Einmal Grenze und zurück. 1989-1990 - Bernd Bölsdorf - E-Book

Einmal Grenze und zurück. 1989-1990 E-Book

Bernd Bölsdorf

0,0

Beschreibung

In diesem Buch geht es um eine autobiographische Erzählung meiner Erlebnisse während meiner Dienstzeit bei den Grenztruppen der DDR. Ich wurde im März 1989 zu den Grenztruppen eingezogen und nach dem Fall der Mauer im Mai 1990 aus dem Dienst entlassen. Es erzählt die Geschichte eines Grenzdurchbruchs, vom Leben in der Kompanie und vom Alltag des Grenzdienstes. Und gibt einen Einblicke in eine Welt, die viele Bürger der ehemaligen DDR nie kennen gelernt haben. Es geht um das Leben der Soldaten und Unteroffiziere, die an der Grenze ihren Wehrdienst leisteten, mit allen Facetten des täglichen Wahnsinns des Systems.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 232

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis

Vorwort.

1. Kapitel Ankunft

2. Kapitel Vereidigung und Kompanieleben

3. Kapitel Ausbildung

4. Kapitel Die Grenzkompanie

5. Kapitel Fehlersuche und Kompanieleben

6. Kapitel Grenzdurchbruch

7. Kapitel Eine Republik löst sich auf.

8. Kapitel, Eine neue Zeitrechnung beginnt.

9. Kapitel, Auf zu neuen Ufern

10. Kapitel, Armeeweisheiten.

11. Kapitel Schlußwort

Quellennachweis:

Vorwort.

Grenztruppen? Ja warum zur Grenze?

Am 15.09.1961 wurde in der sowjetischen Besatzungszone die Mauer gebaut. Ab 1962 wurde dann in der DDR die Wehrpflicht wieder eingeführt. Neun Jahre lang wurde die Grenze, der sogenannte „Antifaschistische Schutzwall“ von den Einheiten der Nationalen Volksarmee, NVA, bewacht. Doch weil es Abrüstungsverhandlungen bezüglich der Armeegröße gab, und man nicht wirklich die Armee verkleinern wollte, wurden die Grenztruppen als eigene Waffengattung aufgestellt. Unterstellt waren sie dem Ministerium der Nationalen Verteidigung. Zum Zeitpunkt als ich einberufen wurde, standen etwa 44.000 Grenzer, oder Grenzsoldaten unter den Waffen.

Es gab sogar einen Ehrentag für die Grenztruppen, den 01.12. jeden Jahres.

In meiner Jugend galten die Grenztruppen als eine Art Elite. Es kam schließlich nicht jeder an die Grenze. Bei den Unteroffizieren und Offizieren kam es vor allem auf das Gesamtpaket an und ob die Staatssicherheit, STASI, keine Anhaltspunkte für eine mögliche Republikflucht sah. Für diejenigen welche Westverwandte hatten, Probleme mit dem Staat, oder andere auffällige Vermerke in ihrer Stasiakte, gab es ganz sicher keinen Wehrdienst an der Grenze. Schließlich sollten ja alle in der DDR bleiben. Selbst wenn aus der Familie ein Verwandter einen Ausreiseantrag gestellt hat, wurde dies zum Problem. Auch wenn der jeweilige Wehrpflichtige nie eine Flucht in Erwägung ziehen würde, war damit alles erledigt.

Bei den Soldaten sah es so ähnlich aus. Nur, der einzige Unterschied zu den Unteroffizieren war, sie konnten sich ihren Dienstort und ihre Waffengattung nicht aussuchen. Sie wurden eingezogen und entsprechend eingesetzt. Als Soldat gab es die Wehrpflicht mit einer Dienstzeit von 18 Monaten. Bei den Unteroffizieren waren es 3 Jahre und bei der Marine noch ein Jahr mehr, also 4 Jahre.

Wer in seiner beruflichen Laufbahn kein Studium vorgesehen hatte, kam mit 18 Monaten gut aus. Er konnte aber auch als Reservist noch einmal für ein halbes Jahr einrücken.

Wer aber studieren wollte, musste mindestens drei Jahre Wehrdienst leisten und am besten noch das kleine Rote in der Tasche haben. Ohne

Wehrdienst war es schwer, einen Studienplatz zu bekommen. Das war, wie fast alles, woran es mangelte, staatlich geregelt. Natürlich halfen auch gewisse Kontakte und Schmiermittel. Ein gutes Schmiermittel war auch die Stasi.

Ein weiterer Grund war Geld. Auch wenn manche Forscher behaupten, der Dienst an der Grenze sei unbeliebt gewesen, kann ich das aus eigener Erfahrung nicht bestätigen. Schon vom Geld her waren die Unteroffiziere für DDR-Verhältnisse sehr gut bezahlt. Das war bei den Soldaten natürlich nicht so.

Als Ausgelernter Facharbeiter bekam ich im

VEB, Volkseigenen Betrieb etwa 500 DDR Mark im Monat. Bei den Grenztruppen hatte ich schon während der Ausbildung mehr als 1000 Mark. Das war schon ein Unterschied. Man brauchte kaum Geld auszugeben, man bekam alles umsonst und es gab sowieso nicht viel zu kaufen. Aber wenn man sich später ein Auto oder ein

Haus leisten wollte, hatte man das Geld schneller zusammen. Auch wenn in meiner Stasi-Akte steht, dass man mich zum Studium delegieren wollte, stand für mich das Geld für Haus oder Auto im Vordergrund. Vom Studium wusste ich bis dahin nichts.

Und schließlich, wenn man mit der Ausbildung fertig war, gab es noch einmal eine Ecke mehr. Bei den Offizieren waren die Bezüge weitaus höher. Von daher kann ich Aussagen von Forschern welche die Besoldung betrafen, nicht nachvollziehen. Diese meinten nämlich, dass das Einkommen nicht hoch gewesen wäre.

Die Offiziere hatten auch oft ihre Wohnungen an der Grenze gestellt bekommen. Natürlich nicht auf Westniveau, aber auf jeden Fall keine schlechten Wohnungen.

Außerdem war die Versorgung mit Bückware viel besser.

Auch wenn manche Forscher uns ehemalige Grenzer als „Gefängniswärter des Volkes“ bezeichnen, so haben wir uns damals nicht so gefühlt. Sicherlich kann man das heute so sehen, aber damals hat auch die sozialistische Propaganda und Erziehung dazu beigetragen, dass man das anders sah.

An der Grenze waren sicherlich viele als inoffizielle Mitglieder bei der Stasi registriert. Das Problem, keiner gab es zu und durfte es auch nicht und so wurde schon bewusst Misstrauen erzeugt. Das war auch von der Stasi so gewollt. Dieser Verein hat seine eigenen Leute bis in die höchsten Positionen überwacht.

Sie wollten, dass jeder Grenzer seinen Partner im Auge behält. Es gab viele Vorfälle, wo der eine den anderen verletzt oder noch schlimmer getötet hat, nur um über die Grenze zu kommen.

Zu mir. Geboren 1969, das bedeutet 1986 aus der Schule raus, erstaunlicherweise mit einer 1,4, nachdem ich bis zum Halbjahreszeugnis der 9. Klasse nur eine sehr schlechte 3 hatte und dann Lehre als Mechaniker in der Filmfabrik Wolfen. Auch hier ging es gut weiter. 1. Lehrjahr bester Lehrling der Mechanikern. Leider musste ich neben der Auszeichnungsparty im 063 (alle Gebäude hatten Nummern), das Restaurant neben dem Theater, welche grandios war, auch noch bei einem Schulappell vortreten und wurde den anderen Lehrlingen als Streber vorgestellt. Ich hab gar nicht besonders gelernt, es ist mir einfach in den Schoß gefallen, zumal ich den Beruf mochte, mit allem, was dazu gehörte. Mit Maschinen Dinge aus Metall herstellen war schon irgendwie geil.

Vielleicht lag es auch in den Genen. Mein Opa Heinz, väterlicherseits, war auch Mechaniker. Aber das wusste ich damals noch nicht.

Schon in der Schule wurde versucht vor allem die Jungs in eine militärische Laufbahn zu lenken. Ich erinnere mich an Besuche bei einigen Einrichtungen oder auch Kasernen genannt. In Halle/Saale zum Beispiel. Klar war das interessant mal in einen Panzer rein zu kriechen oder anderes zu tun.

In der Lehre wurde man mehr oder weniger gezwungen, der Gesellschaft für Sport und Technik, kurz GST, beizutreten. Ich hatte eigentlich nichts davon, außer dass ich jeden Monat von meinem kläglichen Lehrlingslohn etwas dafür abgeben musste. Dann gab es noch die FDJ, die auch Beiträge kassierte und dann noch die DSF, die Deutsch-Sowjetische Freundschaft. Das war auch Pflicht in der Lehre. Da wurde auch kassiert. Da ich aus einem schon ziemlich großen Dorf kam, weit weg von Wolfen und ich auf jedenfalls auf einen Bus angewiesen war um dort hin zu kommen, konnte ich auch nicht bei der GST eine Fahrerlaubnis machen um später als MKF, Militärkraftfahrer zur Armee zu gehen. Die Ortsansässigen hatten es da besser. Viele machten den Lappen für den LKW.

Zur Armee musste jeder, früher oder später. Aber zu meiner Zeit wollte man lieber früher als später, denn später hieß sehr oft auch, kurz vor Toresschluss den Einberufungsbefehl im Briefkasten zu finden. Da hatten die meisten schon Familie und noch andere Dinge auf der Liste.

Nun wurde, wie sicherlich überall in der Deutschen Demokratischen Republik auch in unserer BBS Betriebsberufsschule Rudi Arndt nach Talenten oder auch Dummenköpfen gesucht, die sich bereit erklärten, länger bei der Armee zu bleiben.

Während meiner praktischen Ausbildung hatte ich zwei Ausbilder. Den eher strengen Herrn Rohde und den schleimigen Herrn Hildebrand.

Also der gute und der böse Ausbilder. Hildebrand hat dann mit noch jemanden versucht, die männlichen Lehrlinge getrennt in einem Raum zu einer militärischen Laufbahn zu überreden. Offensichtlich gab es auch für diese Herren eine Prämie bei Erfolg.

Auch bei mir haben sie es versucht. Ich dachte, jetzt verarschst du die ein bisschen. Immerhin bin ich 1,92 cm groß und das würde sowieso nicht gehen. Also sagte ich “nur wenn ich bei den Hubschrauberpiloten mitmache”. Das ließen sich die Jungs nicht zweimal sagen und die Falle schnappte zu. Nur das nicht die darin zappelten, sondern ich. Eigentlich wollte ich sagen zu den Bogenschützen sagen, aber ich Idiot konnte leider meine Klappe nicht halten.

Ja damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet. Jetzt musste ich da irgendwie durch und wieder raus kommen. Dummerweise wurde man jetzt auch noch gezwungen, das kleine Rote zu beantragen. Und schwuppdiwupp zahlte ich auch noch Beiträge für die Partei.

Nun musste ich wohl oder übel in dieser Welle mitschwimmen, bis ich den rettenden Anker fand. Die Lehre ging ja zu dieser Zeit auch unverändert weiter und sollte auch abgeschlossen werden.

Ich musste nun nach Merseburg zur nächsten Musterung. Diese wurde etwas gründlicher durchgeführt. In Köthen war ich ja schon am 19.03.1987 und für allgemein tauglich befunden. In Merseburg wurde mir dann mitgeteilt, dass ich später noch nach Löbau muss, für Tests. Löbau? Davon hatte ich bis dahin noch nie etwas gehört.

Bald kam der Tag, an dem ich nach Löbau, im tiefsten Sachsen, fahren sollte, um beim Eignungstest hoffentlich durchzufallen. Hier wurde man nicht abgeholt, sondern fuhr einfach mit dem Zug von Köthen aus los. Umsteigen in Leipzig und vielleicht noch einmal in Dresden. Inzwischen wusste ich auch, wo Löbau liegt. Löbau war eine Kreisstadt und lag im Dreiländereck im Südosten der DDR. Im Osten grenzten Polen und im Süden die Tschechen an die DDR.

Dafür musste ich nicht nach Wolfen zur Schule gehen, was auch Vorteile hatte. Hier war die Offiziershochschule der Landstreitkräfte „Ernst Thälmann“. Ja, Löbau, im Tal der Ahnungslosen. Es gab eigentlich nur DDR-Fernsehen und ich glaube noch einen Lokalsender. Vom Bahnhof zur Offiziersschule musste man zu Fuß gehen, man hatte seine typische schwarze DDR-Reisetasche dabei, die die Rekruten oft auf Fotos hatten. Als ich ankam, merkte ich, dass ich nicht der Einzige war. Mehrere junge Männer schlossen sich dem Marsch an. Alle hatten eine Einladung von der Schule erhalten. Dort angekommen, wurden wir auf die Unterkünfte verteilt, Zweibettzimmer. Diese wurden normalerweise von Offiziersanwärtern bewohnt. Diese schienen aber im Urlaub zu sein. Für die nächsten Tage waren sie aber für uns reserviert.

Ab dem nächsten Morgen hieß es, sich so gut wie möglich zu blamieren, um wieder aus der Nummer herauszukommen. Am nächsten Tag wurden wir schon zeitig zum Frühsport und späteres Frühstück geweckt. Danach fingen nun die eigentlichen Tests an. Natürlich war ich um einiges zu groß für den Hubschrauber und so versuchte man mir so einiges schmackhaft zu machen. Ich hielt aber tatsächlich durch. Auch meine sportlichen Leistungen waren hier besonders miserabel. Später zu Hause bekam ich wieder eine Einladung und musste natürlich wieder beim Wehrkreiskommando vorstellig werden. Man versuchte mich natürlich zurück zu den bekloppten Unterfangen hineinzuziehen. Sie drohten mir auch, ich würde ganz bestimmt nicht sofort eingezogen, sondern erst kurz vor dem Vergessen dran kommen.

Aha, wurden wir also nun Wert geschätzt, in dieser so vorbildlichen Demokratischen Republik.

Solange alles nach ihrem Willenläuft, ist man der Liebling, aber wenn man sich anders entscheidet, wird Zwang und Druck ausgeübt.

Ich hatte inzwischen unter anderem erfahren, dass ich als Soldat zu den Sandlatschern, den Mot Schützen, kommen sollte. Das waren die, die im Gefecht aus dem Schützenpanzer sprangen und sich hinter ihn positionierten. Für diesen Schützenpanzer war ich aber auf einmal nicht mehr zu groß, obwohl es hier bestimmt auch nicht mehr Platz gab.

Aber zu den Mot Schützen wollte ich auf keinen Fall. Nicht einmal für einen Monat. Als Mot-Schütze war man quasi lebendes Kanonenfutter.

Ich habe selbst in meinem Dorf erlebt, wie es ist, wenn der Kommandant mit der großenLimousine vorfährt und den Hinterbliebenen die traurige Nachricht vom Tod des Sohnes überbringen muss. Wir wohnten keine drei Häuser von den armen Eltern entfernt, die gerade ihren einzigen Sohn verloren hatten.

Deswegen musste ich mir etwas einfallen lassen. Ich komme nur irgendwohin wo ich möchte, wenn ich mindestens 3 Jahre mache. So viel war klar. Bei der Marine waren es 4 Jahre, also fiel das schon mal weg. Also dann an die Grenze, und zwar so schnell wie möglich nach der Lehre. Die Grenztruppen galten in der DDR schon als eine Art elitäre Waffengattung. Da durfte schließlich nicht jeder hin.

Dies teilte ich diesen Möchtegernkriegern auf dem Wehrkreiskommando mit und so hatten wir alle unsere Ruhe.

Ob es da nun weniger oder mehr gefährlicher war, wusste ich nicht, auch wenn es nun vorderste Front war. Auch hieß es Land auf und Land ab, Grenzer kommen nicht zur Reserve. Das es an dem nun nicht so war, habe ich erst nach der Wende erfahren. Einige wurden sehr wohl zur Reserve gezogen, manche sogar mehrmals.

Ich wohnte in der Nähe von Köthen und dort gab es schon vor dem 2. Weltkrieg einen Fliegerhorst, mein Großvater hat dort auch gedient und nach dem Krieg kamen die uns so wohlgesonnenen Freunde oder auch die Russen und nahmen ihn in Besitz. Jedes Mal, wenn wir mit dem Bus nach Köthen und zurück fuhren, mussten wir daran vorbei. Wenn dort die Ampel auf Rot stand oder ein Soldat der Russen die Straße sperrte, weil die Ampel mal wieder defekt war, sah man die Jagdflieger und auch diese riesigen Frachtflugzeuge hier starten und landen. Die Kampfflugzeuge flogen sehr tief über die Straße. Manchmal kamen mehrere hintereinander runter.

Alle hier haben vermutet, dass auf dem Flugplatz nicht nur normale Bomben lagerten, sondern auch spezielle. Somit haben wir im Falle eines Krieges sicherlich keine besonderen Überlebenschancen gehabt. Wahrscheinlich genauso wie unsere westdeutschen „Nicht-Verwandten“. Deutschland, hüben wie drüben, war sowieso nur Aufmarschgebiet der Alliierten und somit das eigentliche Schlachtfeld. An der Grenze war es also wahrscheinlich nicht gefährlicher als anderswo.

Natürlich wollte das niemand und es gab sicher genug Vernunft, nicht auf den Knopf zu drücken oder einen Befehl zu geben, denn gewinnen konnte sowieso keiner.

1. Kapitel Ankunft

Nun war ja endlich wieder alles in Butter. Eigentlich lernte ich ja nicht Mechaniker für die Filmfabrik Wolfen, ORWO, sonder für eine Tochterfirma. Diese war in Weißandt-Gölzau und hieß SAB oder auch Sonderanlagenbau Gölzau. Wir waren in unseren Jahrgang 4 Azubis. Drei Jungs und ein Mädel. Alle drei wollten wir zur Grenze, nur mit einer Ausnahme. Michael wollte nach Berlin zum Wachregiment. Das Wachregiment „Feliks Dzierzynski“, das waren diese Soldaten die unter anderem am Brandenburger Tor Wache standen und es war der Staatssicherheit, also der Stasi unterstellt. Hierher wollte ich auf gar keinen Fall, weil ich erstens nichts mit dem Stasiverein zu tun haben wollte, aber auch, weil man da extrem still stehen musste und genau das war definitiv ein Problem für mich.

Da er nach Berlin wollte, wurde er ungefähr ein Vierteljahr oder ein halbes Jahr vorher einberufen.

Für mich und Matthias stand der 02.03.1988 als Einberufungstermin im Befehl. Wir sollten beide nach Perleberg zur Unteroffiziersschule. Wir hatten also noch etwas Zeit und unser Kollege versorgte uns mit Informationen aus Berlin, wie das so ist als Soldat. An eine kann ich mich noch erinnern. Er ist bei einem Ausgang etwas betrunken in einen Brunnen gefallen.

Nun ja, die vom Wachregiment hatten schon einen gewissen Vorteil. Die durften in Zivil die Kaserne verlassen. Aber auch nur, weil das Regiment bei der Bevölkerung verhasst war. Es unterstand Erich Mielke, also der Stasi. Die Leute haben sich die Wachablösungen natürlich gerne angeschaut, weil es mal was anderes war, was man nicht immer sehen konnte, aber keiner wollte etwas mit denen zu tun haben.

Nun rückte der 02.03.1989 immer näher und ich musste ja auch so einiges mitbringen. Unter anderem war es Pflicht, Rasierzeug für die Nassrasur in doppelter Ausführung und Babypuder mitzubringen. Nur wofür, das war zumindest mir ein Rätsel. Ich hatte ja nicht einmal einen Flaum. Alles war vorgegeben, auch die Menge.

Die Tasche, eine der typischen schwarzen DDR-Reisetaschen aus Leder oder Kunstleder, war gepackt und stand bereit. Man selbst wurde immer nervöser, denn man wusste ja nicht genau, was auf einen zukommen würde.

Bei der letzten noch möglichen Disco in Prosigk wurde dann noch mit seinen Freunden Abschied gefeiert, was allerdings sehr feucht fröhlich wurde. Es war ja ungewiss, wann ein Wiedersehen möglich wurde.

Am frühen Morgen des 02.03.1989. Es war kühl und frisch, auf dem Bahnsteig 5 des Köthener Bahnhofs standen einige junge Männer mit ihren Reisetaschen, alle mit dem Ziel Perleberg. Der Zug fuhr von Köthen über Magdeburg nach Wittenberge. Dort stieg man um in den Zug nach Perleberg. Der Zug war dann auch ziemlich voll und in Perleberg am Bahnhof wurden wir schon erwartet und durften dann mit Sack und Pack ca. 2 Kilometer zu Fuß zur Unteroffiziersschule „Egon Schultz“ in der Karl-Liebknecht-Straße laufen. Kurz vor dem Eingangstor passierten wir auf dem Fußweg noch den Zaun zum Gelände, der sich links befand. Dahinter sahen wir zu unser Entzücken die Sturmbahn. Spätestens jetzt war bei den letzten die Ernüchterung gekommen, und er wusste, das hier wird kein Spaziergang werden.

Nachdem wir das Eingangstor hinter uns gelassen hatten, sahen wir auch schon die Unterkünfte und den riesigen Exerzierplatz. Auf dem riesigen Exerzierplatz angekommen, wurden wir dann eingeteilt. Ich kam in die 9. Kompanie oder auch 9. UAK, Unteroffizierausbildungskompanie, 2. Zug.

Meine Unterkunft, Stube Nr. 212, befand sich in einem breiten 5-stöckigen Plattenbau mit 2 Eingängen. Unser Eingang war der ganz linke. Leider steht hier heute nichts mehr was zur Anschauung dienen könnte. Insgesamt waren es drei Plattenbauten in einer Reihe, wobei der mittlere etwas nach hinten versetzt war.

Wenn man auf unsere Etage ankam, sich nach links wandte, war die zweite Tür auf der linken Seite des Flurs, die Tür zu meiner Stube. Hier waren 8 oder 10 Kameraden untergebracht. Beim eintreten standen links Spinde bis zum Fenster und wenn man nach rechts schaute waren dort noch Spinde. Dazu standen noch zwei lange Tische parallel zu den ersten Spinden in Richtung Fenster. Rechts daneben in gleicher Ausrichtung ein Doppelstockbett. Weitere drei waren parallel zur Fensterfront an der Wand platziert. Mein Bett war das oberste am Fenster. Oben war zwar gut, aber beim Bettenbau eher schlecht. Noch dazu, wenn man nur von einer Seite heran kommt. Die anderen hatten ja die Möglichkeit von beiden Seiten an ihr Bett zu kommen.

Mein Spind war, glaube ich, der 2. links, wenn man reinkommt. Der erste war frei.

Das war, soweit ich mich erinnere, der Musterspind.

*1

Perleberg Unteroffizierschule „Egon Schulz“, links Unterkünfte, rechts Exerzierplatz, gerade zu das Stabsgebäude und links erster Eingang war der zu meiner Kompanie.

*2

Mein Koppelverschluss mit Emblem.

Nachdem wir nun angekommen waren, mussten wir uns alle einkleiden. Also ging es zur Kleiderkammer. Ich glaube, die war irgendwie hinter der Kantine in einem separaten Gebäude versteckt. Dann hat jeder seinen Seesack bekommen und dann wurde zugeteilt. 2 x Sommerfeld, 2 x Winterfeld, 2x Käppi, Bäfo auch Bärenfotze genannt, eine extrem warme Winterkopfbedeckung wie sie die Russen haben, gut im Winter, blaue Hemden, ein Binder (sieht aus wie eine Krawatte nur mit einem Schlüpfergummi den man um den Hals trägt), Sportsachen, Mantel und 2x Ausgehuniform, beides aus einem kratzigen Filz hergestellt, Schwarzkombi, Waffenreinigungszeug, Stahlhelm in Einheitsgröße, Koppel und so weiter und so fort.

Ich habe zum Glück sehr große Füße, Größe 28, und es gab nur wenige Stiefel in dieser Größe. Für mich waren keine mehr da und mir standen, wie alle anderen auch, 2 Paar zu. Diesen Umstand verdankte ich, dass ich einen gewissen Teil meiner Grundausbildung mit Turnschuhen absolvieren durfte. Das war für mich sehr angenehm und ich habe den Leuten in der Kleiderkammer das Fehlen der Stiefel nicht übel genommen. In meinem Zug waren wir zwei die die erste Zeit in Turnschuhen marschieren durften, Benni und ich.

Dann musste jeder seinen schweren Seesack zur Kompanie schleppen.

Auf der Stube wurde uns gezeigt wie ein ordentlicher Spind auszusehen hat. Alles auf Kannte und farblich in schwarz, rot und gelb. Damit dies auch wirklich gerade wurde, bedienten wir uns bei den Zeitungen. Das wusste ich schon von meinem Cousin, der sich ja schon seit längerer Zeit bei der Marine befand, um seinen Wehrdienst abzuleisten. Hier wurde ein Blatt mit eingefaltet und so wurde alles gerade.

Das persönliche Fach blieb von der Kontrolle befreit. Zusätzlich mussten wir die Sturmausrüstung packen. Also K1 und K2. Das waren zwei Tragetaschen auch als Rucksäcke zu verwenden mit allem was man im Feld oder Gelände so brauchen sollte. Der Regenmantel wurde zusammengerollt oben drauf geschnallt. K1 musste zu jeder Wachschicht mitgenommen werden. Wenn es beide hieß, musste Teil 2 mit kleinen Karabinern an Teil 1 befestigt werden. Beide zusammen wogen ca. 25 kg und standen zusammen auf dem Spind und auch der Stahlhelm lag dort griffbereit herum.

Es wurde natürlich in den ersten Tagen auch das persönliche Erscheinungsbild kontrolliert. Die meisten von uns waren schon vor der Abreise von zu Hause beim Friseur gewesen. Dies bedeutete aber nicht immer, dass der jeweilige Vorgesetzte mit der Arbeit des Friseurs zufrieden gewesen war. Aus diesem Grund mussten einige von uns in der Unteroffiziersschule noch einmal zum Friseur, und der wusste genau was gefordert wurde. Obwohl man hier auch so seine Wünsche äußern konnte, was aber nicht jedem bekannt war und so kam manziemlich kahlgeschoren zurück.

Wenn man die Treppe zu unserer Kompanie hoch kam, war nach links der Flur kurz und nach rechts sehr lang. Der Flur war mit quadratischen Kacheln, Steinfliesen belegt und musste immer glänzen. Nun auf der rechten Seite waren als erstes rechts die WC in einem Raum und der nächste Raum auf der gleichen Seite der Waschraum für die armen Kerle. Hier standen in mehreren Reihen quer zur Fensterbank lange Waschbecken aus Metall. Drüber gab es Rohrleitungen aus denen es aber nur kaltes Wasser gab. Gegenüber des WC und Waschraumes stand auf dem Flur immer ein viereckiger Tisch an dem der GUvD sein Reich hatte. Daneben war das Büro des UvD. Beide erkannte man an einer roten Armbinde mit weißer Aufschrift am Oberarm. Der UvD war der Unteroffizier vom Dienst und der GUvD sein Gehilfe. Das war immer einer der Gefreiten aus unserer Kompanie. Außerdem gab es noch einen OvD, den Offizier vom Dienst.

Unsere Kompanie bestand eigentlich nur aus Gefreiten, bzw. auch Maaten. Da wir einige Auszubildende für die Marine, Entenpolizei, hier hatten. Ein Zug mit andere, dunkelblaue Uniformen und Dienstgrade. Aber einfache Gefreite waren wir auch wieder nicht. Normalerweise ist der unterste Dienstgrad der Soldat mit einem blanken Schulterstück. Dann kommt der Gefreite und der hat das Schulterstück des Soldaten, aber mit einem silbernen oder im Feld einen braunen Querbalken.Wir waren aber keine gewöhnlichen Gefreiten, wir waren Faschingsgefreite, weil wir nicht nur den silbernen Querbalken hatten, sondern auch noch einen grünen Querbalken auf dem Schulterstück. Das machte uns inoffiziell zum Faschingsgefreiten. Offiziell ist es auch das Schulterstück eines Unteroffiziersschüler in der Ausbildung. Aber ich vermute mal, das war auch, um uns von den Reservisten welche auch auf dem Gelände Dienst taten und normale Gefreite waren, unterscheiden zu können. Diese waren meistens als MKF, Militärkraftfahrer tätig. Da wir nun noch bei den Grenztruppen der DDR waren, hatte unser Schulterstück auch noch einen grünen Rand und auf unserer Ausgehuniform war am Ärmel ein silberner grüner Ring mit der Aufschrift „Grenztruppen der DDR“ bestickt. Jede Waffengattung hatte ihre eigene Farbe. Die Luftwaffe hatte zum Beispiel einen hellblauen Rand auf den Schulterklappen.

So war für jeden ersichtlich, wer an der Grenze diente und ein potentieller Todesschütze war. Im Gegensatz zu den Kameraden, oder damals eher Genossen genannt, vom Wachregiment, durften wir nie in Zivil raus, was natürlich auch zu Konflikten führte.

Zurück zur Kompanie. Rechts neben der Stube des UvD gab es eine mit einem martialischen Stahlgitter versperrte Tür. Dahinter verbarg sich die Waffenkammer. Zusätzlich gesichert durch eine Petschaft. Eine Petschaft war ein kleiner Metalldeckel, ähnlich eines Kronkorken, mit Knete befüllt und in diese Knete wurde ein kleiner Faden versenkt. Anschließend hatte derjenige der die Petschaft gerade inne hatte, seinen Siegel, also Stempel in die Knete zu drücken, aber so dass sie lesbar war. Diese Petschaft durfte nie beschädigt sein. Auf jeder Etage gab es diese Waffenkammer für jede Kompanie separat.

*3

Ein Beispiel einer Petschaft, nur ist diese von den Russen gewesen.

In der Waffenkammer hatte jeder Gefreite seine persönliche Waffe, eine AK 47 mit 2 Magazinen. Wenn man diese abholen musste, gab man seine Waffenkarte dem Diensthabenden der Waffenkammer. Der wiederum entnahm die Waffe und die Magazine anhand der Nummer auf der Karte und steckte die Karte anstelle der Waffe in einen Schlitz. So wusste man immer, wer seine Waffe hatte und wer sie wieder abgegeben hatte.

Den Gang weiter gab es rechts und links dann nur noch Mannschaftsstuben und am Ende einen Fernsehraum. Der war gleichzeitig auch das Agitationszentrum. Hier mussten wir allabendlich die AK, die aktuelle Kamera anschauen. Das war Pflicht, genauso wie wenn im Programm der Sudelede, Eduard Schnitzer gesendet wurde. Dann hieß es für alle den Schwarzen Kanal ansehen. Auch da kam man nicht drum herum, es sei denn, man hatte Sonderarbeiten wie Küchendienst oder GUvD.

Wie war nun solch ein Gefreitentag aufgegliedert?

Als erstes wurde früh bei Zeiten geweckt. Dann hatte man noch 3-4 Minuten zum anziehen der Sportsachen. Beim Weckruf gab es gleich Anweisung zur Kleiderordnung. Meistens hieß es rot gelb, was gleichbedeutend mit einer kurzen roten Sporthose und einem gelben trägerlosen Sporthemd war. Wer jetzt noch Zeit gefunden hatte, konnte noch schnell auf die Toilette, um seine Blase zu entleeren, für alle anderen hieß es mit voller Blase runter zum Frühsport. Hier gab es nun mehrere Angebote im Menü zur Auswahl.

1. Ausdauerlauf. Also unten angekommen rechts um und kurz um den Exerzierplatz und runter am Offizier auf Zeit Bau, vorbei an der Schwimmhalle und der MHO, die Militärhandelsorganisation, dem Konsum fürs Militär und wenden am untersten Ende vor der Offiziersvilla. Das Ganze wieder hoch einmal um den kompletten Exerzierplatz und wenn man Pech hatte, das Ganze noch ein, zweimal je nach Laune des Ausbilders. Natürlich lief er nicht komplett mit, denn er musste ja aufpassen, dass niemand ausscheren konnte. Und trotzdem kam es vor, meistens bei der Sporthalle, oder an der Küche wo man sich gut verstecken konnte und sich erst bei der zweiten Runde wieder einordnete.

Als 2. Menüpunkt gab es das Krafttraining zur Auswahl. Dazu mussten wir in Richtung Schwimmhalle gehen und gegenüber war eine betonierte Fläche mit schweren Geräten. Hier wurde dann im Rotationsverfahren eine Station nach der anderen abgearbeitet. Da ich zu der Zeit keine 60 Kilo auf die Waage brachte, hatte ich mit den Panzergliedern und 50 Kilogramm Gewichten so meine wahre Mühe und deshalb hat mir das auch nicht gefallen.

Als 3. Menüpunkt gab es die Gymnastik. Dazu mussten wir nur raus auf den Exerzierplatz, uns aufstellen und die Übungen, die man uns vorgab, nachmachen. Eigentlich ganz nett, aber in dem uns zugewiesenen Bereich war der Platz nicht aus Beton, sondern aus sehr grobem Schotter mit teilweise sehr spitzen Kieselsteinen. Dort aber nun Rumpfbeugen, Liegestütze und Co zu machen, war nun keine angenehme Sache. Deshalb war das auch nicht meine Lieblingsfrühsportart.

Eigentlich war keine der Sportarten meine bevorzugte Sportart. Beim Laufen bekam ich schlecht Luft und war daher meistens mit den Dicken der Kompanie, des Zuges, nicht die Speerspitze, sondern eher das Ende des Stabes, beim Gewichtheben stellte sich eher die Frage was das Gewicht mit dem Kerl macht und nun ja beim Gymnastik war ich nur damit beschäftigt, mir die Steinchen aus der Haut der Hände zu pulen.

Zum Schluss hatte ich ja immer noch eine volle Blase wie die meisten von uns. War man beim anziehen mal schneller und konnte zum WC vor dem Frühsport, standen da noch eine Reihe andere, die das gleiche Ziel hatten und die Ausbilder kannten kein Pardon mit uns. Der Zeitplan musste eingehalten werden. Sonst kam alles durcheinander.

Irgendwann später habe ich es geschafft, kurz vor dem Weckruf die Unruhe im Flur wahrzunehmen und bin dann aus dem Bett und auf das Klo gegangen. Dann hatte ich immer freie Auswahl und konnte mich danach auf der Stube gleich anziehen. Unsere Sportsachen lagen ja immer auf unseren Hocker sauber parat über Nacht. Stühle hatten wir nicht, nur so einen kleinen Hocker, Metallgestell mit vier Beinen und Holzplatte.