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Mündliche Fehlerkorrektur ist ein emotionsauslösender Faktor, darüber besteht Konsens. Jedoch wurde bisher kaum erforscht, welche Emotionen durch mündliche Fehlerkorrektur ausgelöst werden und welche Faktoren damit zusammenhängen. Dies verwundert, denn Emotionen haben nicht zu unterschätzenden Einfluss auf Lernen und Leistung. Die Studie schließt diese Forschungslücke. Untersucht wurde das emotionale Erleben von über 450 Schüler:innen an Realschulen, Gesamtschulen und Gymnasien mittels eines mixed-methods-Forschungsdesigns bestehend aus einer quantitativ-qualitativen Fragebogenerhebung und Unterrichtsaudiographie. Die aus den Ergebnissen der Studie abgeleiteten Implikationen für die Praxis können zur Ausbildung eines emotional vorteilhaften Korrekturstils beitragen.
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Seitenzahl: 532
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Jennifer Wengler
Emotionales Erleben der mündlichen Fehlerkorrektur
Eine Einschätzung von Lernenden im Französischunterricht
DOI: https://doi.org/10.24053/9783823396239
© 2023 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KGDischingerweg 5 • D-72070 Tübingen
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Internet: www.narr.deeMail: [email protected]
ISSN 2197-6384
ISBN 978-3-8233-8623-0 (Print)
ISBN 978-3-8233-0497-5 (ePub)
(online auf https://files.narr.digital/9783823386230/Anhang.pdf)
Jeder Weg beginnt mit einer Idee und Menschen, die diese Idee unterstützen. Mein Weg führte mich, eher zufällig, nach Bochum: Ich hätte es nicht besser treffen können! Das Studium der Romanistik und Biologie an der Ruhr-Universität Bochum absolvierte ich in einem Umfeld, das interdisziplinärem Denken und großen Ideen Raum gibt. So wurde der Grundstein gelegt für alles Weitere, das noch kommen sollte.
In Prof. Dr. Lieselotte Steinbrügge am Romanischen Seminar der Ruhr-Universität fand ich eine großartige Mentorin, die bereit war, meine Ideen zu fördern. Lieselotte Steinbrügge möchte ich herzlichst danken. Für die Möglichkeit, dieses Projekt zu starten, ihren Glauben an mich und ihre wertvollen Ratschläge, die in besonderem Maße für meinen beruflichen Werdegang ausschlaggebend waren. Mes sincères remerciements !
Ich schätze mich mehr als glücklich, ebenfalls von einer Koryphäe der Fehlerkorrekturforschung betreut worden zu sein. Mein Dank gilt Prof. Dr. Karin Kleppin, von deren bemerkenswerter fachlicher Expertise ich sehr profitiert habe und die mir insbesondere den Einstieg in dieses empirische Forschungsprojekt erleichtert hat.
Nicht nur einmal spielte mir das Schicksal gut zu und so führte mich mein Weg schließlich zu Prof. Dr. Andrea Rössler an die Leibniz Universität Hannover. Auch Andrea Rössler möchte ich in aller Form danken. Sie war es, die meiner Arbeit einen universitären Rahmen bot, mich in besonderer Weise gefördert hat und mit mir diesen Weg zu Ende gegangen ist. Ich danke ihr von Herzen für ihre exzellente Betreuung und ihre berufliche und persönliche Unterstützung auf meinem Weg. ¡Muchísimas gracias!
Unterstützung durfte ich ebenfalls erfahren im Forschungskolloquium der ehemaligen Sprachlehrforschung an der Ruhr-Universität von Prof. Dr. Lena Heine, der ich wichtige Anregungen für die Ausgestaltung des verwendeten Fragebogens verdanke. Sehr fruchtbare Diskussionen eröffnete mir auch das Forschungskolloquium der Didaktik der romanischen Sprachen und der Didaktik des Englischen an der Leibniz Universität. Besonders bei Prof. Dr. Claus Gnutzmann möchte ich mich für seine wichtigen und richtigen Fragen hinsichtlich meines Projektes bedanken, aber auch bei all jenen Kolleginnen und Kollegen, die mir ebenfalls wertvolle Hinweise und Ratschläge angedeihen ließen, hierunter Prof. Dr. Gabriele Blell. Großen Dank für ihren engagierten und beherzten Einsatz für mich und meine Projekte schulde ich auch Maria Schneider. Et un très grand merci für stets die richtigen Worte zu gegebener Zeit verdient mein bester Freund Tobias Hirt.
Für die methodische Qualifizierung bin ich allen Beteiligten der Promotionsprogramme der Ruhr University Research School, der Professional School of Education der Ruhr-Universität und dem Graduiertenzentrum der TU Dortmund und Research Academy Ruhr sehr verbunden. Der Research School, der Professional School of Education, der Fakultät für Philologie der Ruhr-Universität und dem Deutschen Romanistenverband gilt mein Dank darüber hinaus für die materielle Förderung.
Ein besonderes Dankeschön geht an die engagierten Lehrerinnen, die mich diese Studie in ihrer Unterrichtszeit durchführen ließen und nicht zuletzt an die vielen motivierten Schüler*innen, die an der Erhebung teilgenommen und dieses Projekt erst möglich gemacht haben!
Et pour finir :
Zwei Menschen widme ich in größter Dankbarkeit diese Arbeit, denn sie haben mich unterstützt, lange bevor ich diesen Weg ging und werden mich stets weiter begleiten auf den Wegen, die noch kommen: Karin Wengler und Wolfgang Chmiel. Wollte ich alles aufzählen, was sie für mich getan haben, müsste ich ein weiteres Buch schreiben…
Jennifer Wengler
Die Verfasserin dieser Arbeit absolvierte einst ein Schulpraktikum. Sie, damals noch Studentin, hospitierte im Unterricht eines gestandenen Französischlehrers, ein ruhrdeutsches Urgestein. Eine Begebenheit in einer 9. Klasse sollte sich in ihr Gedächtnis einbrennen: Ein schlaksiger Teenager mit ganz offensichtlichen Ausspracheproblemen wurde, ohne aufgezeigt zu haben, aufgerufen. Er sollte eine Aufgabe aus dem Lehrbuch und seine korrespondierende Hausaufgabe vorlesen. Schon während der ersten Sätze aus dem Munde des Jungen begann der Lehrer schnalzende Geräusche zu machen und ihn zu unterbrechen, um die fehlerhaft ausgesprochenen Worte richtig zu wiederholen. Der Schüler wurde zunehmend unruhiger, begann zu stammeln und sich zu versprechen, was die Lehrkraft mit „Kind! Lies doch wat da steht!“ missmutig kommentierte. Der Junge versuchte es weiter, inzwischen mit erröteten Wangen, gesenktem Kopf und immer leiser werdender Stimme, was der Lehrer wiederum mit einem ungehaltenen „Nuschel ma nich so rum hier! Sprich ma deutlicher!“ quittierte.Der Junge, offensichtlich eingeschüchtert, kam nicht mehr dazu seine Hausaufgabe vorzulesen. Die Lehrkraft unterbrach ihn barsch, schüttelte den Kopf und rief „Dat wird nichts mehr mit dir!“, bevor er sich mit hoffnungslosem Gesichtsausdruck vom Schüler abwandte. Der Junge, inzwischen mit hochrotem Kopf und eingefallenen Schultern, warf der Hospitantin einen kurzen Blick unter halb verschlossenen Augenlidern zu: Die Peinlichkeit war ihm ins Gesicht geschrieben. Mit starrem Blick auf seinen Platz verbrachte er die restliche Stunde schweigend.
Seltsam berührt von der Szene musste die Hospitantin unwillkürlich an ihre eigene Schulzeit denken. Eine unliebsame Erinnerung aus dem Französischunterricht drängte sich ihr auf. Auch sie hatte einmal etwas vorlesen müssen, gemeinsam mit der Klasse im Chor in ein Mikrofon im Sprachlabor, als sich plötzlich der Französischlehrer auf ihre Kopfhörer schaltete und ihr empört in die Ohren zischte: „Deine Intonation klingt wie ein quietschender Michelinreifen! Jetzt weiterlesen, aber ordentlich!“ Auch sie hatte nach dieser peinlichen Begebenheit für den Rest der Stunde keine Freude mehr an mündlicher Beteiligung.
Der deutsche Pädagoge Hermann Weimer stellte bereits 1925 im Vorwort seiner „Psychologie der Fehler“ fest:
Man steht heute noch fast allgemein dem Fehler vornehmlich mit Wertgefühlen gegenüber. Er wird als ein Ding betrachtet, das nicht sein soll und den ruhigen Fortgang des Unterrichts in unangenehmer Weise stört. Als seine Wurzeln gelten gemeinhin Dummheit, Faulheit und Unaufmerksamkeit. Daher fühlt man sich in vielen Fällen berechtigt, nicht nur den Fehler zu verbessern, sondern auch seinen Urheber, den Verfehler, zu bestrafen.
Der französische Didaktiker Jean-Pierre Astolfi (2020: 9) erkennt fast ein Jahrhundert später ein ähnliches Problem:
Le problème de l’erreur dans l’apprentissage est sans doute aussi ancien que le projet d’instruire lui-même. Pourtant, l’erreur est dans la vie quotidienne d’une affligeante banalité et le bon sens n’hésite pas à répéter qu’il n’y a que ceux qui ne font rien qui ne se trompent pas… Dans bien des activités qu’ils pratiquent, du sport aux jeux électroniques, les jeunes la considèrent d’ailleurs comme source de défis, comme objet de compétitions amicales et passionnées, comme occasion de dépassement de soi. Sans doute parce qu’ils ressentent qu’ils apprennent quelque chose de plus à l’occasion de chaque essai qu’ils tentent.
Tout change à l’école, où l’erreur est plutôt source d’angoisse et de stress. Même les bons élèves y sont pris par la peur de rater, et chacun a conservé l’impression forte de ses séjours incommodes et gauches face au tableau […].
Angoisse, stress, peur de rater, Verlegenheit, Missmut, Wut, Hoffnungslosigkeit, Empörung, Traurigkeit, Scham… Die Eingangsanekdote spiegelt nur einen Bruchteil menschlicher Emotionen wider und doch macht sie deutlich, dass Akte mündlicher Fehlerkorrektur von nur kurzer Dauer eine ganze Reihe an emotionalen Zuständen bei den Unterrichtsaktanten auslösen können, die eng verknüpft mit dem Ereignis selbst nach Jahren noch erinnert werden können (und in manchen Fällen dazu beitragen, dass ein lang anhaltendes wissenschaftliches Interesse an einer Thematik erwächst, die sich in einer Dissertation manifestieren kann1).
Emotionen sind machtvoll. Sie stehen in engem Zusammenhang mit Motivation und Volition. Sie sind an kognitiven Prozessen beteiligt und für das Überleben von höherentwickelten Lebewesen von äußerster Wichtigkeit. Sie garantieren das Funktionieren von gruppendynamischen Prozessen und sind Motor für kulturelle Entwicklungen. Emotionen sind Triebfedern der Evolution des Menschen. Aber nicht nur Emotionen nehmen Einfluss auf kognitive Prozesse, auch die Kognition beeinflusst die Entstehung und das Erleben von Emotionen. Emotion und Kognition beeinflussen sich gegenseitig
and this potential interdependence provides every reason for conducting empirical research to explore the role of affect in L2 learners’ cognitive processing and overall L2 development. Nevertheless, affect has been considered as a peripheral issue and treated as such. This overall lack of scholarly attention to affect appears to be even more evident in the case of CF [corrective feedback, Anm. d. Verf.] research. (Goo & Takeuchi 2021: 713)
Die Emotion wurde in der pädagogischen Psychologie und der Fremdsprachenforschung lange ausgespart. Die Kognition stand im Vordergrund und mit ihr Prozesse der Erkenntnis- und Informationsverarbeitung. Erst im Zuge der kognitiven Wende (vgl. Arnold 1960, Lazarus 1991; Lazarus & Folkman 1984) erfuhr die Emotion mehr Aufmerksamkeit. Auch das Image des Fehlers hat sich gewandelt. Längst überholt ist seine behavioristische Verteufelung der 1950er und 1960er Jahre als zu behebendes Übel, das ausgemerzt und im besten Falle von vornherein verhindert werden solle (vgl. z. B. Heuer 1968: 64) und erkannt sein Lernpotenzial (vgl. z. B. Koutiva & Storch 1989: 420). Fehler und die Fehlerkorrektur werden insbesondere seit den 1970er Jahren verstärkt beforscht2. Dabei geht es neben linguistischen Fragestellungen zumeist um die Effektivität und Nachhaltigkeit von Fehlerkorrekturen im Fremd- und Zweitsprachenunterricht (vgl. Kap. 1.2.3).
Im Zuge der kognitiven Wende entwickelten sich auch neue Strömungen in der Emotionspsychologie und Emotionen als wichtige Impulsgeberinnen menschlichen Verhaltens gerieten stärker in das Blickfeld der Wissenschaft. In der Fremdsprachenerwerbsforschung spiegelt sich dies in weitreichenden Studien zum Thema Fremdsprachenangst wider (siehe hierzu insbesondere Horwitz, Horwitz & Cope 1986; Horwitz & Young 1991; Horwitz 1988; Young 1991, 1992, 1994). Bis heute ist die Angst die am besten erforschte Emotion in diesem Kontext. Andere Emotionen werden weitgehend ignoriert. Hu (2003: 297) hält dazu fest:
Ein relativ ‚weißer Fleck‘ auf der Landkarte der Grundlagenforschung ist nach wie vor die fundierte Auseinandersetzung mit dem Thema Emotionen im Kontext des Sprachenlernens und ‑lehrens.
Schutz und Pekrun (2007: 3) fragen daher:
What do we know about students’ and teachers’ unpleasant emotions, other than anxiety, such as anger, hopelessness, shame, or boredom; and what do we know about pleasant emotions, such as enjoyment, hope, or pride in educational settings?
Und beantworten ihre Frage knapp mit: „Until recently, the answer to this question had to be ‘next to nothing’.“
Besonders die naturwissenschaftlichen Fachdidaktiken haben in den letzten Jahren die Relevanz der Emotionsforschung erkannt und so gibt es inzwischen einige Befunde zu Emotionen in naturwissenschaftlichen Fächern (s. insbesondere Forschungsergebnisse von Pekrun et al.). Jedoch zeigt sich auch, dass Ergebnisse aus unterschiedlichen Disziplinen nicht ohne Weiteres aufeinander übertragen werden können (zum Thema Domänenspezifität siehe z. B. Götz 2004; Goetz, Frenzel, Pekrun & Hall 2006).
Inzwischen weiß man um die enorme Wichtigkeit von Emotionen in Lern- und Leistungsprozessen (vgl. Kap. 2.4.1) und um ihre Relevanz für die psychologische Gesundheit von Jugendlichen (Götz, Pekrun, Hall & Haag 2006: 289f; Frenzel & Götz 2018: 116).
Nichtsdestotrotz ist die Emotion der Kognition in ihrer Erforschung im Kontext der Fremdsprachenforschung weiterhin nachgeordnet (Shao, Pekrun & Nicholson 2019: 1; Dewaele 2015; Dörnyei & Murphy 2010: 22; Cronjäger 2009: 18; Schutz & Pekrun 2007: 3; Hu 2003: 297; House 1998; Schwerdtfeger 1997):
Wenn man sich in der Fremdsprachendidaktik umschaut, dann muss man zugeben, dass man in dieser Disziplin der Kognition viel mehr Bedeutung beimisst als dem, was man gemeinhin unter dem Begriff Emotion zusammenfasst. Die zentralen fremdsprachendidaktischen Themen waren und sind auch heute noch weitgehend kognitiv orientiert […]. (Wolff 2004: 87)
Dies ist auch für die Didaktik der romanischen Sprachen zutreffend, wie Wengler (2017) anhand einer inhaltlichen Analyse aktueller didaktischer Handbücher zeigen konnte. Erst kürzlich scheint die Relevanz des Themas im deutschsprachigen Diskurs zur Fremdsprachenforschung erkannt worden zu sein (vgl. den 2020 erschienenen Sammelband „Affektiv-emotionale Dimensionen beim Lehren und Lernen von Fremd- und Zweitsprachen“ von Burwitz-Melzer, Riemer und Schmelter).
Oser, Hascher und Spychiger (1999: 29) machen deutlich, „wie wichtig es ist, die Gefühle der Schülerinnen und Schüler ernst zu nehmen.“ Es scheint naheliegend, dass Schüler*innen auch auf Fehlerkorrekturmaßnahmen emotional reagieren (Oser, Hascher & Spychiger 1999: 29). Insofern müssen diese als potenzielle Emotionsauslöser in den Blick genommen werden. Dies ist bisher nur marginal erfolgt:
Researchers have paid less attention to learners’ affective responses to the corrections they receive. This is somewhat surprising given that one of the objections sometimes leveled against CF is that it creates anxiety in learners and thus interferes with acquisition. (Ellis 2010: 344)
Goo und Takeuchi (2021: 727) kommen zu gleichem Fazit:
In fact, the current state of affairs does not offer more than a potential link between CF and affective variables, and, of course, is inconclusive in terms of the extent to which these seemingly important affective variables influence the way CF contributes to L2 learning process and overall development.
Für Oliver und Adams (2021: 200) steht darüber hinaus fest, dass
[i]n order to make choices about what is most appropriate for their particular learners, especially in terms of the how and when to provide CF, teachers need to consider who the learners are.
Zu einem Wissen darüber „who the learners are“ gehören ganz offensichtlich auch inter- und intrapersonale Faktoren wie Emotionen. Und dennoch muss konstatiert werden:
Our knowledge is the most limited with respect to the last type of engagement with feedback, namely affective response […]. There is a marked paucity of empirical investigations in this important domain […]. (Pawlak 2014: 167)
Es bedarf Kenntnissen darüber, welchen Einfluss Fehlerkorrekturen auf das emotionale Erleben von Lernenden haben können und welche spezifischen Faktoren der Korrektur sich auf das emotionale Erleben der Korrektur auswirken. Für Schoormann und Schlak (2011a: 74f.) setzt eine erfolgreiche Fehlerkorrektur nicht nur methodisches Wissen aufseiten der Lehrkraft voraus, sondern auch Kenntnisse über die Voraussetzungen und Bedürfnisse der zu Korrigierenden. Der Forschung obliege es dabei, den Lehrkräften das theoretische und empirische Wissen für die Erfüllung dieser Aufgabe zur Verfügung zu stellen (ebd.). Dass dem Fehler und der Fehlerkorrektur als Folge der kommunikativen Wende und Hinwendung zur Kompetenzorientierung weder im Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen noch den aktuellen Bildungsstandards eine herausragende Rolle zukommen (Kleppin & Mehlhorn 2008; Kleppin 2005),
heißt selbstverständlich nicht, dass eine Fehlerbehandlung im Unterricht verschwinden sollte. Dies wäre ein Kurzschluss; denn dann könnten sie auch nicht mehr einen Anlass zum Weiterlernen bieten […]. (Kleppin & Mehlhorn 2008: 18)
Und so fassen Oser und Spychiger (2005: 92) in Übereinstimmung zusammen:
Dies ermutigt uns anzunehmen, dass es in der Tat ein fruchtbares Unterfangen sein könnte, noch tiefer nach dem Zusammenhang zwischen äußeren und inneren emotionalen Anteilen an Fehlerreaktionen zu suchen.
Dieser Ermutigung wird in der vorliegenden Arbeit gefolgt: Sie geht der Frage nach, welche Emotionen Schüler*innen im Zusammenhang mit der mündlichen Fehlerkorrektur im Französischunterricht erleben und welche Faktoren im Zusammenhang mit diesem emotionalen Erleben der mündlichen Korrektur stehen. Auch sollen Einstellungen und Präferenzen von Lernenden hinsichtlich der mündlichen Fehlerkorrektur erfasst werden. Eine explorative, empirische Studie an Gymnasien, Realschulen und Gesamtschulen im Ruhrgebiet soll die postulierte Forschungslücke schließen und Anhaltspunkte für weitere Aktivitäten in diesem bisher missachteten Forschungsfeld liefern.
Der theoretische Teil der Arbeit geht zunächst auf die mündliche Fehlerkorrektur ein. In Kapitel 1 werden die Termini Fehler und Korrektur bestimmt, verschiedene Möglichkeiten der Fehlertypisierung und ‑klassifizierung besprochen und dabei diverse Fehlerursachen in den Blick genommen. Auch werden verschiedene Arten der mündlichen Fehlerkorrektur und ihre ‑klassifizierung erläutert. Zuletzt wird der aktuelle Forschungsstand zur Effektivität mündlicher Fehlerkorrekturen referiert und diskutiert.
Kapitel 2 widmet sich der Emotion. Um den Begriff für die vorliegende Arbeit bestimmen zu können, werden zu Beginn die wichtigsten Forschungsströmungen und ‑traditionen behandelt. Danach folgt eine Annäherung an den Emotionsbegriff und eine Abgrenzung von verwandten Konzepten. Weiterhin wird auf die Theorie der Basisemotionen eingegangen und die als solche identifizierten Emotionen in ihrer Phänomenologie beschrieben sowie ihre Auslöser und Funktionen näher betrachtet. Auch auf die Emotionsexpression, die Emotionsentwicklung im Kindes- und Jugendalter und die Emotionsregulation wird mit Hinblick auf die Methodologie der vorliegenden Studie und ihre Probandinnen*Probanden eingegangen.
Um die Relevanz der Emotion im schulischen Kontext zu verdeutlichen, werden aktuelle Erkenntnisse zum Einfluss von Emotionen auf Lernen und Leistung referiert und diskutiert. Außerdem wird ein Überblick über Forschungsergebnisse zum emotionalen Erleben von Lernenden in Lern- und Leistungskontexten zunächst allgemein, dann mit Bezug zum Fremdsprachenunterricht sowie zuletzt mit Blick auf die mündliche Fehlerkorrektur im Fremdsprachenunterricht gegeben und die Resultate diskutiert.
Die der Studie zugrunde liegenden Forschungsfragen und Hypothesen werden in Kapitel 3 behandelt. Im praktischen Teil der Arbeit wird beginnend mit Kapitel 4 das in der Studie verwendete triangulatorische Verfahren bestehend aus einer teils quantitativen, teils qualitativen Fragebogenerhebung und Unterrichtsanalysen erläutert und diskutiert. Neben dem Forschungsdesign werden das Vorgehen im Pretest und in der Pilotstudie samt methodischer Revisionen sowie die Methodik und Durchführung der Hauptstudie dargelegt. Weiterhin werden die qualitativen und quantitativen Auswertungsmethoden begründet.
Kapitel 5 widmet sich der detaillierten Ergebnisdarstellung zu den erfassten state-Emotionen der Lernenden in spezifischen Unterrichtsstunden sowie der Identifikation von mit dem emotionalen Erleben der mündlichen Fehlerkorrektur zusammenhängenden Faktoren. Weiterhin werden Einstellungen zum Fehler, zur Korrektur und Korrekturpräferenzen der befragten Schüler*innen präsentiert. Zuletzt soll das Korrekturverhalten der Lehrkräfte in ausgewählten Unterrichtsstunden in den Blick genommen und auf die Ergebnisse der Fragebogenerhebung bezogen werden.
Die Arbeit schließt mit einer Gesamtbetrachtung und Diskussion der Methodik und Ergebnisse. Zudem werden aus den Resultaten der explorativen, empirischen Untersuchung Implikationen für den Fremdsprachenunterricht abgeleitet, die Lehrkräften und angehenden Lehrkräften eine Stütze im Unterricht und im Umgang mit ihren Schülerinnen*Schülern sowie bei der Reflexion ihres eigenen Korrekturverhaltens sein können. Die Ausbildung eines affektiv vorteilhaften Korrekturstils in der Praxis nimmt Schüler*innen als Individuen in einem Kontinuum von Kognition und Emotion wahr und trägt dem emotionalen Aspekt von Schule und Unterricht sowie Lernen und Leisten Rechnung. Unter dieser Prämisse muss die Forschung das Grundlagenwissen über das emotionale Erleben von mündlichen Fehlerkorrekturen im Fremdsprachenunterricht bereitstellen und Unterrichtsaktanten für die Relevanz des Themas sensibilisieren.
In diesem Kapitel werden die Begriffe „Fehler“ und „Korrektur“ mit Bezug zur Fremdsprachenforschung definiert und es wird auf definitorische Schwierigkeiten eingegangen. Weiterhin werden für den Fremdsprachenunterricht relevante Fehlerarten typisiert und klassifiziert sowie diverse Fehlerursachen beleuchtet. Auch verschiedene Korrekturarten werden vorgestellt und diskutiert. Im Anschluss wird die Frage nach der Effektivität von mündlichen Fehlerkorrekturen im Fremd- und Zweitsprachenunterricht gestellt. Dazu werden Ergebnisse aus aktuellen Metastudien präsentiert und diskutiert.
Umgangssprachlich wird ein Fehler verstanden als „etwas, was falsch ist, vom Richtigen abweicht“, eine „Unrichtigkeit“, eine „irrtümliche Entscheidung, Maßnahme“, eine „schlechte Eigenschaft, Mangel“ oder ein „Fehlgriff“ (Duden o. J.). „Das Wort ‚Fehler‘ leitet sich ab aus dem Verb ‚fehlen‘, das zunächst lediglich einen Mangel und erst im Nachgang dazu, im Sinne von Verfehlen, eine Abweichung zum Ausdruck bringt“ (Kobi 1994: 5). Fehler sind laut Kobi (1994: 6) per se intentionswidrig, sie unterliefen unbeabsichtigt. Gleichzeitig hängt die Eigenschaft des Fehlers vielmehr davon ab, ob er als solcher wahrgenommen wird.
Weingardt (2004: 233) formuliert in dem Versuch einer transdisziplinären Fehlerdefinition vier definitorische Voraussetzungen für ein Fehlerurteil; diese sind Subjektivität, das Bestehen einer Alternative, Kontext und Verantwortlichkeit. Subjektivität bezieht sich darauf, dass das Fehlerurteil als ein sachbezogenes Urteil eines Subjektes (oder einer Gruppe von Subjekten) nach einem Wahrnehmungs-, Analyse- und Bewertungsvorgang abgegeben werde (ebd.). Zudem setze das Fehlerurteil das Vorhandensein von mindestens einer als günstiger beurteilten Alternative voraus (ebd.). Weiterhin hänge es vom spezifischen Kontext und den diversen Auswirkungen einer Variante in diesen Kontextbezügen ab (ebd.). Verantwortlichkeit bedeutet in diesem Zusammenhang, dass nur von einem Fehler gesprochen werden könne, wenn es dem Menschen gemäß der inneren und äußeren Situation möglich gewesen wäre, jene andere (als günstiger beurteilte) Alternative zu wählen oder anzustreben. Diese definitorischen Sätze haben auch für den fremdsprachlichen Kontext Bedeutung.
Die Definition des Begriffs Fehler ist weiterhin abhängig vom zugrunde liegenden Erkenntnisinteresse1 (Kleppin 2010a: 224). Fehler im fremdsprachendidaktischen Kontext lassen sich z. B. nach Doff und Klippel (2007: 198) folgendermaßen definieren:
Unter ‚Fehler‘ versteht man in der Fremdsprachendidaktik die Abweichung von einer verbindlichen Norm, das heißt einen Verstoß gegen sprachliche Richtigkeit, Regelhaftigkeit oder Angemessenheit, kurz: eine Form, die zu Missverständnissen und Kommunikationsschwierigkeiten führen kann.
Fehler markieren „Unsicherheiten im gegenwärtigen Repertoire der Lerner“ (Macht 1998: 355) und sind „zwangsläufig auftretende Abweichungen vom normativen Sprachsystem“ (Nieweler 2005: 3). Ähnliche Definitionen liefert Kleppin (2000: 22): „Ein Fehler ist eine Abweichung von einem Sprachsystem“, „Ein Fehler ist eine Abweichung von der geltenden linguistischen Norm“ und „Ein Fehler ist ein Verstoß dagegen, wie man innerhalb einer Sprachgemeinschaft spricht und handelt“ (vgl. hierzu auch Kleppin 2010a).
Die Begriffe „verbindliche Norm“ oder „normatives Sprachsystem“ sind relativ. Auch „Fehler“ ist insofern ein Relationsbegriff, als dass er von einem Bezugssystem bzw. Referenzrahmen abhängig ist (Kobi 1994: 6). Voraussetzung für Fehler ist das Vorhandensein eines locus of control, d. h. eine Kontrollinstanz, die die Normeinhaltung überwacht (ebd.). Im Unterricht steht in erster Linie die Lehrkraft für das normative Sprachsystem, an dem sich die Schüler*innen orientieren. Aber auch das genutzte Lehrwerk, eine (von einer Institution) herausgegebene Grammatik, ein (analoges oder digitales) Wörterbuch oder andere digitale Instanzen können eine sprachliche Norm für Lernende repräsentieren. Die Entscheidung darüber, ob es sich um einen Fehler handelt oder nicht, trifft im Allgemeinen jedoch die Lehrkraft2. Diese wiederum ist im Regelfall kein*e Muttersprachler*in und begeht womöglich gemäß dem normativen Sprachsystem eines native speaker ebenfalls Fehler. Selbst unter Letzteren besteht mit Blick auf Sprachvarietäten keine Uniformität hinsichtlich des normativen Sprachsystems, obgleich Standardvarietäten in der Regel mit der Sprachnorm gleichgesetzt werden (Ammon 2016). Ammon (2016: 649) hält zur Analyse einer Sprachnorm die von Wright (1971) vorgeschlagenen Aspekte für wichtig3:
Inhalt (content, bezieht sich auf das, was vorgeschrieben oder zu befolgen ist)
Modus (character, bezieht sich auf den Muss- oder Kann-Charakter einer Norm)
Anwendungsbedingungen (condition of application, bezieht sich darauf, ob Normen kategorial oder hypothetisch sind und somit auf den sprachlichen oder außersprachlichen Kontext)
Autoritäten (authority, bezieht sich auf diejenigen, die die Einhaltung überwachen)
Situationen (occasions, in denen die Norm gültig ist)
Sanktionen (sanctions, die bei Zuwiderhandlungen eintreten)
Verbreitung einer Norm (bezieht sich auf das subject, welches individuellen oder kollektiven Normen folgt)
Eine Autorität kann nach Ammon (2016: 649) die Lehrkraft darstellen, eine Situation, die in der Schule verwendete Sprache, die vom häuslichen Gebrauch abweicht, und eine Sanktion können schlechte Noten sein4. Kleppin (2010b) weist darauf hin, dass der Begriff Sprachnorm kritisiert werden könne, weil ihm die Annahme zugrunde läge, dass es ein vom Individuum unabhängiges Regelsystem und eine allseits akzeptierte linguistische Norm einer Sprache gäbe5. Für schwierig hält Ammon (2016) darüber hinaus die Unterscheidung von Sprachnorm und Regel, da diese bisweilen synonym verwendet würden. Zuweilen würden Regeln aber auch als Konventionen, psychische Strategien der normbefolgenden Individuen oder „nur als Konstrukte der Linguisten“ betrachtet (Ammon 2016: 648f.).
Kleppin (2000: 20ff.) unterscheidet fünf Kriterien, anhand derer festgestellt werden kann, ob ein Fehler vorliegt (vgl. hierzu auch Kleppin 2010b). Dies sind die sprachliche Korrektheit, die Verständlichkeit, die Situationsangemessenheit, unterrichtsabhängige Kriterien sowie Flexibilität und Lernerbezogenheit. Gemäß dem Kriterium Korrektheit wird ein Fehler als eine Abweichung vom Sprachsystem oder von einer geltenden linguistischen Norm verstanden (ebd.: 20). Definitionen wie „Ein Fehler ist das, was ein Kommunikationspartner nicht versteht“ oder „Ein Fehler ist das, was ein Muttersprachler nicht versteht“ nehmen Bezug auf die Verständlichkeit einer Äußerung (ebd.). Die Situationsangemessenheit bezieht sich auf das, „was ein Muttersprachler in einer bestimmten Situation nicht sagen oder tun würde“ (ebd.: 21), d. h. Verstöße gegen eine sozio-kulturelle, pragmatische Norm und Verhaltenserwartungen wie Regeln der Höflichkeit (Kleppin 2010b: 1061). Die benannten Kriterien eignen sich für den unterrichtlichen Kontext nur bedingt, weswegen unterrichtsabhängige Kriterien einbezogen werden können. Gemäß diesen Kriterien kann u. a. ein Fehler das sein, „was gegen Regeln in Lehrwerken und Grammatiken verstößt“ (Kleppin 2000: 21). Die Beurteilung von (mündlichen) Schüler*innenfehlern hängt in erster Linie aber von verinnerlichten Regeln bzw. vom normativen Sprachsystem der Lehrperson ab: „Ein Fehler ist das, was ein Lehrer als Fehler bezeichnet“ und „Ein Fehler ist das, was gegen die Norm im Kopf des Lehrers verstößt“ (Kleppin 2000: 21) und somit wäre ein „Fehler […] dann existent, wenn gegen diese Norm verstoßen wird und der Lehrer dies bemerkt“ (Kleppin 2010b: 1061, vgl. auch Havranek 2002: 24). Edmondson (1986: 11ff.) unterscheidet dementsprechend zwischen U- und T-errors. U-errors beziehen sich auf Normabweichungen in Hinblick auf die Zielsprache, T-errors wiederum ergeben sich durch die Einschätzung der Lehrkraft, wobei mit Überschneidungen zu rechnen ist.
Auch Lernende selbst können (eigene und fremde) Fehler markieren. Gemäß dem Kriterium der Flexibilität und Lernerbezogenheit wird ein Fehler als relativ verstanden; „was in einer Lerngruppe in einer bestimmten Unterrichtsphase als Fehler gilt, wird bei einer anderen in einer anderen Phase toleriert“ (Kleppin 2000: 22). Hierbei wird „[j]e nach Situation […] entschieden, ob, bei wem und unter welchen Umständen ein Fehler zu ignorieren, zu tolerieren oder zu korrigieren, wie er zu gewichten und zu bewerten ist“ (Kleppin 2010b: 1061f.). Dabei wird der individuelle Lernstand der Lernenden berücksichtigt und „[e]s interessiert demnach nicht mehr allein, ob ein Fehler objektiv feststellbar ist“ (ebd.: 1062). Je nach Unterrichtskontext und Lernziel(en) kommen unterschiedliche Kriterien bei der Fehlerbeurteilung im Unterricht zu tragen (vgl. Kleppin 2000: 22).
Für die vorliegende Arbeit werden sprachliche Fehler nach Kleppin und Königs (1991: 16) verstanden als
wahrgenommene […] und/oder bezeichnete […] Abweichungen vom Sprachsystem oder von einer erwarteten Äußerung oder Äußerungssequenz. Diese Wahrnehmung oder ‚Bezeichnung‘ kann durch alle Unterrichtsaktanten erfolgen […]. Kriterium für die Bezeichnung einer sprachlichen Äußerung als Fehler ist nicht mehr das Sprachsystem oder der Sprachgebrauch allein, sondern die sprachliche Äußerung, durch die Brille eines oder mehrerer der genannten Aktanten gesehen.
Kleppin (2000: 22ff.) geht davon aus, dass vor der Korrektur eines Fehlers zunächst eine Fehleridentifizierung, Fehlerbeschreibung, Fehlererklärung und Fehlerbewertung stattfinden, bevor eine Fehlertherapie eingeleitet werden kann. Ihre Annahme deckt sich mit der Aussage Weingardts,
dass ein falscher mündlicher oder schriftlicher Ausdruck stets nicht der Fehler selbst, sondern nur dessen Abbild ist, während die dem zugrundeliegenden Aufmerksamkeits‑, Denk‑ und Handlungsfehler u. a. m. als die eigentlichen Fehlleistungen zu begreifen sind. (Weingardt 2004: 21) [Hervorh. im Orig.]
In der Fremdsprachendidaktik wird häufig zwischen Kompetenz- und Performanzfehlern unterschieden: Es sei sinnvoll, „to refer to errors of performance as mistakes, reserving the term error to refer to the systematic errors of the learner from which we are able to reconstruct his knowledge of the language to date […]“ (Corder 1985: 25).
Kompetenzfehler (errors, erreurs) liegen außerhalb der Beurteilungskompetenz der Lernenden (Kleppin 2000: 41, 2010b: 1062, 2010a: 224). Sie sind systematische Fehler, die auf fehlendem Wissen beruhen (Kieweg 2007: 6; Kleppin 2010a: 224). Sie dienen laut Corder (1985: 25) dem (Fremd‑)Sprachenerwerb, da mittels Kompetenzfehlern Hypothesen über die zu erlernende Sprache ausgetestet würden. Ramge (1980: 2) verwendet hierfür den Begriff Regelfehler in Abgrenzung zu Versprechern. Versprecher werden zu den Performanzfehlern gezählt. Performanzfehler (mistakes, fautes) sind unsystematische Fehler, sogenannte Flüchtigkeitsfehler (slips of the tongue, lapses), die aufgrund von Unkonzentriertheit, durch „geringe Diskriminierungsfähigkeit, defizitäre Wortdurchgliederung, ungenaue Artikulation, eingeschränktes Hörvermögen, mangelhafte Konzentration und Ausdauer, unreflektierte bzw. beliebige Phonem-Graphem-Zuordnungen“ (Kieweg 2007: 6) oder „[a]ußerlinguistische Faktoren wie Eile, Müdigkeit, etc.“ (Kielhöfer 1975: 6) auftreten können und auf fehlender Übung oder Halbwissensbeständen beruhen (ebd.: 3). Performanzfehler können zudem Verstöße sein, „die durch noch unvollkommene Automatisierung von z. B. Regeln und Strukturen bedingt sind“ (Kleppin 2010b: 1062; vgl. auch Kleppin 2000: 41, 2010a: 224). Sie haben laut Corder (1985: 25) keine Bedeutung für den Spracherwerb.
Bereits hinsichtlich der angesprochenen unvollkommenen Automatisierung zeigt sich die Problematik der Differenzierung zwischen Performanz- und Kompetenzfehler: „Zwischen Regelwissen und Regelgebrauch klafft beim Lerner eine Lücke“ (Kielhöfer 1975: 9): Performanzfehler äußern sich in „syntaktischen Fehlstarts, Anakoluthen, Verstößen gegen die Sprachrichtigkeit“ (ebd.: 6). Diese auf Corder (1967) zurückgehende Einteilung blieb daher nicht ohne Kritik, da Kompetenz und Performanz nicht trennscharf differenziert werden können (vgl. Nickel 1972: 16ff.). Performanzfehler, z. B. falsche Analogien oder Generalisierungen, könnten ebenfalls systemischer Art sein, wohingegen Kompetenzfehler nicht unbedingt den momentanen Stand der Sprachkenntnisse widerspiegeln müssten (Nickel 1972: 17), da die Realisierung der Kompetenz stets performativen Einflüssen unterworfen sei (Kielhöfer 1975: 6). Nickel (1972: 17) fragt dahingehend, ob nicht alle Fehler systematischen Ursprungs seien:
Ein Schüler z. B., der durchaus die muttersprachliche und fremdsprachliche Struktur beherrscht, kann aus Vergeßlichkeit, Angst usw. einen Fehler machen, der sich auf der sprachlichen Oberfläche als ‚systematischer Fehler‘ zeigt. […] Bei der Bewertung dieser Flüchtigkeitsfehler wird nun darauf zu achten sein, ob man die Veranlassung oder die Manifestation berücksichtigen will. Zweifelsohne ist die Berücksichtigung des ersteren Faktors alles andere als leicht, da einem hohen Maß an Subjektivität die Tür geöffnet wird. Von nicht unerheblicher Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die kontrastive Interferenz als Fehlermotivation einzuschätzen. Daß sie durch psychologische Auslöser wie Ermüdung, Angst und Abgespanntheit besonders stark zu wirken beginnt, ist allen Fremdsprachlern [sic!] bewußt, die sich sehr wohl des Phänomens erinnern, daß Fremdsprachenkenntnisse auch bei ihnen selbst nicht ständig auf gleicher Leistungshöhe eingelagert werden, sondern in einem Auf und Ab mit einem schwankenden Maß an Sicherheit von Stimmungen verschiedenster Art abhängig sind. (Nickel 1972: 17f.)
In der vorliegenden Arbeit wird nicht explizit zwischen Performanz- und Kompetenzfehlern differenziert, außer Lernende benennen oder beschreiben diese als solche (z. B. Flüchtigkeitsfehler, Ausrutscher bezogen auf die Performanz oder „Ich wusste nicht, wie es heißen muss“ als Umschreibung eines Kompetenzfehlers).
Als eine für die Praxis taugliche Kategorisierung empfiehlt Kleppin (2000: 42, 2010b: 1062) die Klassifikation nach Edge, da sie Fehler nach ihrem Ort im Lern- und Unterrichtsprozess unterteile.
Edge (1989) differenziert zwischen slips (Ausrutschern), errors (Irrtümern1) und attempts (Versuchen) (vgl. Kleppin 2000: 42, 2010b: 1062). Unter Ausrutschern (slips) versteht er Fehler, die von dem*der Lernenden selbst korrigiert werden können, wenn er*sie auf den Fehler aufmerksam gemacht wird (Edge 1989: 9). Irrtümer (errors) werden verstanden als Fehler, die von der*dem Lernenden selbst nicht korrigiert werden können, selbst wenn ein Fehlerhinweis erfolgt, obgleich das entsprechende Phänomen im Unterricht schon behandelt worden ist, aber anscheinend nicht verstanden oder vergessen wurde (ebd.: 9f.). Versuche (attempts) sind Fehler, die auftreten, weil der*die Lernende ein Phänomen noch nicht kennt und daher nicht erwartet werden kann, dass er*sie sich korrekt ausdrückt (ebd.: 10f.). Daran angelehnt werden hier attempts, die zwar fehlerhaft sind, aber auf einer Übergeneralisierung oder Regularisierung beruhen, als „kluge Fehler“ verstanden2.
Unter Übergeneralisierung versteht man kognitive Vereinfachungsstrategien, bei denen Kategorien oder Regeln auf Phänomene ausgeweitet werden, auf die sie nicht zutreffen (Kleppin 2000: 33). Sie wird auch fremdsprachliche Approximation bzw. falsche Analogiebildung genannt (Nieweler 2017: 310). Im Zuge von Regularisierungen werden unregelmäßige Phänomene zu regelmäßigen transformiert (Kleppin 2000: 33). Gemeinsam mit Simplifizierungen (auch Elementarisierung, Reduktions- und Vereinfachungsstrategien genannt (vgl. Nieweler 2017: 310)), welche sich durch die Vermeidung von komplexen Strukturen in der Zielsprache äußern (Kleppin 2000: 33), sorgen Übergeneralisierungen und Regularisierungen für zielsprachlich bedingte bzw. intralinguale Fehler, welche durch die Komplexität der Fremdsprache ausgelöst werden (Koutiva & Storch 1989: 413)3.
Darüber hinaus können Fehler durch einen negativen Transfer muttersprachlicher Strukturen auf die Zielsprache verursacht werden (Kleppin 2000: 30ff.). Solche Fehler werden Interferenzfehler, muttersprachliche Fehler oder kontrastiv bedingte interlinguale Fehler genannt (Koutiva & Storch 1989: 412). Interferenzfehler ähneln sich häufig bei Lernenden derselben Muttersprache (Kleppin 2000: 31)4, z. B. faux amis.
Neben intralingualen und interlingualen können weitere Faktoren wie Kommunikationsstrategien, Lernstrategien, persönliche, soziokulturelle und Unterrichtsfaktoren Einfluss auf die Entstehung von Fehlern nehmen (Kleppin 2000, 2010a: 225).
Zu den Kommunikationsstrategien zählen Kompensations-, Vermeidungs- bzw. Ausweichstrategien (Kleppin 2000: 34f.). Kompensationsstrategien sollen ein Defizit in der Zielsprache ausgleichen (Kleppin 2000: 134), z. B. indem etwas umschrieben oder neue Wörter zusammengesetzt werden. Ausweich- bzw. Vermeidungsstrategien werden genutzt, wenn die Kommunikation aufrechterhalten werden soll und dafür komplexe Inhalte und Strukturen vermieden sowie eine inhaltliche oder sprachliche Vereinfachung vorgenommen wird (Kleppin 2000: 137). Obgleich Kompensationsstrategien zu Fehlern führen können, sind sie positiv zu werten, da sie dazu dienen, Lücken in der Fremdsprache zu schließen (Kleppin 2000: 34). Ausweichstrategien wiederum sind als nicht lernförderlich zu werten, da sich durch sie fehlerhafte Hypothesen über die Fremdsprache verfestigen können und es somit zu einer Fehlerfossilisierung kommen kann (Kleppin 2000: 35.). Es wird zudem angenommen, dass Fehlerfossilisierung bzw. ‑fossilierung insbesondere dann eintritt, „wenn das korrektive Feedback generell ausbleibt, nicht rechtzeitig einsetzt oder nicht nachhaltig kognitiv durchdacht wird“ (Kieweg 2007: 6).
Auch Lernstrategien können zu Fehlern führen, z. B. dann, wenn Lernende bewusst Übertragungen aus anderen Sprachen oder Versuche von Neubildungen vornehmen oder durch eine hohe Quantität an Redebeiträgen möglichst viele (hilfreiche) Korrekturen provozieren wollen (Kleppin 2000: 36).
Zu den unterrichtsbedingten Fehlern zählen solche, die auf Unterrichtsfaktoren zurückgehen (Koutiva & Storch 1989: 416f.). Fehlerprovozierende Unterrichtsfaktoren können die Lehrkraft, Lehrmaterialien wie das Lehrbuch und Wörterbücher oder die Anordnung des Lehrstoffes sein (ebd.). Darüber hinaus kann auch die Gewichtung des Lernstoffs Fehler provozieren. Werden komplexe Strukturen oder sprachliche Phänomene sehr intensiv geübt und dadurch gegenüber anderen quantitativ überrepräsentiert, so kann dies bei Lernenden zu der Annahme führen, dass jene auch Priorität in realen Sprechsituationen hätten, obgleich dies nicht der Fall ist. Es kommt zu einem Übungstransfer (Kleppin 2000: 36).
Auch persönliche Faktoren wie körperliche und mentale Verfassung oder Stimmungen können die Sprachproduktion negativ beeinflussen (Kleppin 2000: 37) genauso wie soziokulturelle Faktoren, die zu kulturellen Interferenzen, d. h. zu unangemessenen Übertragungen von verbalem oder nonverbalem Verhalten aus der eigenen Kultur in die Zielkultur führen (Kleppin 2000: 38f.). Fehler beziehen sich insofern nicht nur auf deklaratives, sondern auch auf prozedurales Sprachwissen (savoir apprendre, savoir être) (Krechel 2015: 122).
Koutiva und Storch (1989: 414f.) weisen darauf hin, dass auch die menschliche Individualentwicklung Einfluss auf den Fremdsprachenerwerb nimmt und dementsprechend entwicklungsbedingte Fehler existieren. So wie sich das muttersprachliche System von Lernenden im Laufe der individuellen Entwicklung verändere, veränderten sich auch die Strategien, mit denen eine neue Sprache erlernt würde (ebd.). Der Fremdsprachenerwerb verläuft insofern nicht linear (Kleppin 2000: 39). Das sich entwickelnde Sprachsystem ist variabel, durchlässig sowie instabil und kann sich vor und zurück bilden (Kleppin 2000: 39; Selinker 1985: 36). Diese Annahme geht auf die Interlanguage-Hypothese von Selinker zurück. Sie beruht auf der Hypothese, dass sich beim Fremdsprachenerwerb ein eigenständiges Sprachsystem, eine Interlanguage oder Interimsprache, zwischen Mutter- und Fremdsprache entwickelt, welche Grundzüge beider, aber auch unabhängige Anteile enthält (Selinker 1985; Kleppin 2000: 39). Fünf psycholinguistische Prozesse bestimmen hiernach die Sprachentwicklung (Selinker 1985: 35; Kleppin 2000: 39). Diese sind Sprachtransfer (language transfer), Übungstransfer (transfer of training), Lernstrategien (stategies of second language learning), Kommunikationsstrategien (strategies of second language communication) und Übergeneralisierungen (overgeneralization of target language linguistic material) (ebd.). Diese Prozesse können zu Fehlern führen (Kleppin 2000: 39), die als interlanguage-systemgerecht bezeichnet werden können.
Für Kobi (1994: 6) sind Fehler grundsätzlich und systemimmanent berechenbar, abschätzbar und korrigierbar. Kleppin und Königs (1991: 17f.) weisen jedoch darauf hin, dass es im Unterrichtskontext in der Regel nicht möglich sei, Ursachen5 für das Auftreten einer jeweiligen sprachlichen Abweichung zu benennen; eine intersubjektive Nachprüfbarkeit für Begründungen sei schwierig zu erreichen (vgl. auch Kleppin 2000: 40). Weingardt (2004: 24) hält dazu fest:
Noch schwieriger wird es bei der Formulierung allgemeiner Aussagen über Zusammenhänge einzelner Merkmale der Fehlerentstehung oder ‑bearbeitung, die hypothesengeleitete empirische Untersuchungen begründen können. In komplexeren Handlungssituationen wie etwa einem Schulvormittag lässt sich ein Bündel von Einflüssen vermuten, die an der Entstehung oder am Verlauf eines unerwünschten fehlerhaften Phänomens beteiligt sind.
Fehler können nicht nur nach Ursache, sondern auch nach der sprachlichen Ebene bzw. ihrer Lokalisierung klassifiziert werden. Hierbei unterscheidet man in der Regel phonetisch-phonologische, morpho-syntaktische, lexiko-semantische (Kleppin 2010b: 1063, 2000: 42) und pragmatische Fehler (Kleppin 2000: 42).
Für die Unterrichtspraxis von Interesse sind auch inhaltliche Fehler (Kleppin 2000: 42), die sich nicht auf die sprachliche Richtigkeit einer Äußerung beziehen. Zuweilen wird auch zwischen kommunikationsbehindernden und nicht kommunikationsbehindernden Fehlern unterschieden (Kleppin 2000: 42).
Für die hier durchgeführte Untersuchung wird aus praktischen Gründen zwischen Grammatik-, Aussprache-, Wortschatz- und Inhaltsfehlern differenziert. Es wird davon ausgegangen, dass Schüler*innen mit dieser groben Einteilung aus dem Unterrichtsalltag vertraut sind. Pragmatische Fehler werden aus diesem Grunde nicht explizit thematisiert, da die Abgrenzung zu Wortschatz- und Inhaltsfehlern für Schüler*innen womöglich uneindeutig sein könnte.
Während im deutschsprachigen Raum der Begriff Fehlerkorrektur verwendet wird, findet sich in der internationalen Literatur seltener der Begriff error correction. Häufiger gebraucht wird der Terminus corrective feedback.
Lightbow und Spada (1994: 120) definieren corrective feedback recht vage als „an indication to a learner that his or her use of the target language is incorrect. This includes a variety of responses that a language learner receives“.
Für Havranek (2002: 24) impliziert Korrektur,
dass etwas fehlerhaft ist und nicht den Erwartungen, dem Ideal entspricht. Durch die korrigierende Rückmeldung zeigt die Lehrerin an, dass etwas an der Äußerung nicht den zielsprachigen Erwartungen entspricht und daher eine Richtigstellung notwendig ist.
Für Kleppin und Königs (1991: 50) erscheint jedoch nicht die zielsprachige Erwartung als relevant für die Initiierung einer Korrektur, sondern die Erwartung des*der Korrigierenden. Sie verstehen Korrektur als
die Reaktion eines Unterrichtsaktanten auf eine im Unterricht gefallene Äußerung, wobei diese Reaktion gleichzeitig mangelndes Einverständnis mit ihr signalisiert. Korrigieren ist damit nach unserem Verständnis eine individuelle Reaktion, die zu großen Teilen an die Wahrnehmungen und Erwartungen des Korrigierenden gebunden ist. Es ist also nicht der (sprachliche) Fehler ‚an sich‘, der Korrekturen auslöst, sondern der (sprachliche) Fehler in einer bestimmten Wahrnehmung und vor dem Hintergrund einer bestimmten Erwartungshaltung.
Aus dieser Annahme ergibt sich, dass auch eine sprachlich korrekte Äußerung korrigiert werden kann, wenn sie als fehlerhaft wahrgenommen wird (ebd.).
Kleppin (2000: 134f.) erweitert den Korrekturbegriff folgendermaßen:
Korrektur wird als das Signalisieren des mangelnden Einverständnisses mit Teilen der Lerneräußerung/‑produktion verstanden, an das sich unterschiedliche Schritte anschließen können, wie z. B. die Selbstkorrektur durch denjenigen, der den Fehler gemacht hat, die Korrektur durch einen Mitlernenden oder die Korrektur durch den Lehrer. Korrektur in Abgrenzung zur Reparatur bedeutet, dass der Schüler eine Korrektur durch den Lehrer übernimmt und dabei das, was er eigentlich sagen will, aufgibt […]. [Hervorh. im Orig.]
Auch Havranek (2002: 24) gibt zu verstehen, dass nicht der vorausgegangene Fehler eine Rückmeldung als Korrektur definiere, sondern es sei vielmehr die Absicht, den Fehler zu behandeln. So sieht Edmondson (1986: 113) den Fehler als Produkt der Korrektur, denn „if the teacher does not react, no ‘error’ has occured“ (ebd., vgl. hierzu auch Henrici & Herlemann 1986: 12f.).
Reparatur ist ein „Begriff, der teilweise in der Fachliteratur als Abgrenzung zum Begriff Korrektur verwendet wird. Bei der Reparatur passt sich der Lehrer der Äußerungsabsicht des Schülers an, übernimmt sie und gibt dem Schüler eine Formulierungshilfe“ (Kleppin 2000: 136 [Hervorh. im Orig.]; vgl. auch Kleppin 2001: 323, 2016: 412).
Betrachtet man vorstehende Definitionen der Reparatur, wird eine gewisse Unschärfe nicht nur im Vergleich mit dem Terminus Korrektur deutlich1. Bohnensteffen (2010: 44) weist folgerichtig darauf hin, dass in der aktuellen Literatur eine hohe terminologische Vielfalt bezüglich der Fehlerkorrektur vorherrsche; so würden mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung (im deutschsprachigen Raum, Anm. der Verf.) u. a. Begrifflichkeiten wie negative Rückmeldung (bei Havranek 2002), Fehlertherapie (bei Häuptle-Barceló 2007) oder feedback (bei Königs 2007) benutzt (vgl. hierzu auch Kleppin 2016: 412). Da der Begriff unterschiedlich ausgelegt werde, sei keinesfalls eindeutig, was als Korrektur zu bezeichnen sei (Havranek 2002).
It has been examined in terms of negative evidence by linguists […], as repair by discourse analysts […], as negative feedback by psychologists […], as corrective feedback by second language teachers […], and as focus-on-form in more recent work in classroom second language acquisition […]. (Lyster & Ranta 1997: 38)
Insbesondere seit dem Beleg für die hohe Relevanz von Feedback im Lernprozess durch Hatties „Visual Learning“-Studie (2009) scheint sich auch eine terminologische Unschärfe zwischen den Begriffen Korrektur und Feedback zu verstetigen. Auch scheint die durch die Kompetenzorientierung ins Hintertreffen geratene Auseinandersetzung mit Fehlern und Korrekturen durch die Feedbackdebatte neuen Aufwind zu bekommen (vgl. hierzu z. B. Der Fremdsprachliche Unterricht Französisch, Themenheft 165/2020 „Fehler korrigieren“, Themenheft 136/2015 „Donner un feedback“; Der Fremdsprachliche Unterricht Englisch, Themenheft 130/2014 „Peer Feedback“ sowie die Lehrkräftehandreichungen von Hohwiller 2016, Fröhlich, Rattay & Schneider 2013).
Fehlerkorrektur ist jedoch nicht gleichzusetzen mit Feedback. Hattie und Timperley (2007: 81) verstehen Feedback als
information provided by an agent (e.g., teacher, peer, book, parent, self, experience) regarding aspects of one’s performance or understanding. A teacher or parent can provide corrective information, a peer can provide an alternative strategy, a book can provide information to clarify ideas, a parent can provide encouragement, and a learner can look up the answer to evaluate the correctness of a response. Feedback thus is a ‘consequence’ of performance.
Eine ähnliche Ansicht vertritt De Florio Hansen (2014: 151):
Nach einer allgemeinen Definition für den (schulischen) Lehr- und Lernkontext besteht Feedback in erster Linie aus einer Information, die einzelne Schülerinnen und Schüler und/oder eine Lerngruppe von einem Handlungsträger (agent) in Bezug auf ihr Lernen erhalten.
Aus beiden Definitionen wird deutlich, dass Korrekturen zwar Teil des Feedbacks sein können, Feedback aber aus weit mehr besteht als Korrekturen. Laut De Florio-Hansen (2014: 151) reiche es nicht, eine korrekte Lösung vorzugeben, Feedback umfasse vielmehr eine differenzierte Leistungsrückmeldung durch einen Handlungsträger. Feedback kann (und sollte) zudem unabhängig vom Auftreten von Fehlern erfolgen (vgl. ebd.). Laut Hattie und Clarke (2019: 5, Pos. 379, Kap. 1) hat Feedback unterschiedliche Funktionen, darunter auch die Fehlerkorrektur. Eine ebenfalls nicht eindeutige Verwendung kommt dem Begriff Rückmeldung zu (vgl. Bohnensteffen 2010: 44). Rückmeldung wird zumeist in Bezug auf nicht näher definierte Fehlerkorrekturen (vgl. z. B. Blex 2001: 41) oder Feedback (und darunter subsumiert Leistungsrückmeldungen) verwendet (vgl. z. B. Cronjäger 2009: 76). Weitere definitorische Unklarheiten betreffen in der anglophonen Literatur die Termini error treatment, corrective reactions oder corrective moves, die häufig synonym zu den Begriffen error correction oder corrective feedback verwendet werden (Pawlak 2014: 6).
Eine Korrektursequenz beinhaltet laut Henrici und Herlemann (1986: 13f.) als obligatorische Bestandteile eine korrekturbedürftige Äußerung und die Durchführung der Korrektur, wobei Letztere zwangsläufig auf Erstere folgen muss. Ein fakultativer Teil der Korrektur sei die Einleitung der Korrektur, ein Redebeitrag, der eine Korrektur initiiere, sie aber nicht ausführe (ebd.: 14). Ebenfalls könne eine korrigierte Äußerung folgen (ebd.).
Eine typische Korrekturhandlung stellt sich nach Koutiva und Storch (1989: 417) folgendermaßen dar:
Typische Korrekturhandlung nach Koutiva und Storch (1989: 417)
Die vier Elemente der typischen Korrektursequenz sind demnach eine fehlerhafte Äußerung durch die*den Lernende*n, ein Korrekturhinweis, die Korrekturdurchführung und eine Korrekturbewertung. Obligatorische Elemente der Korrektursequenz seien die fehlerhafte Äußerung und die Korrekturdurchführung; der Korrekturhinweis und die Korrekturbewertung hingegen seien fakultativ (ebd.). Nach einer fehlerhaften Äußerung ergeben sich laut Koutiva und Storch (1989: 417f.) drei Möglichkeiten: Es kann ein Korrekturhinweis erfolgen (Pfad 1), der zu einer Korrekturdurchführung führt (Pfad 2), es kann aber auch ohne Korrekturhinweis eine Korrektur durchgeführt werden (Pfad 3) oder aber, es erfolgt weder ein Korrekturhinweis noch eine Korrektur (Pfad 8) und die Äußerung gilt als korrekt. Zudem kann nach einer Korrekturdurchführung eine Korrekturbewertung stattfinden (Pfad 5). Nach negativer Bewertung (-) kann es zu einem weiteren Korrekturdurchgang kommen (Pfad 7) oder bei positiver Bewertung (+) zum Abschluss der Korrektursequenz.
Für Havranek (2002: 30) stellt die fehlerhafte Äußerung keinen obligatorischen Bestandteil der Korrektursequenz dar, da die Korrektur erst beginne, wenn auf den Fehler reagiert würde.
Die Reaktion auf einen Fehler kann direkt nach Auftreten eines Fehlers, im Anschluss an eine Lernendenäußerung oder auch in einer späteren, nachbereitenden Korrekturphase erfolgen (vgl. Kleppin 2000: 107).
In der vorliegenden Arbeit wird unter Korrektur ein von mindestens einer*einem Lernenden festgestelltes Signalisieren von fehlendem Einverständnis eines oder mehrerer Unterrichtsaktanten (sowie seiner*ihrer selbst) auf eine (vermeintlich) fehlerhafte eigene oder fremde Äußerung verstanden, die mit der Absicht einer sprachlichen oder inhaltlichen Richtigstellung durch einen oder mehrere Unterrichtsaktanten erfolgt. Die Richtigstellung oder mindestens der Versuch einer Richtigstellung vonseiten eines oder mehrerer Unterrichtsaktanten ist obligatorischer Bestandteil der Korrektur. Erfolgt ein Signalisieren von fehlendem Einverständnis auf eine (vermeintlich) fehlerhafte eigene oder fremde Äußerung ohne die (Absicht einer) Richtigstellung, handelt es sich um einen Fehlerhinweis (ohne Korrektur).
Koutiva und Storch (1989: 420) merken an, dass
es uns [oft] als Lehrer nicht bewußt [ist], wieviele [sic!] verschiedene Möglichkeiten wir haben, die Lerner auf ihre Fehler hinzuweisen. Erst das Bewußtsein für die einzelnen Varianten eröffnet die Möglichkeit, hier bewußter zu handeln und die einzelnen Fälle gezielter einzusetzen.
Schegloff, Jefferson und Sacks (1977) differenzieren vier Typen von Korrekturhandlungen: self-initiated self-correction, self-initiated other-correction, other-initiated self-correction und other-initiated other-correction. Henrici und Herlemann (1986: 15) haben diese Unterteilung für den deutschsprachigen Raum übernommen (selbstinitiierte Selbstkorrektur, fremdinitiierte Selbstkorrektur, selbstinitiierte Fremdkorrektur und fremdinitiierte Fremdkorrektur). Von Belang bei dieser Einteilung ist der Unterrichtsagent, von dem die Korrektur ausgeht, und derjenige, der die Korrektur ausführt. Nimmt der*die Sprecher*in der korrekturbedürftigen Äußerung die Korrektur selbst vor, sprechen Henrici und Herlemann von Selbstkorrektur, wird die Korrektur von einem*einer anderen Gesprächsteilnehmer*in durchgeführt, handele es sich um Fremdkorrektur (ebd.). Diese können von dem*der Sprecher*in selbst‑ oder von einem*einer anderen Gesprächsteilnehmer*in fremdinitiiert sein (ebd.).
Kasper (1985: 207) führt als weitere Kategorie „delegated repair“ auf und meint damit die Korrekturinitiierung durch die Lehrkraft, welche die Korrekturausführung an eine*n andere*n Lernende*n delegiert und nicht an den*die Sprecher*in selbst.
Kleppin und Königs (1991) unterscheiden hinsichtlich der Korrekturhandlung die Gegensatzpaare direkt und indirekt, verbal und nonverbal, metasprachlich und objektsprachlich, unterbrechend und nichtunterbrechend, ausholend und nichtausholend sowie kognitiv und imitativ und nehmen damit die Art bzw. Qualität der Korrekturhandlung in den Blick. Allerdings erscheint hier eine klare Abgrenzung schwierig (vgl. hierzu auch Havranek 2002: 38f.).
Grundsätzlich kann zwischen expliziten und impliziten Korrekturhandlungen unterschieden werden (Koutiva & Storch 1989: 419; Kleppin 2000: 98f.).
Koutiva und Storch (1989: 419) verstehen unter einer expliziten Korrekturhandlung das Lenken der Lerner*innenaufmerksamkeit auf den Fehler, d. h. die bewusste Thematisierung desselben. Für Kleppin (2000: 98f.) stellt die explizite Korrektur eine direkte Korrektur durch die Lehrkraft da, d. h. dass die Lehrkraft die richtige sprachliche Struktur direkt nennt. Unter impliziter Korrektur verstehen Koutiva und Storch (1989: 419) eine Korrekturhandlung, bei der die Lehrkraft versucht zu korrigieren, ohne die Aufmerksamkeit der Lernenden vom eigentlichen Unterrichtsgeschehen abzulenken. Für Kleppin (2000: 98f.) stellt die implizite Korrektur eine indirekte Korrektur durch die Lehrkraft dar, bei der ein natürlicher Kommunikationsverlauf imitiert werden soll. Beispiele für direkte (a) und indirekte Korrektur (b) im Französischunterricht liefert Kleppin (1998: 267):
A: Je commence avec l’exercice numéro trois ?
E: Tu commences par, par l’exercice numéro trois. [Hervorh. im Orig.]
A: D’abord j’ai appris l’italien et après le français, heureusement c’est très pareil.
E: Oui, tu as raison, c’est un avantage d’apprendre deux langues aussi semblables.
Direkte und indirekte Korrektur zählt Kleppin (2000) zu den Lehrerkorrekturen. Davon unterscheidet sie die Aufforderung zur Selbstkorrektur. Aufforderungen zur Selbstkorrektur lassen sich laut Kleppin (2000) unterteilen in verbale und nonverbale Aufforderungsarten.
Zu den verbalen Aufforderungen zählt sie:
Das Signalisieren des Vorhandenseins eines Fehlers durch einen Einwurf, z. B.
A: Au moment je fais beaucoup de sport.
E: Attention! (Kleppin 1998: 267f.)
A: Cette œuvre est apparue en 1966.
E: Est-ce qu’on dit ‘apparue’ ?
A: Ist erschienen?
E: Oui, comment est-ce qu’on dit en français ? Nicht ‘apparue’, aber fast.
A: Ah oui, l’œuvre a paru.
E: Très bien. (Kleppin 1998: 267)
Die Kennzeichnung des Fehlerorts, z. B.
A: A Paris, il y a beaucoup de cafés sur la rue.
E: Sur la rue ?
A: Dans la rue. (Kleppin 1998: 268) [Hervorh. im Orig.]
Die Fehlerkennzeichnung über einen metasprachlichen Hinweis, z. B.
A: Je m’intéresse beaucoup pour
E: Mark, quelle préposition ?
A: A, à la musique. (Kleppin 1998: 268)
Verweise auf mögliche Fehlerursachen, z. B.
A: Je lui ai aidé à faire son exercice.
E: Attention! Tu utilises une construction allemande. Das ist hier ein Lieblingsfehler von euch allen!
A: Ach ja, Mensch!
E: Und?
A: Direktes Objekt. Je l’ai aidé. (Kleppin 1998: 268)
Inhaltliche, pragmatische oder logische Zusammenhänge, z. B.
A: Je fais deux courses cette année.
E: (lachend) Tu es alors un consommateur très très raisonnable ?
A: Mensch, mach ich immer wieder falsch, deux cours. (Kleppin 1998: 268)
Den Zeitpunkt, als das entsprechende Phänomen im Unterricht behandelt oder geübt worden ist, z. B.
A: Je pense le.
E: Attention! Qu’est-ce qu’on a dit hier ? Où est-ce qu’on met le pronom ?
A: Je le pense, vor das Verb, das Pronomen. (Kleppin 1998: 268)
Zu den nonverbalen Aufforderungsarten zählt sie nonverbale Signale wie Gesten und Mimik (ebd.: 96f.).
In der internationalen Forschung hat sich die Klassifizierung von Lyster und Ranta (1997) durchgesetzt. Sie unterscheiden explicit correction, recasts, clarification requests, metalinguistic feedback, elicitation und repetition. Bei der explicit correction gibt die Lehrkraft die korrekte Form vor (ebd.: 46). Wenn die Lehrkraft einen Teil der Lernendenäußerung aufgreift und diese umformuliert, handele es sich um einen recast (ebd.: 46f.). Unter clarification request verstehen sie eine Bitte um Erklärung (ebd.: 47). Metalinguistic feedback enthält laut Lyster und Ranta (1997: 47) metalinguistische Kommentare, Informationen oder Fragen zur richtigen sprachlichen Form ohne explizit die korrekte Form vorzugeben. Die elicitation diene dazu, eine Selbstkorrektur bei Lernenden zu initiieren, indem die Lehrkraft beispielsweise die fehlerhafte Äußerung fragend wiederhole und vor dem Fehler stoppe (ebd.: 48). Die repetition wiederum greife eine fehlerhafte Äußerung komplett auf und mache das fehlende Einverständnis mit der Äußerung durch eine veränderte Intonation deutlich (ebd.: 48f.). Lyster (2004) unterscheidet wenige Jahre später nur noch zwischen recasts und prompts, wobei er unter Letzteren clarification requests, repetitions, elicitations und metalinguistic clues subsumiert.
Rath (1979: 209ff.) hält auch den Abbruch einer Äußerung als Ergebnis einer sprachlichen Fehlplanung für (die einfachste Form der) Korrektur. Für Ramge (1980: 8ff.) stellt der Abbruch einer Äußerung jedoch keine Korrektur, sondern den Wechsel einer Sprecherstrategie dar.
Lenhard (2016: 62) weist zudem darauf hin, dass es sich bei metalinguistischen Hinweisen nicht um Korrekturen im eigentlichen Sinne, sondern um Rückmeldungen handele. Er begreift Korrekturen als „das Ersetzen von Falschem durch Richtiges“ (Lenhard 2016: 33). Auch (non)verbale Aufforderungsarten wären im Sinne einer so verstandenen Korrektur ausschließlich als Rückmeldung zu verstehen.
In der vorliegenden Studie wird ausschließlich der Begriff Korrektur verwendet. Es wird angelehnt an Kleppin (1998, 2000) und Lyster und Ranta (1997) zwischen direkter und indirekter Korrektur unterschieden. Als direkte Korrektur wird verstanden, wenn die Lehrkraft die richtige sprachliche Form direkt vorgibt (vgl. Lyster & Ranta 1997: explicit correction; Kleppin 1998: direkte Korrektur), als indirekte Korrektur wird verstanden, wenn die Lehrkraft die fehlerhafte Äußerung imitativ aufgreift und berichtigt wiederholt (vgl. Lyster & Ranta 1997: recast; Kleppin 1998: indirekte Korrektur). Weiterhin wird zwischen der Initiierung von Selbstkorrektur (vgl. Lyster & Ranta 1997: elicitation, clarification request; Kleppin 1998: Initiierung von Selbstkorrektur, verbale Aufforderungsart) und der nonverbalen Korrektur (vgl. Kleppin 1998: 269: nonverbale Aufforderungsart) differenziert. Außerdem wird das metasprachliche Feedback separat erfasst (vgl. Kleppin 1998: 269: verbale Aufforderungsart). Unter metasprachlichem Feedback wird hier verstanden, wenn die Lehrkraft unabhängig vom Agenten der Korrektur(initiierung) im Zuge einer Korrektur metasprachlich erläutert, warum eine Aussage als fehlerhaft angenommen wird oder einen metasprachlichen Hinweis im Rahmen der Selbstkorrekturinitiierung gibt. Auch Hinweise auf Pragmatik und Fehlerursachen im Rahmen einer Korrektur werden als metalinguistisches Feedback gewertet.
Die hier verwendeten Kategorien sind aus deskriptiv-linguistischer Sichtweise sicherlich als reduziert zu bezeichnen1, aus unterrichtspraktischer Sicht und mit Blick auf die methodische Umsetzung sowie die angestrebten Ergebnisse dieser Studie als ausreichend komplex und praktikabel zu betrachten. Es handelt sich um eine didaktisierte Fehlertypologie.
Schon seit Jahrzehnten wird darüber diskutiert, welche Art der Korrektur die effektivste und wann der richtige Zeitpunkt für eine Korrektur ist, damit Fehlerfossilisierung bzw. ‑fossilierung vermieden werden kann.
Dabei wird gemeinhin davon ausgegangen, dass Fehlerkorrektur besonders im Anfangsunterricht intensiv erfolgen und im Fortgeschrittenenunterricht zwischen sprachbezogenen und mitteilungsbezogenen Unterrichtsphasen unterschieden werden sollte; für Letztere herrscht die Empfehlung nur in Ausnahmefällen zu korrigieren, um den Sprachfluss nicht zu stören und die Lernenden nicht zu demotivieren (Bleyhl 1984: 178f; Koutiva & Storch 1989: 423f; Krechel 2015: 124ff.). Andererseits würden gerade im bedeutungsorientierten Unterricht morphosyntaktische Strukturen eher übersehen und bedürften anders als phonetische und lexikalische Fehler eher expliziteren (und elizitierenden) Rückmeldungen (Schoormann & Schlak 2012: 176). Auch über die Frage, welche Fehlerarten am ehesten korrigiert werden sollten, wird diskutiert (Hecht & Green 1989; Desgranges 1990). Hierbei deutet einiges darauf hin, dass sich Fehlerkorrekturen sowohl positiv auf die Grammatikentwicklung der Lernenden (Basturkmen & Fu 2021) als auch auf ihre Aussprache (Saito 2021) und Lexik (Kamiya & Nakata 2021) auswirken.
Kleppin (2000: 97) erachtet nonverbale Korrekturen als besonders vorteilhaft, da sie zeitökonomisch und günstig für die Gruppenatmosphäre seien. Auch Bebermeier (1984: 185) argumentiert, dass nichtsprachliche Mittel oft bedeutungsträchtiger und relevanter für den Anleitungs-, Stützungs- und Korrekturprozess seien als reine sprachliche Mittel. Schoormann und Schlak (2011b: 97) weisen darauf hin, dass sich mit konsistent eingesetzten nonverbalen Signalen die Auffälligkeit des Feedbacks steigern lasse. Zudem deuten empirische Befunde darauf hin, dass nonverbale Korrekturen potenziell lernförderlich sind (Nakatsukasa 2021).
Schoormann und Schlak (2012) unterscheiden zwei dominierende theoretische Ansätze der Fremdsprachenforschung im Hinblick auf die Wirksamkeit von korrektivem Feedback. Der soziokulturelle Ansatz gehe davon aus, dass korrektives Feedback den individuellen Bedürfnissen der Lernenden Rechnung tragen müsse, um erfolgreich zu wirken (ebd.; vgl. hierzu auch Nassaji 2021). Der kognitiv-interaktionistische Ansatz gehe wiederum davon aus, dass über spezifische Arten der Korrektur, deren Effektivität empirisch nachweisbar ist, der Fremdsprachenerwerb positiv beeinflusst werden kann (ebd.; vgl. hierzu auch Han 2021; Abbuhl 2021; Leow & Driver 2021). Aus beiden Ansätzen lässt sich gemäß Schoormann und Schlak (2012) kein abschließendes Reglement für die effektive Fehlerkorrektur ableiten.
Mit Blick auf eine mögliche Fehlerfossilierung klassifizieren Vigil und Oller (1976: 287f.) nach affektivem und kognitivem Feedback im Kontext der mündlichen Fehlerkorrektur. Laut Vigil und Oller (1976: 287f.) bestehe eine Tendenz zur Fehlerfossilierung, wenn kein Fehlerhinweis und auch keine affektiv positive Rückmeldung erfolge. Sie argumentieren, dass Lernende in dieser Situation davon ausgehen würden, dass ihre Aussage korrekt sei und weiter bereit wären, sich am Unterricht zu beteiligen, jedoch würde aufgrund der mangelnden Fehlerbewusstmachung eine Fossilierung wahrscheinlich. Ein Fehlerhinweis wiederum, der in affektiv positiver Form hervorgebracht werde, wirke sich lernförderlich aus (ebd.). Affektiv negative Fehlerhinweise führten andererseits dazu, dass die Kommunikationsbemühungen vonseiten der Lernenden eingestellt würden, sodass es zu einem lernhemmenden Effekt kommen könnte (ebd.).
Die Hypothese von Vigil und Oller (1976: 287f.) ist stark vereinfacht, lässt sie jedwede unterrichtliche Interaktion außer Betracht und auch affektives und kognitives Feedback sind nicht eindeutig definiert. Auch die Selbstkorrektur der Lernenden, unterschiedliche Korrekturarten der Lehrkraft oder die diversen Persönlichkeitsmerkmale von Lernenden (vgl. hierzu Koutiva & Storch 1989: 428) spielen in ihren Überlegungen keine Rolle. Nichtsdestotrotz gibt das von ihnen aufgezeigte Schema Denkanstöße für empirische Studien, die sich der Effektivität mündlicher Fehlerkorrekturen annehmen. Es zeigt auf, dass die affektive Komponente eine wichtige Rolle bei der Fehlerfossilierung spielen könnte. Koutiva und Storch (1989: 428) weisen entsprechend darauf hin, dass affektiv negatives Feedback prinzipiell zu vermeiden sei und zu häufiges Korrigieren zu Entmutigung und Überforderung bei den Lernenden oder sogar das Nichterreichen eines kommunikativen Ziels führen könne.
Es ist davon auszugehen, dass in der Praxis die Anpassung des Korrekturverhaltens an unterschiedliche Zielgruppen und Lernziele eher pragmatischen Entscheidungen in Bezug auf die Unterrichtsdurchführung folgt. Kleppin (2000: 89) stellt fest, dass Korrekturen im Anfänger*innenunterricht strukturell einfach und daher schneller auszuführen seien als im Fortgeschrittenenunterricht. Auch seien Lernendenäußerungen im Anfänger*innenunterricht eher begrenzt, weswegen der Redefluss seltener unterbrochen werden müsse. Sie betont, dass es keine pauschale und generalisierbare Empfehlung für das optimale Korrekturverhalten für unterschiedliche Gruppen gibt (ebd.) und sich starre Korrekturempfehlungen sogar kontraproduktiv auswirken können (Kleppin 1998: 271). Inzwischen habe sich im Zuge einer Hinwendung zum lerner*innenbezogenen Fremdsprachenunterricht „eine gelassene Einstellung den sprachlichen Fehlern gegenüber etabliert“ (Reinfried 2017: 78; vgl. auch Krechel 2015: 122f; Kleppin & Mehlhorn 2008; Bleyhl 2009). Nichtsdestotrotz ist die Frage nach der Effektivität mündlicher Fehlerkorrekturen insbesondere in der internationalen Forschung weiterhin stark präsent.
Sehr viele (internationale) Studien haben insofern die Wirksamkeit mündlicher Fehlerkorrekturen in den letzten Jahren und Jahrzehnten untersucht; die affektive Dimension der Korrektur wurde in diesen Studien jedoch meist außen vor gelassen.
Im Folgenden werden die Ergebnisse diverser Metastudien in chronologischer Reihenfolge ihrer Veröffentlichung referiert. Englischsprachige Bezeichnungen für unterschiedliche Korrekturarten werden in der Fremdsprache übernommen, um Übersetzungsungenauigkeiten zu vermeiden1.
Russell und Spada (2006) betrachteten die Effektivität von mündlichen und schriftlichen Korrekturen bezogen auf Grammatikfehler im Zweitsprachenkontext. Es wurde nicht zwischen einzelnen Korrekturarten unterschieden. In die Metaanalyse wurden 15 Studien aus den Jahren 1988 bis 2003 zur Berechnung von Effektstärken einbezogen. Die mittlere Effektstärke für mündliche und schriftliche Korrektur lag bei 1.16. Die Effektstärke nur für mündliche Korrektur (basierend auf 7 Studien) fiel mit 0.91 etwas geringer aus als die für schriftliche Korrektur (d = 1.26), erweist sich jedoch ebenfalls als hoch. Die positiven Effekte der Fehlerkorrektur scheinen sich im Zeitverlauf nicht zu reduzieren, obgleich die zur Verfügung stehenden Daten keine sicheren Ergebnisse zulassen (ebd.: 152). In den in der Metaanalyse betrachteten drei Studien, in denen implizite Korrektur mit keiner Korrektur verglichen wurde, ergab sich eine mittlere bis große Effektstärke für implizite Korrekturen. Allerdings halten die Autorinnen fest, dass es bisher nicht genug empirische Evidenz gäbe, um ein abschließendes Fazit darüber fällen zu können, welche Korrekturart die effektivste sei (ebd.: 154).
Lyster und Saito (2010) untersuchten die Effektivität unterschiedlicher mündlicher Korrekturarten (recasts, explicit correction und prompts) im Zweit- und Fremdsprachenkontext. In der Metaanalyse wurden 15 quasi-experimentelle Studien aus den Jahren 1989 bis 2010 berücksichtigt. Die Autoren konnten eine Effektstärke von 0.74 für mündliche Fehlerkorrektur feststellen. Dabei zeigen sich keine bemerkenswerten Unterschiede zwischen dem Fremd- und Zweitsprachenkontext (d = 0.70 vs. 0.74). Recasts, prompts und explicit correction führten zu signifikanten Effekten. Prompts (d = 0.83) und explicit correction (d = 0.84) erwiesen sich als effektiver als recasts (d = 0.53). Zeitverzögertes zeigte sich etwas effektiver als zeitnahes corrective feedback (d = 0.84 vs. 0.63). Ihre Ergebnisse legen zudem nahe, dass Jüngere stärker von mündlichen Fehlerkorrekturen zu profitieren scheinen als ältere Lernende.
Li (2010) betrachtete die Effektivität mündlicher Fehlerkorrekturen im Zweit- und Fremdsprachenkontext. In die Metaanalyse wurden 33 Studien, darunter auch 11 Dissertationen, aus den Jahren 1988 bis 2007 einbezogen. Es zeigte sich eine mittlere Effektstärke für Korrekturen im Allgemeinen (FE: d = 0.61; RE: d = 0.64), die auch im Zeitverlauf kaum abnimmt. Kurzfristig zeigte sich explizite Korrektur effektiver als implizite Korrektur (d = 0.693/0.718 vs. d = 0.542/0.562). Implizites corrective feedback erweist sich langfristig effektiver als explizites (d = 0.544/0.544 vs. 0.440/0.440). Die berechneten Effektstärken im Fremdsprachenkontext fielen höher aus als die im Zweitsprachenkontext. Bezogen auf Unterrichtsaktivitäten zeigten sich signifikant höhere Effektstärken in Übungskontexten als in kommunikativen Kontexten. Korrekturen durch native speakers sind gemäß den Ergebnissen effektiver als der non-native speakers (d = 0.997/0.975 vs. 0.412/0.474). Interessanterweise erzielte computergestütztes corrective feedback ebenfalls hohe Effektstärken (d = 0.828/0.886). Das Alter der Lernenden spielt laut den Ergebnissen keine signifikante Rolle für die Lernwirksamkeit.
Miller und Pan (2012) nahmen sich der Effektivität von mündlichen Fehlerkorrekturen als Reaktion auf recasts