Employer Branding für Einsteiger - Johannes Bopp - E-Book

Employer Branding für Einsteiger E-Book

Johannes Bopp

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Beschreibung

Wie kann Ihr Unternehmen trotz Fach- und Arbeitskräftemangels genügend passende Mitarbeiter gewinnen? Indem es als attraktive Employer Brand auftritt. Dieses Buch vermittelt in leicht verständlicher Form, wie man eine starke Arbeitgebermarke entwickelt und pflegt. Zudem stellt es Methoden für die aktive Rekrutierung von Mitarbeitern über soziale Medien vor. Eine kompakte Einführung für Unternehmer und Personalverantwortliche in kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMUs). Themenquerschnitt aus dem Buch: Entwicklung von Arbeitgebermarken für KMUs (Employer Branding), Social Recruiting, aktive Mitarbeitergewinnung bzw. Personalgewinnung oder Personalbeschaffung (active Sourcing), E-Recruiting, Internet Sourcing, Human Ressource Management (HRM) & Bindung von Humankapital, Personalsuche in sozialen Netzwerken, künstliche Intelligenz (KI) bei Bewerberinterviews und in der Personalauswahl

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»Das Fundament der Vielfalt

ist die Einzigartigkeit«

Ernst Ferstl

Inhaltsverzeichnis

1. GRUNDLAGEN: Warum starke Arbeitgebermarken starke Mitarbeiter begeistern

Die wahre Geschichte eines Durchstarters

Dringender Handlungsbedarf

Was ist eine Arbeitgebermarke?

Teure Irrtümer über Arbeitgebermarken und Social Media Recruiting

Arbeitgebermarken, die keine sind

Digitale Mitarbeitergewinnung, die nicht funktioniert

Qualitätsmerkmale, die Sicherheit geben

Begriffs-Vermögen: Fachwörter, die Sie kennen sollten

Employer Branding

Internes Employer Branding

Arbeitgeberpositionierung

Mitarbeiterbindung

Fachkräftemangel

Unternehmenskultur

Kulturelle Transformation

Culural Fit und Future Fit

Corporate Social Responsibility

Wissen ist Macht, wenn man was macht

Ist Employer Branding nur etwas für große Unternehmen?

2. MARKENENTWICKLUNG: Wie man eine starke Arbeitgebermarke aufbaut

VORBEREITUNG: Warm-up zum Neustart der Arbeitgebermarke

ERHEBEN und ANALYSIEREN des Ist-Zustands

Welche Werte verkörpern wir?

Wer sind unsere Stakeholder?

Wer ist unsere Zielgruppe?

STRATEGIEN für eine starke Markenbildung

Welches Wertangebot unterbreiten wir zukünftigen Mitarbeiter:innen?

Welche Kernbotschaften fokussieren unsere Marke?

Wie sprechen wir unsere Zielgruppe an?

IMPLEMENTIEREN der Arbeitgebermarke

Kommunikation nach innen

Öffentlicher Auftritt der Arbeitgebermarke

Personalmarketing

Vernetzung

Unternehmensruf

Unterstützung von außen

3. MARKENPFLEGE: Wie Sie Ihre Arbeitgebermarke leben

Führen: der Employer-Brand-Manager

Controlling: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

Messen: Wie schwer ist meine Arbeitnehmermarke?

Mit Markenpflege den Glanz erhalten

Sind Arbeitgebermarken sterblich?

4. AKTIVE REKRUTIERUNG: Die Arbeitgebermarke als Hebel zur Mitarbeitergewinnung

Internet Sourcing

Social Distribution

Active Sourcing

5. FAZIT: Vom Wollen ins Handeln kommen

Stichwortverzeichnis

Literaturverzeichnis

Bildnachweis

Autoren

Johannes Bopp

Ralf Isau

Vorwort

Der sich dramatisch zuspitzende Fachkräftemangel hat zu einem Überbietungswettbewerb zwischen Unternehmen geführt: Jede Firma, jede Behörde und jede Non-Profit-Organisation will sich als exzellenter Arbeitgeber präsentieren. Wie schafft man das? In diesem Buch stelle ich Ihnen ein Konzept vor, das seit Anfang der 2000er-Jahre zunehmend an Bedeutung gewinnt: das Employer Branding. Zu deutsch: die Arbeitgebermarkenbildung.

In vielen Konzernen und Großunternehmen beschäftigen sich Mitarbeiter ausschließlich mit der Arbeitgebermarke ihrer Organisation. Kleine und mittelständische Unternehmen (KMUs) hinken da oft noch hinterher. Unser vorliegendes Buch soll dazu beitragen, diese Lücke zu schließen. Deshalb wendet es sich primär an Betriebe aus dem Baugewerbe, dem Handwerk, der Pflege und anderen medizinischen Berufen, der mittelständischen Industrie sowie an KMUs aus weiteren Branchen. Grundsätzlich ist diese Einführung ins Employer Branding für alle gedacht, die sich zum ersten Mal intensiver mit Arbeitgebermarken beschäftigen.

Da Entscheidungsträger oft wenig Zeit haben, dicke, schwer verständliche Fachbücher zu lesen, ist dieser Einstieg so einfach und kompakt wie möglich aufgebaut. »Wissensvermittlung auf Augenhöhe« ist eines meiner beruflichen Leitprinzipien. Schon im Studium interessierte ich mich für Strategien, mit denen Handwerks-und Industriebetriebe dem Fachkräftemangel begegnen können. Das Thema meiner Bachelorarbeit: »Personalgewinnung über soziale Medien am Beispiel von Handwerksbetrieben«. Dieses Interesse führte 2019 zur Gründung der Johannes Bopp GmbH. Damals waren wir Pioniere in der Mitarbeitergewinnung über soziale Medien wie Facebook und sind auf diesem Gebiet bis heute in Deutschland Marktführer geblieben. Hier, bei JB, unterstützen wir Unternehmer, Geschäftsführer und Personalverantwortliche täglich beim digitalisierten Anwerben von Mitarbeitern. Primär richtet sich das Buch an die dafür verantwortlichen Entscheider. Wie Sie beim Lesen aber schnell erkennen werden, sind Gruppen- und Abteilungsleiter für die erfolgreiche Einführung einer Arbeitgebermarke mindestens ebenso wichtig. Auch an sie wendet sich dieses Buch.

Im ersten Hauptkapitel lernen sie die Grundlagen des Employer Brandings kennen. Dazu gehören die wichtigsten Fachbegriffe, denen Sie überall begegnen werden, wo Leute über Arbeitgebermarken (Employer Brands) sprechen oder schreiben. Im Übrigen haben wir viel Wert auf eine verständliche Sprache und auf leichte Lesbarkeit gelegt. Es soll Ihnen Spaß machen, das Buch immer wieder zur Hand zu nehmen und sich dem Thema anzunähern.

Kapitel 2 gibt einen Überblick zur Planung und Einführung einer starken Arbeitgebermarke. Im dritten Abschnitt des Buches lernen Sie, wie man die Marke pflegt, nachschärft und wann es Zeit ist, sich als Arbeitgeber neu zu positionieren. Ein weiterer Schwerpunkt bildet die Mitarbeitergewinnung (Recruiting) mithilfe sozialer Medien und anderer Methoden, die besonders von einer starken Arbeitgebermarke profitieren.

Beim Aufbau des Buches haben wir auch an Quer- und Wiederleser gedacht. Sie finden wichtige Kernaussagen in Kästen am Textrand. Infografiken und Illustrationen machen die Themen anschaulich. Das Stichwortverzeichnis am Ende ermöglicht eine alternative Suche. Damit können Sie immer wieder auf das Buch als Nachschlagewerk zurückgreifen. Für die vertiefende Lektüre finden Sie im Anhang ein Literatur- und Quellenverzeichnis.

Übrigens: In diesem Buch gendern wir behutsam mit dem Doppelpunkt, weil er das Schriftbild am wenigsten stört. Sehen Sie es uns bitte nach, wenn Sie hier und da auch das generische Maskulinum finden. Was nützte es, die Leser und Leserinnen zwar immer politisch korrekt anzusprechen, ihnen wegen umständlicher Formulierungen aber die Freude an der Lektüre zu nehmen? Leseökonomie genießt hier den Vorrang.

Genug der Vorrede. Entdecken Sie nun selbst, wie wirkungsvoll es sein kann, mit einer starken Arbeitgebermarke trotz Fachkräftemangels die passenden Mitarbeiter für Ihr Unternehmen zu gewinnen und Ihr bestehendes Team fester an sich zu binden.

Viel Spaß beim Lesen!

Ihr Johannes Bopp

Im März 2024

Abb. 1

Mit starker Arbeitgebermarke durchstarten

1. GRUNDLAGEN: Warum starke Arbeitgebermarken starke Mitarbeiter begeistern

Die wahre Geschichte eines Durchstarters

»Nichts ist so wechselhaft wie die Identität.«

Stephan Hölscher

(Philosoph u. Managementcoach, *1965)

Für die meisten Autonarren ist die Marke der Heilige Gral. Die Fahrzeuge der Zuffenhausener Nobelschmiede umgibt eine Aura des Elitären. Vor allem ihre Sportwagen verkörpern alle Emotionen, die wir mit dem Wort »Traumauto« verbinden. Zwar träumen viele von einem eigenen Porsche, doch bis in die Mitte der 2010er dachten nur wenige ernsthaft daran, bei Porsche einen Job zu ergattern. »Zu abgehoben, zu unnahbar«, so beschrieben sie das Stuttgarter Unternehmen. Die wahrgenommene Identität der Produktmarke verschmolz unbewusst mit der gefühlten Identität des Arbeitgebers Porsche.

Ein Dilemma für die schwäbischen Autobauer. Denn das Wort »Fachkräftemangel« war schon damals in aller Munde. Sinngemäß fragten sich die Personalverantwortlichen: Wie soll unser Unternehmen wachsen, wenn wir dafür nicht genug neue Mitarbeiter gewinnen? Wie können wir Jobsuchende anlocken, die von vornherein einen Bogen um uns machen, weil sie Porsche für unnahbar halten und dazu noch für die Tochter eines betrügerischen Mutterkonzerns?

Denn zu allem Übel gabs 2015 auch noch »Dieselgate«. Die Volkswagen AG hatte in die Motorsteuerung ihrer Dieselfahrzeuge eine gesetzeswidrige Abschaltvorrichtung eingebaut. Mit der Schummelsoftware konnte sie auf dem Prüfstand wundervolle Abgaswerte vorgaukeln, die weit von dem entfernt waren, was die Autos im täglichen Fahrbetrieb in die Umwelt bliesen. Nicht wenige Kunden, die VW dieserart hinters Licht geführt hatte, verlangten Schadensersatz. Ein Imageverlust, der auch auf die Volkswagenmarken Audi und Porsche überschwappte.

Wenn ein IT-Fachmann zu dieser Zeit vor der Frage stand, ob er zu einem Unternehmen des VW-Konzerns oder lieber zu SAP, Infineon oder am besten gleich zu Google oder Apple gehen sollte, dann hatten die Autobauer schlechte Karten. Hinzu kam eine neue Erwartungshaltung bei jüngeren Bewerbern dieser heiß umkämpften Zielgruppe. Das Gehalt war für sie nicht mehr die allein seligmachende Größe. Sie wünschten sich eine Tätigkeit, die einem höheren Sinn diente. Junge Frauen und Männer sehen sich heute ungern als kleine Rädchen in einem Konzerngetriebe, sondern wollen Teil von etwas Großem sein.

Für die Sportwagenbauer aus Zuffenhausen gab es also gute Gründe zur Schwabbelscheibe zu greifen und ihr angekratztes Image aufzupolieren.

Um das starke Wachstum des Konzerns nicht auszubremsen, brauchte er 500 bis 1000 Neueinstellungen pro Jahr: von IT-Spezialisten und Ingenieuren bis hin zu Fertigungstechnikern für die Montageplätze. 2017 tauchte der vollelektrische Porsche Taycan am Horizont auf. Allein dafür wollte das Unternehmen 1500 neue Mitarbeiter rekrutieren.

Allen Verantwortlichen bei Porsche war klar: Mit dem sinkenden Ansehen der Automobilbranche im Allgemeinen und dem elitären Image der Marke im Besonderen, werden wir zum Erreichen der Ziele nie genug qualifizierte Leute an Bord holen. Wir müssen unsere Arbeitgebermarke von Grund auf neu positionieren. Sie soll Nähe aufbauen, ohne die Produktmarke zu verwässern.

Jede Markenbildung ist ein Prozess, den man bei Arbeitgebermarken »Employer Branding« nennt.

Jede Markenbildung ist ein Prozess, den man bei Arbeitgebermarken Employer Branding1 nennt. Porsche begann erst einmal zu untersuchen, was die Qualitäten des Unternehmens als Arbeitgeber beeinflusst: die Firma als solches, die Marke Porsche, die Zielgruppen für die Mitarbeitergewinnung und den Wettbewerb. Aus all diesen Faktoren wollte das EB-Team die Essenz der Unternehmenskultur herausfiltern. Um die daran beteiligten Merkmale zu bestimmen, veranstaltete es verschiedene Workshops mit mehr als 500 Mitarbeitern quer durch alle Hierarchieebenen und Arbeitsfelder.

Im Verlauf dieser Datenerhebung offenbarte sich ein faszinierendes Spannungsfeld: Auf der einen Seite stand der Anspruch, eine neue Ikone zu schaffen. Der Sportwagen der Zukunft sollte traditionelle Werte, pure Kraft und technische Raffinesse mit zeitgemäßen Forderungen wie Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit verbinden. In scheinbarem Gegensatz dazu stand das schwäbisch-bodenständige, bescheidene, fast familiäre Miteinander bei Porsche. Aus diesen diametralen Aspekten entwickelte das EB-Team eine Positionierung, die in ein zentrales Versprechen mündete:

»Wir schaffen den Mythos von morgen. Und bleiben dabei Mensch.«

Mit der neuen Arbeitgeberpositionierung hatte Porsche seine Identität und Unternehmenskultur auf eine höhere Ebene gehoben. Jetzt galt es, diese Positionierung und das damit verbundene Angebot an die Mitarbeiter im eigenen Unternehmen und nach außen zu kommunizieren.

Der Imagewechsel ist dem Konzern gelungen. In der Mitarbeiteransprache schwingt nun klar ein kollegialer Ton. Unter dem Hashtag #achtetaufeinander etwa betont die Firma Aspekte des Miteinanders und der Arbeitssicherheit. Da sehen wir dann auf einem Plakat einen Elektro-Porsche auf der Montagestrecke zwischen zwei Mitarbeitern. Der Text zum Foto dazu sagt:

Ab jetzt gilt: möglichst eine Taycanbreite Abstand halten.

Bester Zusammenhalt funktioniert auch aus sicherer Entfernung. Bitte wahrt weiterhin möglichst 1,5 m Distanz, damit alle gesund bleiben. Vielen Dank dafür – wir wünschen euch einen tollen Start!

Für die Außendarstellung setzten die Sportwagenbauer auf maximale Authentizität. Das Kreativkonzept verzichtete weitgehend auf Studioaufnahmen und gestellte Szenen. Stattdessen verwendete es Schnappschüsse, die Porsche-Mitarbeiter »ungeschminkt und ohne Photoshop« in ihrem Arbeitsalltag zeigten. Dafür engagierte das EB-Team mit der schottischen Dokumentarfotografin Jane Stockdale eine Frau, die weiß wie man das echte Leben mit einer Kameralinse einfängt. Sie ließ sich dabei von der Wirklichkeit inspirieren und hat in spannenden Momenten einfach auf den Auslöser gedrückt. Die besten Bilder gelangen immer dann, wenn die Mitarbeiter von dem Schnappschuss nichts bemerkten.

Die so entstanden Fotos waren der »Rohstoff« für eine bemerkenswerte Kampagne, die der renovierten Arbeitgebermarke ein frisches, sympathisches und vor allem menschliches Gesicht geben. Dem Bedürfnis jüngerer Mitarbeiter nach einer sinnstiftenden Tätigkeit begegnet Porsche mit einer klaren Botschaft: Menschen, die ihren Träumen folgen, sind bei uns genau richtig. Das verbindende Element zwischen den Traumwagen der Firma (Slogan: »Driven by dreams«) und ihren Traumjobs sind also – wer hätte es gedacht? – die Träume.

Auf diesen »roten Faden« sind sämtliche Botschaften der ab 2023 ausgespielten Kampagne abgestimmt. Dazu gehören Videos aus dem Arbeitsalltag, Mitarbeiterberichte und großformatige Onlineplakate. Die Bilder auf den Postern zeigen eine bunte Mischung von Mitarbeitern verschiedener Altersgruppen, Berufsabschlüsse, Fachbereiche und Führungsebenen. Die abgebildeten Menschen sagen Dinge wie: »Wer vernetzt träumt, macht das am besten bei uns.« Oder: »Träumen in JAVA.« Oder auch: »Träume auf die Straße bringen. Und auch auf die Rennstrecke.«

Für Porsche hat es sich gelohnt, die Arbeitgebermarke aufzupolieren und seine menschliche Seite zu zeigen. Die Stuttgarter sind mit ihrer neuen Arbeitgeberpositionierung richtig durchgestartet. Sie konnten in der Rangliste der beliebtesten Arbeitgeber aufsteigen, während sich alle anderen Fahrzeughersteller abwärts bewegten. Heute wird die Kollegialität von den Porsche-Mitarbeitern als besonders gut eingestuft. Das Unternehmen hat es geschafft, das Image des abgehobenen Sportwagenbauers abzustreifen.

Dies belegen Umfragen im eigenen Haus. 2020 hielt die Mehrheit der Belegschaft ihre Firma für den besten Arbeitgeber. Der Stuttgarter Nachbar Daimler war auf Platz 6 gefallen, wo zwei Jahre zuvor noch Porsche stand. Damals hielten die Mitarbeiter einen Job beim Sportartikelhersteller Puma noch für das Nonplusultra.

Und wie hat sich das Image der Arbeitgebermarke Porsche in der Außenwahrnehmung geändert? Allein von 2018 bis 2019 ist die Zahl der Follower im weltgrößten sozialen Business-Netzwerk LinkedIn um fast 70 Prozent gestiegen. Heute werden dort über Porsche mehr Beiträge denn je geteilt oder durch Likes goutiert.

Viel wichtiger ist jedoch, dass die Sportwagenschmiede mithilfe der Employer-Branding-Kampagne und mit »überschaubarem Einsatz« die heiß begehrten IT-Spezialisten und Ingenieure an Bord holen konnte. Auf die Frage, was den Ausschlag für ihren Wechsel zu Porsche gegeben habe, nannten über 35 Prozent der Neueinsteiger die Employer-Branding-Aktivitäten des Unternehmens – auch das ein Spitzenplatz im Vergleich zu Daimler, Audi und BMW.

Dringender Handlungsbedarf

»Was können Führungskräfte heute tun, um möglicherweise die Welt zu retten? … Ändern Sie die Art und Weise, wie Ihre Mitarbeiter geführt werden.«

Jim Clifton

(CEO des Meinungsforschungsinstituts Gallup, *1951)

Unsere Geschichte aus dem vorherigen Kapitel zeigt: Selbst in einer Krise können Unternehmen mit einer starken Arbeitgebermarke durchstarten und sich von ihren Konkurrenten abheben. Natürlich ist jeder Betrieb so einzigartig wie die Menschen, die in ihm arbeiten. Deshalb ist das Employer Branding von Porsche keine Blaupause, die sich auf jede Firma eins zu eins übertragen lässt. Trotzdem können wir aus der »Porsche-Story« einige Lektionen lernen, die wir im weiteren Verlauf des Buches eingehend beleuchten werden.

Die meisten Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt können wir nicht beeinflussen. Aber wir können die meisten Veränderungen als Chance nutzen.

Die erste Lektion gleich vorab: Die meisten Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt können wir nicht beeinflussen, aber wir können die meisten Veränderungen als Chance nutzen. Der eskalierende Fachkräftemangel gehört zweifellos zu den ernsteren Bedrohungen für das Wachstum von Unternehmen. Darüber ist in den letzten Jahren so viel gesagt und geschrieben worden, dass ich mich an dieser Stelle kurzfassen kann.

2019 sind die ersten Babyboomer aus dem Arbeitsleben ausgestiegen, also Menschen, die nach dem Zweiten Weltkrieg bis etwa 1964 zur Welt kamen. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) im August 2022 in einer Pressemitteilung berichtete, sind die Folgen des demografischen Wandels dramatisch:

»Nach Angaben […] aus dem Mikrozensus 2021 werden 12,9 Millionen Erwerbspersonen bis 2036 das Renteneintrittsalter überschritten haben. Dies entspricht knapp 30 % der dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehenden Erwerbspersonen, bezogen auf das Berichtsjahr 2021.«

Alarmierende Zahlen. Von den Erwerbstätigen des Jahres 2021 wird bis 2036 annähernd jeder Dritte das Rentenalter erreicht haben. Wie die folgende Grafik anschaulich zeigt, stellte im Jahr der Datenerhebung keine Generation so viele Erwerbstätige wie die 50- bis 64-Jährigen (siehe Abb. 2). In den folgenden Geburtenjahrgängen kommt es zu einem starken Einbruch der Erwerbsbeteiligung. An exzellent ausgebildeten Fachkräften wird es daher ebenso mangeln wie an Helfern ohne Berufsausbildung.

Abb. 2 Steht die Bevölkerungspyramide kopf, blutet der Arbeitsmarkt aus

»Das Problem der Zukunft heißt Arbeiterlosigkeit« lautete deshalb die Überschrift eines alarmierenden Artikels, den das Handelsblattim Februar 2022 veröffentlichte. Davon besonders stark betroffen sind das Handwerk, die Metall- und Elektroindustrie, der MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) und die Pflege. Aber auch in anderen medizinischen Berufen, im Baugewerbe und weiteren Branchen spitzt sich der Mangel an Fachkräften, Zu- und Hilfsarbeitern bedrohlich zu.

Eine Erleichterung der angespannten Lage erhoffen sich manche vom Zuwachs der Bevölkerung durch Migration. Zum Jahresbeginn 2024 lebten 84,7 Millionen Menschen in Deutschland, so viele wie nie zuvor. Wie sich diese Entwicklung auf den Fachkräftemangel auswirken wird, bleibt abzuwarten. Bei den Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine hat sich deutlich gezeigt, dass bürokratische Hürden in Deutschland die schnelle Anerkennung von Fachabschlüssen immer noch erschweren. Anders ausgedrückt: Die Fachkräfte sind zwar da, aber man lässt ihre Qualitäten brachliegen.

Mancher Politiker und Unternehmer hierzulande wünscht sich wohl, der Zuzug von mehr Arbeitnehmern aus kinderreichen Regionen könnte die Altersstruktur der Bevölkerung positiv beeinflussen. 2023 war davon aber noch nichts zu spüren. Trotz der Zuwanderung gab es in Deutschland 300000 mehr Todesfälle als Geburten. Vielleicht ist es blauäugig, von den Neubürgern größtmögliche Integration und Übernahme unseres Lebensstils zu erwarten und sich zugleich eine Familienplanung wie in ihren Heimatländern zu wünschen.

Mancher erhofft sich eine Entlastung des Arbeitsmarkts durch die Künstliche Intelligenz. Zweifellos wird KI im Privaten und im Beruf vieles vereinfachen. Ob sie dabei helfen kann, die Wirtschaft aus dem Jammertal des Fachkräftemangels herauszuführen, wird sich zeigen. Manche Experten bestreiten dies.

Wie wir sehen, ist der Arbeitsmarkt eine Gleichung mit vielen Unbekannten. Einfach zu hoffen, irgendwie werde sich alles zum Guten wenden, ist aus unternehmerischer Sicht gefährlich. Das Prinzip Hoffnung ist zwar gut für die Moral, doch es verändert wenig. Schon heute hat der Fachkräftemangel Auswirkungen auf die Volkswirtschaft. Obige Zahlen lassen deutlich erkennen, dass er bald auch solche Branchen erreichen wird, denen es heute noch gut geht.

Es ist nicht so, als hätten deutsche Unternehmen die Wichtigkeit einer starken Arbeitgebermarke nicht erkannt. Nur hapert es immer noch an der Umsetzung.

Diese Aussichten sollten Unternehmen eigentlich zu vermehrten Anstrengungen bewegen, um sich als starke Arbeitgebermarken zu positionieren. Wie eine Studie von Universum, einer EB-Beratungsfirma, erkennen lässt, zeichnen sich die Firmen hierzulande in dieser Hinsicht allerdings eher durch Rückschrittlichkeit aus. Es ist nicht so, als hätten deutsche Unternehmen die Wichtigkeit des Themas nicht erkannt. Die Hälfte der im Rahmen der Studie befragten Firmen gaben ihrer Arbeitgebermarke eine hohe Priorität. Auf dem Papier. Doch es hapert bei der Umsetzung. Nur 32 Prozent der Studienteilnehmer haben eine klare Vorstellung davon, welches Image sie ihren Mitarbeiter:innen vermitteln und wie sie die Positionierung ihrer Arbeitgebermarke kommunizieren sollen.

Auf internationaler Bühne priorisieren 89 Prozent der 90 attraktivsten Arbeitgeber das Employer Branding. Immerhin 76 Prozent dieser Unternehmen besitzen schon eine klare Arbeitgeberpositionierung und Kommunikationsstrategie.

Es besteht also dringender Handlungsbedarf, denn all die geschilderten Entwicklungen berücksichtigen nicht einmal die veränderte Haltung von Mitarbeiter:innen gegenüber ihren Arbeitgebern. Was haben Sie gedacht, als ich vorhin behauptete, Menschen jüngerer Generationen wünschten sich heute eine sinnstiftende Tätigkeit? Finden Sie die Aussage übertrieben? Ist nicht die Zahl am Ende der Gehalts- oder Lohnabrechnung das Wichtigste?

Im globalen Durchschnitt haben sich 6 von 10 Mitarbeitern schon von ihrem derzeitigen Arbeitgeber verabschiedet. Dadurch entsteht ein wirtschaftlicher Schaden in Höhe von 8,8 Billionen Dollar.

Laut dem Report »State of the Global Workplace: 2023« des US-Markt- und Meinungsforschungsinstituts Gallup denkt mehr als jeder zweite Arbeitnehmer über einen Jobwechsel nach. Im globalen Durchschnitt haben gemäß der Studie sechs von zehn Mitarbeitern ihrem Arbeitgeber innerlich bereits den Laufpass gegeben. Die Gallup-Analysten sprechen von einer »stillen Kündigung«, wenn sich jemand psychologisch von der Arbeit abkoppelt. Die Person sitzt zwar noch am Schreibtisch oder schraubt am Montageplatz, weiß aber nicht recht, was sie da genau macht oder warum das wichtig ist. Sie pflegt keine Bindungen mehr zu Kollegen oder Vorgesetzten. Sie hat resigniert. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass Mitarbeiter:innen ohne Engagement der Weltwirtschaft jährlich 8,8 Billionen Dollar kosten. Das sind 9 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts (BIP).

Wenn sich laut dem Report nur 16 Prozent der Mitarbeitenden mit ihrem Arbeitgeber verbunden fühlen, dann sollten bei allen HR- Managern und Personalverantwortlichen die Alarmglocken schrillen. Eine der wirkungsvollsten Strategien, um »stillen Kündigungen« entgegenzuwirken, ist die Bildung einer glaubwürdigen, unverwechselbaren Arbeitgebermarke. Denn zufriedene Mitarbeiter fühlen sich nicht nur stärker ans Unternehmen gebunden. Sie sind auch seine überzeugendsten Botschafter: bei Verwandten, Freunden, Bekannten und in sozialen Netzen bei all ihren Followern.

Falls ich Sie in diesem Unterkapitel aufgeschreckt habe, tut es mir leid. Oder nein, eigentlich nicht. Das Unbehagen könnte Ihre Rettung sein, sofern es mit dem Gefühl des dringenden Handlungsbedarfs einhergeht. Wir haben keine Zeit mehr zum Herumdoktern. Wenn Sie jetzt mit dem Employer Branding loslegen, muss gleich der erste Schuss sitzen. In unserer Epoche des ständigen Wandels kann das Festhalten an liebgewonnen, aber überkommenen Mustern für ein Unternehmen ins wirtschaftliche Aus führen.

Um das zu verhindern, Schwachstellen zu erkennen und alte Zöpfe abzuschneiden, ist gnadenlose Ehrlichkeit erforderlich. Auch Ihre Firma oder Organisation kann sich potenziellen Bewerber:innen mit einer starken Arbeitgebermarke attraktiv präsentieren und bestehende Mitarbeiter:innen fester an sich binden. Dazu brauchen Sie eine solide Wissensgrundlage.

Gehen wir daher zunächst den Fragen auf den Grund, was genau eine Arbeitgebermarke ist und welche Irrtümer sich um diesen Begriff ranken. Anschließend mache ich Sie mit den wichtigsten Fachausdrücken rund ums EB vertraut. Sind Sie bereit? Dann legen wir los!

Was ist eine Arbeitgebermarke?