinengewehre!“, aber da kommt einer vom Nachrichtenzug und sagt, dass nur noch Oberjäger Kessler mit acht Nachrichtenleuten da ist, alles andere ist mit den Tragtieren auf der Straße nach Grodeck getürmt.

Eine Wut kommt mir hoch. Da ist die ruhmreiche dritte Kompanie, die sogenannte Sportkompanie, die immer als Ehrenkompanie verwendet wurde, und haut einfach mit sechs leichten und zwei schweren Maschinengewehre ab, ohne einen Schuss abzugeben. Ich sammele den Rest des vierten Zugs um mich und gehe schießend zu Kessler, der mit seinen acht Mann an der Überführung kämpft, um ihn zu entlasten. Wir entschließen, uns mit unseren 15 Hanseln die Polen anzugreifen. Er nimmt dem Feinde, der von Bratkowice kommt, aufs Korn und ich den hinteren Bahndamm. Die Polen bemerken unsere Absicht und schießen verdammt nahe an uns und über uns vorbei. Eine Maschinengewehrgarbe pfeift über die Straße, die ich überqueren muss. Die Querschläger zischen mir nur so um die Ohren. Aber wir müssen rüber.

Ich wage den Sprung und komme drüben gerade noch in Deckung, als auch das Maschinengewehr schon wieder schießt.

In kurzen Abständen habe ich meine sieben Mann unverletzt bei mir und greife nun sofort an. Im gedeckten Winkel komme ich bis auf fünf Meter ran und werfe eine Handgranate rüber, dann springen alle auf und greifen die Polen an, die sofort fliehen. Wir senden noch einige Salven nach, dann gehe ich zurück. Unterdessen hat auch Oberjäger Kessler ganze Arbeit geleistet und ebenfalls den Feind nach Bratkowice geworfen. Wir müssen nun zurück, bevor man uns abermals den Weg abschneidet. Alle sind gesund da und freuen sich. Erstens, weil wir mit 15 Mann die zwei polnischen Kompanien verjagt haben, und zweitens, weil eine Jägerkompanie geflohen ist.

Die Gefangenen mussten wir leider bei Beginn des Gefechts erschießen, in unserem eigenen Interesse. Denn wenn sie wieder herausgekommen wären und der Pole von unserer tatsächlichen Stärke erfahren hätte, wären wir verloren gewesen. Wir gingen nun ebenfalls nach Grodeck zurück, aber wie sah die Straße aus. Weggeworfene Rucksäcke und Maschinengewehre, Karabiner, abgehängte Traglasten, sogar eine Feldküche stand verlassen auf der Straße. Fürwahr, eine Sportkompanie. Das Laufen haben sie gelernt und gut sogar, davon zeugen die weggeworfenen Ausrüstungsgegenstände. Wir schämen uns, schlimmer als die Polen. Wir sammeln alles ein, laden es auf die Feldküche und ziehen dann los. Weit zurück zwei Sicherer.

Auf halbem Wege treffen wir auf eine Beobachtungsstelle der Artillerie. Der Kommandeur selbst mit seinem Adjutanten, beide Karabiner in der Hand, erwarten uns und im selben Augenblick heulen die Granaten seiner Batterie über uns hinweg, dem uns nachkommenden Feinde entgegen. Er hatte die fliehende Kompanie aufgehalten und gesammelt. Als er die von uns gesammelten Ausrüstungsstücke und Waffen sieht, hagelt ein Donnerwetter hernieder und die Dritte bekommt Unangenehmes zu hören, wie „Sauhaufen“, „Feiglinge“ und so weiter. Wir marschieren dann nach Grodeck. An und neben der Straße sind Panzerabwehrkanonen und Artillerie in Stellung. Am Ortseingang stehen unsere Fahrzeuge und Tragtiere, auch die beiden Leutnants der dritten Kompanie, die große Töne spuckten und beim ersten Schuss davonliefen. Pfui Teufel, die Galle könnte einem überlaufen. Wir hatten keine Verluste und Verwundeten. Ein Hund erschossen.

Ist es das, Maya, was du von deinem Alois hören willst? Sind es solche Geschichten, für die du dich interessierst? Wurde deine Neugier befriedigt? Bald wirst du ja doch nicht mehr an mich denken. Du wirst in Hannover mit deinem Studium beschäftigt sein und wie ich dich kenne, wirst du dich mit voller Hingabe deiner neuen Aufgabe widmen, da du nichts machst, was du nicht mit Leidenschaft tust. Und selbst wenn dir gelegentlich die ein oder andere schöne Erinnerung an mich in den Sinn kommt oder ich dir im Traum begegne, wird auch das bald vorbei sein. Dann lernst du irgendwo auf einem Volksfest oder in einer Wirtschaft einen jungen Mann kennen, einen studierten, mit Fliege am Kragen und kleiner, runder Brille, und spätestens dann hast du mich ganz vergessen.

Aber bis dahin: Schreib mir, sooft es nur geht! Hast du mal wieder von mir geträumt? Du erlebst doch im Schlaf immer die spannendsten Geschichten. Erzähl mir jede einzelne und grüß meine Tante, wenn du sie siehst, aber erzähl ihr sonst nichts weiter, als dass es mir gut geht und dass wir mit dem Polen leichtes Spiel haben.

Fühl dich geherzt

Dein Alois

Sonnabend, 16.9.39

Während wir uns aus einer nahezu ausweglosen Situation befreien konnten, folgte uns unsere fünfte Kompanie nach Bratkowice und bezog dort Quartier, ohne dass wir davon etwas wussten. Der von uns geschlagene Feind zog sich zurück und griff unsere Fünfte an. Die polnische und zum Teil auch deutsche Artillerie setzte der Kompanie schwer zu. Bis zum Morgengrauen wurde gekämpft, dann räumte der aus zwei Regimentern bestehende Feind das Feld und ließ 800 Tote zurück. Auch unsere Kompanie hatte Verluste. Vom vierten Zug die Kameraden Laubinger, Vordermeier und Schwaab. Jäger Ratuschni, der Sanitäter, verwundet. Kastner vom Maschinengewehrzug tot und Dachner sehr schwer verwundet. Von den Fahrern Schemmel tot, Plötz schwer verwundet, Schnitzler leicht. Fünf Tragtiere und drei Pferde tot.

Als wir aus unserer Stellung raus waren, griff der Pole mit starken Kräften an, durchbrach die SS-Standarte „Germania“, bei der ein ganzes Bataillon aufgerieben wurde, und konnte von unseren zurückgebliebenen schwachen Sicherungen und der Artillerie aufgehalten werden. Die Kämpfe waren grausam und hart. Die Artillerie feuerte im dichten Schuss auf 100 Meter in die anstürmenden polnischen Kompanien. Die Wirkung war verheerend. Der Artilleriekommandeur des 3./79 fiel hinter dem Geschütz, das er allein bediente, und nun ruht er inmitten seiner Artilleristen und fünf unserer Jäger neben über 150 polnischen Soldaten. Im Tode vereint. Teilweise hatten die Polen die umliegenden Ortschaften besetzt und alles niedergebrannt und die Bewohner niedergemetzelt. Der Anblick war grauenhaft. Nachdem wir uns gesammelt und verpflegt hatten, ging’s um fünf Uhr per Lastwagen nach Ottenhausen, 18 Kilometer von Grodeck entfernt.

Dort soll der Pole im Anmarsch sein und will angeblich in Richtung Lemberg, wo bereits Teile unseres Bataillons kämpfen, durchbrechen. Ich persönlich glaube kaum, dass wir mit zwei Zügen den Durchbruch aufhalten können. Umso mehr als allen noch der Schrecken der vergangenen Stunden in den Gliedern steckt und uns der so feig durchgegangene Leutnant wieder führt. Wir sind 18 Kilometer vor unseren eigenen Linien, ohne irgendeine Verbindung mit dem Regiment oder dem Bataillon. Diesem Übel muss abgeholfen werden und ich werde mit einer Solomaschine zum Regiment nach Grodeck gesandt, um zu erreichen, dass wir eine Funkverbindung erhalten. Wir könnten dies in normalen Zeiten selber machen, aber unsere Geräte liegen zum Teil noch in Lubien, weil unsere Tragtiere durch Scheuerungen ausfielen und daher das Gerät verladen werden musste. Bekanntlich wurden in Lubien alle LKW abgeladen, weil sie für den Mannschaftstransport gebraucht wurden. Wir haben nur drei Fernsprechtrupps dabei, alle anderen sind in Lemberg.

Beim Regiment sagt ein Oberleutnant Gauss, dass er für uns Verständnis hat, aber bedauert, uns keine Nachrichtenverbindung geben zu können, da ihm selbst eine Funklinie zerschossen worden sei. Er fragt mich noch nach dem Hergang des Kampfes in der vergangenen Nacht, dann stehe ich wieder auf der Straße, so weit wie vorher. Ich frage nach meiner Kompanie und finde sie auch im Stadtpark. Völlig niedergeschlagen. Ich melde mich und alles ist erstaunt, dass ich da bin. Von allen Seiten bestürmt man mich mit Fragen. Es hat geheißen, die Polen hätten uns geschnappt. Auch ich erfahre jetzt von den schweren Verlusten meiner Kompanie. Mich trifft es sehr, als ich die Namen unserer Gefallenen und Verwundeten höre. Aber die Natur verlangt ihr Recht. Ich habe zwei Tage nichts mehr gegessen und einen riesigen Hunger. Achselzuckend und niedergeschmettert sagt mir unser Hauptfeldwebel, dem die Opfer sehr zu Herzen gehen, dass die Kompanie nichts mehr habe. Alles ist zusammengeschossen und für die nächsten Tage müssen wir schauen, wie wir durchkommen. Eine Tasse geretteter schwarzer Kaffee ist alles, was ich erhalten kann.

Neben der fünften Kompanie lagert die vierte. Nur noch der Hauptmann und vier Mann. Verstört sitzt er am Boden und stiert vor sich hin, gleichgültig gegen alles, was um ihn vorgeht. Diese stolze Kompanie versprengt. Auch sie wurden in der Nacht von den aus Przemysl zurückgehenden polnischen Division angegriffen und auseinandergerissen. Wir hörten den Kampf, der nur mit schweren Waffen geführt wurde. Ziemlich niedergeschlagen verlasse ich die Kompanie und versuche, zu meinen Kameraden nach Ottenhausen zu kommen. Beim Regimentsstab treffe ich den Führer unserer Gruppe, Hauptmann Ebert, mit dem ich als fünfter Mann auf einer Beiwagenmaschine nach Ottenhausen komme. Er ist seelisch niedergeschlagen. Er ahnte, als wir unsere Stellung räumen mussten, dass wir ins Verderben rennen und hat dagegen protestiert. Aber vergebens. Mit sechs Mann hat er uns die ganze Nacht gesucht und eine ganze polnische Kompanie gefangen genommen. In Ottenhausen ist unterdessen tüchtig geschanzt worden.

Am Wege stehen verlassene polnische Panzerabwehrkanonen mit Munition und Fernsprechwagen. Die Bevölkerung hat alles ins Wasser geworfen. Es ist mir schwergefallen, dem restlichen vierten Zug die Nachricht vom Tod unserer Kameraden beizubringen. Ein tiefer Schmerz und Wut zugleich erfasst alle. Sie kennen nur ein Gefühl und das heißt Rache. Wir begrüßen es daher, als es heißt, wir müssen wieder die alte Stellung beziehen. Hoffentlich bekommen wir die Polen zu fassen. Wir rücken erst um 16:00 Uhr ab und können noch ein Frühbad nehmen, das uns sehr erfrischt. Dann marschieren wir wieder durch uns bereits bekannte Dörfer. Überall bedecken zerschossene Maschinengewehrgespanne und Bedienungen, abgeworfene Ausrüstung und so weiter das weite Feld. Die Polen haben hier schwere Verluste erhalten. Genau am selben Platz wie vor zwei Tagen ist hier unser Gefechtsstand und die verlassenen Schützenlöcher beziehen wir ebenfalls wieder. Anstelle des erschossenen Trupps von Oberjäger Dassler muss ich mit meinem Trupp Drahtverbindungen zum Maschinengewehrzug herstellen. Bereits bei völliger Dunkelheit erreiche ich den beschossenen Ort und richte mich mit meinen Leuten in einer Maschinengewehrstellung ein. Die ganze Nacht verläuft ohne Zwischenfälle und zum ersten Mal kann ich ruhig schlafen. Es ist zwar kalt, aber die Müdigkeit lässt mich bis zum Morgen schlummern und ich wäre nicht erwacht, hätte man mich nicht geweckt.

 

Sonntag, den 17.9.39

Morgens um drei Uhr kommt vom Stab folgender Befehl: „MG-Zug meldet sich um 500 bei Grenze und unterstellt sich gesamter Gruppe zur Verfolgung der Polen am 17. und 18.9.39.“ Man, was soll das? Verfolgung der Polen am 17.9.? Das wäre ja heute? Ich gebe den Befehl sofort weiter. Während sich der Maschinengewehrzug marschbereit macht, erfahre ich durch Fernsprecher beim Bataillon, dass die Polen getürmt sind und sich südostwärts von uns erneut zum Angriff bereitstellen. Wir werden dem zuvorkommen und heute noch angreifen. Ich erhalte gleichzeitig den Abbaubefehl, den ich umgehend ausführe. Noch bevor es hell wird, melde ich mich beim Bataillon zurück. Im Straßengraben liegen wir in voller Deckung. Ich gehe auf den angrenzenden Friedhof und stehe ergriffen vor den ersten deutschen Gräbern. Hauptsächlich liegen Kameraden von der Artillerie da, aber auch der Kommandeur der 3./79 und Jäger Lang der 3./100 ebenfalls. Daneben ein riesiges Massengrab der Polen. Auch sie bedeckt nun die kühle Erde. Arme Eltern und Bräute, wie sehr kann ich fühlen, wie ihr auf die Rückkehr wartet und nie wissen werdet, wo euer Lieber ruht, weil sie keine Ausweise bei sich führten. Bei unseren Toten erfahren wenigstens die Eltern etwas.

Ununterbrochen marschiert an uns Gebirgsartillerie vorbei. Gott sei Dank, endlich kommt die Verstärkung. Um acht Uhr beginnt die Verfolgung. Wir marschieren durch das Städtchen und erhalten am Ortsrand bereits Artilleriefeuer. In einem Hohlweg machen wir eine kurze Rast. Ein Gestank nicht zum Beschreiben. Alles voll Toter und zerschossener Gespanne. Hier hatte eine polnische Kompanie gerastet und wurde durch eigene Artilleriesalven ganz und gar vernichtet. Wir machen erst die Straße frei und dann verteilen sich die Kompanien über das weite Gelände.

Ein wunderbares Bild, wenn man die Kompanie ausgeschwärmt vorgehen sieht. Man könnte an Frieden glauben, wenn nicht die Artillerie dieses friedliche Bild stören würde. Wir durchschreiten beziehungsweise umgehen in weitem Bogen Ostrowiec, das feindfrei ist, und erreichen eine kleine Anhöhe. Auf dem Hügel sind Beobachtungsstellen unserer Artillerie. Am Gegenhang sieht man Kolonnen den Berg hinan ziehen. Ganz oben erkennt man ein Blinken wie mit einem Spiegel oder wenn man früher in der Schule mit der Armbanduhr den Lehrer geblendet hat, ganz aus Versehen natürlich. Wie ich solche Kindereien manchmal vermisse!

Vor uns steht eine polnische Batterie, die aber zusammengeschossen wird, bevor sie uns beschießen kann. Wir schreiten den Hang hinab und sammeln uns am Ortsrand, der im Tal liegt. Als wir den Ort gerade in der Mitte durchschreiten, heult eine Granate herein und wühlt sich in dem freien Dorfanger tief in die weiche Wiese. Eine schöne Schweinerei! Hier liegen mit der Artillerie fast 1700 Mann und schießen. Dazu alle Tragtiere. Sofort geht unsere schwere Kompanie vor, lastet ab und eröffnet aus Jagdgewehren das Feuer auf die 800 Meter entfernten Polen, die uns aus dem angrenzenden Ort mit Maschinengewehren beschießen. Uns trennt ein Staudamm, der uns gute Deckung bietet. Inzwischen greifen unsere Jägerkompanien, das heißt, erstmal nur die dritte, weil die anderen in Lemberg sind, den Hügel vor uns an. Links die uns unterstellten zweite Kompanie, Gebirgsdivision 54, rechts die 1./98. Unsere Artillerie ist in Stellung und jetzt heulen ununterbrochen unsere Granaten über uns hinweg. Ich erhalte den Auftrag, zu unserer dritten Kompanie Drahtverbindung herzustellen.

Unsere Tragtiere mit dem Gerät sind natürlich noch nicht da. Entweder hat der Staffelführer Panik oder im Oberstübchen stimmt’s bei ihm nicht. Es dauert eine halbe Stunde, bis ich mein Tragtier finde und mein Gerät baufertig habe, und unterdessen ist mir natürlich die Kompanie davongelaufen. Als ich frage, wohin sie ist, zeigt man mir die Richtung. Wie weit, weiß niemand, weil keine Verbindung da ist. Als ich frage, was vom Feind bekannt ist, sagt man, der Pole ist überall. Tatsächlich verlief seine Stellung im Halbkreis um uns. Ich gehe nun auf gut Glück los und als ich aus dem Ort heraustrete, erhalte ich auch schon mit meinen Leuten Feuer. Wir bauen aber ungeniert weiter, und erreichen glücklich einen Hohlweg. Hier sind wir vorerst gegen Maschinengewehr- und Schützenfeuer gedeckt und gönnen uns eine kleine Atempause, die mir Gelegenheit bietet, Lottes Brief zu lesen, der gestern eingetroffen ist.

 

Passau, 10.9.1939

Lieber Alois,

herzlichen Dank für deinen Brief vom fünften September. Ich habe mich sehr darüber gefreut. Wie schön, dass ihr in der Slowakei so freundlich aufgenommen wurdet und du nebenbei sogar noch ein paar Worte der slowakischen Sprache lernst. Man weiß nie, wofür man sie gebrauchen kann! Aber ich kann mir vorstellen, dass du dich überall gut zurechtfindest. Inzwischen bist du bestimmt in Polen. Im Radio höre ich, dass ihr dort gut vorankommt. Sicher wird das ein kurzes Unterfangen und du bist bald wieder daheim.

Hier geht alles seinen gewohnten Gang, auch wenn es manche gibt, die sich wegen des Kriegs Sorgen machen. Aber ich bin davon überzeugt, mit Leuten wie dir an der Front sind wir hier in der Heimat schon sicher! Es ist ein Jammer, dass wir uns vor deiner Abreise nicht noch einmal sehen konnten, hattest du mir doch versprochen, mich einmal mit auf die Jagd zu nehmen. Das hätte ich mir gern angesehen und uns dann ein leckeres Hirschgulasch zubereitet. Aber das holen wir ganz bestimmt nach, wenn du wieder zurück bist. Du hattest ja berichtet, dass deine Tante und dein Onkel bald nach Kempten umziehen werden. Dort lebt ja auch meine Schwester mit ihrem Mann. Die werde ich gewiss einmal besuchen, vor allem wenn das erste Kind unterwegs ist, und ich hoffe, das ist ganz bald. Ich kann es kaum erwarten, Tante zu werden. Das wird uns Gelegenheit geben, uns einmal wiederzusehen.

Mein Cousin Walter musste jetzt auch ausrücken. Natürlich freut er sich, dass er nun endlich, nach fünfjährigem Dienst, die Chance erhält, sein geliebtes Heimatland zu verteidigen, aber fehlt ihm doch die fanatische Entschlossenheit und der unbezwingbare Mut, den ich in deinen braunen Augen blitzen sah, als du vom Krieg gesprochen hast. Vor einigen Wochen mochte noch niemand so recht glauben, dass es wirklich dazu kommt und inzwischen ist es so normal geworden, liest man in den Zeitungen doch von nichts anderem mehr.

Heute Abend gehe ich mit Franz und Reserl ins Theater. Wir schauen „Der zerbrochene Krug“, ein Lustspiel von Heinrich von Kleist. Ich weiß, du schätzt das Theater nicht so, aber ich halte es für wichtig, dass man in dieser schweren Zeit nicht verlernt, sich zu amüsieren. Ich freue mich auch schon sehr auf das Oktoberfest dieses Jahr, das bald beginnt. Reserl und ich lassen uns dafür neue Dirndl schneidern. Kostet mich auch nur 45 Punkte. Meines wird grün, mit goldener Stickerei. Einfach bezaubernd! Du solltest es sehen.

So, nun habe ich aber noch viele Dinge zu erledigen. Ich würde mich sehr freuen, bald wieder von dir zu hören. Erzähl mir doch, was du den lieben langen Tag so machst, außer zu marschieren. Ich habe ja keine rechte Vorstellung vom Soldatenleben.

Herzlichst

Deine Lotte

 

Was für ein süßes Kind! Ich liebe ihre unbeschwerte Art! Unterdessen treffen bei uns mehrere Überläufer ein, die wir sofort auf den Weg zurückschicken. Hinten werden sie schon gesammelt werden. Gerade als wir aufbrechen wollen, kommt noch ein polnischer Soldat angehumpelt, dem wir notdürftig das Bein verbinden und den wir dann ebenfalls zurückschicken. Wir bauen nun weiter. Hinter der letzten Deckung lasse ich meine Leute zurück und gehe allein weiter vor, um die Lage zu erkunden. Falle ich, dann kann immer noch mein Trupp zurückkommen und diese so überaus wichtige Verbindung herstellen. 200 Meter vor mir erkenne ich einen Soldaten beim Schanzen. Ich komme bis auf Hörweite ran und rufe dann rüber. Es ist die gesuchte dritte Kompanie.

Ich hole meinen Trupp nach und schließe unmittelbar neben dem Gefechtsstand den Apparat an. Ich habe sofort Verbindung mit dem Bataillon. Wir beginnen unverzüglich mit dem Einschanzen, da der Pole unverschämt mit einer großen Anzahl von Maschinengewehren her schießt. Endlich sind wir tief genug im Boden und einigermaßen gegen das rasende Feuer geschützt. Wir essen unseren letzten Rest Brot und müssen nun Kohldampf schieben. Das Maschinengewehrfeuer dauert ununterbrochen an. Wenn sich was rührt, schießt der Pole wie rasend. Es kommt ein Anruf und zum besseren Hören nehme ich den Helm und lege ihn auf die Deckung, peng! und schon kommt er reingeflogen. Durchschossen. Mir läuft es kalt über den Rücken. Pfui Teufel, wenn ich den gerade aufgehabt hätte. Links von uns gesehen ist ein großer Wald, längs dessen eine große Marschkolonne rüberkommt. Verdammt, das sind doch lauter Polen mit Pferden und Geschützen? Ich mache den Kompanieführer, der neben mir liegt, auf diesen sonderbaren Zug aufmerksam. Er nimmt das Glas zur Hand und stellt fest, dass um diese Kolonne einige deutsche Soldaten rumreiten. Also Gefangene. Fast 1000 Mann einer polnischen Feldartillerieabteilung mit der gesamten Ausrüstung und Bewaffnung. Wir freuen uns mit.

Jetzt preschen von unserem linken Flügel vier Reiter vor und galoppieren zurück. Doch die Polen erholen sich noch von ihrer Bestürzung und schießen nun wie toll. Auch bei uns eröffnet ein Halbzug das Feuer. Der Halbzugführer aber reißt die Schützen von den Gewehren. Links, rechts, vor, hinter, über und unter ihnen schlagen die Garben ein, aber die reiten schon wie die Teufel und kommen in die eigenen Linien zurück. Sie sind sogar so frech und wiederholen das Husarenstück eine Stunde später und erreichen uns abermals unversehrt. Was Lotte wohl zu dieser Theateraufführung sagen würde? Spannender als Kleist allemal. Sind einfach Prachtkerle, diese Bamberger Reiter. Wir haben nicht lange Zeit, diese verwegenen Stücke zu beobachten, denn im Rücken bekommen wir auf einmal Feuer. Dort greift uns nach einer Fernsprechmeldung vom linken Flügel eine polnische Kompanie an, die aber von unserer Artillerie und vier Kompanien restlos zusammengeschossen wird. Unteressen wird auch das Dorf, wo sich der Pole verschanzt hat, durch unsere Artillerie zusammengeschossen und brennt lichterloh.

Der Pole weicht überall zurück. Wir können noch eine polnische Autokolonne zusammenschießen und stoßen nach. Nachdem sich der Feind in den Wald zurückzieht, gehen wir nicht mehr weiter vor, sondern warten den Tag ab. Wir bleiben in den Stellungen und schanzen uns noch tiefer ein, weil der Pole angeblich einen Gegenangriff durchführen will und Artilleriefeuer erwartet wird. Ich wickle mich in eine Zeltbahn, lege mir Karabiner, Handgranate und Spaten zurecht und schlafe dann ein.

Aber nicht lange. Dann fahre ich elektrisiert hoch. Und was muss ich feststellen? Mein Schützenloch hat 35 cm Hochwasser, weil es in Strömen regnet, und ich sitze drinnen und merke vor Müdigkeit nichts mehr. Durch das Anläuten wurde das Wasser elektrisch und ließ mich aufwachen. Ich glaubte schon, die Polen wären da. Und jetzt friert’s mich unheimlich. Lottes Brief, den ich vorm Einschlafen noch einmal gründlich durchgelesen habe, ist ganz nass geworden, aber halb so schlimm: Ich kann mich an jedes Wort erinnern! Aber rein lege ich mich nicht mehr. Lieber lasse ich mich draußen erschießen. Ich rufe meine Leute vom Trupp. Die sind sofort bei mir. Wir rollen uns zusammen wie Igel und kriechen aneinander wie ein jung verheiratetes Ehepaar, Zeltbahn drüber und nun geht’s schlafen. Die anderen schnarchen schon lange und ich kann und kann nicht einschlafen. Ich lasse mein Leben nochmals an mir vorüberziehen, natürlich fehlt auch Lotte nicht. Ist doch ein liebes Kind. Wann werde ich wieder einmal bei ihr sein können, ob ich sie überhaupt jemals wiedersehen werde?

 

 

Montag, 18.9.39

Wir verlassen nunmehr unsere Stellungen und greifen weiter an. Wir verfolgen die Polen über das freie Feld und durch den großen unendlichen Wald, der mit verlassenen Geschützen gespickt war, und stoßen bis Grabnik vor. Dort müssen wir wieder zurück, weil vor uns die siebte Division unseren Weg abschneidet. Wir schimpfen furchtbar. Beim Regiment wusste man davon, aber wir wollten der siebten Division die Gefangenen nicht gönnen, die aus dem vorherigen Gefecht entkommen konnten.

Jetzt gehen wir zurück und machen Mittag. Von dort aus geht’s nach Grodeck zurück. Wir sollten nach Lemberg und dort den Rest des Bataillons wieder auffüllen, aber der Feind in der Seeenge bei Grodeck besteht nicht mehr. Wir schlafen endlich wieder einmal auf Stroh. Kehne bringt eine Pulle Likör mit, die muss vor dem Zubettgehen noch sterben. Das wärmt auf. Vor dem Schlafen schreibe ich noch schnell einige Worte an Lotte. Und schlafen tun wir ausgezeichnet.

 

Grodeck, 18.9.1939

Meine liebste Lotte,