Meine Sandkiste Dänemark - Sven Lepthin - E-Book

Meine Sandkiste Dänemark E-Book

Sven Lepthin

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Beschreibung

Wer mag es nicht, an einem warmen Sommerabend am Strand entlang zu gehen, den warmen Sand zwischen den Zehen zu spüren, die kühlen Wellen des Ozeans an den Schienbeinen brechen zu lassen und den Blick weit über das Meer bis zum Horizont zu schicken? Das ist Strand, das ist Sand. Wer sich in Dänemark aufhält, der wird immer und überall mit dem Element Sand konfrontiert. Ein Ist-Zustand. Ob am Strand, im Haus, in der Kunst oder letztendlich in der Dusche. Alles wird in Dänemark auf Sand gebaut. Oder auch mal in den Sand gesetzt. Überall wo man hinsieht ist Sand. Und Sand ist vor allem eins: Schön und abwechslungsreich. Sand ist Dänemark. Ein kleine Reise um die vielleicht schönste Sandkiste der Welt. 208 Seiten mit 29 Bildern und viel Unterhaltung

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Wer mag es nicht, an einem warmen Sommerabend am Strand entlang zu gehen, den warmen Sand zwischen den Zehen zu spüren, die kühlen Wellen des Ozeans an den Schienbeinen brechen zu lassen und den Blick weit über das Meer bis zum Horizont zu schicken? Das ist Strand, das ist Sand.

Wer sich in Dänemark aufhält, der wird immer und überall mit dem Element Sand konfrontiert. Ein Ist-Zustand. Ob am Strand, im Haus, in der Kunst oder letztendlich in der Dusche. Alles wird in Dänemark auf Sand gebaut. Oder auch mal in den Sand gesetzt. Überall wo man hinsieht ist Sand.

Und Sand ist vor allem eins: Schön und abwechslungsreich. Sand ist Dänemark. Ein kleine Reise um die vielleicht schönste Sandkiste der Welt.

Ich wurde 1972 in Altona bei Hamburg geboren. Hier lebe und arbeite ich noch immer.

Im Urlaub genieße ich eigentlich am liebsten die Ruhe und die angenehmen Temperaturen im Norden Europas.

Für meine Familie und all diejenigen, die sandige Füße und etwas Ruhe zu genießen wissen.

Inhaltsverzeichnis

Einige Worte zum Thema Sand

Blåvand

Ein Kiosk zum Leben

Leben und Tod liegen dicht beieinander

Wie gut, dass es Leuchtfeuer gibt

Vom Floh- zum Antikmarkt

Schneckenhaus und Heavy Metal

Nationalpark Thy

Bunte Wale

Die Deutschen und ihre Bunker

Fur

Rubjerg

Sandmalerei in Skagen

Andersen und Lenz

Ein Thing für zwei

Wenn der Wald fehlt, dann knirscht es

Automobile Weltherrschaft

Sandkuchen auf Samsø

Wellen in Gjerrild

Namen? Was für Namen?

Gorms Duschkopf

Eimerchen und Schaufelchen

Jedem Dänen seine Hütte

Was der Weltkrieg übrig ließ

Sand muss Sand bleiben

Epilog

Ein kleiner Nachruf auf den Rasenmähermann

Einige Worte zum Thema Sand

Was ist Sand eigentlich? Warum gibt es so viel Sand und warum steht am Ende alles auf Sand? Wenn man sich diese Fragen einmal stellt, dann ist es gut, ein Lexikon im Hause zu haben. Eins, das man für solche Fälle befragen kann. Wenn man sich dann tatsächlich auch die Mühe macht und dieses aus dem Regal zieht, den Staub der letzten Jahre seit Wikipedia entfernt und auch noch aufschlägt, dann findet sich unter „S“, wie Sand, in etwa diese Aussage:

Sand ist ein natürlich vorkommendes, unverfestigtes Sediment und setzt sich überwiegend aus Mineralkörnern mit einer Korngröße von 0,063 bis 2 Millimeter zusammen.

Wir sprechen hier also von einem lockeren Zusammentreffen kleiner und größerer Körner, die durch Wind und Wasser zusammen oder auch auseinandergetrieben werden können. Sand ist aber nicht gleich Sand. Ähnlich wie bei der Klassifizierung von Schnee, kann auch Sand in diverse Kategorien aufgeteilt werden. Die Urvölker im ewigen Eis unterteilen Schnee immerhin in etwa 50 verschiedene Zustände. Das sind fast so viele Weißtöne, wie es sie im Baumarkt als Wandfarbe zu kaufen gibt.

Auch beim Sand unterscheidet sich die Beschaffenheit je nach Größe, Kantenschärfe und Zusammensetzung der einzelnen Körner voneinander. Hier gibt es sogar eine eigene DIN. Die DIN 4022 zur Benennung und Beschreibung von Boden und Fels. Wobei diese Bezeichnung mittlerweile keine Gültigkeit mehr hat, sondern durch griffigere EN ISO-Nummern ersetzt wurde. Nur mal für die, die es interessiert. Man möchte es kaum glauben, was alles auf dieser Welt kategorisiert wird.

Sand kann aus verschiedenen mineralischen Zusammensetzungen bestehen, was Sand zu einem bunten Haufen friedlich nebeneinanderliegender Körner macht. Ein Traum, der der Menschheit bis heute verwehrt bleibt. Vielleicht sollte man vom Sand und seinem Sozialgefüge mehr lernen.

Sand ist etwas, was gerne als gegeben angesehen wird. Es ist selbstverständlich, dass ein Strand aus sehr viel Sand besteht oder man unter der Grasnarbe im Garten auf Sand stößt. Man möchte ihn nicht missen. Doch manchmal wird er trotzdem als lästig betrachtet und seine Anwesenheit gar verflucht. Zum Beispiel in den Haaren, zwischen den Zähnen, in den Ohren und der Dusche. Auch im Getriebe wirkt er sprichwörtlich hemmend und im Essen möchte man ihn auch nicht unbedingt finden.

Aber Sand hat auch etwas Gutes. Er ist Lebensraum und Baumaterial für viele Lebewesen. Ein kostbarer Lebensraum für die unterschiedlichsten Tiere, Fische, Amphibien und Insekten. Ob unter Wasser oder oberhalb. Und wer schon mal am Strand oder in den Dünen gelegen hat, wird dieses bereits selbst festgestellt haben. Überall summt und krabbelt es. Leben eben.

Er ist aber auch Baumaterial für den kleinen nimmersatten Menschen. Beton ohne Sand ist undenkbar und leider mittlerweile ein ausgesprochen kostbares Baumaterial, welches in Zeiten der wilden Bauwut der Menschen zu einem raren Gut geworden ist. Geeigneter Bausand (vielfach auch einfach Kies genannt) ist so begehrt, dass sich sogar bereits eine Sandmafia entwickelt hat, die sich auf illegale Art und Weise passenden Sand beschafft. Im asiatischen Bereich schreckt man mittlerweile auch vor Mord nicht mehr zurück, um in Nacht- und Nebelaktionen ungestört ganze Strände abtragen zu können. Sand ist Geld. Menschenleben nicht. Sand wird immer teurer. Ein Menschenleben verliert wohl hingegen mal wieder an Wert! Von dem ökologischen Schaden solcher Aktionen einmal abgesehen. Aber es verdeutlicht auch – Sand ist ein Bodenschatz und eben nicht einfach nur `da´. Und man kann feststellen, dass Sand auch somit lebensfeindlich und tödlich sein kann.

Bleiben wir lieber positiv und widmen uns den interessanten Seiten der Materie. Dänemark ist so reich mit Sand gesegnet, dass man diesen sogar an die Deutschen verkaufen kann. Der Ort Heiligenhafen an der deutschen Ostseeküste kann ein Lied davon singen. Reißen die Winterstürme doch gerne mal die Sandstrände mit sich. Dänemark hilft. Und schon hat man in Heiligenhafen auch eine dänische Südsee. Die Grenzen zwischen den beiden Ländern versanden wirklich immer mehr.

Und noch eine kleine Geschichte ist beim Thema Sand und Dänemark nennenswert. Vielleicht nur eine kleine Randnotiz, aber wie ich finde, trotzdem erwähnenswert. Der Sand auf der dänischen Insel Bornholm ist so fein, dass er in der Vergangenheit sogar zur Befüllung von Sanduhren Verwendung fand. Sand ist wirklich erstaunlich vielseitig einsetzbar.

Zum Abschluss stellen wir fest, nicht jeder Sand ist als Baumaterial geeignet. Es ist auch nicht jeder Sand für die zahlreichen Glasbläser in Dänemark verwendbar. Sand ist also nicht gleich Sand. Über die Verwendbarkeit von Sand gibt es kilometerlange Abhandlungen, die das Thema Sand, Sand und auch noch Sand in alle Richtungen behandeln. Aber das wäre jetzt des Guten zu viel, hier noch tiefer einzusteigen. Es soll ja keine wissenschaftliche Abhandlung werden, sondern Spaß machen.

Mir reicht der Sand unter den Füßen. Der Sand an den dänischen Stränden soll als Baumaterial auch nicht sonderlich gut geeignet sein. Hat man mir gesagt. Ob es stimmt? Für mich ist Sand nicht Baumaterial, sondern die Basis für eines der lebenswertesten und liebenswertesten Länder die ich je besucht habe. Dänemark ist für mich Sand. Eine wunderbare große Sandkiste, in der ich gerne sitze.

Langeland – in der Nähe von Ristinge

Wussten Sie, dass man Sand nicht durch Sechs, aber dafür durch Sieben teilen kann?

Autor unbekannt

Blåvand

Nur noch 170 Stufen. Der Schweiß stand mir bereits auf der Stirn. Und das, obwohl ich noch nicht einmal die erste Stufe betreten hatte. Eigentlich hatte ich mich bis hierher noch gar nicht so sehr angestrengt, aber es war heiß an diesem Tag und es ging fast kein Lüftchen. Kein Wind, der hier unten hinter den Dünen für Abkühlung hätte sorgen können. Die Kiefern am Dünenrand und die Dünen selbst hielten die Luft fest. Ungewöhnlich für die Nordseeküste, wo doch sonst immer zumindest eine leichte Brise weht. Eine gleichmäßige Brise, die Lenkdrachen im Wind stehen lassen kann. Der Weg vom Parkplatz zog sich bereits unangenehm in die Länge, und nun wollte ich nur noch auf den Leuchtturm. Auf das Blåvand Fyr. Den Ausblick genießen und Blåvand von oben sehen.

Ich nahm die erste Stufe noch mit Schwung in Angriff und begann die folgenden Stufen begeistert mitzuzählen. Vermutlich fangen Zweidrittel aller Besucher erst einmal an, die Stufen mitzuzählen. Da wollte ich nicht hintenanstehen. Auch ich wollte sicher gehen, dass die Informationstafel am Eingang nicht gelogen hat. Nach 46 Stufen ließ ich das allerdings ganz schnell wieder bleiben. Ich musste mich jetzt mehr auf das Treppensteigen und meinen Atem konzentrieren. Konditionsdefizite. Der Schwung der ersten Stufe hat nur bis hierher gehalten. Mit jeder Stufe mehr, drohte jetzt mein Atem jegliche Gleichmäßigkeit zu verlieren. Zusätzliches Zählen hätte einfach meine Kapazitäten überfordert. Ich musste mit meinen freien Kapazitäten haushalten, wenn ich denn oben ankommen wollte.

Warum sollte ich mir auch die Mühe des Zählens antun, wenn man solche Informationen über die zurückgelegten Stufen auch später im Internet nachschlagen kann, schoss es mir durch den Kopf. Irgendjemand vor mir wird garantiert die Stufen gezählt und die Richtigkeit der Stufenzahl auf dem Schild unten im Eingangsbereich überprüft haben. Jemand, der konditionell besser aufgestellt ist als ich. Jemand, bei dem der Schwung auch bis zur letzten Stufe reicht. Wie viele am Ende der eingangs erwähnten Zweidrittel an Besuchern tatsächlich die Stufen bis nach oben mitzählen, dürfte schwindend gering sein. Und die Anzahl derjenigen, die sich nicht bis oben bei der Zählung der Stufen verzählt haben, noch viel kleiner.

Dank meiner eingesparten Energien reichten meine Restkräfte oben angekommen noch, die schwere Tür zur Plattform aufzudrücken. Der Turm ist hoch, das Treppenhaus eng. Aber schön. Der freie Schacht, der sich umringt von der Treppe nach unten öffnet, bietet einen spannenden Blick von oben auf ein in die Fliesen eingearbeitetes Muster. Mir wird schwindelig. Der Leuchtturm ist aus Beton und ausnahmsweise mal nicht Rund, so wie viele andere Leuchttürme. Ein quadratischer weißer Turm, der jetzt bereits seit 120 Jahren hier seinen Dienst schiebt und seinen Platz nie verlassen hat.

Endlich oben und draußen. Ein leichter erfrischender Wind empfing mich, als ich die kleine schwere Tür, ohne einem anderen Besucher auf der Plattform diese in den Rücken gerammt zu haben, aufstieß. Das tat gut nach dem schweißtreibenden Aufstieg. Hier, fast 40 Meter höher als zu Beginn meines Aufstiegs, wehte endlich der erfrischende Wind. Der Ausblick entschädigt für die Strapazen. Ein weiter Blick über die Nordsee, wo sich der Horizont im Dunst mit dem Meer vereint. Ich roch das Salz, das Jod und den Seetang, den der Wind vom Meer mit sich trug. Ich atmete tief durch und wusste wieder, warum ich das Meer so mag.

Blaues Wasser, gelber Sand, immer wieder grauer Beton in dem verwaschenen Grün von Heide, Strandhafer und Kiefern. Als wollte das Grün das Grau verstecken. Die übliche Hinterlassenschaft des deutschen Größenwahns liegt mir zu Füßen. Der allgegenwärtige Nordatlantikwall ist auch hier nicht zu übersehen. Versucht man die Bunkerlandschaft doch zu ignorieren, dann sieht man eine endlose Dünenlandschaft und einen ebenso endlos wirkenden Sandstrand, der sich zu beiden Seiten bis zum Horizont zieht. Wieviel Sand, wie viele Sandburgen könnte man an diesem Strand bauen? Eine blöde Angewohnheit von mir, immer gleich an Sandburgen zu denken. Eine deutsche Unart. Weder die Dänen, noch die Niederländer bauen so eifrig Sandburgen wie die Deutschen am Nordseestrand. Mit dem Bau einer Sandburg am Strand kann man sich im Ausland ganz schnell als Deutscher outen. Aber es ist ein Drang, den ich gerne auslebe. Schade, dass meine Kinder schon größer sind. Die buddeln nicht mehr. Alleine ist es mir etwas peinlich die Kinderschaufel in die Hand zu nehmen. Und noch etwas fällt auf. Weit und breit keine Strandkörbe. Auch eine deutsche Eigenart. Allein auf der Insel Sylt sollen schätzungsweise 12.000 Stück davon rumstehen. In ganz Dänemark gefühlt nicht einmal ein 10tel davon. Und die stehen noch nicht einmal am Strand, sondern wenn dann überhaupt auf den Terrassen der Sommerhäuser. Die Zahl ist geraten, aber die Anzahl muss wirklich verschwindend gering sein. Ich habe noch nie einen Strandkorb an einem dänischen Strand gesehen. Nicht einmal einen, der von Sylt aus über die Nordsee angeschwemmt wurde. Deutsche und Dänen sind doch sehr unterschiedlich in ihrer Auffassung einer optimalen Strandnutzung.

Wenn ich mich auf dem Turm um das Leuchtfeuer bewege, dann rückt langsam die Ferienhaussiedlung von Blåvand ins Blickfeld. Eingebettet in die grüngraue Dünenlandschaft der Nordseeküste. Die wahre Größe der Siedlung wird durch viel Grün kaschiert. Aber sie ist groß und wohl eine der deutschesten Siedlungen in Dänemark. Kaum ein Dänemarkreisender, der noch nicht hier abgestiegen ist. 80% aller deutschen Dänemarkreisenden landen angeblich in ihren Ferien an der Nordseeküste. Vermutlich sprechen hier auch 80% der Dänen Deutsch. Wenn sie nicht sogar selber zugereiste Wahldänen aus Deutschland sind. Es gibt viele deutsche Auswanderer hier und viele Deutsche, die unter der Woche hier arbeiten und zum Wochenende nach Hause, sprich nach Deutschland, zur eigenen Familie fahren. Der Grenzverkehr zwischen Schleswig-Holstein und dem südlichen Dänemark ist rege. In beide Richtungen. Es verhält sich nämlich auch umgekehrt. Viele Dänen pendeln und arbeiten in Nordeutschland.

Ich habe hier in Blåvand bisher noch nie eine Nacht verbracht. Ich bin nur auf der Durchreise. Das Interesse trieb mich hier her. Oder besser gesagt die Neugierde, was die deutschen Urlauber hier eigentlich suchen und so schön finden. Ich kenne kaum einen Dänemarktouristen in meinem Bekanntenkreis, der nicht von diesem Ort und seiner Küste schwärmt. Ich wollte es prüfen und musste feststellen, Blåvand ist schöner als erwartet. Ich muss es ehrlich zugeben. Ich hatte im Vorfeld meine Bedenken. Ich hatte ein Lloret de Mar oder Playa de Palma oder so etwas ähnliches erwartet. Den Goldstrand von Dänemark vielleicht. Eine deutsche Partyzone, die von Rainbowtours mit Busladungen an Jugendlichen gespeist wird. Aber den Reiseanbieter Rainbowtours gibt es ja auch gar nicht mehr. Meine Bedenken waren also zumindest von dieser Warte her unbegründet.

Ich bin trotzdem nur auf der Durchreise und neugierig auf den Ort, der von den Touristen abgöttisch geliebt wird, dessen Name aber grundsätzlich von den deutschen Touristen falsch ausgesprochen wird. Man spricht hier Deutsch, woher soll man das dann auch wissen? Man versteht sich eben auch ohne Sprachkenntnisse.

Der Ort bietet eigentlich alles, was ein entspannter Urlaub so bieten sollte. Der Supermarkt mit ausreichend Bier und Grillkohle ist um die Ecke, die Bildzeitung liegt taggleich daneben, es gibt den Strand, einen Fahrradverleih und Holz für den hauseigenen Kamin an jeder Ecke. Surfen in jeglicher Form ist bei dem Strand und dem normalerweise herrschenden Wind eine Pflichtveranstaltung. Ich kann es nicht. Vielleicht war ich deswegen noch nie hier. Bei dem Ausblick von hier oben kann ich es verstehen, warum sich hier alle wohlfühlen. Viel Strand für viele Menschen. Das Publikum hat trotzdem viel Platz für Privatsphäre. Hier fällt es schwer, dem Nachbarn auf den Füßen zu stehen. Blåvand hat so viel Sand vor seiner Küste, dass das Meer karibisch Türkis schimmert. Es sind Mengen an Sand. Mengen, von denen Sylt nur träumen kann. Wie viele Strandkörbe könnte die Sylter-Kurverwaltung hier wohl aufstellen lassen?!

Ich bin in Dänemark. Einem Land, dass förmlich auf Sand gebaut wurde und versucht auf dem Sand, mit dem Sand und manchmal auch unter dem Sand zu leben. Lassen wir die kleine Reise hier an der Westküste mit der Nordsee an meiner Seite starten. Den Blick erst einmal gen Norden gerichtet.

Blåvand Fyr – Ein Treppenhaus, wie einem Gemälde von MC Escher entsprungen

Auf Erden dauern schöne Träume selten lange, die raue Wirklichkeit lässt sich ihre Rechte nicht nehmen, und wenn die Träume am himmlischsten sich gestalten, macht sie einen Strich durch dieselben und streut Sand drauf.

Jeremias Gotthelf

Ein Kiosk zum Leben

Der Strand zieht sich über viele Kilometer an der jütländischen Westküste entlang. Von dem breitesten Strand Europas, auf der Insel Rømø beginnend - immerhin sechs Kilometer an der breitesten Stelle - weiter in Richtung Norden, über die kleine Insel Fanø, die mit einem nicht minder beeindruckenden Strand aufwarten kann, und nach einem kleinen Sprung rüber nach Blåvand, wo der Strand sich dann nahezu ununterbrochen bis zum Ringkøbing Fjord erstreckt. Ein Idyll, das auf diesem langen Weg nur einen kleinen Schönheitsfehler von 1.500 Metern Länge bei Henne Strand aufweist. Hier sollte man den Strand kurzfristig einmal verlassen. Hinweisschilder geben einem dann rechtzeitig bescheid. Die ortsansässige Pharmaindustrie meinte vor vielen Jahren, ihren toxischen Abfall wenig elegant in den nahegelegenen Dünen entsorgen zu müssen und hat damit im Laufe vieler Jahre dieses Areal hochgradig verseucht. Man ist zwar am Sanieren, aber eine Freigabe des Strandabschnitts ist bisher noch nicht erfolgt.

Hat man aber dann diesen Abschnitt erfolgreich passiert, dann muss eigentlich tatsächlich erst wieder bei Hvide Sande kurz der Strand verlassen und der kleine Verbindungskanal zwischen Ringkøbing Fjord und der Nordsee gequert werden. Das ist nicht schwer, die Schleuse ist schnell überwunden und schon geht es zurück an den Strand. Unglaublich.

Endlose Kilometer führt einen der Weg an der Küste entlang. Den Strand als treuen Begleiter. So wie auch die Dünen. Schöne hohe Dünen, die mit ihrem Strandhafer den Blick auf das Hinterland versperren. Da kann man schnell die Orientierung verlieren. Irgendwie sieht jeder Übergang über die Dünen sehr ähnlich aus. Da kann ein Spaziergang schon mal länger dauern.

Und irgendwann führt einen der Strand früher oder später zur gemütlichen Häuseransammlung von Søndervig. Eine kleine Siedlung, die, wie Blåvand, von unzähligen Ferienhäusern in den Dünen umringt ist. Zeit für eine kleine Rast und Reflexion. Den Blick aufs Meer.

So schön es auch hier ist, Dänemark hat auch immer etwas mit Wehmut zu tun. Es ist ein Aufenthalt auf Raten und irgendwann winkt doch der Abschied. Ein Urlaub dauert in den meisten Fällen ja nicht ewig. Aber er bietet einen guten gedanklichen Nährboden, denn aus der Ruhe können Gedanken wachsen, die vielleicht neue Ideen für das weitere eigene Leben im Kopf wecken können. Und vielleicht muss ich ja am Ende einer guten Idee gar nicht mehr Abschied nehmen. Was jeder für sich am Ende auch immer selbst daraus macht. Aber die Ruhe regt zum Nachdenken an. Man sitzt einfach am Strand, lässt den Sand durch die Finger rinnen und sieht den Wellen zu, wie sie im gleichbleibenden Rhythmus auf den Strand rollen, etwas Schaum liegen lassen und sich nahezu geräuschlos wieder zurückziehen. Bis die nächste Welle kommt, den zuvor zurückgelassenen Schaum vom Strand wieder einsammelt und mit sich zurück ins Meer nimmt. Ein sich wiederholendes Schauspiel und doch immer anders. Wellen sind wie Schneeflocken, eigentlich sehen alle gleich aus und doch, bei genauerer Betrachtung, ist jede für sich einzigartig und mit einer eigenen Schönheit gesegnet.

Ich möchte alle Wellen sehen, die auf den Strand rollen, ihre Einzigartigkeit beobachten und den Lauf über den flirrenden Sand genießen. Warum kann es nicht immer so sein? In ein paar Tagen sitze ich wieder an meinem Schreibtisch, starre aus dem Fenster auf das Grau der Großstadt und träume vom nächsten Tag am Meer. Der leider noch in weiter Ferne liegt. Solange muss ich mich mit Tagträumen über Wasser halten.

Auf die Frage, welches Tier ich gerne wäre, würde ich ohne lange überlegen zu müssen, die Möwe nennen. Einfach eine Möwe. Für mich der Inbegriff von Freiheit. Ich würde den lieben langen Tag mit ausgebreiteten Flügeln im Wind stehen und mich tragen lassen. Zum Essen würde ich ins Meer tauchen und mir einen kleinen Fisch oder aus dem Watt einen Wurm ziehen. Gerne mal im Sand am Spülsaum spazieren gehen und mir meine Füße von anrollenden Wellen umspülen lassen. Ab und an würde ich einen Abstecher nach List auf Sylt oder St. Peter Ording machen. Arglosen Touristen das Fischbrötchen klauen und dann aus 5 Metern Höhe versuchen, auf den Kopf zu kacken. Ich könnte mir vorstellen, dass noch weitere Möwen diese Herausforderung lieben und bestimmt in der Möwencommunity bereits ein internes Punktevergabesystem kursiert. Treffer auf den Kopf - 3 Punkte, Treffer auf der Brille - 5 und ein frontaler Treffer mit anschließendem Brötchenklau gibt den Highscore von - 8 Punkten. Da es in Dänemark keine Fischbrötchen gibt, macht es einen Grenzübertritt erforderlich, aber das lohnt sich dafür ja auch. Eine Möwenbutterfahrt nach Deutschland. Leider bin ich keine Möwe. Und wenn, dann wäre ich mit meinem Körpergewicht keine besonders filigrane Möwe. Eine Art Wal der Lüfte. Etwas, was die Sonne verdunkeln kann. Aber es ist ja meistens genug Wind an der Nordsee vorhanden, um mich tragen zu lassen. Ich könnte dafür aber auch größere Haufen fallen lassen als andere Möwen, wie ich kurz zufrieden feststellen darf. Aber was soll´s. Man kann ja mal träumen.

Das wahre Leben sieht anders aus. Ich werde wohl keine Möwe mehr in meinem weiteren Leben. Ich muss mir etwas anderes überlegen.

Um in Dänemark länger als einen Urlaub lang bleiben zu können, muss man sich schon etwas anstrengen. Neben dem sprachlichen Problem, gibt es ja auch noch die finanzielle Herausforderung. Man muss Geld verdienen, um dem Staat nicht auf der Tasche zu liegen. Zumal der dänische Staat vermutlich kein Verständnis für einen Zugereisten hätte, der nicht arbeitet und nur am Strand rumsitzt, um die Wellen zu zählen. Und für mich würden sie bestimmt auch nicht den Beruf des Wellenzählers extra erfinden.

Aber ich bin nicht allein mit meinen Sehnsüchten und Träumereien. Ein Freund von mir hat ein ähnliches Problem. Auch er macht sich Gedanken über das waswäre-wenn. Aber auch er lebt mehr in seinen Träumen, als dass er so richtig die Initiative ergreift und seinen Traum umsetzt. Ich bewundere ja Leute, die von heute auf morgen alles abbrechen und dahin gehen, wo es ihnen gefällt. Einfach bei null anfangen und sich etwas Neues aufbauen. Aber mir fehlt da dieses Naivitätsgen. Das soll nicht negativ oder gar abwertend klingen; ganz im Gegenteil. Man muss einfach machen und nicht immer über alles Nachdenken, was passieren könnte. Wenn einem aber dieses Gen fehlt, dann ist das nicht besonders förderlich, um den eigenen Hintern aus der selbst eingerichteten Komfortzone zu hieven. Immerhin war der Weg bis zu dieser selbstgeschaffenen Komfortzone ein weiter. Ein Weg, der viel Zeit in Anspruch genommen hat.