Eltern führen besser! - Sabine Hanke - E-Book

Eltern führen besser! E-Book

Sabine Hanke

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Beschreibung

Elternsein – das beste Leadership Training der Welt! Eltern? Sind das nicht diese unausgeschlafenen KollegInnen, die Punkt 17 Uhr ihren Stift fallen lassen, dauernd wegen "Kind-krank" fehlen und meistens nur in Teilzeit arbeiten? Eltern, vor allem Mütter, fallen den meisten nicht gerade als Erstes ein, wenn es darum geht, Führungspositionen zu besetzen. Im Gegenteil, Mütter sehen sich im Job oft sogar eher Vorurteilen ausgesetzt, die ihre Karriere behindern. Dabei sind ausgezeichnet Mütter und Väter diejenigen Arbeitnehmer:innen, die jeden Tag durch das wohlhärteste Leadership Training der Welt gehen. Nicht nur, dass sie rund um die Uhr managen, organisieren und unter sich verändernden Bedingungen Entscheidungen treffen. Sie entwickeln und trainieren auch tagtäglich weitere essenzielle Leadership Skills wie - mit Klarheit und Geduld kommunizieren - Bedürfnisse hinter Blockadeverhalten identifizieren - Konflikte lösen - Ziele und Grenzen setzen - Menschen fordern und fördern - gemeinsame Rituale schaffen - und die eigene Resilienz und Achtsamkeit steigernKurz: Sie, liebe Eltern, sind natürliche Leadership-Expert:innen, wie sie Unternehmen gerade in Zeiten des Fach- und Führungskräftemangels immer dringender brauchen. Bauen Sie mit diesem Buch Ihre Leadership- und Parenting Skills weiter aus und erfahren Sie, wie eine Führungsposition und die Elternrolle auf Dauer praktisch miteinander vereinbar sein können.

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Seitenzahl: 259

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Sabine Hanke

ELTERNFÜHREN BESSER!

7 Skillsets, die aus Müttern und Vätern TOP-FÜHRUNGSKRÄFTE machen

Externe Links wurden bis zum Zeitpunkt der Drucklegung des Buches geprüft.

Auf etwaige Änderungen zu einem späteren Zeitpunkt hat der Verlag keinen Einfluss.

Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

Ein Hinweis zu gendergerechter Sprache: Die Entscheidung, in welcher Form alle Geschlechter angesprochen werden, obliegt den jeweiligen Verfassenden.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN Buchausgabe: 978-3-96739-231-9

ISBN ePUB: 978-3-96740-479-1

Lektorat: Dr. Michael Madel, Ruppichteroth

Umschlaggestaltung: Martin Zech, Bremen

Autorenfoto: Sabine Hanke

www.buch-herstellungsbuero.de

©2025 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

Das E-Book basiert auf dem 2025 erschienenen Buchtitel “Eltern führen besser! – 7 Skillsets, die aus Müttern und Vätern Top-Führungskräfte machen” von Sabine Hanke.

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags. Der Verlag behält sich das Text- und Data-Mining nach § 44b UrhG vor, was hiermit Dritten ohne Zustimmung des Verlages untersagt ist.

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Inhalt

Einleitung: Elternschaft und Führungsverantwortung schließen sich nicht aus

Wie, ausgerechnet Eltern sollen in Führungspositionen?!

Moment mal, Angestellte sind doch keine Kinder!

Sowohl die Führungs- als auch die Elternrolle befinden sich im Wandel

Wir sprechen von Management UND Leadership

Skillset 1: Sich selbst führen, bevor man andere führt

Verantwortung übernehmen

Integrität als Vorbild vorleben

Emotionen kontrollieren

Grenzen setzen

Skillset 2: Einen konstruktiven Rahmen schaffen

Ziele, Werte und Erwartungen

Ein gesundes Maß an Regeln

Prozesse fair gestalten

Sicherheit, auch in Krisen

Skillset 3: Abläufe organisieren und Prozesse optimieren

Organisieren im Daily Business

Entscheidungen treffen am laufenden Band

Prozesse hinterfragen und optimieren

Co-Leadership erfolgreich anwenden

Skillset 4: Kommunizieren wie ein Leader

Offenheit und Ehrlichkeit

Bedürfnisse erkennen

Wir sind keine Kumpel

Ehrliches, wertschätzendes Feedback geben

Skillset 5: Fürsorge zeigen und Teambuilding beachten

Für jede:n einzelne:n Zeit nehmen

Psychologische Sicherheit fördern

Konflikte angehen, nicht aussitzen

Inseln schaffen und Erfolge feiern

Skillset 6: Menschen in ihrer Entwicklung begleiten

Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht

Was Menschen motiviert

Motivation durch Sinnstiftung: Die Frage nach dem Wozu beantworten

Menschen durch Autonomie entwickeln

Skillset 7: Menschen achten und respektieren

Menschen sind kein Mittel zum Zweck

Individualität akzeptieren

Die Wunde durch echtes Interesse schließen

Loyalität durch Menschlichkeit

Die Learnings: Elternrolle und Führungsrolle ergänzen sich auf vielen Ebenen

Die Frage nach dem Erziehungsstil

Männer, stürzt euch auf die Kindererziehung!

Eltern sind tolle Führungskräfte – wenn wir sie lassen

Elternschaft als Stärke, nicht als Handicap

Literatur- und Quellenverzeichnis

Über die Autorin

Einleitung: Elternschaft und Führungsverantwortung schließen sich nicht aus

Ein Mann von etwa fünfunddreißig Jahren sitzt an einem Schreibtisch in einem Großraumbüro. Er trägt Anzug, Hemd und Krawatte. Ihm schräg gegenüber auf einem Stuhl sitzt eine Frau im Business-Casual-Look. Im Hintergrund hört man die typischen Bürogeräusche. Spätestens beim ersten Satz erkennen wir den Mann als Interviewer, vermutlich einen Manager des Unternehmens, und identifizieren die Frau als Bewerberin.

Der Mann wirft einen Blick auf den Lebenslauf der Bewerberin. »Ihr Beruf?«, fragt er mit leicht gelangweiltem Unterton. »Oder sind Sie nur …?« Als Betrachterin ergänze ich im Geiste das Wort »Hausfrau«. Doch er führt den Satz nicht zu Ende, sondern mustert die Bewerberin nur abschätzig von oben bis unten. »Ich«, startet die Frau, hebt das Kinn und schaut flüchtig zur Seite, »arbeite in der Kommunikationsbranche. Und im Organisationsmanagement. Außerdem gehören Nachwuchsförderung und Mitarbeitermotivation zu meinen Aufgaben.« Während die Frau berichtet, bekommt der Betrachter Szenen ihres Alltags eingeblendet: Wir sehen, wie sie für eine Party zu Hause das Essen zubereitet, wir sehen sie staubsaugen und mit Kindern basteln, wir sehen sie bügeln und gleichzeitig den Streit zweier Kinder schlichten, wir sehen sie mit der Familie gemeinsam lachen. »Oder kurz«, fasst die Frau am Schluss mit einem selbstbewussten kleinen Lächeln zusammen, »ich führe ein sehr erfolgreiches kleines Familienunternehmen.«

Das ist der Werbespot eines Herstellers für Haushaltsgeräte aus dem Jahr 2006. »Ideen für die Familien-Managerin«, heißt es im Abspann der Werbung (Vorwerk 2006).

Als ich in jungen Jahren den gerade beschriebenen Werbespot sah, brachte er mich zum Schmunzeln. Nicht schlecht, dachte ich, wie diese gewiefte, schlagfertige Frau diesem Mann in Grau Paroli bietet, der sich ihr so erkennbar überlegen fühlt. Frisch und frech, dachte ich, dass man seine Tätigkeiten als Hausfrau einfach als etwas verkauft, das im Businesskontext zählt. Wie gut, dass der Mann in dem Moment nicht weiß, wovon die Frau wirklich spricht. Denn sonst wäre klar, dass sie hier gerade nur sehr dick aufträgt. In der Businesswelt, da geht es schließlich um Entscheidungen von Tragweite. Das ist ernst, das ist wichtig. Daheim im Haushalt dagegen, da geht es um … na ja, um Pillepalle.

Inzwischen bin ich selbst Mutter und seit mehr als zehn Jahren Führungskraft – zuerst ohne Kind und später mit. Ich habe in meinem Fokusbereich Human Resources Führungskräfte betreut und dabei einige Einsichten in das Thema »Mitarbeiterführung« gewinnen können. Und ich sehe in wenig anderen Themen so viel Potenzial für Unternehmen wie beim Thema »Leadership«. Die Businesswelt braucht dringend gute Führungskräfte, und glaubt man Studien, dann gibt es immer weniger Arbeitskräfte, die diese Rolle anstreben.

Gleichzeitig fallen einem nicht gerade als Erstes Eltern ein, wenn es darum geht, Top-Führungskräfte zu benennen. Übermüdet, ständig auf dem Sprung in die Kita, dauernd kindkrank, und wenn wichtige Events anstehen, müssen sie Elternabende und Sommerfeste besuchen oder Kindergeburtstage organisieren.

Aus meiner Sicht ist es jedoch höchste Zeit, anzuerkennen, wie viel in der Kindererziehung durch Mütter und Väter wirklich geleistet wird. Und zwar oft rund um die Uhr und weit entfernt von Pillepalle. Eltern tun nicht weniger, als die Generation von morgen auf diese Welt vorzubereiten. Es ist Zeit, vorurteilsfrei auf die Skills zu blicken, die Mütter und Väter dabei Tag für Tag trainieren, und zu honorieren, dass diese Skills oftmals wichtige Anforderungen abdecken, die an verantwortungsvolle Rollen in einem Unternehmen gestellt werden.

Dies gemeinsam mit Ihnen zu tun, ist für mich eine Herzensangelegenheit. Meine persönliche Einschätzung ist, dass wir die beiden Welten, die Businesswelt und die private Welt, zu sehr trennen.

Zu oft noch gilt die eine Welt als tough und bedeutend, während die andere im Bereich der Freizeit, der Nicht-Arbeit und damit (aus Unwissenheit und Unerfahrenheit) im Bereich der Bedeutungslosigkeit angesiedelt wird. So aber wird die private Welt herabgesetzt und ihrer wichtigen Bedeutung beraubt.

In diesem einführenden Kapitel möchte ich nicht nur auf den scheinbaren Gegensatz zwischen Elternschaft und der Übernahme einer verantwortungsvollen Position im Unternehmen eingehen. Wenn Sie bereits Kinder haben und in einer Führungsrolle sind, werden Sie mir vielleicht beipflichten, dass beide Rollen sehr gut voneinander profitieren können. Sind Sie Führungskraft und überlegen, ob Sie Kinder bekommen sollten – oder falls Sie umgekehrt als Mutter oder Vater mit einer Führungsposition liebäugeln –, dann werden Sie das Kapitel vielleicht ganz besonders aufmerksam lesen.

Zudem werde ich in diesem Kapitel auf einen Einwand eingehen, den ich immer wieder höre: dass das Verhältnis zwischen Eltern und ihren Kindern mit dem zwischen einer Führungskraft und ihrem Team nicht vergleichbar sei und sich deshalb jegliche Andeutung einer Parallelität verbietet. Des Weiteren möchte ich auf den Veränderungsprozess eingehen, in dem sich beide Rollen befinden. Schließlich macht es einen Unterschied, welches Bild eines Managers, eines Vaters oder einer Mutter Sie beim Lesen im Kopf haben. Wichtig ist mir auch, zu betonen, dass ich in diesem Buch nicht nur von klassischen Managementaufgaben sprechen werde, sondern vor allen Dingen durch die Elternschaft Leadership-Skills entwickelt werden.

Aber nun lassen Sie uns beginnen.

Wie, ausgerechnet Eltern sollen in Führungspositionen?!

Sind Sie schon einmal über eine Stellenanzeige gestolpert, in der für eine Director-Position vorzugsweise Mütter oder Väter gesucht wurden? Ich weiß auch von keinem Headhunter-Briefing, in dem die Geschäftsführung dem oder der Personalberater:in mitgibt: »Unser:e Kandidat:in soll jemand sein, der / die Verantwortung kennt, sehr gut Menschen entwickeln kann und auch keine Konflikte scheut. Mit anderen Worten, wir suchen jemanden, der bereits Kinder großgezogen hat.«

Nein, im Gegenteil. Gerade Frauen droht oft der Karriereknick, wenn sie Kinder bekommen. Denn dann scheiden sie als Führungskräfte aus. »Na, die hat ja jetzt erstmal andere Prioritäten«, heißt es dann oder: »Jetzt konzentrier dich erstmal auf deine Mutterrolle, mal gucken, ob du dann überhaupt wiederkommen willst, und mit welcher Verantwortung.«

Wie nur kann es immer noch zu solchen Äußerungen kommen? Gerade bei uns in Deutschland haben wir über Jahrzehnte ein bestimmtes Mutterbild kultiviert. Eine Mutter hat sich auf die Familie als ihren Hauptjob zu konzentrieren. Sie sieht ihre Erfüllung in der Care-Arbeit, in der Aufopferung für andere. Dazu passt schlecht, eine Karriere zu verfolgen. Und rechnet man dann auch noch die oft mangelhafte Situation der Fremdbetreuung dazu, bleibt es oft an der Frau hängen, auf ihre Karriere zu verzichten, um die Betreuung des Nachwuchses zu gewährleisten.

Diese Bilder sind tief in uns verankert, und zwar sowohl bei Frauen als auch bei Männern. Kein Wunder, dass es so schwer ist, diese unhinterfragten Rollenannahmen zu durchbrechen. In vielen Unternehmen sitzen auf der Entscheiderebene entweder Männer, denen zu Hause eine Frau weitgehend den Rücken freihält, oder Frauen ohne Kinder. Beiden Gruppen ist es nicht übelzunehmen, dass sie kaum Einsicht haben in die täglichen Herausforderungen, denen sich Mütter – oder aber Väter, die sich aktiv in die Care-Arbeit einbringen – stellen müssen.

Entsprechend festigen sich oft die Stereotype: Frauen wollen nicht führen! Frauen können nicht führen, sonst würde man doch auch mehr Frauen sehen, die aktiv ihre Karriere verfolgen!

Dass der Karriereweg für berufstätige Mütter immer noch mehr als steinig ist, kann von anderen Gruppen nicht nachempfunden werden.

Die haben doch ihren Schwerpunkt woanders!

Um eine Führungsrolle einzunehmen, so lautet oft die Annahme, braucht es die uneingeschränkte zeitliche Verfügbarkeit und Flexibilität der Stelleninhaber:innen. Es scheiden also nicht nur Mütter aus. Nein, mehr und mehr scheiden auch Väter aus, die sich – einem modernen Vaterbild folgend – auch in die Kinderbetreuung einbringen wollen. Oder die vielleicht alleinerziehend sind. Mithin Väter, die nicht bereit sind, für ihre Karriere auf die wertvolle Zeit mit ihren Kindern zu verzichten. Oft heißt es dann: »Willst du Karriere bei uns machen? Dann ist mein Tipp, lass das mit der Elternzeit. Du verpasst zu viel und hast den Stempel schnell weg, dass dich der Job nicht mehr interessiert.« Oder: »Mit unserem Bild einer Führungskraft passt das nicht zusammen, wenn jemand um fünf Uhr regelmäßig sein Kind abholen muss. Kann das nicht deine Frau übernehmen?«

Dem liegt offenbar die Auffassung zugrunde, dass Kindererziehung und Berufsleben wenig bis gar nichts miteinander zu tun haben, ja, in gewisser Weise sogar Gegensätze darstellen. Man bringt Zeit auf für das Privatleben oder für das Berufsleben. Man entscheidet sich für das aktive Vatersein oder für die Karriere.

Genau dieses Bild möchte ich mit meinem Buch aufbrechen. Immer noch wird die Eignung für eine Führungsrolle oft an der Zeit gemessen, die jemand für den Führungs-Job aufbringen kann. Eine große Präsenz am Arbeitsplatz und eine durchgängige Erreichbarkeit scheinen für viele Unternehmen entscheidende Checkboxen – also Auswahlkriterien – zu sein, wenn es darum geht, ob jemand Manager:in werden kann oder nicht.

So nachvollziehbar diese Sichtweise zu sein scheint – mir fehlt hier der Blick auf die QUALITATIVE Eignung zur Führungskraft. Denn wenn ich Mitarbeiterin bin, dann hätte ich – Entschuldigung! – gerne die bestgeeignete Führungskraft, die im Unternehmen zu bekommen ist. Ich möchte gefördert werden, ich möchte verstanden und auch herausgefordert werden, sodass ich mich entwickeln und dazulernen kann. Ich möchte jemanden mit exzellenter Kommunikation und hoher Empathie, jemanden der organisiert ist und mir in jeder Hinsicht als Vorbild dienen kann.

Dauernd verfügbar muss dieser Jemand für mich nicht sein. Viel wichtiger ist mir, dass der- oder diejenige den Job gut macht und der Führungsaufgabe nicht aus dem Weg geht.

Und genau hierzu stelle ich fest:

Eltern sind trainiert in vielen Dingen, die gute Führungskräfte ausmachen und brauchen.

Ach, und Nicht-Eltern können nicht führen, oder was?

Natürlich ist mir bewusst, dass Elternschaft nicht immer geplant ist. Genauso, wie es Menschen gibt, die eigentlich keine Kinder wollen und am Schluss doch welche haben, gibt es umgekehrt Menschen, die sich Kinder durchaus wünschen, aber aus den unterschiedlichsten Gründen keine bekommen.

Ebenso gibt es Menschen, die sich bewusst gegen Kinder entscheiden, ob mit Partner:in oder ohne. Halte ich also Menschen, die aus den verschiedensten Gründen keine Kinder bekommen haben, nun für schlechte (potenzielle) Führungskräfte? Nein, natürlich nicht. Alles, was ich sage, ist:

Die Elternschaft ist das wohl härteste Leadership-Training, das wir uns vorstellen können.

Warum? Weil die »Teammitglieder«, mit denen wir als Eltern zu tun haben, brüsk sind, laut, impulsiv und spontan. Weil sie durch schwierige Entwicklungen wie die Trotz- oder Autonomiephase gehen, die uns Eltern besonders viel Reflexion abverlangen. Weil sie kein Blatt vor den Mund und keinerlei Rücksicht nehmen. Weil sie keine Angst vor einer Kündigung haben. Und weil sie uns mit immer neuen Ideen und schier endloser Ausdauer ständig auf Trab halten.

Elternschaft ist deshalb ein so hartes Leadership-Training, weil Kinder gnadenlos ehrlich und offen in ihrem Feedback sind. Während sich eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter im Job vielleicht noch zurückhält, sodass wir uns als Chefin oder Chef einreden können, wir würden gar keinen so schlechten Job machen, spiegeln die eigenen Kinder ohne Rücksicht auf Verluste oder Befindlichkeiten alles zurück, was wir als Elternteil machen: Wir sprechen ein Verbot aus – es folgt ein Wutanfall. Wir verwenden eine Ausrede – das Kind konfrontiert uns damit. Wir schenken dem Kind nur die halbe Aufmerksamkeit – es macht Unfug, um die ganze Aufmerksamkeit zu bekommen. Wir erinnern an eine umstrittene Regel – und ernten ein »Du bist die allerblödste Mama auf der Welt!« und ein Türknallen. Und genau durch dieses knallharte, unmittelbare Feedback lernen wir dazu und entwickeln uns enorm weiter.

Hinzu kommt: Wir erfahren als Elternteil viel über die Psychologie des Menschen, weil Kinder bezüglich ihrer Emotionen wie ein offenes Buch sind und uns an ihrer Gefühlswelt teilhaben lassen. Jeder Frust, jede Freude, jeder Stolz, jede Trauer ist sofort und unmittelbar spürbar.

Als meine Tochter auf die Welt kam, las ich zum ersten Mal erziehungswissenschaftliche Ratgeber. Zu dem Zeitpunkt arbeitete ich seit etwa 15 Jahren im Personalbereich, beschäftigte mich also im Wesentlichen mit Menschen. Damit, was Menschen motiviert, wie Menschen im Team funktionieren, wie Menschen lernen, wie man mit Kommunikation Menschen erreicht. Und beim Lesen der Erziehungsratgeber merkte ich, dass ich aus fast jedem gelesenen Satz Rückschlüsse auf meinen Job ziehen konnte.

Hand aufs Herz: Natürlich möchte ich mit meinem Buchtitel »Eltern führen besser!« auch provozieren. Gerade, WEIL vor allem Mütter im Job gerne übergangen werden und oft auch selbst nicht an sich glauben. Und auch, WEIL modernen Vätern, die der Familie wegen in Teilzeit arbeiten wollen, Elternzeit nehmen und tagsüber private Termine wahrnehmen, oft noch suggeriert wird, dass sie sich genau damit ihre Karriere verbauen.

Hier möchte ich ein Gegengewicht setzen und zeigen, dass Mütter und auch Väter, soweit sie sich der Erziehungsaufgabe stellen, über Jahre hinweg an jedem einzelnen Tag ein besseres Führungskräfte-Training durchlaufen, als man es je konzipieren könnte.

Bevor es weitergeht, möchte ich Sie bitten, sich mit dem Gelesenen zu beschäftigen und es auf Ihre Situation zu beziehen. Dazu stelle ich Ihnen Reflexionsfragen – und zwar nicht nur an dieser Stelle des Buches, ich werde Sie immer wieder dazu auffordern. Mein Vorschlag dazu: Schaffen Sie sich ein Notizbuch an, in dem Sie die Reflexionsfragen beantworten. Das Notizbuch begleitet Sie während der gesamten Lektüre. Und vielleicht entschließen Sie sich dann, in die Diskussion einzusteigen.

Nehmen Sie sich Zeit zur Selbstreflexion

In welchem Kontext wird in Ihrem Unternehmen über die Elternschaft gesprochen? Gilt sie als etwas Positives, das zur Führung befähigt? Oder eher als etwas, das der Karriere im Wege steht?

Moment mal, Angestellte sind doch keine Kinder!

Ich höre schon Ihren Einwand: »Ist ja alles schön und gut. Man könnte Eltern schon mehr wertschätzen im Job, verstanden. Aber deswegen kann man doch noch lange nicht Eltern und Führungskräfte miteinander vergleichen! Die Rollen sind doch völlig unterschiedlich. Und Mitarbeitende sind ja auch keine Kinder, sondern mündige Menschen, die ihre eigenen Entscheidungen treffen können und selbstständig ihr Leben meistern. Soll man die jetzt etwa wie Kinder behandeln?«

Wenn ich solche Einwände höre, ist mein allererster Impuls, zurückzufragen, welche Vorstellungen von Kindererziehung solchen Fragen zugrunde liegen. Denn zum Teil klingen sie für mich, als würden Kinder als unmündige kleine Wesen gesehen, denen man ihre Unterlegenheit jederzeit widerspiegeln darf, während man nur erwachsene Menschen mit Respekt behandeln sollte.

Dennoch danke ich Ihnen für diesen Einwand. Denn Sie haben recht: Es gibt zahlreiche Unterschiede zwischen der Konstellation Eltern / Kind auf der einen und Führungskraft / Mitarbeiter:in auf der anderen Seite. Lassen Sie uns einige der Unterschiede näher betrachten: Vor allem, wenn das Kind klein ist, ist es unselbstständig. Seine kognitiven, sozialen, emotionalen und motorischen Fähigkeiten entwickeln sich erst sukzessive. Das Kleinkind hat noch kein Gespür für Gefahren, es kennt weder Normen noch Werte der Gesellschaft. Es hat zu den meisten Dingen, die ihm begegnen, noch keinen Bezug.

Kurz: Ein Kind ist in fast jeder Hinsicht darauf angewiesen, dass ein Erwachsener oder mehrere Erwachsene es in ihre Obhut nehmen, ihm Fürsorge und Schutz bieten und die Verantwortung für sein Leib und Leben übernehmen – auch in gesetzlicher Hinsicht. Die Eltern nehmen einen Erziehungsauftrag an und haben laut Gesetz die Verpflichtung, sich um das Kind zu kümmern. So steht es im Bürgerlichen Gesetzbuch, das in Paragraph 1626 Grundsätze zur »Elterlichen Fürsorge« beschreibt.

Ein:e Mitarbeiter:in dagegen agiert weitestgehend eigenständig. Nicht selten verfügt er oder sie über eine größere Fachkompetenz oder über eine längere Berufserfahrung als die Führungskraft selbst. Die Rollen und Verantwortungsbereiche von Mitarbeiter:in und Führungskraft können sich theoretisch im Laufe der Zeit umkehren.

Was beide Konstellationen doch wieder eint, ist die ungleiche Machtverteilung.

Wie beschrieben, sind Kinder, vor allem Kleinkinder, in jeder Hinsicht von uns abhängig. Und auch größere Kinder sind formal noch abhängig von ihren Eltern.

Mitarbeitende wiederum unterliegen dem Weisungsrecht des Arbeitgebers. Die Führungskraft darf also grundsätzlich bestimmen, was wann und wo von einem Mitarbeitenden getan wird. Natürlich gibt es Einschränkungen. Sie darf zum Beispiel keine Aufgaben zuweisen, die deutlich unter der Qualifikation etwa eines Mitarbeiters liegen, ihn etwa das Büro reinigen lassen, wenn er als Projektmanager eingestellt wurde. Und doch sind sich viele Mitarbeitende bewusst, dass ein:e Vorgesetzte:r zu jeder Zeit eine Abmahnung oder Kündigung aussprechen kann oder zumindest Einfluss auf die Karriere oder Nicht-Karriere ausüben kann.

Hinzu kommt: Führungskräfte beeinflussen die Ausrichtung und die Strategie ihrer Abteilung wesentlich. Sie formen die Kultur eines Unternehmens maßgeblich, haben Einfluss auf die Entwicklung oder Nicht-Entwicklung von Talenten in ihrem Bereich, und darauf, ob das Team morgens gern zur Arbeit geht oder nicht.

Mitarbeitende verlassen das Unternehmen oft wegen der Führungskraft. Regelmäßig veröffentlicht das Gallup-Institut Daten zur Mitarbeitermotivation und -bindung. In der jüngsten Studie konstatiert Gallup eine Wechselbereitschaft der Arbeitnehmenden auf Rekordhoch, denn 45 Prozent der Mitarbeiterschaft sind wechselwillig. Gleichzeitig stellt das Institut einen Zusammenhang zum Thema »Führung« her: Nur vierzehn Prozent der Befragten erleben nach eigener Aussage gute Führung im Unternehmen. Als effektivsten Hebel, den ein Unternehmen nutzen kann, um Mitarbeitende zu motivieren und zu binden, nennt Gallup gute Führungskräfte: »69 Prozent derjenigen, die aufgrund der erlebten Führung eine hohe emotionale Bindung zu ihrem Arbeitgeber aufweisen, sind nicht auf Jobsuche. Bei denen, die innerlich bereits gekündigt haben, sinkt dieser Wert auf 33 Prozent.« (Gallup 2024, S. 6)

Die Bedeutung, die die Elternrolle hat, muss ich an dieser Stelle wahrscheinlich gar nicht erst aufzeigen. Natürlich haben Eltern einen großen Einfluss darauf, wie ein Kind lebt und unter welchen Lebensumständen es aufwächst. Ob es ein ausgeprägtes Selbstwertgefühl entwickelt oder nicht, mental stark ist, konstruktiv zu kommunizieren lernt, welche Einstellung zum Leben es entfaltet. Eltern sind DIE Bezugspersonen schlechthin für ihre Kinder. Aus der Bedeutung der beiden Rollen resultiert für mich eine weitere Gemeinsamkeit:

Auf beide Aufgaben, Elternschaft und Führung, werden wir aus meiner Sicht unzureichend vorbereitet – vielleicht, weil beide Rollen immer noch häufig unterschätzt werden.

Beide könne man ja quasi nebenbei erledigen, so die landläufige Meinung. Na gut, je nach Studiengang oder Ausbildung nimmt man mitunter führungsrelevante Themen durch. Und ja, es gibt Seminare, auf die man, wenn man Glück hat, einmal pro Jahr oder zu Beginn einer Führungstätigkeit im Unternehmen geschickt wird. Und wahrscheinlich nehmen, bevor ein Kind auf die Welt kommt, Eltern an einem Geburtsvorbereitungskurs teil und vielleicht an einem Säuglingspflegekurs. Es geht dabei um das Verhalten während der Geburt, um die Ausstattung für das Neugeborene und darum, wann man mit dem Baby zum Arzt gehen sollte.

Aber ist das wirklich schon ausreichend? Nehmen wir nur mal an, es gäbe für beide Rollen eine Art Führerschein oder zumindest eine formale Zusatzausbildung. Eine Abschlussprüfung, die aus einem theoretischen und einem praktischen Teil besteht. Dazu standardmäßig ein regelmäßiges Coaching. Wäre das der Wichtigkeit der beiden Aufgaben nicht angemessener? Zum einen, weil wir uns in beiden Rollen stetig verbessern können. Und zum anderen, weil beide Rollen von großer Bedeutung sind und Fehler, die wir als Eltern oder als Führungskräfte machen, nachhaltige Auswirkungen auf andere nach sich ziehen können.

In beiden Rollen kann und muss man das notwendige Handwerk erst erlernen, es braucht dafür Übung.

Wie oft höre ich Sätze wie: »Beim zweiten Kind habe ich vieles anders gemacht.« Oder: »Würde ich jetzt nochmal ein Kind bekommen, würde ich die Aufgabe ganz anders angehen.« Ähnlich ist es in der Führung. Wenn ich an meine allererste Rolle als Führungskraft denke, komme ich zu dem Ergebnis: Ich würde so gut wie alles anders machen.

Und noch eine Gemeinsamkeit sehe ich: In beiden Rollen müssen wir Erwartungen in zwei Richtungen managen. Als Führungskräfte sind wir in der berühmten Sandwich-Position: Über uns sitzt die Geschäftsführung (oder weitere Führungsebenen dazwischen), die oftmals auch die Interessen von Investor:innen und Kund:innen noch mehr priorisiert. Und unter uns im Organigramm sitzen die eigenen Mitarbeitenden. Was immer wir tun, wir versuchen jedes Mal, beide Seiten zufriedenzustellen. Als Eltern unterstellt man uns oft, dass die Interessen der Kinder für uns am wichtigsten sind. Doch Teil unserer Rolle ist es, die Kinder auf die Erwartungen der Gesellschaft vorzubereiten. Die Gesellschaft wird zudem zu unterschiedlichen Zeitpunkten durch verschiedene Institutionen repräsentiert – den Kindergarten mit den anderen Kindern, die nicht gehauen, geschubst oder beschimpft werden wollen. Die Schule, die Benehmen, Einhalten der Regeln und Anstrengung für gute Noten erwartet. Wir bringen unseren Kindern den Unterschied zwischen »richtig« und »falsch« bei, sodass sie weder mit dem Gesetz in Konflikt geraten noch bei anderen Menschen anecken.

Alles in allem ist das Verhältnis zwischen Eltern und Kind anders als das zwischen Führungskraft und Mitarbeiter:in. Gemeinsamkeiten jedoch gibt es, und vor allem sind die Skills, die wir dabei entwickeln und trainieren, sehr ähnlich. Wenn Sie durch die Erziehung Ihres Kindes gelernt haben, mit einem Menschen so zu kommunizieren, dass Sie sich nicht nur verständlich machen, sondern auch die Beziehung, die auf Vertrauen und Augenhöhe beruht, zu stärken, dann ist das eine Kompetenz, die auch für Ihre Rolle als Führungskraft unglaublich wertvoll ist. Genau um diese Skills, die Eltern im Laufe der Zeit erwerben, geht es in diesem Buch.

Nehmen Sie sich Zeit zur Selbstreflexion

Falls Sie selbst Mutter oder Vater sind: Nehmen Sie, seitdem Ihr (erstes) Kind auf der Welt ist, Ihre Führungsrolle anders wahr?

Sowohl die Führungs- als auch die Elternrolle befinden sich im Wandel

Führen können wir auf viele unterschiedliche Arten und Weisen, und auch Kinder können wir auf verschiedene Arten erziehen. Stellen Sie sich vor, wir reisen zurück in der Zeit. Sagen wir, ins Jahr 1958. Woran erkenne ich in einem beliebigen Unternehmen eine Führungskraft? Vielleicht an ihrem Einzelbüro, in dem sie zigarettenrauchend sitzt? Am Whiskey-Schrank? An der Sekretärin im Vorzimmer? Daran, dass sie Anweisungen gibt, kontrolliert, Mitarbeitende zu sich zitiert, auch mal laut wird? An den Statussymbolen?

Silke Sichart und Jörg Preußig (2022) beschreiben in ihrem Buch Agil führen die Entwicklung von der klassischen Führung, die wir bis in die 1970er-Jahre vorfanden, über die moderne Führung, deren Prinzipien bis etwa ins Jahr 2000 vorherrschten, bis zur agilen Führung, die seit etwa 2010 in Mode ist. Zurückzuführen ist dieser Wandel unter anderem darauf, dass das Umfeld, in dem Organisationen agieren, als zunehmend komplexer eingestuft wird. Wir gehen davon aus, dass unsere Welt VUCA ist. Dieses Akronym steht für Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity (Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit).

Das bedeutet: veränderte Anforderungen an Führungskräfte. Immer seltener wird es Führungskräften möglich sein, selbst die perfekte Antwort auf alles, was passiert, zu geben. Viel wichtiger ist es, die eigenen Teammitglieder zu befähigen, selbst Entscheidungen zu treffen. Von starrer Hierarchie geht man deshalb immer öfter zu Projektarbeit, interdisziplinären Teams und Selbstorganisation über. Die Führungskraft selbst wird zum Coach, zum Moderator, zum Facilitator. Statt Anweisungen zu geben, wird zunehmend die Einbindung der Mitarbeitenden wichtig. Vertrauen und Freiraum treten an die Stelle von Kontrolle.

Neue Rolle für die Führungskraft

Immer mehr gewinnt in diesem Kontext der transformationale Führungsstil an Bedeutung. Statt Leistung als das Tauschprodukt zu sehen, das eine Führungskraft von Mitarbeitenden erhält, wenn sie monetäre Anreize setzt, sieht sie sich als Inspiratorin. Sie vermittelt das große Ganze, den Sinn, den Zweck und neudeutsch den Purpose von Aufgaben und Abteilungen. Sie transportiert die Begeisterung für das Unternehmen und dessen Produkte und geht mit gutem Beispiel voran, wenn es um erwünschtes Verhalten geht. Sie setzt Vertrauen in ihre Mitarbeitenden und unterstützt sie auf ihrem Weg und in ihrem Wachstum.

Auch Servant Leadership wird immer bedeutsamer: Dabei konzentriert sich die Führungskraft darauf, zum Wohlergehen der Mitarbeitenden dienend beizutragen und dem Team zu motiviertem Arbeiten zu verhelfen. Hinzu kommt das Positive Leadership, bei dem sich die Führungskraft darauf fokussiert, Sinn und Zuversicht zu vermitteln und ihre Mitarbeitenden möglichst stark auch in Entscheidungsprozesse einzubeziehen.

Die Arbeitswelt erkennt immer mehr den Sinn von Transparenz und Einbeziehung der Mitarbeitenden, den Wert der Kontroverse für ein gutes Ergebnis und die Chance, die in Fehlern liegt, wenn es darum geht, Innovationen voranzutreiben.

Führung wird nicht mehr vornehmlich als eine Position wahrgenommen, die wir innehaben, sondern als eine Rolle, die wir bekleiden.

Entsprechend wandeln sich die Ansprüche, die wir an eine Führungskraft stellen. Immer seltener suchen wir den lauten, extravertierten Manager, der gerne im Mittelpunkt steht, aber sein Team links liegen lässt. Immer häufiger wählen wir die leisere Führungskraft, die zuhören kann, ihr Team in den Mittelpunkt stellt und es nachhaltig entwickeln will.

Oder wie Christoph Keese es beschreibt: »(…) Führungskräfte treten nicht mehr in den Vordergrund, sondern nehmen sich zurück. Sie erteilen kaum noch inhaltliche Vorgaben, sondern stellen die richtigen Fragen und betrauen Teams mit der Suche nach Antworten (…) Sie schützen keine Stärke vor, sondern zeigen Verletzlichkeit. (…) Sie befehlen nicht, sie hören zu.« (Keese 2017, S. 167)

Moderne Eltern erziehen anders

Vieles hat sich also getan in den letzten 100 Jahren, wenn es um Führung geht, und ein deutlich humanistischeres Menschenbild herrscht vor. Wie sieht es in der Erziehungswissenschaft aus?

Über Jahrhunderte galt Gehorsam als das Wichtigste, was Eltern ihrem Kind beibringen können, um es auf die Gesellschaft vorzubereiten. Doch auch hier überwiegen mittlerweile bedürfnis- und beziehungsorientierte Ansätze.

Wir wollen unerwünschtes Verhalten unseres Kindes nicht einfach abstellen, sondern wissen, was dahintersteckt. Wir wollen die so wichtige Bindung zum Kind festigen, statt durch die Ausübung von Macht und Autorität nur unsere Interessen durchzusetzen. Wir wollen unser Kind stärken, sodass es zu einem selbstbewussten Erwachsenen heranwächst, der sich und andere achtet und mit sich im Reinen ist. Kinder einzuschüchtern, um sie zum Gehorsam zu zwingen, würde vielleicht sogar kurzfristig funktionieren. Mittel- und langfristig jedoch könnte es Differenzen verstärken und Erwachsene hervorbringen, die überangepasst sind, ein geringes Selbstwertgefühl oder Schwierigkeiten mit ihren Emotionen haben oder Ängste entwickeln.

Hinter den moderneren Ansätzen steckt die Überzeugung, dass Kinder mit uns kooperieren wollen. Klappt das nicht, dann liegt es an uns Erwachsenen, die Gründe dafür herauszufinden. Wichtig in diesem Zusammenhang ist die auf Vertrauen beruhende Bindungsorientierung – wobei dies nicht meint, dass Eltern keine Grenzen setzen, keine Orientierung geben und ihren Kindern alles durchgehen lassen sollen. Im Gegenteil: Sowohl Orientierung als auch Grenzen sind für Kinder sehr wichtig.

Obwohl sich sowohl die Führungs- als auch die Elternrolle wandeln, treffen seit einigen Jahren Führungskräfte vom alten Schlag auf eine Generation, die von ihren Eltern bedürfnisorientiert und auf Augenhöhe erzogen wurde. In denen es nicht um Gehorsam ging, in denen Kinder keine Angst haben mussten. Die selbstbewusst auftreten und für ihre Bedürfnisse sowie den Wunsch einstehen, neben der Arbeit auch ein Privatleben zu haben, und die es gewohnt sind, Ideen unabhängig von Hierarchielevels umzusetzen.

»Kein Respekt« heißt es dann von Geschäftsführungsseite: Man fürchtet, dass die Autorität der Leitung nicht anerkannt wird. »Borniert und verstaubt« lautet das Urteil der jungen Mitarbeitenden zum Management, das oft noch gerne Stärke demonstriert, mit Informationen hinterm Berg hält und lieber anweist, statt zuzuhören.

Nehmen Sie sich Zeit zur Selbstreflexion

Falls Sie schon länger in Ihrem Unternehmen sind: Hat sich das Verständnis von Führung und davon, was eine gute Führungskraft ausmacht, im Laufe der Jahre verändert?

Wir sprechen von Management UND Leadership

Na ja, werden einige von Ihnen jetzt vielleicht sagen. Managen können Eltern vielleicht wirklich ganz gut – zwangsweise. Teilzeit-Mütter gelten bei uns im Unternehmen als sehr organisiert und als Meisterinnen im Priorisieren. Sie reißen keine Deadline, sie arbeiten effektiver als Vollzeitkräfte und bekommen in kurzer Zeit mehr gewuppt. Diese Sicht auf Teilzeit-Mütter kenne ich: Oft wird sie als innovative, tolerante Ansicht von einem meist männlichen Manager oder Mitarbeiter vorgetragen, und fast immer bezieht sie sich auf Mütter, die nicht in einer Führungsrolle tätig sind:

»Rita macht einen tollen Job. Wir hatten ja Bedenken, ob sie das als Mutter in Teilzeit alles wuppen kann, aber sie arbeitet dermaßen schnell und effektiv, dass nie etwas liegen bleibt.« Oder auch: »Mütter stehen halt auch nicht in der Kaffeeküche herum, sondern konzentrieren sich in ihren wenigen Stunden auf ihren Job und bekommen deshalb innerhalb der Deadline alles geschafft. Die müssen ja auch irgendwann wieder los und ihre Kleinen abholen.«

So sehr anzuerkennen ist, dass in diesen Statements ein Kompliment an diese Mütter steckt, so sehr irritieren sie gleichzeitig. Und das aus zwei Gründen.

Grund 1: Die Bedeutung informeller Kommunikation – auch für Mütter

In der Kaffeeküche zu stehen – oder andere Aktivitäten, die dem informellen Austausch dienen –, kommt nicht nur dem Unternehmen zugute, sondern auch den einzelnen Beteiligten. Informiert sein, Dinge auf dem kurzen Dienstweg klären, Meetings vorbesprechen, sodass vorab alle abgeholt und Befindlichkeiten ausgeräumt sind, nach dem Meeting konfliktäre Momente diskutieren: All das ist wichtig. Und auch mal über Persönliches zu sprechen, ist von Bedeutung, damit es am Arbeitsplatz auch menschelt und das Arbeiten im Team noch besser funktioniert. Nicht zuletzt kann das Netzwerken auch der eigenen Karriere dienen. Mütter also dafür zu loben, dass sie aus Zeitmangel von solchen Momenten ausgenommen sind und – Robotern ähnlich – an ihrem Platz sitzen und abarbeiten, ist ein problematischer Aspekt. Wäre ich betroffen, würde ich mir wünschen, dass meine Chefin auf mich aufmerksam wird, zu mir kommt und ungefähr das Folgende zu mir sagt: