Einführung in die systemische Organisationsentwicklung - Ralph Grossmann - E-Book

Einführung in die systemische Organisationsentwicklung E-Book

Ralph Grossmann

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Beschreibung

"Das Buch gibt in verblüffender Kürze und gleichzeitig in beeindruckender Prägnanz einen Überblick über Entwicklung und wesentliche Inhalte der systemischen Organisationsentwicklung. Ich kenne zu diesem Thema kein anderes Buch, dem dies in dieser verdichteten Form so gelingt. Besonders die sehr konkreten Designbeschreibungen sind außergewöhnlich. Der Band könnte ein kleiner Klassiker werden." Michael Schulte-Derne, CONECTA "Es werden hier nur wenige nachvollziehbare Beschreibungen von Interventionen geboten, so dass es Führungspersonen nicht leicht fallen wird, sich genauer vorzustellen, wie OE konkret abläuft. Was sie jedoch gut ansprechen wird, ist die Argumentation für ein partizipatives, prozesshaftes Vorgehen bei Organisationsveränderungen. Das ist ein großes Verdienst des Buches. Abgesehen von diesen kritischen Punkten ermöglichen vor allem die Kapitel 4 (über Phasen und Rollen in Veränderungsprozessen) und 5 (über Haltung und Spannungsfelder der InterventionistInnen) einen guten Einblick in Ziele, Denkansätze und Ansätze einer systemtheoretisch fundierten Organisationsentwicklung." Perspektive und Mediation "Die drei Autoren beschreiben sehr nachvollziehbar, dass die Veränderungen der Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft zu komplexen Herausforderungen für Organisationen führen. Mit diesem Konzept wird der Blick auf die Einheit von System und Umwelt gelenkt und deutlich gemacht, wie bedeutsam dieses Zusammenspiel für nachhaltige Interventionen im Bereich der Organisationsentwicklung ist." Impulse Diese Einführung präsentiert in kompakter Weise die Konzepte der systemischen Organisationsentwicklung. Sie zeigt, warum der systemische Ansatz in besonderer Weise geeignet ist, komplexe Herausforderungen in Wirtschaft und Gesellschaft zu beschreiben und zu bearbeiten. Einleitend skizzieren die Verfasser die zentrale Rolle von Organisationen heute und die zunehmende Bedeutung ihrer Veränderungsfähigkeit. Zentrales Thema ist deshalb die Gestaltung von organisatorischen Veränderungsprozessen mithilfe unterschiedlicher Instrumente. Sie sind darauf gerichtet, mit den Mitarbeiter:innen, den Kund:innen, den Kooperationspartner:innen im Interesse des langfristigen Unternehmenserfolges sorgfältig umzugehen. In den Schlusskapiteln gehen die Autoren auf besondere Haltungen im Veränderungsprozess ein, beispielsweise beim Aufbauen von Vertrauen und beim Zulassen von Emotionen. Darüber hinaus benennen sie wichtige Aspekte, die Führungskräfte beachten sollten, etwa beim Umgang mit Bedenken und Einwänden. Theoretisch basiert und geerdet durch die langjährige Führungs- und Beratungserfahrung der Autoren, stellt das Buch eine praktische Leitlinie für die Gestaltung von Veränderungsprozessen dar. Es wendet sich vor allem an die Akteur:innen in Unternehmen, in Non-Profit-Organisationen und zivilgesellschaftlichen Einrichtungen, die die Aufgabe haben, bei laufendem Betrieb Veränderungen zu organisieren, zu gestalten und mitzutragen – sei es als Führungskraft, Expert:in in Stabstellen, interne:r Berater:in, Projektleiter:in oder als Mitarbeiter:in. Die Autoren: Ralph Grossmann, Dr. jur., Professor emer. für Organisationsentwicklung; freiberuflicher Berater, Trainer und Forscher; Gründungsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Gruppendynamik und Organisationsberatung (ÖGGO); Mitgründer der Fakultät für Intersdisziplinäre Forschung und Fortbildung der Universität Klagenfurt; zahlreiche Publikationen in deutscher und englischer Sprache. Schwerpunkte Forschung und Beratung: Steuerung und Veränderung von Organisationen, die öffentliche Leistungen erbringen; Netzwerke und Leistungsverbünde zwischen Organisationen; Coaching von Führungskräften.

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Ralph Grossmann · Günther Bauer · Klaus Scala

Einführung in die systemische Organisationsentwicklung

Dritte Auflage, 2023

Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats des Carl-Auer Verlags:

Prof. Dr. Rolf Arnold (Kaiserslautern)

Prof. Dr. Dirk Baecker (Witten/Herdecke)

Prof. Dr. Ulrich Clement (Heidelberg)

Prof. Dr. Jörg Fengler (Köln)

Dr. Barbara Heitger (Wien)

Prof. Dr. Johannes Herwig-Lempp (Merseburg)

Prof. Dr. Bruno Hildenbrand (Jena)

Prof. Dr. Karl L. Holtz (Heidelberg)

Prof. Dr. Heiko Kleve (Witten/Herdecke)

Dr. Roswita Königswieser (Wien)

Prof. Dr. Jürgen Kriz (Osnabrück)

Prof. Dr. Friedebert Kröger (Heidelberg)

Tom Levold (Köln)

Dr. Kurt Ludewig (Münster)

Dr. Burkhard Peter (München)

Prof. Dr. Bernhard Pörksen (Tübingen)

Prof. Dr. Kersten Reich (Köln)

Dr. Rüdiger Retzlaff (Heidelberg)

Prof. Dr. Wolf Ritscher (Esslingen)

Dr. Wilhelm Rotthaus (Bergheim bei Köln)

Prof. Dr. Arist von Schlippe (Witten/Herdecke)

Dr. Gunther Schmidt (Heidelberg)

Prof. Dr. Siegfried J. Schmidt (Münster)

Jakob R. Schneider (München)

Prof. Dr. Jochen Schweitzer † (Heidelberg)

Prof. Dr. Fritz B. Simon (Berlin)

Dr. Therese Steiner (Embrach)

Prof. Dr. Dr. Helm Stierlin † (Heidelberg)

Karsten Trebesch (Berlin)

Bernhard Trenkle (Rottweil)

Prof. Dr. Sigrid Tschöpe-Scheffler (Köln)

Prof. Dr. Reinhard Voß (Koblenz)

Dr. Gunthard Weber (Wiesloch)

Prof. Dr. Rudolf Wimmer (Wien)

Prof. Dr. Michael Wirsching (Freiburg)

Prof. Dr. Jan V. Wirth (Meerbusch)

Umschlaggestaltung: Uwe Göbel

Satz: Verlagsservice Hegele, Heiligkreuzsteinach

Printed in Germany

Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck

Dritte Auflage, 2023

ISBN 978-3-8497-0056-0 (Printausgabe)

ISBN 978-3-8497-8278-8 (ePub)

© 2015, 2023 Carl-Auer-Systeme Verlag

und Verlagsbuchhandlung GmbH, Heidelberg

Alle Rechte vorbehalten

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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Vangerowstraße 14 • 69115 Heidelberg

Tel. +49 6221 6438-0 • Fax +49 6221 6438-22

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Inhalt

1 Aktualität und Tradition der Organisationsentwicklung

1.1 Die Welt der Organisationen in Veränderung

1.2 Organisationsentwicklung als besonderer Typus sozialer Interventionen

1.3 Geschichte der Organisationsentwicklung – Gesellschaftsreform praktisch

2 Grundbegriffe der systemischen Organisationsentwicklung

2.1 System/Umwelt

2.2 Beobachtung erster Ordnung/zweiter Ordnung

2.3 Person/Organisation (oder psychisches System/soziales System)

2.4 Triviale Systeme/nichttriviale Systeme

2.5 Intervention als systemisches Steuerungs- und Diagnoseinstrument

2.6 Operative Schließung – funktionale Differenzierung

3 Der Prozess macht den Unterschied

3.1 Status quo und Veränderung

3.2 Organisation und Emotion

3.3 Führungsgetriebene Veränderung und selektive Partizipation

3.4 Optimierung oder Musterwechsel

3.5 Linie oder Projekt

3.6 Veränderungsarchitektur

3.7 Design

4 Veränderung organisieren: Phasen und Rollen in Veränderungsprozessen

4.1 Formen von Rollen – Überblick über Phasen

4.2 Diagnose erstellen: Selbstbeobachtung ist Umweltbeobachtung

4.3 Ziele formulieren

4.4 Lösungen entwickeln

4.5 Ergebnisse implementieren

4.6 Nachhaltigkeit sichern

5 Förderliche Haltungen im Veränderungsprozess

5.1 Vertrauen aufbauen

5.2 Offenheit für Veränderungen und Kultur des Ermöglichens

5.3 Wertschätzung des Bestehenden

5.4 Ergebnisoffenheit und Prozesssteuerung

5.5 Kontrollverlust zulassen

5.6 Mut zur Auseinandersetzung

5.7 Emotionen zulassen

5.8 Containment von Angst

5.9 Zuversicht verbreiten

6 Durch Veränderungen führen

6.1 Der Sinn von Sinn

6.2 Halt und Beweglichkeit

6.3 Grenzen des Machbaren, Zeit und Gelegenheit

6.4 Umgang mit Bedenken und Einwänden

6.5 Emotionale Stadien im Veränderungsprozess

Nachwort

Literatur

Über die Autoren

1 Aktualität und Tradition der Organisationsentwicklung

1.1 Die Welt der Organisationen in Veränderung

Wir leben in einer Gesellschaft von Organisationen. Der hohe und rasch wachsende Organisationsgrad ist ein herausragendes Merkmal der entwickelten Industrie- und Dienstleistungsgesellschaften und auch aller Gesellschaften im Übergang. Gesellschaftliche Problemlagen und auch die meisten persönlichen Problemstellungen werden in und von Organisationen bzw. Netzwerken von Organisationen bearbeitet und beeinflusst.

Die individuelle Entfaltung ist nachhaltig von Organisationen geprägt. Wir verbringen nicht nur einen Großteil unserer Lern- und Arbeitszeit in Organisationen, sondern sind auch auf Entscheidungen, Regelungen und Dienstleistungen von Organisationen in allen Teilen unseres Lebens angewiesen. Unsere soziale Identität wird wesentlich durch die Zugehörigkeit zu Organisationen geprägt.

Diese Steigerung des Organisationsgrades hat die Kapazität der Gesellschaften, Probleme zu bearbeiten, enorm gesteigert. Gleichzeitig werden dadurch neue Problemlagen geschaffen, die wiederum nur organisationsförmig zu bewältigen sind (vgl. Wimmer 1995; Grossmann u. Heintel 2000). Die zunehmende Spezialisierung und Selektivität der Organisationen beschleunigt die Entstehung neuer Organisationen und schafft gleichzeitig auch einen wachsenden Bedarf an bereichsübergreifender Koordination. Die Gesellschaft ist in ihrer Leistungs- und Entwicklungsfähigkeit von der Veränderungsfähigkeit der in ihr operierenden Organisationen abhängig geworden.

Für die Menschen ist Organisationskompetenz zweifellos zu einer Schlüsselqualifikation für die erfolgreiche Bewältigung beruflicher Herausforderungen, aber auch für die Beteiligung im gesellschaftlichen Leben geworden.

Für die sich beschleunigende Ausdifferenzierung der Welt von Organisationen gibt es viele Treiber, voran die Globalisierung der Wirtschaft mit dem rasch expandierenden Wirtschaftssystem der Schwellenländer. In diesen Ländern wächst nicht nur der Wirtschaftssektor, auch die staatlichen Organisationen sehen sich mit sprunghaft wachsenden Anforderungen konfrontiert, von der Bildungs- bis zur Umweltpolitik. Der rasch wachsende Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften und neuen Lebensperspektiven treibt die Ausdifferenzierung des Bildungs- und Wissenschaftssystems voran und macht eine neue Sozialpolitik notwendig. In den entwickelten Gesellschaften hat sich in den letzten Jahrzehnten ein rasanter Umbau der Organisationen vollzogen, die öffentliche Leistungen erbringen. Gesundheitsversorgung, soziale Dienstleistungen, Wissenschaft, Kulturproduktion wurden aus der unmittelbaren staatlichen Verwaltung ausgegliedert und in selbstständigen Unternehmen organisiert. Die zivilgesellschaftlichen Organisationen sind nicht nur der Sektor mit der höchsten Wachstumsrate, sie wirken auch als Innovationssystem. Sie ergänzen das Angebot des politisch-administrativen Systems, entwickeln neue Angebote, stärker von den Bedürfnissen der Klienten1 ausgehend als Ausdruck gesellschaftlicher Selbstorganisation. Darüber hinaus thematisieren sie gesellschaftliche Problemzonen und bringen unterprivilegierte Interessen zur Sprache.

Die Gestaltung der internationalen Beziehungen, die Regulierung des Welthandels, die politisch-diplomatische Bearbeitung von internationalen Konflikten und Krisen bis zur Arbeit an globalen Themen wie Klimaschutz, Migration, Ernährung haben hochgradig ausdifferenzierte Organisationen und Verhandlungsregime hervorgebracht, einen Sektor, in dem staatliche, supranationale Organisationen und NGOs zusammenarbeiten.

Die skizzierten Entwicklungen haben zu einer sehr stark differenzierten und vielfältigen Organisationslandschaft geführt. Kaum ein gesellschaftliches Entwicklungsthema kann von einer Organisation alleine bearbeitet werden. Von der Integrations- und Arbeitsmarktpolitik über Regionalentwicklung und Finanzmarktaufsicht bis zur Gesundheitsversorgung und den sozialen Dienstleistungen sind Organisationen ganz unterschiedlichen Typs tätig. Sie operieren auf unterschiedlichen rechtlichen Grundlagen mit verschiedenen professionellen Traditionen und in einem Mix von öffentlichen und privaten Investitionen und Beauftragungen.

Die Organisationen stellen füreinander eine turbulente Umwelt dar. Sie agieren als Konkurrenten und setzen Rahmenbedingungen für das Handeln von anderen Organisationen wie die staatliche Gesetzgebung, internationale Finanzierungs- und Förderprogramme sowie internationale Verhandlungsregime. Sie versuchen aufeinander Einfluss zu nehmen durch Lobbying oder im Rahmen von Kooperationen.

Wenn Organisationen in einer systemtheoretischen Perspektive mit ihren relevanten Umwelten als Überlebenseinheit begriffen werden, dann sind (post)moderne Organisationen mit einer äußerst vielfältigen Umweltsituation konfrontiert. Die Selektion der relevanten Umwelten und die Auseinandersetzung mit diesen ist ein Schlüssel für den Erfolg und das Überleben der Organisationen geworden. Die Fähigkeit zur Veränderung ist für die Organisationen und ihre Mitglieder eine Erfolgsvoraussetzung.

Organisationsentwicklung hat Konjunktur: erstens für die innere Entwicklung von Organisationen, zweitens für die Kooperation mit anderen Organisationen und drittens für die Einflussnahme von zivilgesellschaftlichen Organisationen und sozialen Bewegungen auf öffentliche und private Organisationen.

1.2 Organisationsentwicklung als besonderer Typus sozialer Interventionen

Organisationsentwicklung (OE) ist eine Methode zur geplanten Veränderung größerer sozialer Systeme. Im Ensemble aller möglichen Formen, mit Organisationen umzugehen bzw. sie zu verändern, ist OE eine vergleichsweise junge Erscheinung – sie entstand kurz nach dem Zweiten Weltkrieg in den USA (vgl. Abschn. 1.3). Sie nimmt ein qualitätsvolles, quantitativ kleines, jedoch wachsendes Segment ein.

Um die Besonderheit dieser Methode besser in den Blick zu bekommen, kann mithilfe relevanter Unterscheidungen ein grober Überblick über wichtige in der Geschichte bislang praktizierte Veränderungsmethoden dienen:

Veränderung/dynamisches Gleichgewicht: Geläufig in der Alltagssprache ist die Unterscheidung zwischen Veränderung und Nicht-Veränderung (Beharren). Aus systemischer Sicht sind alle sozialen Systeme dynamisch, manche versuchen dabei ein Gleichgewicht aufrechtzuerhalten und sich nicht zu verändern, bei anderen wird mehr oder weniger konzeptgeleitet verändert. Es ist daher treffender, zwischen Veränderung und dynamischem Gleichgewicht zu unterscheiden. Damit wird der Blick darauf frei, auf welche Weise Organisationen den Status quo aufrechtzuerhalten suchen. Organisationen müssen, um zu überleben, sowohl Veränderungen im Blick haben als auch Kontinuität und dynamisches Gleichgewicht beachten.

Gewalt/Konsens: Blickt man auf die gesamte Landschaft von Veränderungstypen, so entdeckt man rasch die Differenz zwischen mehr oder weniger gewaltförmigen Methoden und solchen, die nach besten Möglichkeiten den Konsens unter den Betroffenen anstreben. Krieg, Terrorismus, diktatorische Verhältnisse in der Politik, Ausbeutung und Zwangsarbeit, aber auch »friedenssichernde« Militär- oder Polizeigewalt füllen die Liste von Methoden zur Steuerung sozialer Systeme mit dem Einsatz von expliziter Gewalt.

Am anderen Pol steht der Konsens; dazwischen liegt die Mehrheitsentscheidung. Für die OE ist Konsens eine »regulative Idee«, die nicht immer lückenlos umgesetzt werden kann, aber die sich sehr empfiehlt, um hohe Qualität und breite Akzeptanz zu erzielen.

Top down/bottom up: Ob Veränderungsvorhaben von der Führung (Hierarchie, Gesetze) vorgegeben oder von den Mitarbeitern, der »Basis« initiiert, beeinflusst und mitgestaltet werden, ist eine entscheidende Differenz. Eine von der Spitze durchgezogene Veränderung verspricht zunächst einen geringeren Kommunikationsaufwand, jedoch mit dem Risiko mangelnder Akzeptanz und damit mangelhafter und kostspieliger Umsetzung. Dieser Typus der hierarchischen Steuerung hat in der Geschichte bis heute eine lange Tradition, wenn auch seine Leistungsfähigkeit den zunehmend komplexen Anforderungen nicht gewachsen ist. Mit dem Terminus Changemanagement wird meist ein elaboriertes und weitverbreitetes Konzept für Veränderung bezeichnet, bei dem – der Logik der Hierarchie folgend – die Führung die Ziele, den Ressourceneinsatz sowie den Zeit- und Umsetzungsplan vorgibt. Es wird jedoch im Unterschied zur bloßen Anordnung von Veränderungen dem gesamten Veränderungsprozess spezielle Aufmerksamkeit gewidmet und mit eigener Projektstruktur und oft auch mit Unterstützung externer Beratung umgesetzt.

Die Einbindung aller Führungsebenen und vieler Mitarbeiter wird in Organisationen wichtig und unverzichtbar, wo die Qualität des Produkts bzw. der Dienstleistung in hohem Maße von der Expertise und der Leistungsbereitschaft der Beschäftigten abhängig ist (Mintzberg 1992; Grossmann, Pellert u. Gotwald 1997; Grossmann u. Janes 2004). Fachlich und sozial am effektivsten ist sicher ein »Sowohl top down als auch bottom up«-Ansatz. Organisationsentwicklung als Veränderungskonzept zeichnet sich gerade dadurch aus, dass sowohl die Führung als auch die Mitarbeiter wichtige Rollen im Veränderungsprozess übernehmen. In der OE geht es um selektive Partizipation mit gut fundierten Auswahlkriterien und differenzierten Verfahren der Einbindung. Dieses Konzept der OE kann auch als Veränderung von innen beschrieben werden, im Gegensatz zu importierten Expertenlösungen von außen, wie im Changemanagement.

Rasche Lösung/Nachhaltigkeit: Veränderungen werden in Organisationen meist aus der Not akuter Problemlagen geboren – mit einem entsprechenden Zeitdruck. Daraus resultiert ein Hang zu raschen Lösungen. Risiken dabei sind die unbeabsichtigten und übersehenen Nebenfolgen, die als neue, selbst verursachte Probleme die positiven Folgen oft übertrumpfen. OE ist auf nachhaltige Lösungen ausgerichtet und vermeidet es daher, dem Drängen auf rasche Lösungen auf Kosten von gründlicher Reflexion nachzugeben.

In der Liste möglicher Methoden zur Veränderung darf die Gründung von Unternehmen und Organisationen nicht fehlen. Eine besondere Form eines Veränderungsprozesses stellt die Subversion dar. Im Unterschied zur Revolution (gewaltförmig, bottom up) wird sie nicht ausgerufen, sondern operiert verdeckt. Sie stellt den »Kontext bestehender Regeln des Systems in Rechnung … und nutzt« ihn, »um die Regeln des Systems zu ändern«. (Simon 2013, S. 185). Als Beispiel können manche Kampagnen von Greenpeace dienen, wo die Aktivisten nicht gegen das System (Staat) operieren, sondern als Anwälte und selbst ernannte Vertreter, z. B. des Umweltministeriums, agieren (vgl. Simon 2013, S. 190).

Mithilfe dieser Differenzen können die jeweiligen Stärken und Limitierungen bestimmter Veränderungskonzepte für ganz bestimmte Veränderungsvorhaben diagnostiziert bzw. auch neue Konzepte entwickelt werden. Die Gegenwart ist in besonderer Weise durch einen Boom an unterschiedlichen Sozialinterventionen und entsprechenden innovativen Modellen komplexer Formen der Zusammenarbeit charakterisiert. Immer mehr gesellschaftliche Aufgaben werden heute nicht von einer Organisation bearbeitet, sondern es braucht differenzierte und für die beteiligten Organisationen tief greifende Kooperationsstrukturen zwischen Organisationen (vgl. Austin 2000; Grossmann, Lobnig u. Scala 2007; Huxham a. Vangen 2005). Netzwerke und die Möglichkeiten virtueller Kommunikation haben die »nächste Gesellschaft« (vgl. Baecker 2007) eingeläutet und die Gestaltungsmöglichkeiten von organisationaler Kommunikation, aber auch deren Gestaltungsnotwendigkeit drastisch vorangetrieben.

Eine besonders bedeutsame Entwicklung ist das rasche Wachstum zivilgesellschaftlicher Organisationen (vgl. Abschn. 1.1). Hier entsteht ein neuer Erfahrungs- und Experimentierraum, wie erfolgreich in die Gesellschaft interveniert werden kann. Und damit auch ein Bedarf, das Wissen darüber weiterzuentwickeln. Die Globalisierung und die verstärkte internationale Kooperation machen Cultural Diversity zu einer Standardaufgabe auch in OE-Projekten. Und sie vermehrt den Kreis jener, die an einer professionellen Bearbeitung von OE-relevanten Aufgaben im interkulturellen Kontext interessiert sind.

Bei all diesen Entwicklungen kann die OE mit einem Interventions-Know-how und Umsetzungserfahrungen aufwarten, die sich in mehr als einem halben Jahrhundert entwickelt haben. Zugleich stellen die genannten Entwicklungen eine lohnende Herausforderung für die OE dar, ihr Wissen entsprechend weiterzuentwickeln.

Zu beleuchten ist auch das Verhältnis von OE zu anderen Unternehmensprozessen bzw. Managementtools: Strategie, Controlling, Qualitätsmanagement, Prozessmanagement, Personalmanagement, Downsizing (z. B. Schließung von Organisationen). Sie entfalten erst durch die Einbettung in den Ansatz der systemischen OE ihre volle Wirkung. Die Anwendung von Prinzipien der systemischen OE ist bei den genannten Unternehmensprozessen für den Erfolg notwendig. Sie sorgt für passende Kommunikationsstrukturen, stellt ausreichend Raum und Zeit für Beteiligungsprozesse zur Verfügung und erreicht damit hohe Ergebnisqualität und größtmögliche Akzeptanz für die Umsetzung (vgl. Kap. 3 und 4).

Wer kann Know-how in OE gebrauchen?

Mit diesem Blick auf die vielfältige Landschaft innovativer Kreation und Gestaltung von sozialen Systemen erweitert sich der Kreis jener Personen, die sich auf der Basis eines Konzepts und systematisch mit Veränderung beschäftigen. Zugleich steigen die fachlichen Ansprüche an jene, die schon bislang mit dem Management von Veränderungsprozessen professionell befasst waren.

Unser Buch wendet sich daher primär an Führungskräfte oder solche, die dies werden wollen. Als Einführungsbuch ist es explizit darauf ausgerichtet, auch all jenen, die aus anderen Rollen heraus mit Organisationsentwicklung befasst sind, eine fachlich fundierte Grundlage zu bieten. Dazu gehören Berater, Stabstellen in Funktionen wie OE, Personalmanagement bzw. Human Resource Development, Qualitätsmanagement, Projektleitung. Es zählen jedoch auch jene zu unserem Adressatenkreis, die haupt- oder ehrenamtlich in Tätigkeiten aktiv sind, in denen die Veränderung und Entwicklung von sozialen Systemen ein wichtiger Bestandteil ist.

Der Praxisorientierung der OE folgend werden konzeptbezogene und theoretische Inhalte durch Praxisbeispiele illustriert, getragen von der Einsicht, dass sich Theorien durch ihre Praxisrelevanz bewähren.2

1.3 Geschichte der Organisationsentwicklung – Gesellschaftsreform praktisch

Organisationen entwickeln sich, seit es sie gibt, also seit gut 5000 Jahren. Ihr Werden, Wachsen, Bestehen und Vergehen ist seit jeher Gegenstand historischer Forschung, doch wir nennen dies nicht Organisationsentwicklung. Dieser Begriff bezeichnet die systematische Generierung von Wissen, den Wandel in und zwischen Organisationen konzeptgeleitet und gezielt zu gestalten. Charakteristisch für die Organisationsentwicklung ist die Verknüpfung von Forschung und einem professionellen Selbstverständnis von Managern und Beratern für ihre Art und Weise, Veränderungen in Organisationen zu gestalten und umzusetzen. Entstanden ist dieser Begriff in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg in den USA. Rückblickend kann man fünf Stränge identifizieren, wobei wir hier den angloamerikanischen Kulturkreis und den deutschen Sprachraum als die wichtigsten Regionen für die OE-Tradition fokussieren. Die Auflistung benennt Phasen, teilweise laufen die Stränge, wie noch gezeigt wird, auch parallel:

1)

Gruppendynamik – Veränderung durch Re-edukation

2)

Aktionsforschung und Survey-Feedback

3)

Soziotechnischer Systemansatz

4)

Die Wiedereinführung der Organisation in die Organisation

5)

Systemische Organisationsentwicklung

Gruppendynamik – Veränderung durch Re-edukation

Der Zweite Weltkrieg und der Holocaust hatten bei manchen Sozialforschern in den USA nicht nur einen unmittelbaren Schock ausgelöst, sondern große Zweifel und Bedenken an der Stabilität demokratischer Gesellschaften aufkommen lassen. Eine Schlüsselrolle in der Anfangsphase spielte dabei der deutsche Gestalt- und Sozialpsychologe Kurt Lewin. Er weilte 1933 in den USA und entschied sich, angesichts der Machtübernahme durch die Nazis nicht mehr nach Deutschland zurückzukehren und sich in den USA beruflich zu etablieren. Ab 1944 bis zu seinem Tod 1947 arbeitete er mit einem Team am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in einem für ihn eingerichteten »Research Center of Group Dynamics«. Bestimmend war das Anliegen, Methoden zu finden, um demokratische und humane Werte besser und tiefer zu verankern, als dies bislang geglückt schien. Lewin und der Gruppe um ihn war klar, dass politische und normativ-erzieherische Bemühungen zu kurz greifen würden und auch selbst Teil des Problems sein konnten, war es doch gerade die ideologische und wertebetonte Beeinflussung der Menschen, die das unfassbar Barbarische ermöglicht und befördert hatte. Sie sahen sich daher auch selbst als Sozialwissenschaftler und Sozialpsychologen gefordert, aus ihrer Disziplin heraus einen Beitrag zu leisten. Eine bessere Verankerung einer »demokratischen« Kultur sollte daher durch Trainings dazu führen, dass entsprechende Verhaltensweisen erlebt, geübt und verinnerlicht werden: aushandeln, beobachten und thematisieren von relevanten Unterschieden in Gruppen, wahrnehmen und lösen von Konflikten u. a.

Ihre Erfahrungen als Sozialpsychologen haben die Wahrnehmung dafür geschärft, dass das Verhalten von Individuen so wohl durch die eigene Persönlichkeit und deren Geschichte als auch durch den jeweiligen sozialen Kontext determiniert wurde. Die wissenschaftliche Fundierung und Theoriebildung musste sich systematisch der Aufgabe stellen, die Kopplung zwischen Individuen und sozialen Systemen genau in den Blick zu nehmen.