Einträge - Hans-Jürgen Schleicher - E-Book

Einträge E-Book

Hans-Jürgen Schleicher

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Beschreibung

Einträge (Erkenntnisse, gemischt), beinhaltet genau das, was der Titel aussagt: Es sind Einträge von Gedanken und Reflexionen in eine Kladde, die der Autor im Laufe der Zeit niedergeschrieben hat. Später wurden daraus Einträge am PC und ein Buchprojekt, als Auswahl aus einer fortlaufenden und immer noch anhaltenden Produktion. Da es Reflexionen sind, kann man sie im weitesten Sinne unter Philosophie einordnen, jedoch auch als Literatur ansehen, als verdichtete, poetisierte Statements sozusagen. Sie geben, kurz gesagt, einen Einblick in die gedanklichen Bemühungen eines Zeitgenossen um Einsicht, gefiltert durch seine Interessen, Neigungen, Vorbedingungen.

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Seitenzahl: 107

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Schaue um dich, und du wirst deinem Anteil an der Welt gewahr. Schaue in dich, und du wirst das Wirken der Welt in dir erkennen.

Inhaltsverzeichnis

Zutrauen

Das Geplante und das Ungeplante

Schmetterlingsfrei

Bäumeversteher

Fischzug

Anglerbeute

Wellengekräusel

Von Oben her

In der Fremde

Abschiedsblick

Das Meer der Möglichkeiten

Umkehrung der Perspektive

Unendliches Bewusstsein

Zweierlei Blickrichtungen

Renegat

Gegenwartssein

Was möglich ist, wird

Bewusstseinsaufhellung

Grenzen

Welten. Vorstellungen davon

Kein Gerüst mehr

Echsenmenschen, Siriusbewohner

Stimmen

Giordano Bruno

Kränkungen

Uranfang. Bewusstsein

Bewusste Existenz (Schellings Echo)

Verirrt

Wieder am Meer

Gespräch. Am Lagerfeuer

Erzählungen

Zuhörer

Freiheit

Wortwand

Sinnwort

Puppe in der Puppe

Superposition

Schreiben: woher die Worte?

Nimm den Faden auf

Fragmente

Die Welt erklären: Erzählungen

Geschichten entstehen

Neugeschaffen

Im Boot

Gewächshaus

Glocke/Klangweben

Resonanz

Polaritäten

Kontakt

Kontakt II

Evidenz

Luzide

Kindbewusstsein

Wette

Annahme

Gläubigkeit und Skepsis

Faktenwissen - Wissensquell

Was und warum und wie

Haltungen

Teilen und bereichern

Schattenwurf

Ereignisse, einschneidend

Rahmen

Zum Licht

Himmel

Himmel 2

Bipolar

Spiel und Freiheit

Nadelöhr

Determinismus

Wie kommt das Neue in die Welt?

Denken

Abschirmung

Mauern

Kätzchen im Baum

Sich herantasten

Googlebot

Paradox

Zuschreibung

Person

Ich

Bei mir

Verwickelt sein

Schläfer

Aufwachen

Kongruenz

Karma

Erinnern

Vergänglichkeit

Personen

Person - Ich - Individualität

Ego

Was bin ich?

Dasein

Entwicklung

Kette

Wunschwollenintention

Jenseits der Zeit

Blick von weither

Zutrauen

Zutrauen zur Welt - auf was beruht es? Wenn nicht ein Misstrauen da ist, eine grundlegende Skepsis, leben wir doch in einem Zutrauen zur Welt, zur Existenz, zum Gegebenen. Zutrauen ist uns angeboren. Skepsis ist erworben. Durch traumatische Erfahrung vielleicht, durch Enttäuschung des Vertrauens.

Oder trifft dies nur auf uns arglose Zöglinge einer menschlichen Fürsorgegemeinschaft zu, die durch Kontakt und sozialen Austausch zur Person heranwachsen? Schaut man auf ein Küken, welches durch eine verdächtige Silhouette am Himmel gewarnt, instinktiv in ein schützendes Versteck flüchtet, ohne Vorerfahrung mit Raubvögeln gehabt zu haben, dann sieht das dann doch wieder anders aus. Jedenfalls, in unserer menschlichen Biographie fangen wir mit Zutrauen an. Zu unseren Eltern, zum gewohnten Rhythmus von Wachen und Schlafen (die Welt wird noch immer existieren, wenn ich wieder aufwache), zum Sinn der Worte, die wir zu sprechen lernen - zu allem, was wir uns aneignen, uns zu eigen machen. Ohne das Zutrauen würden wir es nicht lernen, würden wir es uns nicht zu eigen machen. Und was wären wir dann?

Der Zweifel kommt später. Das Misstrauen. Ist das wirklich wahr? Bist du mir wirklich gut? Kann ich meinen Sinnen trauen? Sind das nicht Fake News? Auf eine nicht naive Art Zutrauen in das Universum zu haben, auf einen Sinn im Leben, auf die Möglichkeit von Erkenntnis - das setzt einiges an Entwicklung voraus, an Auseinandersetzung, an Reifung durch Überwindung von Anfechtungen. Und setzt die Verarbeitung der tiefen Kränkung voraus, die uns das Leben durch den Bruch des scheinbaren Versprechens, dass unser Zutrauen zu ihm immer belohnt werden wird, unausweichlich zufügt.

Das Geplante und das Ungeplante

Ich hätte gerne, dass alles, was ich unternehme, wie geplant verläuft. Mehr noch: dass alles meinem Plan entspricht. Bei diesem Satz zögere ich jedoch: Will ich wirklich, dass alles, was für mich existiert, meine eigene Unternehmung ist? Von mir geplant wurde? Nein, ich möchte mich ebenso darauf verlassen dürfen, dass mich auch das Ungeplante trägt. Mir nicht feindlich, sondern zukömmlich ist. Das Ungeplante nicht als Katastrophe, sondern als Freund. Als vertrauliches Dasein. Dieser Wunsch ist stark, nicht nur in mir. Er tritt als kindliches Urvertrauen auf, als Gottvertrauen, als Behaglichkeitstraum. Und sogleich mit dem Auftauchen dieses Gedankens ruft sich der Verstand zur Ordnung: Aufgepasst, die Welt ist nicht behaglich. Überall können Gefahren lauern. Nur dort, wo du alles durchgeplant hast, den blinden Zufall ausgeschaltet hast, kannst du dir sicher sein, dass sich nichts Schädliches in dein Leben mischt. Dass du nicht abhängig davon bist, was auf dich zukommt, egal ob positiv oder negativ. Also stehe ich im Dilemma der beschädigenden Verarmung des Lebens durch Kontrollzwang oder der Beschädigung durch leichtgläubige Nachlässigkeit.

Oder gibt es dieses Dilemma nicht wirklich - entsteht der Zwiespalt nicht eher aus einer Selbstüberschätzung des planenden Ichs, welches sich auch dort für zuständig hält, wo in Wahrheit die Automatismen von Gewohnheit und Konditionierung greifen? Automatismen, die es möglich machen, dass wir beruhigt dem Gang der Dinge vertrauen können, erst wieder alarmiert und aufgeschreckt, wenn etwas offensichtlich schiefläuft und der Kapitän wieder ans Ruder muss. Wobei, um in der Metapher zu bleiben, für manche Neurowissenschaftler dieser Akteur eher ein blinder Passagier ist, der sich für den Kapitän hält, während hinter den Kulissen ganz andere Kräfte den Ozeanriesen steuern. So pessimistisch in Bezug auf meine Rolle im Leben will ich nun nicht sein, doch ist unbestreitbar, dass das sich als Selbst erlebende Bewusstsein zu viel von dem außer Acht lässt, was ebenso (oder noch mehr) bestimmend für seine Existenz ist, wie das bewusst Herbeigeführte. So bin ich weder der Maschinist auf diesem imaginierten Ozeanliner, noch das Küchenpersonal, noch irgendwer der fleißigen Akteure unter Deck, und auch die Mehrzahl der Passagiere bleiben mir verborgen, nur ab und zu kommt ein Gespräch beim Kapitänsdinner mit einzelnen zustande und es zeigt sich ein identifizierbares Gesicht.

Dieses Faktum braucht man dennoch nicht als panikmachendes Feld der Ungewissheit ansehen, es kann auch als Geschenk betrachtet werden, welches der eigene Körper und die soziale und weitere Umwelt dem darauf beruhenden Bewusstseinslicht machen. Als Geschenk des Gegebenen an uns, des Zugrundeliegenden, dem wir alles verdanken; des Grundlegenden, welches trägt, ohne in Erscheinung zu treten - oder nur in seltenen Momenten der Offenbarung. Unsere biologische Ausstattung (einschließlich unseres Gehirns) ist ein Beispiel dafür. Der soziale Beziehungsraum, in den wir hineingeboren wurden ein anderes. Ebenso der Geschichtsraum, die Koordinaten unseres Hier und Jetzt. Freilich stellt sich damit auch die Frage: Wieweit sind wir bloß Getriebene dieser Mächte, Automaten, geformt und abhängig von den Umständen? Was an uns ist autonom? Was halten wir wirklich in unseren Händen, wenn wir unser Leben in die eigenen Hände nehmen?

Schmetterlingsfrei

Rückzug ins Abseits, um der Freiheit willen - das scheint eine merkwürdige Strategie zu sein. Aber sie funktioniert, wenigstens bei Menschen wie mir - eine Zeitlang zumindest. Frei und unbehelligt sich selbst entfalten zu können - einem verpuppten Schmetterling ähnlich - ist ein selbsttragendes Gefühl, weitend und klärend. Doch irgendwann gerät das Ganze ins Stocken. Die Wärme fehlt.

Der Schmetterling hat die Sonne, hat sein Programm in sich. Ich bin kein Schmetterling. Mein Wärmequell ist ein anderer Mensch. Dieser lockt hervor, was keine Programmierung leistet. Der Schmetterling in mir entwickelt sich durch Angesprochen werden, durch Berührung, durch freundliche Augen. Durch den Tanz aller miteinander. Und schwebe ich eines Tages für jeden sichtbar mit meinen frei entfalteten Flügeln im Blickfeld der anderen, waren sie es, denen ich diese Gabe verdanke. Warum aber dann das Bedürfnis nach Abgrenzung von ihnen? Ich denke, es liegt daran, dass ich mir selbst bewusst sein will. Ich möchte nicht nur fliegen, sondern auch wissen, dass ich fliege. Somit sind wir wieder bei dem Wunsch nach Rückzug in das Getrennt sein angekommen. Dem Wunsch nach Frei sein. Auf mich selbst bezogen, fühle, erkenne ich mich selbst. Dem Sog der anderen entkommen. So wechsle ich hin und her, im Faltertanz flatternd.

Bäumeversteher

Ich bin ziemlich unerfahren im Bäumeverstehen. Das merke ich, betrachte ich bewundernd einen Baum vor mir. Wie ihm zu verstehen geben, dass ich seinen Wuchs, seine emporstrebende Lebenskraft, das Sprießen der jungen Blattspitzen, seine überreiche Blütenpracht und das strahlende Weiß seiner Blütenblätter hingerissen in mich aufnehme, er mir etwas gibt, was ich gerne dankbar erwidern möchte? Mit einem Kompliment an ihn vielleicht, mit dem Ausdruck meiner Bewunderung, mit einem Zeichen der Verbundenheit und Zuwendung - doch wie ihn erreichen, wie ihn ansprechen? Abgesehen davon, dass ich im Allgemeinen schon nicht sehr gut im Komplimente machen bin, kein guter Menschenversteher oder gar Frauenversteher bin, wie kann man sich an ein pflanzliches Wesen wenden? Ich verstehe zu wenig von Bäumen, um den Zugang zu ihnen zu kennen. Schade. Ich hätte mich gerne näher mit ihm unterhalten, auf eine Art, die nicht einseitig ist. Dazu müsste ich aber wohl ein etwas anderes Bewusstsein haben, mit anderen, erweiterten Mitteln des Austausches und der Verbindung. Ein weiter Weg dahin...

Fischzug

Ich sitze am Flussufer und werfe meine Angel aus, hoffe auf den Fisch. Jedoch an welchem Fluss, was als Angel, um was für einen Fisch geht es? In der Realität sitze ich doch in einer Lounge an einem Bistrotisch und kritzle mein Notizbuch voll. Und doch: mein Stift ist die Angel. Einen Gedankenfisch will ich fangen. Und der Fluss? Das ist freilich ein noch offenes Geheimnis - aus welchen Wellen ziehe ich ihn, aus welchen Gewässern?

Es ist mir irgendwann bewusst geworden, dass ich nicht ganz so originell, so original bin, wie ich immer geglaubt habe und worauf ich meinte, stolz sein zu dürfen. Meins, meins! - Nicht so… Ich hatte mir etwas ausgedacht und musste dann erstaunt/beschämt feststellen, dass dies in einem mir bisher unbekannten Winkel der Welt Allgemeingut war. Freilich konnte ich auf diese Weise oft ein mir unbekanntes Neuland betreten, mir etwas Neues erschließen, aber es war doch ernüchternd zu entdecken, dass es dieses Land schon lange vor mir gab.

Und auch diese Erkenntnis, von mir aus meinen Erfahrungen extrahiert, ist schon lange im Umlauf, das, worauf sie hinweist, wird in unterschiedlichen Weltentwürfen unterschiedlich bezeichnet, man kennt es zum Beispiel als Akasha-Chronik, als morphisches- oder auch Informationsfeld. Das ist der Fluss, das Meer, in dem ich fische, und ab und zu zappelt etwas an meinem Haken.

Auch bemerke ich nun, dass viele Fischer unterwegs sind, zwar jeder an einer anderen Biegung des Flusses, doch alle am gleichen. Wir erzählen unterschiedliche Anglergeschichten, doch die Fische, die wir an Land ziehen, sind im Grunde dieselben: vielleicht von verschiedener Art, doch demselben Gewässer entnommen, denselben Lebensraum bevölkernd. Und von uns allen auf dieselbe Weise zu fangen.

Anglerbeute

Als Angler bin ich amateurhaft naiv unterwegs. Mit meiner selbstgebastelten Angel fische ich in Teichen, die von mir nicht angelegt wurden und in die andere Fischer Fische eingesetzt haben. Gedankenfische. Ich kenne nichts bis wenig von dem Leben im Fischteich, halte den von mir herausgezogenen Fisch für das Ergebnis meiner eigenen Fertigkeit und gebe ihm eine vereinfachte Form, die meinem Unwissen entspricht. Später finde ich ein Werk über Ichthyologie, mit altmodischen, aber wunderschönen Illustrationen der verschiedenen Fischarten. Da erst wird mir bewusst, was ich da an Land gezogen habe. Aber wie beschämen mich die detaillierten Abbildungen, die so viel mehr von meinem Gedankenfisch darstellen, im Vergleich zu meinen naiven Zeichnungen. Es gibt also wahrhaftig nichts Neues unter der Sonne. Ein Rätsel bleibt mir allerdings immer noch, wie diese Fische zu mir gekommen sind und auf welche Weise ich sie eingefangen habe...

Um die Anglermetapher zu verlassen: Ich habe bemerkt, dass es mir leichtfällt, aus einigen angerissenen Vorstellungen und Begriffen, ja sogar nur Worten, etwas Eigenes zu zimmern, herbei zu phantasieren könnte man sagen. Es genügt mir eine Andeutung, um mir meine eigene Auslegung zu liefern, die ich dann unbefangen weiter ausbaue, mit wenig Geduld, mich detailliert und tiefer mit dem Vorgefundenen zu befassen. Aber wenn ich dies, nach Jahren vielleicht, nachgeholt habe, fand ich zu meinem Erstaunen oft, dass ich Konzepte aufgegriffen und ausformuliert hatte, die hinter den verwendeten Worten und Begriffen lagen, von mir damals nicht bewusst wahrgenommen. Der Wortklang allein wirbelt Assoziationen in mir auf, die mich tief in das Gebiet hineinführen, das sich dabei erschließt. Eine Tür öffnet sich und ich betrete ein Gebiet, von dem ich glaube, es ist das Reich meiner Phantasie, während es doch das Gebiet vernetzten Wissens ist. Gibt es das also doch, dass Konzepte und Ideen frei flutend in einem geistigen Ozean existieren, zu dem ich in meinem Innern Zugang habe?

Wellengekräusel

D