Engelssturm - Azrael - Heather Killough-Walden - E-Book

Engelssturm - Azrael E-Book

Heather Killough-Walden

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Beschreibung

Düstere Leidenschaften – Azrael, der gefährlichste der Erzengel, auf der Suche nach der wahren Liebe

Als Azrael, ehemaliger Todesengel und umjubelter Sänger einer Rockband, auf der Hochzeit seines Bruders Gabriel der schönen Sophie Bryce begegnet, ist es um ihn geschehen: Sie ist sein Sternenengel, nach dem er zweitausend Jahre gesucht hat. Doch kaum hat er seine Seelengefährtin gefunden, wird die Beziehung der beiden auch schon auf die Probe gestellt, denn finstere Mächte haben es auf Sophie abgesehen. Azrael ist bereit, seine wahre Liebe zu beschützen – auch wenn das bedeutet, dass er die Dämonen in sich entfesseln muss ...

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Seitenzahl: 466

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Das Buch

Einst wurden vier weibliche Engel geschaffen, um den Erzengeln in Liebe und Treue zur Seite zu stehen – Sternenengel. Die Folge davon waren Neid, Missgunst und Eifersucht in den himmlischen Gefilden. Um die Zwietracht zwischen den Engeln zu beenden, schickte der Schöpfer die Sternenengel zur Erde, woraufhin die vier Erzengel beschlossen, vom Himmel herabzusteigen, um ihre Geliebten zurückzuholen. Jahrtausende der Suche blieben jedoch erfolglos – bis jetzt: Als Azrael, ehemaliger Todesengel und umjubelter Sänger der erfolgreichen Rockband Valley of Shadow, auf der Hochzeit seines Bruders Gabriel der schönen Sophie Bryce begegnet, ist es um ihn geschehen: Sie ist sein Sternenengel, nach dem er zweitausend Jahre gesucht hat. Doch kaum hat er seine Seelengefährtin gefunden, wird die Beziehung der beiden auch schon auf die Probe gestellt, denn Sophie wird von ihrer dunklen Vergangenheit eingeholt. Azrael ist bereit, seine wahre Liebe zu beschützen – auch wenn das bedeutet, dass er die Dämonen in sich entfesseln muss …

Die Autorin

Heather Killough-Walden wurde in Kalifornien geboren. Sie studierte Jura, Religionswissenschaften und Archäologie und bereiste die Welt, bevor sie beschloss, sich ganz dem Schreiben zu widmen. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in Texas.

Weitere Informationen zu Autorin und Werk erhalten Sie unter: www.killough-walden.com

Inhaltsverzeichnis

Das BuchDie AutorinPrologKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13Kapitel 14Kapitel 15Kapitel 16Kapitel 17Kapitel 18Kapitel 19Kapitel 20Kapitel 21Kapitel 22Kapitel 23Kapitel 24Kapitel 25Kapitel 26Kapitel 27Kapitel 28Kapitel 29Kapitel 30Kapitel 31Kapitel 32Kapitel 33Kapitel 34Kapitel 35Kapitel 36Kapitel 37EpilogDanksagungCopyright

Dieses Buch ist allen gewidmet, die Vampire lieben.

Vor langer Zeit versammelte der Alte Mann seine vier liebsten Erzengel, Michael, Gabriel, Uriel und Azrael. Er zeigte auf vier Sterne am Himmel, die heller leuchteten als alle anderen. Er wollte sie für ihre Loyalität belohnen und hatte Seelengefährtinnen für sie geschaffen. Vier perfekte weibliche Wesen – Sternenengel.

Doch bevor die Erzengel sich mit ihren Gefährtinnen vereinen konnten, verschwanden die vier Sternenengel. Sie wurden in alle Winde zerstreut, jenseits ihrer Gefilde und unerreichbar. Die Erzengel trafen die Entscheidung, ihre eigene Welt zu verlassen, auf die Erde zu kommen und ihre Gefährtinnen zu suchen.

Über zweitausend Jahre haben die Erzengel seither gesucht. Und sie waren mit ihrer Suche nicht allein.

Denn sie sind nicht die Einzigen, die ihre Gefilde verlassen haben und auf der Erde wandeln, um die Sternenengel ausfindig zu machen. Jemand ist ihnen gefolgt …

Prolog

Im Jahre Null unserer Zeitrechnung …

Der Erzengel Michael umfasste den Stein mit seiner rechten Hand so fest, dass seine Finger Abdrücke im Gestein hinterließen und Azrael ein Knacken hörte. Mit zusammengebissenen Zähnen bekämpfte er den Schmerz, der durch seinen Körper schoss.

Das wusste Az. Diese Qualen spürte er, als wären sie seine eigenen. Er hatte sie ja auch verursacht.

So hoch im Norden waren die Wälder licht, und Az merkte, wie der Boden unter den Füßen seines Bruders kälter und härter zu werden schien, während die Kraft seinen übermenschlichen Körper verließ. Azraels Reißzähne waren tief in Michaels Hals vergraben. Mit jedem Schluck wurden die Schmerzen heftiger.

»Az … das reicht«, stieß Michael mühsam hervor.

Es tut mir leid, dachte Az. Die Worte sprach er nicht aus, aber er flüsterte sie ins Gehirn seines Bruders. Sie bekundeten echtes Bedauern, und trotzdem konnte er nicht aufhören, Michaels Blut zu trinken.

Nicht zum ersten Mal, seit sie vor zwei Wochen auf die Erde gekommen waren, spürte Az die wachsende Angst seines Bruders. Bald würde Michael Gewalt anwenden, um ihn abzuwehren. Eine unvermeidliche Tragödie.

Mit golden glühenden Augen unter halb geschlossenen Lidern beobachtete Az, wie sein Bruder den Stein, den seine Finger umklammerten, hob. Nachdem er ein weiteres Mal das Gesicht verzogen und vor Schmerzen gestöhnt hatte, schmetterte Michael ihn Azrael gegen die Schläfe. Das hatte Az vorausgesehen, den Gedanken seines Bruders mehrere Sekunden vor der Tat registriert, und dennoch hatte er nicht aufhören können zu saugen, weil er das Blut so dringend brauchte.

Von dem Schlag wurde er zur Seite geschleudert, seine Zähne aus Michaels Hals gezerrt, in dem lange Risswunden entstanden. Taumelnd fing Az sich mit starken, aber zitternden Armen ab.

Michael ließ den Stein fallen und presste eine Hand auf seinen Hals. »Az, es tut mir leid«, würgte er hervor. Auf einen Ellbogen gestützt, versuchte er, die Wunde zu schließen, die sein Bruder verschuldet hatte. Das war Michaels Talent: die Heilkraft.

Und Azraels Talent? Die Fähigkeit, Schaden anzurichten. Anscheinend würde ihm niemals etwas anderes gelingen.

Unter Michaels Handfläche bildeten sich Licht und Wärme und sandten heilsame Energie in die Wunde. Az beobachtete ihn schweigend, den Kopf gesenkt, sein langes schwarzes Haar verbarg seine Züge vor dem Blick seines Bruders.

»Az?« Michael entfernte die Hand von seinem Hals. Offenbar war die Wunde geheilt.

»Hör auf, Michael«, sagte Az, »ich kann es nicht ertragen.«

Der blonde Erzengel schloss die Augen, als der überirdische Klang von Azraels Stimme in sein Gehirn und seinen Körper drang. Az las alle Gedanken seines Bruders, auch die oberflächlichen. Verzweifelt suchte er nach einem flüchtigen Wort oder Satz, nach irgendetwas, was ihn von der endlosen Tortur seiner neuen Existenz ablenken würde.

Nun dachte Michael, dass Azrael eine wirklich schöne Stimme hatte.

Beinahe hätte Az angefangen zu lachen. Schon immer hatte er eine unglaubliche Stimme besessen. Aber jetzt, seit er diese eigenartige, schreckliche irdische Gestalt angenommen hatte, klang seine Stimme intensiver denn je. Das musste er sich eingestehen. Er war ein Monster geworden  – ein Monster mit einer ungewöhnlichen Stimme.

Außerdem dachte Michael, er würde Verzweiflung aus dieser Stimme heraushören.

Natürlich. Konnte es anders sein? Az war so verzweifelt wie kein Lebewesen je zuvor.

Michael öffnete die Augen und betrachtete den zusammengekrümmten Körper seines Bruders. »Die Schmerzen, die du durchleidest, können nicht viel länger anhalten«, sagte er leise.

»Ein einziger Moment länger ist zu lange«, flüsterte Az. Langsam und mühselig richtete er sich auf, um seinen Bruder mit seinem stechenden, unnatürlichen Blick zu beeinflussen. »Töte mich.«

Michael wappnete sich gegen den Angriff und schüttelte den Kopf. »Niemals.«

Warum Az überhaupt versuchte, das zu verlangen, wusste er selbst nicht. Wenn sich einer der vier Erzengel-Brüder hätte entschließen können, einen der anderen zu töten, so wäre es nicht Michael gewesen, sondern am ehesten Uriel, der Racheengel. Nur Uriel könnte seinen Verstand lange genug ausschalten, um zu dem tödlichen Schlag auszuholen, den Az ersehnte.

Aber Uriel war nicht bei ihnen. So wie ihren anderen Bruder, Gabriel, hatte ihn der rasante Sturz zur Erde irgendwohin verschlagen. Die vier Erzengel waren getrennt und verstreut worden wie welke Blätter in einem Hurrikan. Azrael hatte keine Ahnung, wo die anderen steckten, geschweige denn, was sie gerade machten. Und es interessierte ihn auch nicht. Nur eins wusste er: Als er seine menschliche Gestalt angenommen hatte, war er verwandelt worden.

Michaels Macht hatte nach dem Fall nachgelassen. Mehr oder weniger war das Wesen seiner übernatürlichen Kräfte gleich geblieben und der Erzengel immer noch der beste Kämpfer, den Azrael kannte, und wahrscheinlich der beste in der ganzen Schöpfung. Zudem besaß er nach wie vor seine Heilkräfte. Doch der Wirkungsbereich seiner Macht hatte sich verringert. Jetzt konnte er nur mehr beeinflussen, was sich in seiner unmittelbaren Umgebung befand, und das auch nur kurzfristig. Sein Körper ermüdete sehr schnell, er war hungrig und fühlte sich oft schwach. Auf drastische Weise hatte er sich verändert.

Aber nicht so sehr wie Azrael.

Der einstige Todesengel spürte eine andere Veränderung als Michael. Dunkler, schmerzlicher. Seine neue Gestalt schien wie der Inbegriff der negativen Energien, die er während seiner ewig langen früheren Existenz gesammelt hatte. In der Sphäre der Sterblichen hatte er als Sensenmann Unzähligen das Leben genommen. Nun belastete ihn das Gewicht dieser Seelen. Zu seiner Verwandlung gehörten die Reißzähne eines Ungetüms, eine Aversion gegen das Sonnenlicht, die ihn zur Flucht in nächtliche Schatten zwang, und – am allerschlimmsten – ein ständiger Durst nach Blut.

Immer Blut.

»Bitte, Michael.« Azraels breite Schultern zitterten ein wenig, als er die Hände zu Fäusten ballte und die mächtigen Muskeln an seinem Oberkörper hervortraten. Er musterte seine Hände, die schmalen, perfekten Finger, und bestaunte seine helle Haut. Welchen Kontrast sie zur Mitternachtsschwärze seines Haars bildete, wusste er. Nun war er ein personifizierter Widerspruch, und das galt sogar für seine Augen. Obwohl die Sonne in ihnen brannte, leuchtete seine Iris genauso wie dieser Riesenstern. Es war der blanke Hohn, grausam und gnadenlos. Jetzt gesellte sich Zorn zu dem Schmerz, der seinen übermenschlichen Körper durchströmte. Er fletschte seine Zähne, entblößte die blutroten Fänge. »Zwing mich nicht dazu zu betteln.«

Michael stand auf, wich zu einem der wenigen Bäume zurück und öffnete den Mund, um das Ansinnen seines Bruders erneut abzulehnen.

Da stürzte sich Azrael plötzlich auf ihn. Michaels Körper prallte gegen den Baumstamm, hinter ihm zersplitterte das Holz. Er war schwächer als noch vor wenigen Minuten. Dafür hatte Az gesorgt. Der Blutverlust beeinträchtigte die Reflexe des einstigen Kriegers. Obwohl er seine Wunden auch auf der Erde immer noch heilen konnte, misslang es ihm aus irgendwelchen Gründen, das fehlende Blut zu ersetzen. Eine neue Schwäche. Und gefährlich, weil er sich Azraels neuer blutrünstiger Gestalt ausgeliefert sah.

Seit zwei Wochen schon sahen sich die beiden Brüder nun jede Nacht in denselben Kampf verstrickt, und Az wusste nicht, wie lange sein Bruder noch durchhalten würde. Er selbst war trotz der Schmerzen, die ihn fast zum Wahnsinn trieben, sehr stark, vermutlich der kräftigste der vier Erzengel, doch der Blutdurst machte ihn zu einem wahren Monster und drohte, ihn zu verzehren.

Auf der Erde war das Leben anders. Bisher hatten sie keine Unannehmlichkeiten ertragen müssen. Keinen Hunger. Keinen Durst. Für beide waren diese Gefühle neu. Aber was immer Michael in seiner Menschengestalt erdulden musste – Azraels Qual war tausendmal schlimmer.

Vorher hatte kein Schmerz existiert. In keiner Form. Für keinen von ihnen. Was Leid bedeutete, hatte Az erst erkannt, als seine Seele hier unten gelandet war und sich in seiner jetzigen dunklen Gestalt wiedergefunden hatte.

Aber trotz allem, was er seinem Bruder zumutete, wusste Azrael, dass Michael ihn nicht aufgeben würde. Weder jetzt noch jemals. Der dumme Erzengel würde wohl eher sterben.

Mühsam schob Michael ihn weg. Az wich zurück, wartete lange genug, damit sein Bruder sich für einen weiteren sinnlosen Kampf wappnen konnte. Irgendwo kämpften Uriel und Gabriel nun wahrscheinlich genauso. Entweder gegeneinander oder gemeinsam gegen Feinde. Falls Az und Michael das hier überlebten und Azrael am nächsten Morgen nicht einfach ins Sonnenlicht ging, würden sich alle vier finden.

Aus einem ganz bestimmten Grund waren sie auf die Erde gekommen, wenn es Az in seinem derzeitigen Elend auch schwerfiel, darüber nachzudenken. Die vier Lieblingserzengel wollten ihre anderen Hälften aufspüren, die Seelengefährtinnen, die der Alte Mann für sie erschaffen hatte, ihre Sternenengel.

Sofern das grausige Chaos, das Az jetzt zutiefst verletzte, ihm einen Hinweis auf den Verlauf dieser Suche gab, würden sie die Sternenengel wohl kaum finden, bevor sie einander nicht wiedergefunden hatten, und selbst dann vielleicht nicht.

Doch im Moment war ihm das ziemlich egal.

Michael knirschte mit den Zähnen, verengte die Augen und krempelte die Ärmel hoch. Als Az wie der Blitz auf ihn zustürmte, kam er ihm auf halbem Weg entgegen.

Vor elf Jahren …

Mit zusammengebissenen Zähnen schnitt Sophie eine Grimasse, da ein heftiger Schmerz ihr Knie durchfuhr, und stand hastig auf. Die Wildblumen in ihrer rechten Hand waren noch stärker zerdrückt. Beim letzten Sturz hatten sie mehrere Blütenblätter verloren, diesmal war der Schaden irreparabel. In ihrer schwitzenden Handfläche verwelkten die Stängel der Butterblumen, Nachtviolen und Milchsterne, der zweite Sturz hatte die weißen Veilchen fast völlig vernichtet.

Doch sie hatte keine Zeit, neue Blumen zu pflücken. Nach einem angstvollen Blick über die Schulter lief sie weiter über den Friedhof. Mit ihren vierzehn Jahren hatte Sophie viel zu lange Beine. Normalerweise sah sie wie eine Puppe auf Stelzen aus. Aber jetzt war sie dankbar für die Stelzen, die sie in Windeseile über den Green-Wood Cemetery von Brooklyn trugen, zum Grabstein und der leeren Vase, die hinter dem nächsten kleinen Hügel warteten.

Er war dicht hinter ihr, sie hörte sein Grunzen. So schnell konnte er sich nicht bewegen, ohne zu grunzen. Wenn er rannte, machte er Geräusche, wie auch bei allen anderen Aktivitäten. Im Schlaf schnarchte er, beim Essen ächzte er, und sein Atem ging immer pfeifend, was an seinem dicken Hals und verengten Nasenhöhlen liegen musste.

Diese Geräusche verfolgten Sophie in ihren Albträumen. Jetzt wurde sie von ihnen gewarnt. Deutlich hörte sie ihn im feuchten Nebel über den Hügeln, jedes Knirschen seiner Tennisschuhe, jedes Hmpf, Hmpf, Hmpf war eine Alarmglocke, die seine drohende Nähe ankündigte.

Noch hundert Meter. Wie einen Magneten spürte sie das Ziel. Ihr Herz raste, ihre Augen tränten, der unebene Boden strapazierte ihre Fußgelenke, aber sie stürmte weiter. Beinahe sah sie den Grabstein. Dort würde ihre Mom warten, wie immer in einer orangefarbenen Kapuzenjacke. Auf dem Stein würde ihr Dad sitzen, lebhaft gestikulieren und mit seiner Frau reden, doch die würde nicht zuhören, weil sie nach ihrer Tochter Ausschau hielt. Immer wartete sie auf Sophie.

Noch fünfzig Meter …

»Sophie! Komm zurück, verdammtes kleines Biest!« Die Stimme ihres Verfolgers zerschnitt den Nebel und die Erinnerungen wie eine Kettensäge, die durch Fleisch glitt. Brutal, atemlos, grausam. Der Ruf klang so wütend wie nie zuvor. »Ich schwöre bei Gott, ich bringe dich um, du Miststück!« Am Fuß des Hügels hörte sie ihn im feuchten Gras ausrutschen und rannte schneller.

Noch dreißig Meter, und schon lugte der Grabstein durch wirbelnde Nebelschwaden wie ein Leitstern. Obendrauf lagen mehrere kleine Steine, die Sophie bei ihren letzten Besuchen zurückgelassen hatte.

»Halt!«, brüllte er. Mit jedem weiteren Schritt, zu dem er gezwungen wurde, wuchs sein Zorn.

Aber sie blieb nicht stehen, denn ihre Mutter wartete.

Da war sie, in ihrer Lieblingsfarbe. Warmherzig lächelte sie Sophie an, die tränenüberströmt vor dem Monster floh, die Jeans zerrissen, die Knie blutig. Da war sie und winkte ihr zum Gruß, das karamellfarbene Haar schimmerte im Sonnenlicht, das aus dem Nirgendwo kam.

Sophie rief nach ihr und wünschte, ihre Mom würde es hören und wissen, wie sehr sie sich bemüht hatte. Vor den Füßen der Mutter ragte der Metallrand der Vase lockend aus dem Nebel.

Doch das Monstrum kam immer näher, und die Mutter schien nichts zu hören. Viel zu dicht hinter Sophie knirschte es. Hmpf, Hmpf, Hmpf …

Nein!

An ihrem Rücken riss das Hemd, der Kragen würgte sie fast bis zur Ohnmacht, als der Pflegevater sie packte und zu sich herumriss. Beide fielen zu Boden, Sophie landete auf ihrem Arm und zerquetschte den letzten Rest der Wildblumen, die sie für den Geburtstag ihrer Mom gepflückt hatte. Fast hätte sie laut geschrien, aber sie hatte längst gelernt, vor diesem Raubtier keine Schwäche zu zeigen.

Niemals durfte man es Blut wittern lassen.

»Was bildest du dir denn ein? Dir werd ich’s zeigen …« Er sprang auf und zog sie hoch, ehe sie durch die Sterne, die vor ihren Augen tanzten, etwas sehen konnte. »Widerliches kleines Aas! Nur Ärger machst du mir. Einen Dreck bist du wert!«

Unbarmherzig grub er seine Finger in ihren Arm und zerrte sie über den Friedhof zurück. Sie ignorierte den Schmerz und wandte ihren Kopf zu dem wartenden Grab. Jetzt war die Mutter verschwunden. Zum ersten Mal seit acht Jahren leuchtete kein Orange über dem Stein. So leer und einsam sah das Grab aus.

Die Nebelschleier färbten sich rot und hüllten den Friedhof in feurige Schatten. »Nein!«, schrie Sophie und erkannte nicht einmal ihre eigene Stimme. Ehe ihr bewusst wurde, was sie tat, riss sie sich von ihrem Pflegevater los, seine schmutzigen Fingernägel zerkratzten ihren Oberarm, und sie stolperte rückwärts. »Nein!«, kreischte sie noch einmal. In ihrem Blut kochte heller Zorn und tauchte die Landschaft in Scharlachrot. »Geh weg!« Unkontrollierbar zitterte sie vor Wut und trat noch weiter zurück.

Ihre Mom war verschwunden, Sophie hatte die Blumen verloren, und am Geburtstag ihrer Mutter stand die Vase leer.

Mit großen Augen starrte Alan Harvey sie an. Über sein unrasiertes Gesicht flackerte etwas Seltsames. Vielleicht Verblüffung, vielleicht etwas anderes. Sein Blick streifte ihren Hals, dann ihre nackte weiße Schulter, wo er ihr das Hemd zerrissen hatte. »Was, du kleine Schlampe?«, zischte er. Jetzt klang seine Stimme anders, tiefer und heiser vor einer Erregung, die Sophie den Magen umdrehte. »Willst du mit mir kämpfen?«

Entsetzen lähmte ihre Beine, das Herz hämmerte ihr in den Ohren, ein eisiges Grauen drohte sie zu überwältigen. Sie war ganz allein mit ihm in diesem verlassenen Teil des Friedhofs. Offenbar hatte sie ihn zu sehr erzürnt. Ihr Blickfeld verengte sich, Harvey machte einen Schritt auf sie zu. Nun würde er sie hier draußen vergewaltigen und töten. Um ihre Leiche zu verscharren, würde er es nicht allzu weit haben. Ich werde sterben, dachte sie, das war’s.

Als er sich auf sie warf, war sie zu benommen, zu schwach vor Angst, um ihm rechtzeitig auszuweichen. Sie spürte den Aufprall, den Schmerz und dass sie stürzte. Unter ihr klirrte etwas, die Ecke einer Gedenktafel bohrte sich in ihre Hüfte.

Harvey krallte seine Finger in den Hosenbund ihrer Jeans – und plötzlich agierte Sophies vierzehnjähriger Körper aus eigenem Antrieb. Ihr Bein schwang hoch, wie von einer fremden Macht kontrolliert. Hart und fest rammte sich ihr aufgeschürftes, blutiges Knie zwischen die Schenkel ihres Angreifers. Doch das genügte nicht, um ihn abzuschütteln. Grunzend begrapschte er sie. Immer grunzte er. Und er war so schwer. Ihre Handgelenke drehten sich, ihre Fingernägel gruben sich in seine Haut, ihre Fäuste schlugen nach ihm. Als er sie ohrfeigte, empfand sie keinen Schmerz. Sie hörte nur ein Klatschen, ihr Kopf ruckte seitwärts, und ihre Zunge schmeckte etwas Warmes, Metallisches. Verbissen kämpfte sie um ihr Leben.

Schließlich stießen ihre rechten Fingerknöchel gegen etwas Hartes, Kaltes. Metall. Was das war, erkannte sie sofort. Harveys Revolver. Woher er den hatte, wusste sie nicht. Aber er liebte es, die Waffe hervorzuholen und zu reinigen, zu laden und zu entladen, und er trug sie stets, in seinen Hosenbund gesteckt, mit sich herum.

So wie jetzt. Zwischen seinem schwammigen Bauch und den Jeans steckte sie. Sophie schlang ihre tauben Finger um den Revolver und zwang sich, ihn fest zu umklammern. Dann zog sie an ihm und spürte, wie der Hahn in Harveys Fleisch schnitt.

Als dieser merkte, was sie tat, und ihr die Waffe zu entwinden suchte, beschloss sie, es darauf ankommen zu lassen. Alles war besser, als vergewaltigt zu werden. Und wenn sich der Lauf auf sie richtete, sollte es eben so sein.

Sophie drückte ab.

1

Gegenwart

Er ist ein Erzengel, sagte sie sich energisch und versuchte mit aller Macht, nicht so nervös zu sein, hier, vor dem Altar inmitten der Ruinen von Slains Castle in Schottland. Neben dem Bräutigam Gabriel stand Azrael, ihrer Meinung nach der Inbegriff eines Traummannes. Unglaublich groß und imposant gebaut, trug er einen maßgeschneiderten nachtschwarzen Anzug, der seine außergewöhnliche Gestalt perfekt zur Geltung brachte. In sanften Wellen fiel das dunkle Haar auf seine Schultern, und es juckte sie in den Fingerspitzen, es zu berühren. Seine helle Haut wirkte fast durchscheinend. In seinem teuren Smoking glich er einem hochherrschaftlichen Vampir, und die intensive Glut seiner goldenen Augen machte sie fast verrückt.

Dies war die Hochzeit ihrer besten Freundin Juliette Anderson, genannt Jules. Sophie hatte als Brautjungfer die Aufgabe, hilfreich dazustehen, den Strauß zu übernehmen und all das. Aber während der Priester die versammelten Hochzeitsgäste auf Gälisch begrüßte und die bittersüße Musik der Dudelsackpfeifer über das Grundstück des Schlosses hallte, konnte sie sich nur auf Azrael konzentrieren.

Auf Azrael, den Erzengel.

Ein paar Stunden, nachdem Sophie in Edinburgh aus dem Flieger gestiegen war, hatte Juliette ihr alles über die vier Lieblingserzengel des Alten Mannes erzählt. Soph hatte seit drei Wochen ihre eigenen Neuigkeiten loswerden wollen. Aber ein Blick in Juliettes Gesicht und der eindringliche Klang ihrer Stimme hatten Sophies Probleme sofort in den Hintergrund verbannt, wo sie immer noch warteten.

Der Bräutigam und seine Brüder waren die berühmtesten Erzengel: Gabriel, der Himmelsbote, Michael, der Krieger, Uriel, der Racheengel – und Azrael, der Engel des Todes.

So sieht er auch aus, dachte Sophie. Verstohlen musterte sie den attraktiven Mann. Er war einfach schön, auf eine Art, die es einem irgendwie erschwerte, ihn anzuschauen. Fast wie Dorian Gray. Hatte auch er seine Seele verkauft, um so auszusehen?

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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