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Mein Körper explodiert in Schmerz. Als hätte mich jemand mit Benzin übergossen und angezündet.
Er wirft die Tür zu. Ich knie auf dem Boden, in embryonaler Haltung. Ich fasse mir ins Gesicht und spüre, dass sich Haut abpellt.
„Was...?“, wimmere ich.
„Ich sagte dir die Wahrheit. Du bist ein Vampir. Glaube aber nicht alles darüber, was du im Fernsehen siehst. Sonnenlicht tötet dich, in Minuten.“
Ich breche zusammen und versuche die Tränen zurückzuhalten. Vergebens. Der Schmerz ist viel zu groß. Als würde meine Haut brennen, als stünde ich in Flammen.
Eine Vampirgeschichte von Konrad Carisi.
Umfan: ca. 40 Taschenbuchseiten.
Cover: Steve Mayer
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Eine Vampirgeschichte
von Konrad Carisi
INHALT
Kapitel 1: Begegnungen
Kapitel 2: Wahrheiten
Kapitel 3: Angebot
Epilog: Die Wahl der Worte
Kapitel 1: Begegnungen
Ich gehe den mondbeschienenen Wanderweg entlang und versuche nicht auszurutschen. Ein Halbmond steht am Himmel, ein zunehmender, der den Wald in gespenstisches Licht taucht.
Ich habe meinen MP3-Player seit einer Weile eingeschaltet. In meinen Ohren singt Marilyn Manson: „Sweet dreams are made of this, who am I to disagree?“, was dem Ganzen durch die Musik zusätzlich etwas Düsteres gibt. Ich liebe diese nächtlichen Spaziergänge durch den Wald. Wir wohnen etwas vor Münster, nahe eines kleinen Gehölzes, das in ein Naturschutzgebiet übergeht. Ich war zwei Stunden mit einem Freund, der in der Nähe wohnt, durch den Wald gegangen und hatte mich unterhalten. Jetzt war ich auf dem Weg nach Hause.
Wir machen das seit Jahren, auch wenn unsere Eltern es für seltsam halten mögen, dass zwei junge Männer in den Zwanzigern nachts durch den Wald streifen und sich über Philosophisches unterhalten. Na gut, hin und wieder auch schlicht über ein neues Musikalbum oder ein Computerspiel. Oder über Frauen.
Man ist ja nicht nur großer Denker.
Hätte ich keine Musik gehört, hätte ich vielleicht nicht eine folgenschwere Entscheidung getroffen, da ich es gehört hätte. Habe ich aber leider nicht. Ich biege vom Wanderweg ab, will meine übliche Abkürzung querfeldein nehmen. Hier gibt es einige Abschnitte, die auf und ab gehen. Keine hohen Berge, immerhin ist das hier das Münsterland. Aber doch schon mehrere Meter Höhenunterschied. Während ich über Stock und Stein wandere, sehe ich plötzlich von einem Hügel hinunter einen Menschen. Gekauert über einem Reh. Er trägt etwas Langes, einen ledernen Mantel.
Ich nehme die Kopfhörer heraus und rufe hinunter: „He, kann ich helfen?“
Schwerer Fehler. Er blickt auf und ich verliere fast die Kontrolle über meine Blase. Er hat weit aufgerissene Augen, deren Iris bernsteinfarben ist. Das Mondlicht wird etwas stärker. In diesen wenigen Sekunden, in denen die Zeit stehen zu bleiben scheint, sehe ich spitze Eckzähne an denen Blut heruntertropft. Sein ganzer Mund ist blutverschmiert. Er hat kurzes schwarzes Haar und seltsame Narben auf der linken Schläfe. Dann ist die Sekunde vorbei, in der alles still zu stehen scheint. Er springt auf und ist in wenigen Sätzen bei mir, bevor ich überhaupt daran denken kann zu fliehen. Er drückt mich zu Boden, mit einem Knie auf meiner Brust. In seinen Augen sehe ich Wahnsinn und Hunger. Bestialischer, tierhafter Hunger. Ich weiß in diesem Moment, dass ich sterben werde, das ist der einzige klare Gedanke, während er sich in Zeitlupe meinem Hals zuzuwenden scheint. Und dann ein Gedanke, der mich überrascht. Ich wundere mich nicht, dass ein Typ im Wald rumläuft und auf Vampir macht. Ich bedaure in diesem Moment nur, nicht doch zu Abend etwas von der Knoblauchsoße genommen zu haben.
Dann wird es schwarz.
*
Ich komme zu mir mit bestialischen Schmerzen. Mein Hals fühlt sich an als wäre mein Nacken verspannt. Jede Bewegung lässt Welle um Welle des Schmerzes durch mich fahren. Vorsichtig öffne ich die Augen, gedämpftes Licht umfängt mich. Langsam gewöhnen sich meine Augen an alles, doch etwas ist seltsam. Meine Brille, sie fehlt. Mir wird schlagartig bewusst, dass ich sie nicht trage. Trotzdem sehe ich alles scharf. Ich sehe einen Holzbretter-Verschlag über mir, altes Eichenholz, das einen leicht modrigen Geruch verbreitet. Ich versuche den Kopf zu drehen, doch ein neuerlicher Schmerz, den diese Bewegung verursacht, lässt mich innehalten. Er zieht sich vom Hals bis in die Schläfen und alles in mir will krampfen. Meine Stirn explodiert vor Schmerz, und kleine Sterne tanzen mir vor den Augen. Ich schließe sie und atme langsam und tief durch.
„Beruhige dich. Schnelle Bewegung ist jetzt nicht angemessen“, erklärt eine ruhige, tiefe Stimme neben mir. Er, ich vermute es ist ein Er, ansonsten sollte ich wohl vor einer möglichen Besitzerin der Stimme Angst haben, scheint nur einige Meter von mir entfernt zu sein.
„Wo?“, bringe ich hervor. Dabei merke ich, dass Sprechen auch wehtut. Mein Hals hat wohl schwer etwas abbekommen.
„In Sicherheit“, erwidert die Stimme und ein Geräusch beginnt. Ein Klacken von Metall auf Holz. Wie wenn Gemüse oder Fleisch geschnitten wird.
„Wer sind“, schaffe ich hervorzupressen. Dann versagt mir erneut die Stimme und eine Welle des Schmerzes durchfährt mich. Ein Kribbeln, nur vergleichbar mit Schüttelfrost. Aber schlimmer, schmerzhaft, wie in eine Badewanne voller Glasscherben geworfen fühle ich mich. Ich spüre etwas meinen Hals herunterlaufen. Ist da eine Wunde?
„Hier“, sagt die tiefe Stimme und reicht mir etwas zu trinken. Es schmeckt bitter, mit kleinen Gewürzstücken darin. Ich trinke widerwillig einen Schluck und spüre wie der Schmerz weicht. Ich werde müde. Als das Behältnis leer ist, versinke ich in tiefen Schlaf.
*
Ich erwache, reiße die Augen auf. Ich bin alleine in einem Raum, vermutlich in einer kleinen Hütte. Nachdem ich mich eine Weile nicht bewege, da alles um mich sich zu bewegen scheint, ordnet sich langsam der Raum. Er hört auf sich zu drehen, und ich wage es mich aufzurichten. Niemand ist mit mir im Zimmer, die bretterverschlagenen Fenster lassen einzelne Sonnenstrahlen durch, die ein prächtiges Lichtschauspiel abgeben, durch den hochwirbelnden Staub. Allgemein ist es dreckig hier. Auf einem Tisch steht eine Tasche, Bücher, Messer und eine leere Keksdose. Mein Bett ist eigentlich nur eine Matratze, die auf mehreren Kisten liegt. Eine Treppe führt in ein tieferes Stockwerk.
„Du bist wach“, höre ich eine Stimme von unten. Klar, deutlich. Ich habe kein Geräusch verursacht, woher kann er das wissen? Ich schweige.
„Leugne es nicht, ich höre dich, dein Herz pocht!“, ruft er hinauf. „Komm herunter.“
Ich bin unsicher. Mein Herz schlägt tatsächlich laut und wild in meinen Ohren, aber kein Mensch kann das hören außer mir! Trotzdem stehe ich auf.
Ich steige die knarzende Holztreppe hinab und finde einen Mann in den späten Dreißigern vor, der an einem Tisch sitzt. Die verglasten Fenster des Erdgeschosses sind schwarz mit Farbe angemalt, so dass ein düsteres Licht im Raum herrscht. Er trägt eine schlichte dunkle Hose und ein Hemd, dazu einen altertümlichen Gehrock. Es ist ein seltsamer Kontrast zu meinem T-Shirt mit ACDC-Logo darauf und meiner dunklen Jeans. Es ist der Kerl, der mich angefallen hat. Ich will wieder hinauflaufen, doch plötzlich ist er bei mir und hält mich am Handgelenk.
„Ich schreie, wenn Sie mich nicht loslassen, Freak“, brülle ich ihn an.
Ich habe Angst. Ich bin kein Schwächling, doch seine Hand ist wie ein Schraubstock. Ich bezweifle nicht, dass er mir körperlich weit überlegen ist.
„Versuch es, wir sind zu weit draußen,“ erwidert er sachlich. Kein Hass liegt darin, keine Drohung. Nur eine Feststellung.
„Beruhige dich und setz dich, wir haben etwas zu bereden“, erklärt er. Er lässt mich los und setzt sich an den Tisch, nickt auf den Stuhl ihm gegenüber. Ich zweifle, kann ich ihm trauen? Mangels Alternative setze ich mich zu ihm.
„Gut“, sagt er und mustert mich. Seine Augen sind braun, doch haben sie eine bernsteinfarbene Linie um die Iris. Sie reflektiert seltsam das Licht. Seine kurzen Haare und das kantige Kinn geben ihm etwas Skrupelloses, Böses. Vielleicht ist das aber auch nur meine Angst.
„Du bist nun bereit zuzuhören?“, fragt er mich. Etwas in seiner Stimme duldet keinen Widerstand.
Ich nicke stumm. Was soll ich auch tun?
„An deinem Hals spürst du zwei Einstiche“, erklärt er, immer noch ruhig.
Ich packe mir an den Hals. Tatsächlich. Auf meiner Ader, zwei kleine Stiche.
„Was haben Sie mir verabreicht?“, frage ich. Ich spüre, dass langsam wieder Panik in mir aufsteigt.
Er lacht kurz. Schnaubend. Freudlos.
„Du bist gar nicht so weit von der Wahrheit entfernt.“
„Was?“
„Ich habe mir etwas genommen. Und dabei dir auch etwas gegeben.“
Ich sehe ihn fragend an. Was will er mir sagen?
„Du bist nun wie ich, ein Vampir“, erklärt er.
Ich kann nicht anders. Ich muss lachen. Das Ganze ist so abgedroschen. Es ist einfach alles zuviel des Guten.