Einer mäht immer den Rasen - Sven Lepthin - E-Book

Einer mäht immer den Rasen E-Book

Sven Lepthin

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Beschreibung

Zwei Freunde, zwei Gläser und eine schroffe Holzbank in den Dünen der dänischen Ostseeküste. Zwei Touristen im Urlaub. Eine lange Freundschaft verbindet die beiden, und je später der Abend, umso mehr werden elementare Fragen über Dänemark auf den Tisch gebracht. Warum fahren wir ständig nach Dänemark in den Urlaub? Ist Dänemark tatsächlich so teuer, kalt und langweilig, wie man immer sagt? Warum haben die Steckdosen in den Ferienhäusern immer einen Kippschalter? Warum mähen die Dänen ständig ihren Rasen und warum gibt es eigentlich keine Fischbrötchen am Hafen? Fragen, die jeden Touristen plagen und uns einen guten Grund geben, im Sonnenuntergang über diese zu sinnieren.

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Zwei Freunde, zwei Gläser und eine schroffe Holzbank in den Dünen der dänischen Ostseeküste. Zwei Touristen im Urlaub.

Eine lange Freundschaft verbindet uns und je später der Abend, umso mehr werden elementare Fragen über Dänemark auf den Tisch gebracht. Warum fahren wir ständig nach Dänemark in den Urlaub? Ist Dänemark tatsächlich so teuer, kalt und langweilig, wie man immer sagt? Warum sind die Dänen so anders, als wir Deutschen? Ist die rote Wurst wirklich eine dänische Delikatesse und warum haben die Steckdosen in den Ferienhäusern immer einen Kippschalter?

Warum mähen die Dänen ständig ihren Rasen und warum gibt es eigentlich keine Fischbrötchen am Hafen?

Fragen, die jeden Touristen plagen und uns einen guten Grund geben im Sonnenuntergang über diese zu sinnieren.

Der Autor wurde 1972 in der ehemaligen dänischen Stadt Altona bei Hamburg geboren und hat es trotzdem nie ernsthaft geschafft die dänische Sprache zu lernen. Hier lebt und arbeitet er immer noch als einfacher Sachbearbeiter, der im Urlaub gerne die freie Sicht in Dänemark genießt.

Für Kristian

Inhaltsverzeichnis

Wo geht’s hin?

Djursland

Viel Küste

Regentage

Am Hafen

Bjerge Strand ´77

Weiter nach DK, die Zweite

Butterfahrten

Bjerge Strand ´77, die Dritte

Unser Mann in Glesborg

Fahrräder

Kreisverkehr

Weiterfahrt

Nachtwanderung

Kanu

Løkken

Als

ESC

Ringkøbingfjord

Echte Skandinavier

Stolze Dänen

Essen

Whisk(e)y

Nochmal nach Als

Angeln

Kopenhagen

Randers

Tønder

Fanø

Rückzug

Nachschlag

Wo geht’s hin?

Es ist ja nicht so schwer den Weg nach Dänemark zu finden, wenn man die A7 Richtung Flensburg erst einmal gefunden hat. Schwerer ist es Menschen für das Land am Ende der A7 zu begeistern, die das Land am Ende der A7 nie betreten haben und dieses Land am Ende der A7 pauschal nur mit roter Wurst, schlechtem Wetter und Kälte, der kleinen Meerjungfrau, vornehmlich der Nordsee und Langeweile in Verbindung bringen. Das sind sicherlich Dinge, die ihre Existenzberechtigung haben, die aber nicht unbedingt umfassend ein Land beschreiben, das mehr ist, als nur unser nächster Nachbar.

Wer sich durchgerungen hat den beschwerlichen Weg zur A7 zu suchen, um erstmalig den hektischen Ritt über die Autobahn bis zur Grenze (am Ende der A7) auf sich zu nehmen, der wird nach Grenzüberschreitung feststellen, dass sich beim Fahrer umgehend ein entspanntes Fahrverhalten breit macht. Dieser passt sich wie von selbst der vorgegebenen Geschwindigkeitsbegrenzung von meistens 110 km/h an und schwimmt mit der automobilen Masse weiter gen Norden. Die an der Autobahn vorbeiziehende Landschaft sorgt mit ihrer beruhigenden Monotonie für Entspannung. Die innere Mitte wird aus dem rechten Bein wieder dahin verschoben, wo sie hingehört. Die dänischen Autobahnen sind der Zengarten der Autofahrer. Nicht ganz unschuldig an der geruhsamen Fahrweise ist sicher auch der bei deutschen Autofahrern gefürchtete dänische Bußgeldkatalog. Die Strafsätze liegen erheblich über denen in Deutschland und die Vorstellung erwischt zu werden, hemmt bei so manchem Autofahrer den eingebauten Vorwärtsdrang. Da die meisten noch nie ernsthaft mit diesem Katalog konfrontiert wurden, ranken sich wilde Legenden um die verhängten Strafen und Folgen. Beispielsweise, wer das Bußgeld nicht in bar zahlen kann, dem wird das Auto direkt unter dem Hintern weg konfisziert und sichergestellt, bis die Strafe gezahlt wurde. Solange darf man dann zu Fuß gehen. Ob es stimmt?! Ich weiß es nicht, ich kenne nur den Strafsatz für Falschparken in Kopenhagen und der war auch schon märchenhaft. Für das Geld hätte ich mindestens zwei Wochen in einem Parkhaus in der Hamburger Innenstadt dauerparken oder mir den Sammelband aller Märchen von Hans Christian Andersen in der Deluxe-Edition kaufen können. Aber man merkt das Abenteuer Dänemark beginnt mit einer Geschwindigkeitsreduzierung oder, um mit der sehr beliebten Floskel um mich zu werfen „Entschleunigung“.

Im Laufe der weiteren Fahrt verabschieden sich die in Dänemark eingefallenen Touristen voneinander. Die einen in Richtung Nordsee, die anderen in Richtung Ostsee. Der gemeine Dänemarkurlauber kann grundsätzlich in zwei Kategorien unterteilt werden. Der Nordseeliebhaber und der Ostseebefürworter. Wer sich einmal für eine Küstenseite entschieden hat, wird dieser in den meisten Fällen ein Leben lang treu bleiben. Eine Unterhaltung zwischen einem Nordseefahrer und einem Ostseebader wird in den häufigsten Fällen mit gegenseitigem Unverständnis enden. Die einen, die die Vorzüge der wilden und rauen Nordseeseite preisen und sich einen Urlaub nur in einem Haus in den Dünen vorstellen können. Und die anderen, die die ruhigere und von der Vegetation her buntere Ostseeseite gegen nichts eintauschen wollen. Vergleichbar mit den elementaren Fragen: Urlaub im Norden oder Süden, Berge oder Meer, Auto oder Flugzeug, Hotel oder Hütte, mit oder ohne Familie?

Aber egal auf welcher Seite von Dänemark man seinen Urlaub verbringt, man wird einige sehr unübersehbare Unterschiede zwischen Deutschland und Dänemark feststellen. Dafür muss man kein Experte sein, die Unterschiede sieht man einfach. Von den anders aussehenden Straßenschildern einmal abgesehen, fällt auf, dass ab der Ausfahrt 75 nach Bov, die an vor allem deutschen Autobahnen üblichen Böschungen vermehrt wegfallen und der Blick sich auf die umliegende Landschaft öffnet. Die Landschaft besteht aus Feldern und Laubbäumen und alles ist irgendwie flacher. Die Bäume, die Häuser, die Fahrradfahrer. Dänen sind begeisterte Rennradfahrer.

Der weite Blick wird eigentlich nur durch Strommasten und Windräder „gestört“. Über Häuser sieht man einfach hinweg. Man möchte meinen, die Architektur in Dänemark kennt kein viertes Stockwerk. Das ist natürlich etwas übertrieben, aber selbst in den großen Städten sind die Bürogebäude im Vergleich zu anderen Großstädten eher geduckt und weniger spektakulär. Zumindest auf den ersten Blick. Hier zählen die inneren Werte. Die Architektur spiegelt mit ihren klaren Linien und dem aufs nötigste reduzierte äußere Tamtam die Mentalität der Dänen wieder. Geprägt durch das Jantegesetz*, einem alten Verhaltenskodex der Skandinavier, hüten sie sich etwas herausragendes, etwas auffälliges zu gestalten. Sie stellen vornehmlich die Zweckmäßigkeit in den Vordergrund. Schwere Zeiten für aufstrebende Architekten. Mehrfamilienhäuser in Form von Wohnsiedlungen, sind nur in größeren Städten zu sehen. Einfamilienhäuser dominieren und prägen das ländliche Erscheinungsbild.

Die bevorzugte Tracht der Eingeborenen ist der Hummeltrainingsanzug, gerne getragen in Kombination mit Badelatschen, Turnschuhen oder Bodden. Für deutsche Camper mutet Dänemark deshalb wie ein großer Campingplatz an. Man muss sich nicht einmal umziehen, um in die Stadt zu gehen.

In den größeren Städten sieht es schon ganz anders aus. Da regieren die Mode und der Schick. Die Trainingshose ist hier eher selten zu sehen, und wenn doch, dann wurde Sie mit Bedacht in das modische Gesamtkonzept integriert. Die Meinung von Karl Lagerfeld zum Thema Jogginghosen „Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren“ kann hier neu diskutiert werden. Allerdings müssen sich die deutschen Camper noch etwas einfallen lassen, um nicht gegenüber den dänischen Jogginghosenträgern dumm aufzufallen. Die modische Integration der Jogginghose ist hier noch nicht bei allen deutschen Campern ausgereift.

Wenn man die dänische Autobahn nun entspannt entlang gleitet und die Landschaft an sich vorbeiziehen lässt, dann sollte man zur Unterstützung der inneren Ruhe den automatischen Sendersuchlauf des Autoradios nutzen. Der nächste zu empfangende Radiosender, wird einem in sanfter dänischer Sprache das alltägliche Leben der Dänen näher bringen. Im Gegensatz zum gängigen Radioprogramm in Deutschland, wird hier viel mit Hörern kommuniziert oder schlicht etwas erzählt. Man muss die Sprache nicht einmal verstehen, es beruhigt einfach ungemein. Nur sporadisch wird das Programm von Musik unterbrochen.

Bei Ankunft am Ziel hat man jedenfalls die Anfahrt schon sinnvoll genutzt und sich in die richtige Urlaubsstimmung versetzt. Ausgeglichenheit und Ruhe sind die Stichworte, die einem eventuell in dem weiteren Verlauf des Urlaubs noch von Nutzen sein können. Dänemark ist nichts für Leute, die die weite Welt suchen. Große Abenteuer wird man nicht unbedingt finden. Mit dem Fahrrad durch Dänemark klingt nicht so spektakulär, wie mit dem Moped nach Neu Delhi oder mit dem Kajak um Spitzbergen. Und auch mit dem Segelboot vor Aerø zu kreuzen, ist eher unspektakulär und unaufgeregt. Aber es ist schön. Dänemark ist das Abenteuer für den bescheidenen „Mann“. Wobei selbst das schon wieder zu viel Abenteuer für mich ist. Dänemark ist Sicherheit und es ist auch die Sicherheit problemlos wieder nach Hause zu kommen. Wer bei Ankunft seines Feriendomizils noch immer keinen Ruhepuls von unter 80 hat, hat irgendetwas falsch gemacht.

Im Großen und Ganzen ist es schon erstaunlich, wie sich trotz der gleichen topografischen Voraussetzungen und der langen, wenn auch nicht immer friedlichen gemeinsamen Geschichte, man mit Grenzüberschreitung trotzdem das Gefühl bekommt eine andere Welt zu betreten.

Bevor die Geschichte jetzt tatsächlich losgeht, möchte ich vorausschicken, dass dieses Buch nicht für sich in Anspruch nimmt, fundiert, vollständig oder objektiv zu sein. Es soll Spaß machen und es spiegelt lediglich meine persönlichen Erlebnisse und meine subjektiven Empfindungen und Eindrücke wieder, die ich auf meinen Reisen durch dieses wunderschöne Land gesammelt habe. Mit Sand in den Ohren und Salzwasser in den Augen ist eine objektive Darstellung schwierig und bei genauerer Betrachtung auch eigentlich gar nicht notwendig. Insofern ist die Richtigkeit von Angaben nicht zwingend gewährleistet. Es soll eigentlich meine Liebe zu einem Land wiedergeben, welches ich nur als Tourist kenne. Meine Lust auf Dänemark.

Dieses Buch ist all denjenigen gewidmet, die diese Liebe teilen und sich in meinen Erlebnissen als normaler Dänemarktourist vielleicht wiederfinden und einen ruhigen Platz in den Dünen zu schätzen wissen.

*Jantegesetz: Das Jantegesetz (Janteloven) beschreibt die kulturellen und politischen Umgangsformen, nach denen es verpönt ist, sich selbst zu erhöhen oder sich als besser und klüger darzustellen als andere.

Eine Jante ist im Dänischen ein kleines Geldstück, vergleichbar mit dem Begriff Groschen im Deutschen. Das Jantegesetz ist also sozusagen das „Gesetz der recht und billig Denkenden“.

Entwickelt hat es der dänisch-norwegische Autor Aksel Sandemose (1899-1965) in seinem Roman Ein Flüchtling kreuzt seine Spur (En flyktning krysser sitt spor) aus dem Jahr 1933. Sandemose wuchs im dänischen Nykobing Mors auf, einem Ort, den er in seinem Roman Jante nannte. In seinem Roman porträtiert er diese kleine Stadt zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Djursland

Eine leichte Brise weht nach einem heißen Tag von der Ostsee kommend über den Strand und streicht sanft durch die Halme des Strandhafers. Die Sonne ist im Begriff sich langsam auf ihre Nachtruhe im Meer vorzubereiten und schafft als Vorbereitung mit leicht rot gefärbten Schleierwolken eine muckelige Abendatmosphäre. Noch tanzen die Mücken dicht über dem Sand der Düne und meinem Kopf. Ich spüre die letzten Sonnenstrahlen der untergehenden Sonne auf meinem Gesicht, das nach einem heißen Sonnentag noch die Hitze des Tages abzugeben versucht. Ich habe mich auf diesen Abend vorbereitet. Vorbereitet, wie ich es seit einigen Jahren gerne mache. Manchmal alleine, manchmal mit einem Freund. Eine Art von Tradition hat sich langsam eingeschlichen, denn egal wo ich in Dänemark bin, suche ich mir einmal im Urlaub eine Bank in den Dünen mit Blick auf das Meer. Wenn die äußeren Umstände stimmen, wird diese Bank für diesen einen Abend mein kleines Wohnzimmer. Aus meiner Tasche nehme ich ein Glas und stelle es auf den Tisch vor der Bank. Es ist eine dieser Picknickbänke aus grobem Holz, wie es sie in jedem Baumarkt zu kaufen gibt. An Küstenwegen findet man immer wieder solche Bänke, die von den Kommunen aufgestellt werden. Der Reisende soll Zeit für die Schönheit der Umgebung finden. Das zweite Glas lasse ich noch in der Tasche. Mein Freund Kristian kommt später.

Willkommen in Djursland. Erstaunlich, dass wir diesen wunderschönen Flecken Erde in Dänemark gefunden haben. In meinen Reiseführern ist die „Nase von Dänemark“ immer noch ein weißer Fleck. Kaum jemand biegt zwischen Århus und Randers nach rechts ab. Und wenn doch, dann nur um Ebeltoft zu besuchen. Es scheint spätestens bei der Stadt Ebeltoft das allseits bekannte Dänemark zu Ende zu sein. Ganz Mutige kennen noch die Autostraße 15 nach Grenaa. Nicht weil die Stadt so schön ist, sondern weil die Autofähre nach Varberg/Schweden hier abfährt. Nein, so hässlich ist Grenaa gar nicht. Eigentlich hat sie sogar ganz niedliche Ecken. Zumindest um die Kirche im Stadtzentrum herum. Es gibt zwei erstaunliche Fakten über diese an den Rand gedrängte Stadt zu berichten. Sie bildet erstens den geographischen Mittelpunkt von Dänemark und zweitens ist der Weltmarktführer im Abwracken von Schiffen hier ansässig. Das Unternehmen hat sich auf die Zerlegung kleinerer Schiffe bis 100 Meter Länge spezialisiert. Die Masse macht´s. Die großen Pötte werden weiterhin vor allem im asiatischen Raum verschrottet. Aber letztlich sind das nicht eben Touristenmagnete und lohnt nicht unbedingt einen Abstecher, aber man kann dank dieser Informationen mit unnützem Wissen prahlen. Doch eins hat Grenaa wirklich zu bieten. Ein wunderschönes Aquarium, das auf jeden Fall einen Besuch lohnt. Das Kattegatcenter, das nicht nur was fürs Auge zu bieten hat, sondern auch den Kleinsten viel zum selber entdecken gibt. Wechselklamotten sind empfehlenswert, da es in dem Wasserspielpark sehr feuchtfröhlich zu gehen kann.

Aber lassen wir Grenaa und nähern uns dem Ort, der seit ein paar Jahren Mittelpunkt unserer Sommerurlaube ist. Zwei Familien, zwei Häuser. Gjerrild Nordstrand. Ein kleiner Ferienhausort, der vor allem von Dänen selber bewohnt wird. Dieser Ort bietet eins - Ruhe. Für einen Urlaub zum Party machen sollte man eventuell ein anderes Ziel als Alternative in der Hinterhand haben.

Vielleicht lehne ich mich hier auch etwas zu weit aus dem Fenster, denn das mit der Ruhe stimmt nur bedingt. Es gibt hier zwar keine Kneipen, Discos oder andere Lokalitäten was Lärm machen könnte. Der Campingplatz am Rande bietet nur gelegentlich Open Air Partys an und dann ist um Zehn am Abend auch Ruhe. Was hier die Ruhe gerne mal stört ist Gartenarbeit. Da tatsächlich viele Dänen ihre Wochenendhäuser in dieser Siedlung haben, heißt es am Wochenende „Rasenmäher raus, der Spaß beginnt!“ oder „wir ersetzen mal schnell die Holzterrasse in zwei Tagen!“ An guten Tagen gesellt sich noch der dezente Klang einer Zwei-Takt-Benzin-Heckenschere dazu. Der Dreiklang aus Rasenmäher, Heckenschere und Kreissäge, immer wieder mit dem Klappern eines vorbeirollenden Ein-Achs-Tiefladers unterfüttert, kann den Geräuschpegel eines Rockkonzerts erreichen. Wer das Wacken Open Air mag, kann einen Dänemarkurlaub als „Warm Up“ für den nächsten August nutzen. Klappstuhl und den Kasten Bier nicht vergessen. Wer nicht, sollte Ausflüge an den Strand auf das Wochenende verlegen, um wenigstens dort Ruhe zu finden.

Wenn die Heimwerkerkönige ihren Spielplatz für eine neue Arbeitswoche verlassen haben, kehrt vorerst auch wieder Ruhe in der Häusersiedlung ein. Der obligatorische Transportanhänger ruht im Carport und kann sich von den strapaziösen Fahrten über die mit Schlaglöchern übersäten Schotterpisten der Feriensiedlungen erholen.

Ruhe? Nicht ganz. Nun schlägt die Stunde des hauptberuflichen Rasenmähermannes, der pünktlich um 8 Uhr am Montagmorgen seinen Dienst beginnt. Er arbeitet sich mit seinem Aufsitzrasenmäher Grundstück für Grundstück durch die Siedlung. Jetzt werden die Parzellen abgearbeitet, die an Touristen vermietet sind. Die Dose Bier immer in der Hemdtasche. Der Besuch erfolgt ohne Vorankündigung und es kann passieren, dass der Rasenmähermann mit seinem offenen und herzlichen Wesen einem durch das genauso offene Toilettenfenster hinter dem man gerade sitzt, Bescheid gibt, dass er jetzt den Rasen mähen wird. Danke.

Aber zwischen den Wochenenden und dem Auftauchen des Rasenmähermannes herrscht wirklich Ruhe. Es sei denn es trifft einen das Schicksal so wie mich in einem Urlaub, wo mein ebenfalls Urlaub machender dänischer Nachbar in seinem eigenen Sommerhaus scheinbar nichts mehr zu reparieren, zu malen oder sonst etwas zu tun hatte. Nach dem Hissen des Danebrog am Morgen, wurde mit dem Maßband der Rasenwuchs kontrolliert und anschließend der Rasenmäher aus dem Schuppen geholt. Der gute Mann hat tatsächlich dreimal in einer Woche seinen Rasen gemäht. Lagerkoller auf Dänisch. Da hätte ich auch Urlaub in einer deutschen Schrebergartenkolonie machen können. In der Beziehung stehen uns die Dänen ja auch in nichts nach. Viele Gärten sind wie mit dem Lineal angelegt und wirken so steril und gradlinig wie ein Golfplatz oder eine Sagrotanflasche. Hier einen Makel zu finden fällt schwer.

Glücklicherweise ist die Siedlung tatsächlich nicht so groß, dass ununterbrochen irgendjemand meint etwas machen, bauen, schneiden, sägen zu müssen.

Aber es stimmt schon. Die Dänen sind sehr ordentlich und auch sehr stolz auf das was sie haben. Vielleicht gibt es deshalb so viele Golfplätze hier oben. Als Spielplatz für diejenigen, die in ihrem eigenen Garten keine Aufgaben mehr finden, von den Ehefrauen nicht in der Küche geduldet und für weitere Gartenarbeiten auf den Golfplatz geschickt werden. Beschäftigungstherapie auf Dänisch. Natürlich nur eine Theorie von mir. Aber in jedem Garten steht ein Fahnenmast und der Ausdruck ihres Stolzes erfolgt primär durch das Hissen des Danebrog (auch „Dannebrog“, die dänische Flagge, wörtlich Übersetzt „dänisches Tuch“). Man möchte auf den ersten Blick meinen, dass das Hissen der dänischen Fahne ein Zeichen für den Abschluss der Gartenarbeit ist, aber es steckt natürlich mehr dahinter und geht über die Grundstücksgrenze hinaus. Wer flaggt, sollte das 65 Seiten starke Werk über den korrekten Gebrauch des Danebrog gelesen haben (ich habe es noch nicht gelesen, habe aber auch keinen Fahnenmast). Beim Durchqueren kleinerer Ortschaften, lässt sich sofort erkennen, wo ein Geburtstag, ein Jubiläum oder sonst irgendetwas gefeiert wird. Die Hecke zur Straße ist dann mit kleinen rot-weißen Fähnchen geschmückt und an der Hofeinfahrt steht der etwa 1 Meter 50 hohe portable Fahnenmast auf beiden Seiten Spalier. Der fest installierte Fahnenmast, der auf keinem Grundstück fehlen darf, ist sowieso täglich geflaggt. Die dänische Flagge kann in allen Variationen in fast jedem Laden erworben werden. Immer gibt es irgendwo eine Ecke, wo kleine Fähnchen (auch als Zahnstocher verwendbar), größere Fähnchen (nicht als Zahnstocher verwendbar), Geschenkpapier, Servietten, Tischdecken und so weiter angeboten werden. Das reichhaltige Sortiment braucht der Däne auch, denn spätestens, wenn bei der Königsfamilie ein Geburtstag ins Haus steht, dann verschwindet das gesamte Land unter einem rot-weißen Teppich aus Fahnen und Fähnchen.

Jetzt, in diesem Moment auf meiner kleinen Bank in den Dünen, herrscht eine behagliche Ruhe. Der nächste Rasenmäher ist fern und ich werde eins mit der mich umgebenden Natur. Ich lasse meinen Blick über das Meer gleiten und ich spüre wie eine Ruhe in mich eindringt, die ich sonst im Alltag eher selten spüre.

Zwei junge Mütter kommen auf ihrem Abendspaziergang, dem Küstenweg folgend, an meinem Tisch vorbei. Jede schiebt einen Kinderwagen vor sich her, der dem Ausmaß eines Kleinwagens entspricht. Wir grüßen uns und ich erhalte von beiden ein freundliches Lächeln. Während in Deutschland jede neue Generation an Kinderwagen kleiner, kompakter, faltbarer und wackeliger ausfällt - zum Zusammenklappen wird ein Ingenieurstudium empfohlen - sind die Kinderwagen in Dänemark immer groß, geräumig, mit großen Speichenrädern und Federung ausgestattet. Kinderwagen, wie aus den sechziger Jahren, aber bestimmt neuerem Datums. Großraumsänften für die Kleinen. Ob die Kinder solange in dem Kinderwagen liegen bis sie laufen können? Wie ein Vogel, der aus dem Nest heraus Fliegen lernen muss? Auch diese Kinderwagen sind ein bemerkenswerter Teil von Dänemark und hier und jetzt bin ich auch ein kleiner Teil von Dänemark. Hier auf meiner kleinen Düne in der Abendsonne. Auch ohne Danebrog, aber trotzdem bald mit Fahne.

Viel Küste

Die Damen sind weitergezogen und vorerst scheint auch kein weiterer Fußgänger mehr in der Nähe zu sein. Auch Kristian nicht. Ich folge mit meinem Blick dem Verlauf des Strandes, der sich einige Kilometer entlang der Dünen zieht, um sich am Horizont in der sich langsam erhebenden Steilküste zu verlieren. Es ist beneidenswert, wie viel Küste Dänemark zur Verfügung steht. Fantastisch. Egal an welcher Stelle man in Dänemark an die Nord- oder Ostsee tritt, man fühlt sich wohl und ziemlich alleine. Die nächsten Bauwerke sind in den meisten Fällen alleinstehende Einfamilienhäuser mit stattlichen Grundstücken. Das Ganze wie immer dänisch dezent und zurückgesetzt in den Dünen. Die am dichtesten zum Wasser stehenden Bauwerke, abgesehen von den ehemaligen deutschen Bunkeranlagen an der Nordseeküste, sind die Hütten der hiesigen Fischer. Etwas windschief und von den jeweiligen Elementen der Jahreszeiten gezeichnet. Ein kleines bisschen Fischerromantik liegt in der Luft, aber eigentlich sind sie nur Lagerplätze für den täglichen Gebrauch und auf Zweckmäßigkeit getrimmt. An der deutschen Nord- und Ostseeküste hingegen drängeln sich die Seebäder aneinander und versuchen sich gegenseitig mit noch längeren und imposanteren Uferpromenaden zu übertrumpfen. Was kommt dem Zeitgeist am nächsten? Mondän und exklusiv? Jung und Hipp? Sportiv und stylisch? Welcher Sand vor der Promenade ist feiner? Wer hat die schöneren Strandkörbe? Welches Kurbad richtet die Strandkörbe gleichmäßiger aus? Wer hat das furchtbarste Kurkonzert? Wer hat die älteren Kurgäste? Man hört förmlich den euphorischen Zwischenruf „wir, unsere Gäste haben Einzelstellplätze für ihre Rollatoren!“ Es stellen sich weitere Fragen. Was kann ich noch zubauen? Man möchte meinen, die deutsche Küstenlinie ist bei so viel Bauwillen entschieden zu kurz. Wie neidisch müssen deutsche Architekten auf so viel jungfräuliche Küste im Nachbarland sein. Wie viele Seebäder könnte man an Dänemarks Küsten bauen? Jedes Jahr ein Neues. Noch schöner, bunter, älter und man wäre über viele Jahre damit beschäftigt die Küsten Dänemarks zuzubauen. Händereiben bei den Baufirmen. Sehen die Dänen den nicht ihr riesiges Potenzial? Es liegt doch direkt vor der Haustür. Weiter als 50 Kilometer kann kein Däne von der Küste entfernt wohnen. Dänen auf Grönland natürlich ausgenommen. Da hat es jeder Hamburger weiter, um zur Nord- oder Ostsee zu kommen. Bei 5,5 Millionen Einwohnern muss doch da was gehen. Was für eine Vorstellung.

Erstaunlicherweise ist das aber nicht der Fall und noch viel interessanter ist, dass mir nicht ein Seebad in Dänemark bekannt ist, das annährend wie Boltenhagen oder Kühlungsborn aussieht. Vermutlich ist Skagen an der Nordspitze von Dänemark das, was dem am nächsten kommt.

Das an der westdeutschen Küstenlinie vor langer Zeit vor allem Fischer gelebt haben, ist nur noch an einigen wenigen verbliebenen und mittlerweile unter Denkmalschutz stehenden Fischerhütten, Kapitänshäusern und dem kitschigen Interieur von Möchtegern-Hafenkneipen zu erahnen. Weniger schützenswerte Hütten werden zu Edelstrandkiosken, in denen man Großmaulsuppe mit Schampus schlürfen kann. Aus dem Porsche auf die Holzbank. Mal wieder Arbeiterklasse spüren, aber dabei bitte unter sich bleiben. Ansonsten wird die Fischerromantik nur noch in Souveniershops durch alberne verkindlichte in Fernost schlecht gefertigte Holzfischkutter und Räuchermännchen mit Südwester auf dem Kopf gelebt. Das mag verbittert klingen und manchen deutschen Nord- und Ostseetouristen vor den Kopf stoßen, aber ich liebe es über Geschmack zu streiten.

Regentage

Es ist wirklich schön auf dieser Bank zu sitzen und den Sommer zu genießen. Zum Glück ist das Wetter diesen Sommer ausgesprochen gnädig mit uns. Es gab bisher nur einen Regentag und der war gleich bei der Anreise. Das ist aber nicht weiter schlimm, da kann man tatsächlich ohne schlechten Gewissen im Haus rumschlunzen und es sich auf dem Sofa mit einem guten Buch bequem machen. Als Einstieg in den Sommerurlaub gut, um gleich mal runter zu kommen. Selbst die Kinder können mittlerweile einen Regentag mal ganz gut verkraften. Ein 1000 Teile Puzzle, ein gutes Buch oder das klassische „Spiel des Lebens“ können einem den Tag kurzweilig gestalten.

Schwieriger wird es, wenn der Regen anhält und sich über mehrere Tage hinzieht. Dann hilft auch das Puzzle nicht mehr. Im Sommer ist das immer etwas doof, da man ja eigentlich auf Sonne, Strand und Baden eingerichtet ist. An Regenzeug denkt man in den Sommerferien ja eher weniger. Da hilft es nur, das vermeintlich Schlechte in etwas Gutes zu verwandeln und auch bei Regen den Weg nach draußen zu suchen und als Gemütlichkeit zu verkaufen. Als Belohnung gibt es ein trockenes Handtuch und ein Hörspiel von den „Die Drei Fragezeichen“ auf dem Sofa. Wenn gar nichts mehr geht, dann kann man immer noch die Flucht in die nächste Stadt antreten. Ein kleiner Bummel durch die Straßen, ein kleiner Kaffee und ein Stück Kuchen in einem netten kleinen Café können den Schlechtwetterfrust auch kurzzeitig vertreiben.

Im Herbst ist die Einstellung zum schlechten Wetter ja schon eine ganz andere. Man erwartet einfach schlechtes Wetter, wenn man nach Dänemark fährt. Meine Mutter sagte immer, „es gibt kein schlechtes Wetter, nur die falsche Bekleidung“. Sagte es und blieb zu Hause, wenn es regnete. Eine lustige Frau mit Sinn für Humor. Ich wollte es allerdings nicht ganz so halten und habe mir passende Regenjacken angeschafft. Ich habe mir die weisen Worte zu Herzen genommen. „Die Familie muss raus, bei Wind und Wetter“. Und freue mich ins geheim auf einen prasselnden Ofen und eine heiße Sauna nach einem langen Strandspaziergang bei frostigem Wind.

Sollte es allerdings mehrere Tage hintereinander regnen und das für solche Tage mitgebrachte Buch zuende gelesen sein, dann kann man schon ein wenig wunderlich werden und dann hat man ein kleines Problem. Nein, besser gesagt eine Herausforderung.

Nach spätestens vier Tagen Dauerregen wird es mir zumindest einfach langweilig. Und wenn ich dieses Niveau erreicht habe, dann spielt sich der weitere Verlauf des Urlaubs vielleicht in etwa so ab:

Die Literatur meiner Frau und meiner Kinder reizt mich nicht. Noch nicht. Ich fange erst einmal von meinem Sessel aus an, den Regentropfen an der Scheibe beim Perlen zu zusehen. Ich beginne mir Fragen zu stellen, wie „Warum sind manche Regentropfen schneller als andere? Warum fließen sie nicht einfach gerade herunter, sondern nehmen auf ihrem Weg immer wieder einen Zickzackkurs, um andere Tropfen mit aufzunehmen?“ und beantworte mir dann die Fragen selber. “Ah, sie speisen sich mit neuem Wasser, welches sie an der Scheibe auf ihrem Weg als Gleitmittel verloren haben. Je mehr Wasserspeicher auf dem Weg nach unten aufgenommen werden, desto schneller wird der Tropfen.“

Mit dieser Erkenntnis versuche ich den Weg einzelner Tropfen auf dem Weg an der Scheibe hinab vorherzusagen, werde aber immer wieder von unvorhergesehenen Haken des Lauftropfens überrascht. Vorhersagen sind schwierig, stelle ich fest. Ich gebe diese Art von Prognosen auf und eröffne lieber ein kleines Wettbüro. Die Quoten stehen gut für den Tropfen, der dicht am Fensterrahmen, aber noch weit genug von dem Fensterkitt entfernt, Fahrt aufnimmt. Das Rennen hat begonnen. Der Kontrahent etwas weiter rechts wird durch eine Verunreinigung auf der Rennstrecke abgelenkt und ausgebremst. Der Tropfen an der Außenbahn strebt unbeirrt mit wenig Ablenkung - nahe an der Ideallinie - dem Ziel entgegen, während der gegnerische Tropfen immer noch bemüht ist, nach dem ungeplanten Zwischenstopp, wieder Fahrt aufzunehmen. Das Rennen scheint entschieden, auch wenn der Tropfen in der Fenstermitte deutlich an Fahrt gewinnt und zu einem phänomenalen Endspurt ansetzt. Trotzdem reicht der herausgearbeitete Vorsprung, des am Fensterrand sich hinabbewegende Tropfen, und er erreicht an der unteren Kante des Fensterrahmens als Erster das Ziel. Er sammelt sich, aufgefangen von anderen Tropfen, in einer kleinen Pfütze und lässt sich frenetisch feiern. Das Rennen ist entschieden. Ich gratuliere zu diesem Start-Ziel-Sieg und feiere jubelnd mit. Meine Familie hat wohl meine Langeweile bemerkt und beschließt die hauseigene Spielesammlung auf den Tisch zu bringen. Ludo ist angesagt. „Mensch ärger dich nicht“ auf Dänisch. Wir gehen an diesem Tag früh ins Bett, in der Hoffnung, morgen ein etwas besseres Wetter beim Öffnen der Gardinen zu sehen.

Wir werden enttäuscht. Es regnet noch immer und Tag 5 lässt auch keinen hellen Schimmer am Horizont zu, der Besserung verheißen könnte. Nach dem Frühstück gehe ich die hauseigene Bibliothek durch. Alles auf Dänisch. Ich ziehe hier und da ein Buch aus dem Regal und versuche den Inhalt des Buches zu erraten. Gartenphilosophie ist das Erste, was ich anfasse. Was wächst, blüht und gedeiht, wann, wo und wie in meinem Garten? Ich habe gar keinen Garten in Hamburg. Ich lege das Buch zurück. Als nächstes nehme ich einen dänischen Roman in die Hand. Scheint ein Liebesroman zu sein. Irgendwann stoße ich auf ein Buch mit einem deutschen Titel „Die Liebenden von Sotschi“. Konsalik. „Ist das nicht der Vielschreiber mit den Liebesromanen?“, denke ich so für mich. Meine Mutter hat diese Bücher gerne gelesen, das ist alles was ich über Herrn Konsalik weiß. Aber noch ist mir nicht langweilig genug, um dieses Buch anzufangen. Ich nehme stattdessen eine Ausgabe der dänischen Variante von dem Magazin „Schöner Wohnen“ mit zu meinem Sessel. Die Dänen sind wirklich bemüht ihr Nest gemütlich und heimelich zu gestalten. Eigentlich müsste ich jetzt für das heimelige das dänische Wort „Hygge“ verwenden, welches auch immer mehr in den deutschen Wortschatz aufgenommen wird, aber mir wird der Begriff mittlerweile etwas zu inflationär gehandelt. Deshalb verzichte ich. Bevor ich anfange nach den gerade gesehenen Impressionen den Wohnbereich umzugestalten, unternehmen wir lieber einen kleinen Ausflug zu dem in unmittelbarer Nähe zum Strand gelegenen kleinen Einkaufzentrums. Es regnet. Der Himmel ist verhangen und über dem Meer ziehen die Wolken eilig vorbei. Der Horizont verschmilzt zu einem einzigen Grau und der Übergang vom Meer zum Himmel ist nicht auszumachen. Es ist so dunkel, dass man meinen könnte der Abend bricht herein, aber es ist gerade einmal 14 Uhr. Nicht ein Surfer nutzt den guten Wind. Auf dem Spaziergang denke ich über die Wohnzeitschrift nach. Auf den Bildern in der Zeitung wirken die neugestalteten Wohnbereiche immer, dank intensiver Sonneneinstrahlung, gemütlich und warm. Die Räume sind immer lichtdurchflutet und die verwendeten Farben dürfen ihre Pigmente in fast exhibitionistischer Art und Weise zur Schau stellen. Bewusst habe ich nicht ein Bild in diesem Magazin gesehen, in dem es hinter den Fenstern regnet. Ich stehe jetzt seit 5 Tagen hier im Regen. Arbeiten die Fotografen dieser Zeitschrift jetzt nicht? Nach der Bildauswahl in den Artikeln zu urteilen, können die ihre Fotos ja eigentlich nur bei Sonnenschein machen. Wie viele Tage im Jahr regnet es eigentlich in Dänemark? Ich sollte über eine berufliche Veränderung nachdenken.

Wir erreichen eine kleine Ansammlung von Flachdachbauten, die den Rahmen einer kleinen Fußgängerzone bilden. Rechts davon breitet sich der kleine Jachthafen aus, der wenig besucht wirkt. Die Segler suchen sich auch lieber sonnigere Ecken in Dänemark. Die kleinen Läden mit Surferklamotten und Windjacken sind schnell erkundet. Der Imbiss ist geschlossen. Das kleine Schild sagt „geöffnet von Mai bis Oktober“. Schade, dass der November gerade angefangen hat. Ein Flyer an der Scheibe des Imbisses, die scheinbar mehr als Veranstaltungskalender, als eine Lichtquelle genutzt wird, bietet unter anderem Kerzenziehen in einem der kleinen Hafengebäude an. Ich rümpfe die Nase und verweigere