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Studienarbeit aus dem Jahr 2005 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: 2,0, Universität Rostock, Veranstaltung: Grundkurs Einführung in die Literaturwissenschaft SS 2003, Sprache: Deutsch, Abstract: Im Angesicht der momentanen politischen Diskussionen um Hartz IV, Montagsdemonstrationen etc. erlebte auch die Ost-West-Debatte erneut eine ungewöhnlich starke Brisanz. Fünfzehn Jahre nach dem Mauerfall wünscht sich jeder fünfte Deutsche die Mauer zurück - so heißt es einer Forsa-Umfrage der vergangenen Wochen zufolge. Der Stinkefinger von Bernd Görgelein (ein arbeitsloser Ostdeutscher) gen Westen wird deutschlandweit zum Symbol der aufgeladenen Stimmung. Er spricht aus, was viele denken: „[I]n der DDR waren wir glücklicher. Wenn jemand die Mauer wieder aufbauen wollte, würde ich sagen: Ja“. Da fragt man sich, was in den Köpfen der Menschen von statten geht, wenn sie einen solch absurden Wunsch äußern - wohin verschwand das kollektive Gedächtnis, wohin das Bedauern um eine Zeit der Diktatur, Mangelwirtschaft, Eingesperrtheit? Doch darin liegt das Problem - ein kollektiv - deutsches Gedächtnis zur DDR-Vergangenheit gibt es in dem Sinne nicht. Schließlich kam es nie zu einer ernsthaften Auseinandersetzung mit der jüngsten deutschen Vergangenheit und v.a. dem individuellen Versagen in der DDR-Geschichte seitens der Ostdeutschen. Stattdessen gab es auf der einen Seite Ostalgie-Shows, in denen sich die Ossis selbst feierten und die DDR in knalligem Bunt erstrahlte, während auf der anderen Seite westdeutsche Late-Night-Moderatoren das Publikum mit klischeebeladenen Ossi-Witzen erfreuten. Von Vergangenheitsbewältigung keine Spur - auf beiden Seiten redete man sich die Zeit vor dem Mauerfall schön, man wurde nostalgisch. Genau an diesem Punkt, an dem Gedächtnis aufhört und Erinnerung anfängt, knüpft Brussigs Roman Am kürzeren Ende der Sonnenallee an. Der Stoff des Buches „war ursprünglich ein Filmstoff“, d.h. Brussig schrieb zunächst (gemeinsam mit Leander Haußmann) das Drehbuch zum Film Sonnenallee und entschloss sich, den Stoff erneut im Roman zu verarbeiten. Der Film folgte den „Intentionen des Regisseurs Leander Haußmann, der auf das Kultpotenzial des Stoffes setzte (mit musicalartigen Tanzeinlagen, stilisierten Kostümen usw.)“ wobei Brussig die Erzählung im Nachhinein schrieb, um „zu untersuchen, was Nostalgie eigentlich ist“. 3 Der Rückentext von Am kürzeren Ende der Sonnenallee macht dabei dringlich auf dieses Prinzip der Lektüre aufmerksam: „Glückliche Menschen haben ein schlechtes Gedächtnis und reiche Erinnerungen“. [...]
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Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
1. Vorwort
2. Literarische Form und Struktur
2.1 Romanstruktur
2.2 Episodische Struktur des Romans
3. Erzähler und Erzählstruktur
3.1 Fokularisierung
3.2 Stellung des Erzählers zum Geschehen
4. Erzählte Zeit und Erzählgeschwindigkeit
4.1 Erzählgeschwindigkeit
4.2 Erzählte Zeit
5. Sprache
5.1 Satzbau
5.2 Umgangs- und Jugendsprache
5.3 Dialekt und Hochdeutsch
5.4 DDR-Wortschatz und Superlativ
5.5 Sprache des Erzählers
6. Motivation, Motivik und Intertextualität
6.1 Motivation
6.2 Motivik und Intertextualität
6.2.1 Motivkomplex Ost-West-Problematik
6.2.2 Motivkomplex “Wunsch nach Westkontakt“
6.2.2.1 Westmusik
6.2.3 Figurengebundene Motivik
6.2.3.1 Motivkomplex Familie Kuppisch
7. Analyse wichtiger “Stellen“ im Roman
7.1 Die Unmöglichkeit der Kritik
7.2 Die Vollmondnacht
7.3 Die Wirkung der Sonnenallee
7.4 Das Wunder der Geburt
7.4.1 Allegorische Lesart der Geburts-Episode
7.5 Das Schlusswort
8. Resumee / Interpretationsansatz
9. Literaturverzeichnis
Primärliteratur
Sekundärliteratur
Im Angesicht der momentanen politischen Diskussionen um Hartz IV, Montagsdemonstrationen etc. erlebte auch die Ost-West -Debatte erneut eine ungewöhnlich starke Brisanz. Fünfzehn Jahre nach dem Mauerfall wünscht sich jeder fünfte Deutsche die Mauer zurück – so heißt es einer Forsa- Umfrage der vergangenen Wochen zufolge.[1] Der Stinkefinger von Bernd Görgelein (ein arbeitsloser Ostdeutscher) gen Westen wird deutschlandweit zum Symbol der aufgeladenen Stimmung. Er spricht aus, was viele denken: „[I]n der DDR waren wir glücklicher. Wenn jemand die Mauer wieder aufbauen wollte, würde ich sagen: Ja“.[2] Da fragt man sich, was in den Köpfen der Menschen von statten geht, wenn sie einen solch absurden Wunsch äußern - wohin verschwand das kollektive Gedächtnis, wohin das Bedauern um eine Zeit der Diktatur, Mangelwirtschaft, Eingesperrtheit? Doch darin liegt das Problem – ein kollektiv – deutsches Gedächtnis zur DDR-Vergangenheit gibt es in dem Sinne nicht. Schließlich kam es nie zu einer ernsthaften Auseinandersetzung mit der jüngsten deutschen Vergangenheit und v.a. dem individuellen Versagen in der DDR-Geschichte seitens der Ostdeutschen. Stattdessen gab es auf der einen Seite Ostalgie- Shows, in denen sich die Ossis selbst feierten und die DDR in knalligem Bunt erstrahlte, während auf der anderen Seite westdeutsche Late-Night-Moderatoren das Publikum mit klischeebeladenen Ossi-Witzen erfreuten. Von Vergangenheits-bewältigung keine Spur – auf beiden Seiten redete man sich die Zeit vor dem Mauerfall schön, man wurde nostalgisch. Genau an diesem Punkt, an dem Gedächtnis aufhört und Erinnerung anfängt, knüpft Brussigs Roman Am kürzeren Ende der Sonnenallee an. Der Stoff des Buches „war ursprünglich ein Filmstoff“, d.h. Brussig schrieb zunächst (gemeinsam mit Leander Haußmann) das Drehbuch zum Film Sonnenallee und entschloss sich, den Stoff erneut im Roman zu verarbeiten. Der Film folgte den „Intentionen des Regisseurs Leander Haußmann, der auf das Kultpotenzial des Stoffes setzte (mit musicalartigen Tanzeinlagen, stilisierten Kostümen usw.)“ wobei Brussig die Erzählung im Nachhinein schrieb, um „zu untersuchen, was Nostalgie eigentlich ist“.[3] Der Rückentext von Am kürzeren Ende der Sonnenallee macht dabei dringlich auf dieses Prinzip der Lektüre aufmerksam: „Glückliche Menschen haben ein schlechtes Gedächtnis und reiche Erinnerungen“ (S. 157).
Das übergeordnete Schema, nach dem der Roman funktioniert und verstanden werden soll, ist somit für jeden ersichtlich und deutlich formuliert. Inwieweit Text-, Darstellungs- sowie Bedeutungsebene zum Träger dieses Prinzips werden, untersucht die folgende Auseinandersetzung mit dem Primärtext. Dabei orientiert sich die Analyse an der literaturwissenschaftlichen Methode, die in Einführung in die Erzähltheorie von Martinez/Scheffel zugrunde gelegt wird.