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Die Fasten- und Osterzeit ist eine besondere Zeit: Die biblischen Texte dieser Zeit werfen die Fragen auf: Warum und wozu bin ich hier? Was ist der Sinn meines Lebens? Wohin führt eine Spur ins Leben? Die Betrachtungen von Walter Kardinal Kasper erschließen das Geheimnis der Auferstehung Christi für die Tiefendimension unseres menschlichen Lebens und vermitteln die biblische Botschaft der Hoffnung für Menschen unserer Zeit.
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Seitenzahl: 101
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Buch lesen
Cover
Haupttitel
Inhalt
Über den Autor
Über das Buch
Impressum
Hinweise des Verlags
Walter Kardinal Kasper
Eine Spur ins Leben
Begleiter durch die Fasten- und Osterzeit
Patmos Verlag
Einladung
Umkehr ins Leben
Zeit der Umkehr
Die notwendige Entscheidung
Endlich anfangen!
Auf dem Weg zum himmlischen Fest
Unser Lebensweg
Passion
Der Friedenskönig
Liebe bis zum Ende
Über den Tod hinaus
Gott allein genügt
Gottes Herzblut
Auferstehung
Ein neues Herz
Wer glaubt, sieht mehr
Worte des Lebens
Menschen der Hoffnung
Geist des Lebens
Feuer des Geistes
Anmerkungen
Über den Autor
Über das Buch
Impressum
Hinweise des Verlags
Die Fasten- und Osterzeit ist eine besondere Zeit, eine Zeit, die uns über unser Leben und über die Richtung unseres Lebens nachdenken lässt. Die vierzig Tage der Fastenzeit zielen auf Ostern hin, den Dreh- und Angelpunkt des christlichen Daseins.
Die Fastenzeit ist die Zeit der Vorbereitung auf Ostern und damit eine Neuausrichtung unseres Lebens auf sein wahres Ziel hin. Diese Zeit gibt uns zu denken: Warum und wozu bin ich hier? Was ist der Sinn meines Lebens? Was ist meine Berufung als Christ, als Christin? Wohin gehe ich? Habe ich mich im Weg und in der Richtung geirrt oder bin ich auf dem richtigen Weg?
Wenn wir in dieser Weise über unser Leben nachdenken, hat jeder von uns einen Grund, umzukehren und sich neu auf Christus und auf Ostern auszurichten. In dieser Neuausrichtung wird die Betrachtung der Passion Christi zu einem österlichen Weg, zu einem Weg des Übergangs, der Verwandlung und der Gnade, zu einem Weg der Hoffnung. Auf diesem Weg finden wir zum Leben.
Die vorliegenden Betrachtungen gehen auf Predigten von mir zurück, die zum Teil von Dr. Gabriele Stein aus dem Italienischen ins Deutsche übersetzt worden sind. Die Predigtauszüge wurden für die vorliegende Veröffentlichung von Dr. Ulrich Sander zusammengestellt und überarbeitet, wofür ich ihm herzlich danke.
Walter Kardinal Kasper
Hütet euch, eure Gerechtigkeit vor den Menschen zu tun, um von ihnen gesehen zu werden; sonst habt ihr keinen Lohn von eurem Vater im Himmel zu erwarten.
Wenn du Almosen gibst, posaune es nicht vor dir her, wie es die Heuchler in den Synagogen und auf den Gassen tun, um von den Leuten gelobt zu werden! Amen, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn bereits erhalten. Wenn du Almosen gibst, soll deine linke Hand nicht wissen, was deine rechte tut, damit dein Almosen im Verborgenen bleibt; und dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird es dir vergelten.
Wenn ihr betet, macht es nicht wie die Heuchler! Sie stellen sich beim Gebet gern in die Synagogen und an die Straßenecken, damit sie von den Leuten gesehen werden. Amen, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn bereits erhalten. Du aber, wenn du betest, geh in deine Kammer, schließ die Tür zu; dann bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist! Dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird es dir vergelten.
Wenn ihr fastet, macht kein finsteres Gesicht wie die Heuchler! Sie geben sich ein trübseliges Aussehen, damit die Leute merken, dass sie fasten. Amen, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn bereits erhalten. Du aber, wenn du fastest, salbe dein Haupt und wasche dein Gesicht, damit die Leute nicht merken, dass du fastest, sondern nur dein Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der das Verborgene sieht, wird es dir vergelten.
Matthäus 6,1–6.16–18
Die vierzig Tage der Vorbereitungszeit auf Ostern nennen wir »Fastenzeit«. Doch was heißt Fasten? Heutzutage sind die Regeln für das religiöse Fasten in der katholischen Kirche nicht mehr streng und oft in Vergessenheit geraten und unbekannt.
Im Lauf der Zeit bin ich oft mit Gläubigen der orthodoxen Kirche und auch mit religiösen Juden zusammengetroffen. Ich war jedes Mal erstaunt zu sehen, wie ernst sie das Fasten nehmen. Für sie ist es etwas Wichtiges, und deshalb halten sie die Fastenregeln gewissenhaft ein. Und sie ihrerseits sind erstaunt darüber, dass wir Katholiken die Praxis des Fastens aufgegeben haben. Sie erinnern uns daran, dass es das Fasten in allen Religionen gibt, insbesondere in der Bibel und in der gesamten christlichen Tradition.
Auch bei uns ist das Fasten wiederentdeckt worden, aber nicht so sehr aus religiösen Gründen, sondern für die Zwecke der Gesundheit und der Schönheit. Viele Männer und Frauen geben eine Menge Geld für Fastenkliniken aus. Sie machen die Erfahrung, dass das Fasten ihrem Körper und auch ihrer Seele eine neue Leichtigkeit und Beweglichkeit verleiht, dass es eine Quelle der Freiheit und der Freude ist. Also scheint die alte religiöse Praxis (die deutlich preisgünstiger ist) doch nicht so unvernünftig zu sein … Im Gegenteil, es gibt gute Gründe, die dafür sprechen!
Allerdings hat das religiöse und christliche Fasten, auch wenn es nach außen hin dem säkularisierten Fasten ähnelt, eine andere Motivation. Natürlich wirkt sich auch das religiöse Fasten in der beschriebenen Weise auf die Gesundheit des Leibes und der Seele aus, doch das ist nicht sein eigentlicher Sinn. Jesus übt Kritik an einem religiösen Fasten, das nur ein Fasten des Magens ist, ein Fasten zu dem Zweck, vor den Menschen als fromm zu erscheinen. Das Fasten des Magens ist für ihn dann sinnvoll, wenn es ein Zeichen ist: Zeichen für ein Fasten des Herzens, Zeichen für eine Läuterung des Herzens, Zeichen für einen Verzicht, um freier zu sein für Gott und die Menschen. In der Bibel kommen daher immer drei Bestandteile zusammen: Fasten, Gebet und Werke der Nächstenliebe. Das Fasten soll uns frei machen für Gott und Güter und Geld sparen für die Armen und die Bedürftigen.
Hier kommen wir wohl an den springenden Punkt unseres menschlichen und christlichen Daseins: Wir alle sind sehr beschäftigt und sorgen uns um vieles. Wir sind in einen oft sehr straffen und engen Terminplan eingebunden. Wir müssen jeden Tag so vielerlei erledigen und laufen Gefahr, das Ganze, den Sinn und die Richtung unseres Lebens, aus dem Blick zu verlieren. Gerade bei dem heutigen Stress brauchen wir eine Befreiung. Freiheit ist eines der großen Worte, das die Sehnsucht der Menschen heute beschreibt. Wir alle wollen frei sein und in einer freien Gesellschaft leben.
Gott hat uns frei erschaffen. Das ist der eigentliche Sinn der vorösterlichen Bußzeit und des vierzigtägigen Fastens. Es geht bei unserem Fasten nicht bloß darum, einen leeren Magen zu haben: Es geht darum, frei zu werden von vielen Dingen, vielen Verpflichtungen, die uns beanspruchen und beunruhigen und oft nutzlos oder unnötig oder zumindest nicht gar so wichtig sind. Es geht darum, dass wir von uns selbst frei werden, leer und frei für das eigentliche Ziel und die wahre Erfüllung, den Sinn und die Freude unseres Lebens. Frei für Gott und für die anderen, frei, das erste Gebot umzusetzen, frei für die Liebe zu Gott und zu den Mitmenschen.
Jesus selbst – so berichten die Evangelien – hat sich auf sein öffentliches Wirken vorbereitet und vierzig Tage lang gefastet.
Dann wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt; dort sollte er vom Teufel versucht werden. Als er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn. Da trat der Versucher an ihn heran und sagte: Wenn du Gottes Sohn bist, so befiehl, dass aus diesen Steinen Brot wird. Er aber antwortete: In der Schrift heißt es: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt.
Darauf nahm ihn der Teufel mit sich in die Heilige Stadt, stellte ihn oben auf den Tempel und sagte zu ihm: Wenn du Gottes Sohn bist, so stürz dich hinab; denn es heißt in der Schrift: Seinen Engeln befiehlt er um deinetwillen, und: Sie werden dich auf ihren Händen tragen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt. Jesus antwortete ihm: In der Schrift heißt es auch: Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht auf die Probe stellen.
Wieder nahm ihn der Teufel mit sich und führte ihn auf einen sehr hohen Berg; er zeigte ihm alle Reiche der Welt mit ihrer Pracht und sagte zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest. Da sagte Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan! Denn in der Schrift steht: Den Herrn, deinen Gott, sollst du anbeten und ihm allein dienen.
Darauf ließ der Teufel von ihm ab und siehe, es kamen Engel und dienten ihm.
Matthäus 4,1–11
Wenn wir ehrlich sind, wissen wir, dass niemand ernsthaft meinen kann, er sei völlig okay und ohne Sünde. Wir alle müssen nachdenken und umkehren. Der Ruf des Evangeliums zur Umkehr richtet sich auch an uns und an unsere Welt, die oft oberflächlich, chaotisch und kopflos ist. Wenn wir über unser Leben und unsere derzeitige Situation in der Welt nachdenken, gewinnt das Evangelium große Bedeutung und hat uns etwas zu sagen. Es ist ein Aufruf, von unseren üblichen Angelegenheiten, unserem gewohnten Lebensstil, unseren normalen Gepflogenheiten und Lebensrhythmen eine Zeit lang Abstand zu nehmen, um über unser Leben nachzudenken: Wo stehen wir? Wohin gehen wir? Die Versuchungen Jesu werden zu bezeichnenden Sinnbildern einer grundlegenden Entscheidung, vor die jeder von uns gestellt ist.
Die Erzählung des Matthäusevangeliums von den drei Versuchungen Jesu erinnert an eine andere Episode aus der Bibel: die Versuchung Adams zu Beginn der Menschheitsgeschichte. Wir wissen, was geschehen ist: Im irdischen Paradies musste sich Adam entscheiden, ob er Gott und seinem Gebot gehorchen oder selbst wie Gott werden wollte. Wie Gott wollte er sich selbst entscheiden zwischen dem, was gut, und dem, was böse ist.
Adam entschied sich: Er wollte das Leben selbst in die Hand nehmen und frei sein wie Gott und wurde zum Sklaven seines Verlangens und seiner Leidenschaften, der Arbeit, der Schmerzen und schließlich des Todes. Adam hat den falschen Weg eingeschlagen. Die Folgen zeigen sich schon bei seinen Nachkommen: Kain tötet Abel, seinen Bruder, und dieser Brudermord ist der Anfang einer langen Kette von blutigen Kriegen, Hass, Gefühllosigkeit und Herzenshärte. »Durch einen einzigen Menschen kam die Sünde in die Welt und durch die Sünde der Tod, und auf diese Weise gelangte der Tod zu allen Menschen, weil alle sündigten« (Römer 5,12).
Mit Jesus ist der neue Adam gekommen, der uns vom Reich der Sünde und des Todes befreit hat. Jesus musste sich derselben Versuchung aussetzen wie Adam: Doch er hat die Richtung geändert, er hat die Straße des Lebens wieder begehbar gemacht und uns die wahre Sinnrichtung des Lebens gezeigt. Das Evangelium spricht von einer dreifachen Versuchung und einer dreifachen Lebensalternative.
Die erste Versuchung: Nach vierzig Tagen des Fastens hat Jesus Hunger. Der Teufel tritt an ihn heran und sagt: »Wenn du Gottes Sohn bist, so befiehl, dass aus diesen Steinen Brot wird.« Das klingt sehr vernünftig. Und doch ist es die Versuchung des Konsumismus, der Lüge, dass Konsum uns glücklich machen kann, und der Illusion, dass Enthaltung und Verzicht sinnlos und dumm sind und einen Verlust an Leben darstellen.
Der Konsumismus verspricht: Je mehr du konsumierst, desto glücklicher und satter wirst du dich fühlen. Wer dieser Botschaft folgt, muss immerzu einem immer größeren Konsum hinterherlaufen: einem Konsum nicht nur von Brot und Getränken, sondern einem Konsum des Habens und Besitzens und des durch Drogen bis zum Rausch gesteigerten Vergnügens. Doch am Ende fühlen Menschen sich leer und enttäuscht. Die Sehnsucht unseres Herzens ist größer als jede irdische Wirklichkeit. Durch Konsum werden wir niemals genug haben und nie froh und zufrieden sein.
Jesus weist in eine andere Richtung: »Der Mensch lebt nicht nur von Brot, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt.« Wir sollen das Wort Gottes hören und zur Richtschnur unseres Lebens machen. Denn das Wort Gottes ist Wort des Lebens, Wort, das uns den Weg des Lebens zeigt und uns das Leben schenkt. Gott allein genügt.
Die zweite Versuchung stellt uns vor eine weitere Entscheidung. Der Teufel sagt zu Jesus: »Wenn du Gottes Sohn bist, so stürz dich hinab«, denn die Engel Gottes werden dich auf ihren Händen tragen. Das ist die Versuchung, aus unserem Leben eine große Show, ein Spektakel zu machen. Nicht die inneren Werte zählen, sondern der äußere Schein: schön auszusehen, eine gute Figur zu machen, aufzufallen, Applaus zu bekommen, Ehrungen, Ruhm, Ansehen zu sammeln …