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Wenn man 12 ist und gerade in die siebte Klasse kommt, kann das Leben manchmal ganz schön kompliziert sein. Erst recht, wenn man nicht nur mit dem Dackel Becks, der Schildkröte Pepsi und dem Wellensittich Turnschuh auskommen muss, sondern auch noch mit einer kleinen Schwester und, natürlich, Mama und Papa Bottrop gibt es ja auch noch. Aber wenigstens wohnt Karl in Bremen, wo die Leute meistens vernünftig sind, sogar Timo, obwohl der aus Hamburg ist, und natürlich bis auf den doofen Thomas, aber deswegen ist der doofe Thomas ja auch der doofe Thomas. Und dann wäre da noch Tante Susanne...
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Seitenzahl: 256
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Einfach Karl Bottrop
Nicki kommt bald in die Schule
Das Wochenende bei Tante Susanne
Timo lädt Karl Bottrop zu McDonalds ein
Karl und Papa Bottrop machen einen Ausflug
Karl Bottrop und der liebe Gott
Karl Bottrop und die Elektronik
Karl Bottrop und das Ruhrgebiet
Nicki hat Geburtstag
Wenn Turnschuh mal wieder weg ist
Papa Bottrop und sein Computer
Karl Bottrop wird erwachsen
Karl Bottrop und die alten Römer
Karl Bottrop ist es öde
Wie Karl und Nicki streiken wollten
Karl Bottrop hat eine Freundin
Karl Bottrop ist elf Jahre alt und hat einen Wellensittich, der heißt Turnschuh, und eine Schildkröte, die heißt Pepsi. Früher hieß die Schildkröte Franz Ferdinand, aber da gehörte sie auch noch Karl Bottrops Vater, und der hat sie dann Karl geschenkt. Und als Papa Bottrop einen Dackel gekauft und den nach seiner liebsten Biersorte Becks genannt hat, fand Karl, da müsse er etwas gegensetzen.
Das Dumme ist, dass die Schildkröte sich seit zwei Jahren standhaft weigert, angekrabbelt zu kommen, wenn Karl Bottrop "Pepsi!" ruft. Sie ist zwar auch früher nicht gekommen, wenn er "Franz Ferdinand!" gerufen hat, trotzdem sagt Papa: "Siehste, das kommt davon, wenn du dem armen Vieh so einen blöden Namen gibst."
Aber Papa Bottrop ist sowieso sauer, weil zwar kommt Pepsi die Schildkröte nicht, wenn Karl Bottrop "Pepsi!" ruft, aber dafür kommt Becks, der Dackel angerannt, dabei heißt der gar nicht Pepsi, aber der steht dann trotzdem vor Karl und bellt und einmal hat er sogar Männchen gemacht, sagt Karl Bottrop, aber Papa Bottrop sagt, Dackel würden nie Männchen machen, wo gäb es denn sowas. Jedenfalls kann Papa Bottrop so laut "Becks!" brüllen, wie er will, ohne dass der Dackel angerannt kommt, nur Mama Bottrop kommt dann manchmal angerannt und bringt Papa eine Flasche Bier, aber das macht sie auch bloß, weil es so lustig ist, wenn Papa sich ärgert, jedenfalls solange er sich nur so ärgert und sich nicht richtig ärgert. Und dann sagt er immer, dass er ja eigentlich ein gebildeter Mensch ist, aber just im Moment könnte er trotzdem zum rasenden Urviech werden. Karl Bottrop fragt sich dann manchmal, wie Papa wohl als rasendes Urviech aussähe, und ob Papa bei Urvieh eher an Dinosaurier denkt wie Karl, oder vielleicht an ein Mammut oder sogar an einen Höhlenmenschen. Karl hat Mama Bottrop mal gefragt, wie Papa wohl als Höhlenmensch aussähe, und Mama hat gekichert und gesagt, Karl solle sich Papa mal am Morgen nach seinem Doppelkopfabend ankucken, da würde er eine ungefähre Vorstellung kriegen. Das hat Karl dann auch gemacht, aber Papa sah überhaupt nicht nach Höhlenmensch aus, hatte keine buschigen Augenbrauen und noch nicht mal eine Keule, und als Karl Bottrop dann mit den Fäusten auf dem Frühstückstisch trommelte, um Papa wenigstens zu einem Höhlenmenschentanz zu verlocken, hat Papa das überhaupt nicht komisch gefunden, und er hat angefangen, Karl Bottrop auszuschimpfen, aber nach zwei lauten Worten hat er ein noch viel komischeres Gesicht gemacht und ist ins Badezimmer gegangen. Meistens will Papa aber zum rasenden Urvieh werden, wenn Tante Susanne zu Besuch kommt, nämlich Tante Susanne ist Mama Bottrops Schwester und ist eigentlich ganz nett, bloß irgendwie geht sie Karl Bottrop trotzdem wahnsinnig auf den Keks. Früher hatte sie immer Kopfschmerzen, da durften Karl und Nicki dann überhaupt gar keinen Krach machen, aber dann ist sie immer zu etwas hingegangen, das nennt Mama Bottrop "Tante Susannes Selbsterfahrungsgruppe" und Papa Bottrop nennt das "Susannes Psychokacke", und jedenfalls, wie sie da ein Jahr lang hingegangen ist, da hatte sie dann plötzlich überhaupt nie mehr Kopfschmerzen, sondern fand immer alles dufte, was Karl und seine Schwester machten, und fand immer, sie sollten ganz spontan und ganz wild sein, und wenn sie dann überhaupt nicht wussten, was spontan ist, und überhaupt keine Lust hatten, wild zu sein, ist Tante Susanne dann manchmal echt sauer geworden und hat wieder Kopfschmerzen gekriegt und hat sich auf ihr Fahrrad gesetzt und ist nach Hause gefahren, und Papa hat gesagt: "Geh mit Gott, aber geh!", und das fand Karl Bottrop immer ganz blöd, das zu sagen, weil wenn Papa das gesagt hat, da war Tante Susanne immer schon weg. Mama sagt dann manchmal, dass Tante Susanne eben ihre Schwester ist, und da müsse man schon mal manches in Kauf nehmen, und das versteht Karl Bottrop dann auch, weil er muss auch jede Menge in Kauf nehmen, bloß weil Nicki seine Schwester ist.
Überhaupt, Nicki ist sowieso ein Kapitel für sich. Als Nicki auf die Welt kam, ist sie Karl Bottrop gar nicht so richtig aufgefallen, weil vorher hat sie echt jede Menge Stress gemacht und Mama hatte einen dicken Bauch und konnte gar nix mehr richtig machen zuletzt, und manchmal war sie echt komisch, aber hinterher war alles viel ruhiger, bloß manchmal hat Nicki rumgeblökt, aber die war ja auch noch ein Baby, und manchmal hat sie manchmal echt schlecht gerochen, aber sonst hat sie Karl nicht besonders gestört. Nur wie sie Zähne gekriegt hat, da hat sie Karl immer geweckt mitten in der Nacht, weil sie so geschrien hat, und manchmal hat ihn das nicht geweckt, da hat er dann aber schlechte Träume gehabt, die hat er jetzt auch noch manchmal, und wenn er dann von denen aufwacht, geht er manchmal zu Mama und Papa und fragt sie, ob er bei ihnen schlafen kann, und Mama sagt immer Ja, und kurz danach kommt Nicki auch angewetzt, weil die hört sowieso immer, wenn Karl aufsteht, obwohl sie im anderen Zimmer schläft, und die will dann auch noch mit ins Bett, und Papa Bottrop zieht sich dann immer das Kissen über den Kopf und stöhnt, und dann sagt er: "Da hat man nun zehn Jahre studiert, um ordentlich Geld zu verdienen, und nu hat man 'n Riesenhaus, und dann schlafen doch alle in einem Bett." Und dann nimmt er seine Bettdecke und sein Kopfkissen, und er sagt, er schläft jetzt im Arbeitszimmer, und wenn Mama Bottrop was Besonderes anspringt, solle sie ihn da besuchen, aber die Kinder solle sie dalassen. Dann kucken Karl Bottrop und Nicki immer nach, ob ein Monster unterm Bett ist, das Mama Bottrop vielleicht anspringen könnte, aber es ist nie eins da.
Manchmal ist das schon ziemlich nervig, eine kleine Schwester zu haben, die immer und überall dabei sein will. Obwohl, manchmal ist das auch ganz lustig. Zum Beispiel einmal, als Karl Bottrop und Nicki ausprobiert haben, ob sie wohl zusammen auf dem Klo sitzen können. Mitten beim Pinkeln ist Nicki runtergefallen, das hat eine ziemliche Schweinerei gegeben, und Mama kam an und ist ganz rot angelaufen, aber plötzlich fing sie an zu kichern, und dann musste sie ganz laut lachen, und davon ist sie dann noch roter im Gesicht geworden. Und Nicki hat gesagt, das käme bloß, weil Karl so einen dicken Po hätte, sonst wäre sie bestimmt nicht runtergefallen, und sonst könnten sie jetzt immer zusammen aufs Klo gehen und keiner müsse mehr warten.
Das mit dem dicken Po stimmte übrigens, und das war dann auch so ein Moment, wo Karl seine Schwester richtig gemein fand, weil sie das gesagt hat. Karl Bottrop hat nämlich nicht nur einen ziemlich dicken Po, er ist auch sonst ziemlich dick. Das liegt nur an der vielen Cola, sagt Tante Susanne immer, aber Mama Bottrop sagt dann, soviel trinkt der Junge gar nicht, und das wächst sich ja auch noch raus, und Papa Bottrop sagt dann, ja, genau, wie bei mir, und das ist dann wieder ziemlich komisch, weil bei Papa Bottrop hat sich überhaupt nichts rausgewachsen, bloß Mama sagt immer "Stimmt, dein Bauch ist ziemlich rausgewachsen." Und zu Karl sagt sie manchmal "Du kommst eben nach Papa, und da sieht man eben mal wieder, dass man auch gut aussehen kann, wenn man nicht so dünn ist." Karl Bottrop ist damit meistens ganz zufrieden, obwohl, lieber käme er ja nach B.A. vom A-Team, der ist auch dick, aber mit ganz viel Muskeln und so. Leider kann Karl Bottrop sich so oft vor den Spiegel stellen, wie er will, seine Muskeln machen nicht die allergeringsten Fortschritte, dabei hebt er manchmal seine Spielkiste hoch und stellt sie wieder hin, aber das hilft auch nix.
In der Schule ist es glücklicherweise nicht so schlimm, dass Karl dick ist, in der Klasse gibt es nämlich einen, der ist noch viel dicker, richtig fett ist der, und deswegen machen die anderen Kinder lieber über den manchmal Witze, und auch weil der so komisch redet, der ist nämlich aus Hamburg und deswegen redet der lustig, da hat Karl erst auch manchmal Witze über den gemacht, der heißt Timo, aber meistens macht Karl jetzt keine Witze mehr, oder nur ganz bisschen, weil einmal hat er Timo nach der Schule am Fahrradständer getroffen, da hat Timo gegen die Fahrräder getreten, und dabei hat er geweint, weil er so dick ist und alle machen sich lustig. "Ach, mach dir doch nichts draus!" hat Karl gesagt, und Timo hat geschnieft und gesagt: "Du hos leicht rädn, du bis joaa goar nich richdich dick", und Karl hat gesagt: "Wenn sie dich das nächstemal wieder anmachen, hau ihnen doch einfach eine rein!", und Timo hat gesagt: "Doavon werdich auch nich dünnär!" und ist weggegangen, aber da hat Karl ihm noch nachgerufen: "Dicker aber auch nicht." Paar Tage später hat Timo dann tatsächlich den doofen Thomas, der schon mal sitzen geblieben ist, in den Schwitzkasten genommen, als der wieder so gemein war, und wie dann Marcus Thomas zu Hilfe kommen wollte, hat Karl Bottrop Marcus eine gehauen und dann haben sie sich auch gekloppt.
Das Blöde war bloß, dass das alles in der Klasse passiert ist, und dabei ist Melanies Brille kaputt gegangen, weil die lag auf ihrem Tisch, und auf den hat Timo den doofen Thomas dann draufgeschmissen, und Melanie hat tierisch zu heulen angefangen, und gerade da ist die Lehrerin reingekommen, und zwei Tage später mussten Timos Mama und Karl Bottrops Mama zu Frau Schäfer kommen, und hinterher hat es zuhause ein echtes Donnerwetter gegeben, weil Mama Bottrop war irre sauer und hat immer bloß gesagt, das hätte sie Karl ja wohl nicht beigebracht, und mit Fäusten müsse man sich heutzutage ja wohl nicht mehr durchsetzen. Und Karl hat geweint, weil Mama so rumgeschrien hat, und weil sie das nicht verstehen konnte, dass er doch Timo zu Hilfe kommen musste, damit es gerecht zuging dabei und nicht zwei gegen einen, auch wenn der dicker ist. Und abends ist Papa nach Hause gekommen, da lag Karl schon im Bett, aber er konnte nicht schlafen, weil er hatte sich mit Mama vertragen und ihr gesagt, dass er sich nie wieder kloppen würde, und schon als er das sagte, hatte er gewusst, dass das nicht wahr war, und dass er das nur sagte, weil Mama Bottrop das hören wollte. Na, jedenfalls ist Papa dann gekommen und hat sich an Karls Bett gesetzt und hat gesagt: "Haste ihn wenigstens ordentlich erwischt?" Karl hat da nur rumgedruckst, und da hat Papa gesagt: "Ich glaub, ich hätt's genauso gemacht. Manchmal muss man eben seine Fäuste gebrauchen, wenn man ein Mann ist. Auch wenn man noch ein ganz kleiner ist. Aber mach's nicht zur Gewohnheit, und sag's Mama nicht, wenn du dich gekloppt hast. Wichtigste Lebensregel, mein Sohn: Frauen danken es dir nie, wenn du ihnen immer die ganze Wahrheit erzählst, auch wenn sie das pausenlos behaupten." Und dann ist er aufgestanden und rausgegangen, aber in der Tür hat er sich nochmal umgedreht und gesagt: "Und erzähl um Himmelswillen deiner Mama nicht, was ich eben gesagt hab, sonst hält sie mich für einen Wahnsinnschauvie."
Das hat Karl Bottrop dann wieder nicht verstanden, weil Mama sowieso dauernd sagt, dass Papa ein Wahnsinnschauvie ist. Aber in dem Moment war ihm das ziemlich egal, Hauptsache, Papa verstand ihn.
Was ein Chauvie ist, weiß Karl Bottrop nur so ungefähr, und was ein Wahnsinnschauvie ist, noch viel ungefährer, aber im Prinzip ist ein Chauvie einer, der nett zu Frauen ist, weil ein Chauvie hilft einer Frau, wenn sie den Mantel anzieht, und er gibt ihr Feuer, wenn sie Zigaretten raucht wie Tante Susanne, da hat sie Papa mal richtig angefaucht, das könne sie schon selber, und bei ihr könne er seine Chauvietouren lassen, und Papa hat zurückgefaucht, in einem Haus mit zwei kleinen Kindern könne sie sich die Qualmerei ja wohl überhaupt verkneifen.
Sowieso kommt Papa mit Tante Susannes Freundinnen viel besser aus als mit Tante Susanne selbst. "Reines Mitleid", sagt Papa Bottrop dann manchmal, "denk doch nur, die armen Mädels!" aber Mama Bottrop sagt immer, Papa Bottrop ist nur so nett zu Tante Susannes Freundinnen, weil Tante Susannes Freundinnen meistens ziemlich hübsche Mädchen sind.
Wahrscheinlich bringt Tante Susanne deswegen nur manchmal ihre neue Freundin mit, wenn sie einen neue hat, was nach Papa Bottrops Meinung ziemlich oft passiert. Einmal hat er zu Mama gesagt, dass es ihn wundert, dass Tante Susanne nicht dauernd erkältet ist, so oft wie bei ihr die Tür auf und zugeht, und als Tante Susanne das nächstemal zu Besuch war, hat Nicki sie gefragt, warum sie die Tür nicht gleich auflässt, wenn bei ihr doch sowieso ständig Mädchen rein und rausgehen. Da ist Tante Susanne ziemlich sauer geworden, und sie ist nach Hause geradelt, ohne ihren Kuchen aufzuessen, und Karl Bottrop fand, dass seine kleine Schwester manchmal schon ziemlich doof sein kann, weil das hatte er schon lange kapiert, dass man Tante Susanne besser nichts von dem erzählt, was Papa Bottrop so über sie sagt.
Naja, Nicki ist ja noch klein, erst fünf, und im nächsten Sommer kommt sie zur Schule, Papa wollte sie jetzt schon hinschicken, aber Mama hat gesagt: "Hauptsache, sie hat noch ein bisschen unbeschwerte Kindheit, wenn erst die Schule anfängt, ist es damit sowieso vorbei." Das hat Karl Bottrop wieder nicht kapiert, weil er hat eigentlich gar nichts gegen die Schule, und die Schule hat auch nichts gegen ihn, jedenfalls meistens nicht, nur manchmal, zum Beispiel einmal, da hat Karl so nötig aufs Klo müssen und ist im ganzen Gebäude rumgerannt, aber alle drei Klos waren abgeschlossen, da hat er sich glatt in die Hose gemacht, aber zum Glück war die Schule schon zu Ende. Da hat Papa abends behauptet, bestimmt wohnt ein Schulgeist irgendwo unterm Dachstuhl, der wollte Karl ärgern, und Mama hat gesagt, Papa solle Karl nicht solchen Unsinn einreden, der einzige Ort, wo's spukt im Oberstübchen, sei Papas Kopf, und Papa hat ein Monstergesicht gemacht und hat gesagt, sein Kopf gehe jetzt spuken, aber sein Körper bliebe hier, und vielleicht könne Mama dem heut Abend mal eine Massage verpassen. Und Mama hat gegrinst und gesagt: "Wenn dein Körper ganz artig ist, vielleicht." Papa Bottrop hat gesagt, sein Körper wolle ganz artig sein. Das hat Karl am nächsten Tag Nicki erzählt, da wollte sie wissen, was eine Massage ist, und das wusste Karl auch nicht so genau, aber das wollte er natürlich nicht zugeben, also hat er gesagt, dass man sich da irgendwie nackt macht und dann reibt man sich gegenseitig die Hände über den Rücken, bis man ganz warm ist, und das wollte Nicki dann auch mal ausprobieren, also haben sie sich ausgezogen und sich Bauch an Bauch gelegt und sich gegenseitig die Hände über den Rücken gerubbelt, und gerade in dem Moment kam Mama rein, und die hat ein sehr komisches Gesicht gemacht. Und sie hat gesagt, sie hätte ja nichts dagegen, wenn Karl und Nicki mal ausprobieren wollten, was sie in dem Aufklärungsbuch von Tante Susanne gesehen hätten, aber vielleicht könnte sie damit bis nach dem Mittagessen warten, das sei nämlich jetzt fertig. Da ist Karl Bottrop sich ganz doof vorgekommen, weil da hat er gar nicht mehr dran gedacht, dass ja die Erwachsenen sich auch nackt ausziehen und sich Bauch an Bauch legen, wenn sie ein Baby machen wollen. "Kriegt Nicki jetzt ein Baby?" hat er Mama Bottrop gefragt, aber die hat nur gegrinst und gesagt, Karl solle sich das Buch nochmal in Ruhe ankucken, da wären ihm wohl doch ein paar Details entgangen. Ansonsten aber würde sie doch meinen, dass er mit sowas warten soll, bis er eine Freundin hat. Und das fand Karl Bottrop dann auch ziemlich einleuchtend, nämlich wenn man eine Freundin hat, dann kommt Mama Bottrop bestimmt nicht plötzlich rein, während man der über den Rücken rubbelt, aber andererseits, so genau kann man das nun wieder auch nicht wissen.
Also nämlich dass Nicki erst mit sechs in die Schule kommen sollte, das fand Karl Bottrop ja dann doch ziemlich unfair, und er hat ganz schön rumgemault mit Mama Bottrop deswegen, wie sie es ihm erzählte. Aber dann hat Mama Bottrop gefragt, wieso er denn eigentlich so rummault, und ob er denn ungern zur Schule geht, und wenn nicht, wer ihm denn dann mehr leid täte, Nicki, weil sie erst mit sechs zur Schule dürfe, oder er sich selbst, weil er schon mit fünf zur Schule gemusst hätte, die ihm doch anscheinend ziemlich viel Spaß macht. Da ist Karl Bottrop auf sein Zimmer gegangen, weil da musste er erstmal drüber nachdenken. Und später ist Papa Bottrop noch zu ihm gekommen und hat gesagt, zur Schule gehen hätte eben seine guten und seine schlechten Seiten, und Mama Bottrop hätte vielleicht gemeint, man solle den Lehrern noch ein Jahr mehr Zeit geben, sich erstmal an einen Bottrop zu gewöhnen, bevor die zweite hinterher geschoben wird.
"Andererseits", hat Papa Bottrop dann noch gesagt und sich am Kopf gekratzt, "eigentlich wäre ich ja auch dafür gewesen, dass Nicki jetzt schon zur Schule kommt. Aber da war deine Mama eben dagegen, und in dieser Familie haben nun einmal die Frauen das Sagen."
Und dann hat er wieder mal gesagt, dass Karl das um Himmelswillen nicht Mama Bottrop erzählen soll, sonst denkt die wieder, dass er eben doch ein arger Chauvie ist, und da hat Karl wieder gedacht, dass Mama Bottrop das doch sowieso denkt, aber gesagt hat er nix, weil er wollte viel lieber darüber nachdenken, ob er denn nun eigentlich gern zur Schule geht oder nicht.
Also zu Turnen geht er nicht gerne, das ist mal klar. Das kann er auch alles nicht so gut, weil da muss man so über Sachen springen, und weil Karl dick ist, naja, nicht so dick wie Timo, aber schon ein bisschen dick, also da kann er das deswegen nicht so gut, und wenn sie laufen sollen, kommt er immer aus der Puste, das macht dann auch keinen Spaß, und einmal sollten sie an den Seilen hochklettern, da ist Karl nicht mal von diesem dicken Knoten da unten am Seil weggekommen.
Deswegen, also jedenfalls Turnen ist doof, aber alles andere ist schon okay, Lesen und Rechnen sowieso, aber das ist ja auch einfach, Malen ist schwierig, da ist Karl Bottrop hinterher immer ganz sauer auf sich, weil er weiß immer ganz genau, wie das aussehen soll, was er malen will, und trotzdem: das, was er dann gemalt hat, sieht nie so aus, wie es eigentlich aussehen soll. Und dann malt er noch 'n bisschen weiter, und hier noch und da noch, aber das macht alles nur noch schlimmer, und dann würde er den Block am liebsten in die Ecke feuern, aber das geht natürlich nicht, weil er ist ja kein Erstklässler mehr, die machen sowas, und die schreien auch rum und so, aber er ist jetzt in der sechsten Klasse, und nächstes Jahr kommt er in die Lateinklasse, darauf hat er sich mit Papa Bottrop geeinigt. Nämlich da wollte er gerade Hubschrauberpilot werden oder vielleicht auch Astronaut, das will er sonst nicht, aber da wollte er das gerade. Und da hat er gesagt, dass er dafür ja nun gar nicht Latein lernen muss, aber Papa Bottrop hat gesagt, dass man das doch muss, oder vielleicht auch nicht, jedenfalls ist es besser, und wenn Karl in drei Wochen wieder was anderes werden will, ist es sowieso besser. Außerdem wäre es sonst eine Schande wegen Karls Noten, die sind nämlich ganz gut, nur nicht in Sport und in Werken, und in Musik hat er auch bloß eine Drei.
"Bestimmt hab ich viel bessere Noten als Karl", hat Nicki gleich gesagt, wie sie darüber gesprochen haben, dass Nicki jetzt auch in die Schule soll. Und Karl hat gedacht, dass sie das nur will, weil dann kriegt man von Opa Bottrop zwei Euro für eine Eins und einen Euro für eine Zwei. Und da hat er dann Nicki gleich gesagt, dass sie erstmal noch gar keine Noten kriegt, und sie schreiben auch keine Klassenarbeiten und nichts, und Nicki hat geschimpft, es wäre alles ein Schwindel, und ob man sie nicht bitte gleich in die Klasse stecken könnte, wo sie auch Klassenarbeiten schreibt und Noten bekommt und alles.
"Also, wenn du dann auf die Schule kommst", sagt Karl jetzt zu Nicki, "also vor allem Herr Böhler, vor dem musst du aufpassen."
Herr Böhler ist Karls Turnlehrer, und der war früher mal Soldat ganz lange, und eigentlich ist er ganz nett, bloß wenn Karl beim Laufen an den Rand geht und sagt, er kann nicht mehr, dann sagt Herr Böhler immer nur, doch, doch, er könne schon noch, er müsse nur wollen, und Karl sagt: "Warum soll ich denn wollen, wenn ich doch nicht mehr kann?" und Herr Böhler sagt, weil sonst nie ein strammer Hecht aus Karl wird, auf den die Frauen fliegen, aber das findet Karl nur noch blöde, weil erstens hat er noch nie auch nur eine Frau fliegen sehen, noch nicht mal Mama Bottrop, und die kann fast alles, und zweitens, wenn schon mal eine Frau fliegen kann, warum sollte sie ausgerechnet auf einem strammen Fisch landen wollen, wo der doch bestimmt glitschig ist und kalt. Und als es bei ihnen zuhause mal Pellkartoffeln mit Bismarckhering gab, weil das ist Papa Bottrops Lieblingsessen, und dazu trinkt er immer eine Flasche Bier, obwohl Papa sagt: "'ne Kanne Becks", dabei ist das Bier in einer Flasche, und sowieso ist es doof, ein Bier zu trinken, das wie der Hund heißt. Jedenfalls, da hat Karl Bottrop mal einen Bismarckhering genommen und hat ihn an beiden Enden gefasst und hat ganz dolle gezogen, und da ist der Fisch in zwei Teile zerrissen und Karl ist vom Stuhl gefallen, und diese Soße ist rumgespritzt und ein Stück Zwiebel genau auf Nickis Teller, dabei heult die immer gleich, wenn sie Zwiebeln essen soll, und wie also nun Papa Bottrop Karl fragt, was denn bitteschön das für eine behämmerte Aktion gewesen sei, da hat Karl Bottrop gesagt, dass er mal ausprobieren wollte, wie ein strammer Hecht wohl aussieht, und da hat Mama Bottrop gesagt, wenn er nicht aufpasst, würde sie gleich einen strammen Max aus ihm machen, wo Karl doch Karl heißt und nicht Max, und Papa Bottrop hat immer bloß gelacht und hat noch ein Bier getrunken und dabei immer wieder gerufen: "Ein strammer Hering, ein strammer Hering!"
"Und wenn ihr am ersten Tag da rein kommt, dann kuck dir bloß alle an", sagt Karl Bottrop dann zu Nicki.
"Am besten ist, du weißt gleich, neben wem du sitzen willst, weil da wirst du dann nämlich danach gefragt, und wenn du dann nix weißt, dann musste neben einem sitzen, der ist vielleicht doof oder haut dich oder so."
"Ich will neben Lisa sitzen", sagt Nicki, und Karl Bottrop sagt nix dazu, denn wenn er irgendjemand noch blöder findet als Becks, der kommt, wenn Karl Pepsis Namen ruft, dann ist das Nickis beste Freundin Lisa. Aber das darf er natürlich nicht sagen, weil sonst zankt Nicki mit ihm, und sie findet ja auch Timo doof und sagt, dass er fett ist, und das stimmt ja auch, aber dass Lisa doof ist, das stimmt eben auch. Und einmal hat Nicki beim Abendbrot gesagt, dass Lisa vierundzwanzig Barbiepuppen hat, und da hat Papa Bottrop gesagt: "Ja, für jede Gehirnzelle eine", und das hat Karl nicht so ganz verstanden, aber trotzdem wusste er, dass Papa Lisa auch für ziemlich doof hält.
"Also das Beste ist sowieso der erste Schultag", sagt Karl.
"Aber Mama hat gesagt, du hast geheult an deinem ersten Schultag."
"Hab ich nicht!"
"Hast du wohl! Frag Mama!"
Karl muss Mama Bottrop nicht fragen, er war schließlich selber dabei, und vielleicht hat er wirklich ein kleines bisschen geweint, aber das hat keiner gesehen, außer Mama Bottrop vielleicht, und die auch bloß, weil sie sowieso meistens immer alles sieht. Weil das war ja auch bloß, weil da so viele Kinder waren, und er kannte doch keinen, weil sie waren da gerade erst umgezogen, und Frank und Marco, mit denen er früher gespielt hatte, die waren nicht mitgekommen, weil ihre Papas haben ja immer noch da gearbeitet, wo sie immer gearbeitet haben, aber Papa Bottrop eben nicht, also nicht mehr, und deswegen hatten sie dann auch ein Haus und einen Garten und nicht bloß eine Wohnung und waren auch wieder in Bremen, weil da ist Karl geboren, aber dann sind sie da weggezogen für ein paar Jahre, und dann sind sie wieder zurückgezogen. Bloß deswegen war Karl in der Klasse eben ganz allein da, und Mama Bottrop stand hinten mit den anderen Mamas, aber er saß auf seinem Platz und die Schultüte lag vor ihm, die war blau und rot und hat geglänzt, und neben ihm saß einer, den hatte er noch nie gesehen, der hieß Enno und hatte ganz blonde Haare und mehr weiß Karl nicht mehr von dem, weil der ist dann doch noch in eine andere Klasse gekommen, und danach saß dann Leo neben ihm, und der sitzt da auch immer noch, obwohl sie sind jetzt in einem anderen Klassenzimmer, aber Leo ist jetzt Karls bester Freund, naja, und Timo natürlich, aber Timo war da ja noch in Hamburg, und deswegen kennt Karl Bottrop von allen seinen Freunden Leo am längsten.
"Und sagste Mama das noch mal mit der Schultüte?" sagt Nicki jetzt, Karl nickt, klar, das macht er. Nämlich eigentlich darf Nicki von der Schultüte ja gar nix wissen, aber Karl war dabei, wie Mama Bottrop und Tante Susanne über Nickis Schultüte geredet haben, und nämlich Tante Susanne hat gesagt, dass das ja wohl nicht sein müsse, dass man da Bonschen reintut und Schokolade und all sowas, da könnte man doch ihre leckeren selbstgebackenen Vollkornkekse reintun und frische Mohrrüben und so Sachen. Das hat Karl Nicki natürlich erzählt, und die hat fast geheult, aber nur fast, stattdessen hat sie rumgeschimpft, das wäre ihre Schultüte, und Tante Susanne soll ihre Vollkekse selber essen, die schmecken wie wenn man sich auf die Haare beißt. Das kann Karl wiederum nicht beurteilen, im Gegensatz zu Nicki hat er nämlich ganz kurze Haare, nur eine lange Strähne hinten, weil Mama Bottrop das mal schick fand, deswegen musste er sich die wachsen lassen, und dann fand sie das nicht mehr schick und wollte sie abschneiden, aber da fand Karl sie dann schick und hat Theater gemacht, deswegen ist sie dran geblieben, jedenfalls, auch mit Strähne kann Karl nicht auf seinen Haaren kauen, deswegen weiß er nicht, ob das genauso schmeckt wie Tante Susannes Kekse, und Nicki lässt ihn ja nicht auf ihren Haaren kauen, ganz schön gemein ist das, erst sagt sie sowas, aber wenn man dann rauskriegen will, ob das stimmt, wird einem jede Hilfe verweigert.
Aber wenn Karl Bottrop auch nicht weiß, ob Tante Susannes Kekse wie Nickis Haare schmecken, dass sie doof schmecken, das weiß er, und einmal hat Papa Bottrop über Tante Susannes Kekse gesagt, die würden im Mund immer größer, da hat Karl seinen Keks ganz schnell ausgespuckt, das durfte er zwar eigentlich nicht, aber er hatte doch den lockeren Schneidezahn, und wenn nun der Keks größer wird und den Zahn rausdrückt, dann wäre das ganz großer Mist, weil der sollte drinbleiben, bis Oma Schneider kommt, nämlich wenn er dann rausfällt, dann kriegt Karl einen Euro von Oma.
Jedenfalls, Omas Kekse schmecken besser als Tante Susannes Kekse, dabei ist doch Oma Schneider Tante Susannes Mama. Und einmal hat Karl gehört, wie Tante Susanne Oma Schneider gefragt hat, wie ihr der Auflauf geschmeckt hat, den Tante Susanne gemacht hatte, so mit Nüssen und Möhren und noch so anderen, so weichen Sachen, und da hat Karl gehört, wie Oma Schneider gesagt hat: "Mein liebes Kind, nimm's mir nicht übel, der sieht nicht nur aus, der schmeckt auch so wie schon mal gegessen."
Da hat Karl Oma Schneider gefragt, was sie denn schon mal gegessen hat, weil das sind doch bestimmt ganz viele verschiedene Sachen, wenn man schon so alt ist, und Tante Susannes Auflauf kann doch nicht gleichzeitig nach Pudding und nach Schweinebraten schmecken, und da hat Oma Schneider gesagt, erstens wäre sie durchaus noch nicht so alt und zweitens solle Karl mal Tante Susannes Auflauf probieren, dann würde er seine Meinung ändern.
Jedenfalls, deswegen hat Karl Nicki versprochen, dass er Mama Bottrop sagt, dass sie die Schultüte vor Tante Susanne verstecken soll, bis Nicki sie hat, damit Tante Susanne nicht womöglich noch heimlich da Mohrrüben reintut oder Paprikaschnitze, die müssen Karl und Nicki immer essen, wenn sie mal bei Tante Susanne zu Besuch sind, aber das sind sie nicht so oft, oder nur, wenn Mama Bottrop auch dabei ist. Weil da waren sie nämlich mal ein ganzes Wochenende bei Tante Susanne, weil die fand das ganz toll, dass sie mal ein ganzes Wochenende bei ihr sind, und Karl und Nicki fanden die Idee echt bescheuert. Und seit dem Wochenende würden sie gerne noch mal ein Wochenende bei Tante Susanne sein, aber irgendwie findet jetzt wohl Tante Susanne die Idee echt bescheuert.